Ende des Jahres 2003. Erleichtert hält der damals 27-jährige Jens Glatzer einen Brief in der Hand. Der Lehramtsstudent für Philosophie und Kunst steht kurz vor seinem Studienabschluss an der Uni Greifswald. Allerdings bereitet eine akute Geldnot ihm Schwierigkeiten. Er empfängt kein BAföG mehr, seine Eltern zahlen nicht und ein Nebenjob ist mit den Prüfungsvorbereitungen nur selten vereinbar.

Also beantragte Glatzer einen Bildungskredit der KfW, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, den er nun in der Hand hält. „Ich schaute den Vertrag nur kurz durch. Die Erleichterung über die finanzielle Hilfe war groß und ich brauchte mir um meinen Abschluss keine Sorgen mehr machen“, schildert der gebürtige Brandenburger. Nun weiß er, dass solch ein Vertrag genauer durchgelesen werden sollte.

Studieren statt probieren

Ein kleiner Raum im Philosophischen Institut im Mai 2008. Dort sitzt der heute 32-Jährige, seit vier Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. Etwas zerknirscht spricht er heute über seine Erfahrungen mit dem KfW Bildungskredit: „ Ich bin davon ausgegangen, dass die vierjährige Auszahlungsphase zinsfrei wäre. So stand es in dem Vertrag. Dies war leider nicht der Fall.“

2003 schickte er dem Bundesverwaltungsamt (BVA), welches für die Bewilligung und Einziehung des Bildungskredits zuständig ist, eine Bewerbung, Studienbescheinigung und Prüfungsanmeldung. Das BVA gewährte diesen Antrag und sendete das Vertragsangebot für den Bildungskredit der KfW. Dieser dient dazu, Schüler und Studenten in einer fortgeschrittenen Ausbildungsphase zu unterstützen. Anders als beim BAföG, auf das nicht jeder Student Anspruch hat, wird der Bildungskredit einkommensunabhängig ausgezahlt. Allerdings findet im Vorfeld weder Beratung, noch Warnung vor den Risiken einer Kreditaufnahme statt.

Vom Januar bis Juli 2004 wurde der Kredit monatlich mit 300 Euro an den Studenten ausgezahlt. In dieser Zeit lebte er ausschließlich von diesem Geld und legte erfolgreich sein erstes Staatsexamen ab. So weit so gut.

Bis auf das Kleingedruckte

Der Darlehensverlauf gliedert sich in drei Phasen. In der Auszahlungsphase wird der Kredit an den Kreditnehmer überwiesen. Darauf folgt die Karenzphase, in welcher der Kredit zurückgezahlt wird. Abschließend folgt die Tilgungsphase. Und hier liegt das Problem. Im Rahmenkreditvertrag
ist die Karenzzeit, die bei Glatzer vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 lief, zins- und tilgungsfrei. Auf dem gleichen Papier weiter unten befinden sich die Kreditkonditionen der KfW. Unter Punkt 2.1.1 steht, dass der Kredit von der Auszahlung, also zum Beginn der Karenzphase, an zu verzinsen sei. Zinsfrei und doch zu verzinsen?

Ein deutlicher Widerspruch im Vertrag. Der Philosoph sagt: „Letztendlich habe ich mich für den KfW Kredit entschieden, weil dieser vier Jahre zinsfrei ist. Dass eine Anstalt des öffentlichen Rechts, also die KfW, solche widersprüchlichen Verträge ausstellt, hätte ich nicht gedacht.“ Die Auszahlungsphase erfolgte nicht zinsfrei. Die Zinsen, mit einer Einstiegshöhe von 3,13 Prozent, werden vier Jahre lang „gestundet“, also addiert und danach auf einmal eingefordert. Der Uni-Mitarbeiter weiß: „Das ist leider Auslegungssache. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich ein halbes BWL Studium brauche, um die Terminologie zu verstehen.“ Widerwillig und nach mehreren Ermahnungen zahlte er die Zinsen. „Ein Fehler. Ich sehe mich im Recht und möchte mein Geld wiederhaben.“ Die Kreditanstalt zeigt sich trotz Rechtsbeistand unnachgiebig und verweist stets auf Punkt 2.1.1. Jens Glatzer wird weiterhin auf sein Recht pochen.

Geschrieben von Christine Fratzke