Es hätte eine feurige Diskussion werden können. Das zumindest hätte man vermuten können, wenn man die unzufriedenen Äußerungen diverser Experten, Hochschullehrer und Studierenden der letzten Jahre und das Schimpfen auf das Bachelor-System betrachtet.

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Die Diskussionsteilnehmer

Stattdessen erwartete die etwa 50 Anwesenden am vergangenen Mittwoch im Konferenzsaal des Universitätshauptgebäudes ein gut vorbereitetes, solides und größtenteils interessantes Podiumsgespräch. Vier Experten beantworteten die Fragen, zunächst von den Moderatoren Katja Krohn (AStA – Co-Referentin für Studierendenaustausch und Internationalisierung) und Jens Pickenhan (Co-Referent für politische Bildung), später dann vom Publikum. Prorektor Professor Herbst stellte am Ende des Gesprächs amüsiert fest: „Das Langweilige an der Podiumsdiskussion ist gerade, dass es keinen Streit gibt.”

Doch zurück zum Beginn. Anfangs stellte Co-Referent Jens die theoretische Grundlage, gut recherchiert und ansprechend aufbereitet, dar: Von den Ursprüngen des Bologna-Prozesses, über die Ziele bis zu den Inhalten, wie einen vergleichbaren Hochschulabschluss und zu fördernde Mobilität, referierte er. „Im Wintersemester 2008/2009 sind bereits 75 Prozent aller Studiengänge an deutschen Hochschulen umgestellt”, schloss er seine Ausführungen.

Anschließend begann die Fragerunde. Katja Krohn wollte zunächst wissen, wann die Gäste das erste Mal mit dem Thema Bologna-Prozess in Berührung kamen. Als Erster antwortete Kurt Schanné, Referatsleiter für Hochschulentwicklung im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur: „Ich hatte Berührungen mit dem Thema, bevor es den Prozess überhaupt gab”, erklärte er ausführlich und stellte fest: „Ich finde die Idee, dass die 21- und 22-Jährigen nach dem Bachelorabschluss ein paar Jahre arbeiten, um später den Master zu machen, ganz gut.” Bedauernswert sei es allerdings, dass dies nicht immer der Realität entspräche. Letztendlich führte er er in seinen ausschweifenden Beiträgen aus, dass der Bologna-Prozess eine große Entwicklung darstelle.

Weitaus leidenschaftlicher argumentierte Alexander Müller, der sich intensiv mit dem Bologna-Prozess auseinandersetzte. Zum einen studiert der 22-Jährige Politikwissenschaft und Germanistik B.A., zum anderen zog er für die Aprilsausgabe des moritz-Magazins Bilanz nach zehn Jahren Bologna. Alexander sah ein Grundproblem: „Der Bachelor unterstützt, beispielsweise durch die vorgegebenen Stundenpläne, doch die Faulheit der Studierenden.” Weiterhin fragte der Politikwissenschaftsstudent, ob die Studierenden an der Universität gebildet oder ausgebildet werden und warum die Regelstudienzeit des Bachelors auf drei Jahre angesetzt ist.

Hamsterrad der Prüfungen

Prorektor Herbst stellte fest, dass die Chancen des Bologna-Prozesses größer seien als die Gefährdungen. Vor allem kritisierte er die verstärkte Verschulung und „das Hamsterrad der Prüfungen”. Außerdem betonte er: „Wir müssen für die Wissenschaft begeistern, das System ist dabei egal”, und gab einen Tipp, „Die Wirtschaft guckt auch auf nebenuniversitäre Tätigkeiten.” Dem konnte sich der vierte Gast, Sarina Schäfer, die auf Grund von Wartezeiten bei der Bahn eine Stunde später zur Diskussionsrunde stieß, nur anschließen. Die Psychologiestudentin – sie sitzt im Vorstand des freien Tusammenschluss von StudentInnenschaften – äußerte den Wunsch, „Bildung endlich ernst zu nehmen”.

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Scheuklappen für Studenten? AStA-HoPo-Referent Fabian Freiberger beteiligt sich an der Diskussion.

Interessanter wurde es, als sich die anwesenden Studierenden äußerten. Beispielsweise schilderte die Geographie-Studentin Elisabeth Gebert ihre Situation. „Letztes Semester hatte ich acht Prüfungen – innerhalb von vier Tagen. Wie soll man da einen guten Abschluss schaffen?”, fragte sie. Die Politikwissenschafts- und Fennistikstudentin Maria Trixa schlug daraufhin vor, dass die Studierenden zwar Prüfungen schreiben können, aber dass diese nicht benotet werden. Prorektor Herbst notierte die Anliegen der Studierenden und will diese zur Sprache bringen.

Letztendlich stellten die Gäste fest, dass nach wie vor Verbesserungsbedarf besteht, vor allem von der Seite der Universität. Alexander Müller befand: „Generell hatte die Diskussion zu wenig Zündstoff, alle waren sich einig. Jemanden mit einer oppositionellen Meinung oder einen Vertreter aus der Wirtschaft habe ich vermisst.”

Fotos: Christine Fratzke