Montag Nachmittag an der Mensa am Schießwall: Es ist bereits dunkel, als sich eine Gruppe Menschen vor dem Gebäude versammelt. Darunter sind ein paar schwarz gekleidete junge Menschen. Sie stellen Kerzen auf. Ein Polizeiwagen fährt vor – die Polizisten bleiben im Auto.

Blumen und Kerzen für obdachloses Mordopfer von jugendlichen Nazis

Zwei ältere Damen warten. Schließlich fragen sie: „Wann geht es denn endlich los? Wir sind doch nicht zum Warten hier.”- „Es geht doch ums Gedenken, nicht ums Warten”, entgegnet einer der Umstehenden.

Die Gruppe gedenkt des Obdachlosen Eckard Rütz, der vor acht Jahren ermordet worden ist. In der Nacht vom 24. auf den 25. November 2000 schlugen und traten drei jugendlichen Neonazis brutal auf ihn ein, so dass er seinen Verletzungen erlag. Vor Gericht soll einer der jungen Männer gesagt haben, dass so einer wie Rütz dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liege. Nun erinnert eine kleine Plakette, die vor einem Jahr gesetzt wurde, an diese Tat.

Matthis Fischer, Pressesprecher des Bündnisses „Schon Vergessen?” erklärt: „Vor zwei Jahren gründete sich die Initiative, weil es von Seiten der Stadt kein aktives Gedenken an Rütz gab. Letztes Jahr wurde die Gedenktafel, hier an der Mensa, gesetzt. Damit haben wir unser großes Ziel erreicht”, erläutert der 22-Jährige. „Nun möchten wir das Gedenken am Leben halten.” Ein aktives Gedenken seitens der Stadt scheint es auch heute nicht zu geben: Kein Oberbürgermeister, auch nicht die Präventionsbeauftragte Greifswalds, Dr. Christine Dembski, sind zu sehen.

Stadt behinderte die Setzung eines Gedenksteins

„Ich sehe keine offiziellen Vertreter”, bestätigt Matthis. „Aber das reiht sich in das Verhalten der Stadt der letzten Jahren ein.” Nüchtern erklärt er, dass die Bestrebungen, einen Gedenkstein zu setzen, oft verhindert worden sind. Strittig ist besonders der Ort zur Platzierung der Tafel gewesen. „Die Stadt wollte nicht, dass die Gedenktafel an den Ort des Geschehens platziert werde. Immerhin könnte hier in den nächsten Jahren gebaut werden, hieß es.”

Der Gedenkveranstaltung folgen drei Ansprachen. Zuerst spricht Annalena Neu die Bündnisrede: „Obdachlosigkeit ist ein gesellschaftlich gemachtes Problem. Menschen ohne Wohnung nehmen kaum am kulturellen Leben teil, sie werden diskriminiert, oft greifen sie zum Alkohol.”Dabei betont Neu, dass Obdachlose genau seien wie wir: „Sie haben die gleichen Wünsche und Bedürfnisse wie wir. Deshalb sollen sie nicht ausgegrenzt werden”, erläutert sie mit starker Stimme.

Anschließend redete der Dompfarrer Matthias Gürtler. Über die Beschreibung der Stolpersteine, die im Sommer in der Hansestadt verlegt wurden (webMoritz berichtete), zieht er den Vergleich zur Gedenkplakette des Eckard Rütz. „Wo getrauert wird, ist Menschlichkeit”; sagte der Pfarrer nachdenklich.

Unterstützung durch die Domgemeinde

„Von der Domgemeinde St. Nikolai werden wir -im Gegensatz zur Stadt- gut unterstützt”, meint Matthis Fischer, „denn einige Mitglieder der jungen Gemeinde engagieren sich in unserem Bündnis.” Außerdem konnte durch ein Benefizkonzert, welches 2007 im Dom stattfand, ein großer Teil zur Finanzierung der Plakette beigetragen werden.

Danach appellierte die Greifswalder Antifa in ihrer Rede an die Zivilcourage des Einzelnen und erklärte, dass sie sich für ein würdiges Denken einsetzen werde. Abschließend wurden weitere Kerzen und Blumen niedergelegt und in einer Schweigeminute an den Rütz gedacht.

„Heute sind etwa 40 bis 50 Anwesende hier”, schätzte Matthis Fischer. „Wir können mit der Anzahl zufrieden sein. Letztes Jahr waren wir deutlich mehr, da kamen sogar der Oberbürgermeister und die Präventionsbeauftragte.”

Autorin: Christine Fratzke
Foto: Luisa Wetzel