Die neuen Studierenden der Greifswalder Universität haben bereits mit der Zimmersuche begonnen. Sie hangeln sich mitunter von einem WG-Zimmer zum nächsten, stellen sich den kritischen Fragen der vielleicht zukünftigen Mitbewohner, um dann zum Beginn des Wintersemesters eine neue Bleibe zu haben. Wie es den WGs ergeht, bis zu 30 Bewerber für ein Zimmer zu haben? Ein Erfahrungsbericht.

In meiner Vier-Raum-WG wird ein Zimmer frei, pünktlich zum Beginn der Vorlesungszeit im Wintersemester. Nun muss ein neuer Mitbewohner oder eine neue Mitbewohnerin her. Inserat geschrieben, bei wg-gesucht und dem Uniforum reingestellt. Mit den Worten, dass sich meine WG in der schönsten Straße Greifswalds befindet, zusätzlich noch Handynummer und Mail-Adresse erwähnt. Nachdem das Zimmerangebot eine halbe Stunde online gestellt war, klingelte bereits mein Telefon. “Ich wollte nur mal fragen, ob das Zimmer noch frei ist”, fragte die weibliche Stimme auf der anderen Seite. Es war der Beginn eines tagelangen WG-Casting-Marathons, der vermuten lässt, wie schwierig es für die 3.000 erwarteten neuen Studierenden sein kann, ein Zimmer zu finden.

Tag der offenen Tür, denn wir haben ein Zimmer frei.

Insgesamt meldeten sich über 50 Interessierte, größtenteils Studentinnen im ersten Semester. Manchmal klingelte mein Handy im Fünf-Minuten-Takt. E-Mails wurden geschrieben, morgens, mittags, abends. Alles in allem kamen mehr Mails als Anrufe. “Es ist günstiger, als immer anzurufen und dann eine hohe Telefonrechnung zu haben. Und es geht schneller”, erklärte mir später eine Zimmersuchende. Gut gefielen mir diejenigen, die sich in ihren Mails noch ein wenig ausführlicher beschrieben haben. Anfangs schrieb ich immer sofort zurück, verabredete Besichtigungstermine und notierte alle Namen und Uhrzeiten auf eine Liste. Über anderthalb Wochen zogen sich die Termine – 50 wurden es aber zum Glück nicht. Richtig flexibel waren die Zimmersuchenden nicht und so mussten wir uns auch oft nach den Bewerbern richten. Viele kamen von weiter weg, wie Verena aus Tübingen, manche blieben nur einen Tag, manche ein wenig länger.

Mutti im Auto lassen

Dann begannen die Tage der offenen Tür. Zusammen mit meinem Mitbewohner Stefan zeigte ich Interessierten das große Altbauzimmer, anschließend haben wir uns mit ihnen in unsere WG-Küche gesetzt und ein wenig unterhalten. “Wo kommst du her, was wirst du studieren, hast du schon WG-Erfahrung?”, wollten wir beispielsweise wissen. Das Übliche. Mit vielen Kandidaten kamen wir aber auch darüber hinaus ins Gespräch. Größtenteils waren die Suchenden aufgeschlossen, freundlich, interessiert. WG-Erfahrung brachten die wenigsten Erstsemester, dafür nahmen sie aber ihre Mütter mit. Oft ergriffen diese dann die Initiative, fragten uns über das Zusammenleben und Greifswald, während die Töchter schweigend daneben saßen. Das konnte uns nicht so richtig überzeugen, oder wie Stefan es in unserer WG-internen Auswertung formulierte: “Mutti im Auto lassen. Denn wer mit Mutti kommt, fliegt raus.”

"Habt ihr einen Putzplan?"

Generell hatten wir mit den unterschiedlichsten und größtenteils interessanten Charakteren zu tun. Der Landschaftsökologie-Student Enrico beispielsweise unterhielt uns lange mit Reiseberichten und gab einer anderen zukünftigen LaÖk-Studentin zahlreiche Tipps für ihr Studium. Oder aber auch die angehende Zahnmedizinstudentin Inga, die seit sieben Jahren auf ihren Studienplatz gewartet hat. An einem verregneten Nachmittag im August saßen fünf Zimmersuchende gleichzeitig in unserer gemütlichen Küche. Einige von ihnen waren ein wenig zu spät, andere ein bisschen zu früh, manche blieben einfach länger, als gedacht. Das Casting wurde langsam chaotisch, wir konnten so leider nicht alle Interessenten richtig kennenlernen. Manche zeigten aber dennoch Interesse, erkundigten sich beispielsweise nach einem Putzplan. Ein großer Pluspunkt für die Bewerber, wenn sie auch Fragen an uns hatten und mehr über uns erfahren wollten.

3.000 auf Zimmersuche – Eine Turnhalle wird organisiert

Von den etwa 30 potentiellen Mitbewohnern, die sich selbst im Schnitt zehn Zimmer ansahen, kamen fünf in die engere Auswahl. Manche Bewerber sagten uns aber auch ab, weil sie schon Zusagen von anderen Wohnungen erhielten. Letztendlich einigten wir uns auf Felix, der zum Besichtigungstermin extra nach seiner Arbeit aus Berlin abends noch nach Greifswald fuhr. WG-Erfahrung bringt er mit und auch sonst hat vieles gepasst. Als wir ihn anriefen, um ihm das Ergebnis unserer Überlegungen mitzuteilen, sagte er, dass er auch bereits die Zusage einer anderen WG erhalten habe und nun dort einziehen werde. Nach längerer Überlegung entschied er sich dann doch für uns. Allen anderen Interessenten erhielten eine E-Mail von uns, in der wir viel Erfolg bei der weiteren Zimmersuche wünschten. Denn dass 3.000 Erstsemester dringend ein Zimmer suchen, sehe ich immer noch an meinem Mail-Posteingang. Täglich kommen weiterhin neue Anfragen, ob das Zimmer noch frei sei. Hoffentlich finden alle Suchenden eine neue Bleibe. Im größten Notfall gibt es wahrscheinlich eine vom AStA organisierte Turnhalle, in der man während der Ersti-Woche übernachten kann.

Fotos: Christine Fratzke (Zimmer frei), Paul Mundthal (Putzplan, via jugendfotos.de)