Streicheleinheiten und Lob – nichts wünscht sich das Studentenparlament (StuPa), welches auf seinen Sitzungen Licht in die großen Fragen der Hochschulpolitik bringt, sehnlicher. Am besten gepaart mit einem hübsch aufpolierten Image. Mit ?mehr Transparenz und mehr Öffentlichkeit? versprach eine breite Mehrheit der Mitglieder im Wahlkampf genau das, woran man im letzten Jahr so überaus kläglich gescheitert ist und damit zunächst einmal das Image weiter in archäologisch interessante Erdgefilde befördert hat.

Für Alexander Schulz-Klingauf ist die mangelnde Wahrnehmung des Gremiums ein durchaus „selbstverständlicher Prozess einer Demokratie“. Daher besuchte der Lehramtsstudent schon in seiner Zeit als AStA-Referent Vorlesungen, um über getroffene Entscheidungen aufzuklären. Nur kann sich ein einzelner Parlamentarier nicht vierteilen und wirkt somit recht begrenzt. Deshalb wälzt der RCDS diesen Themenkomplex konsequenterweise gleich komplett auf den Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) ab. Aber Öffentlichkeit beginnt schon beim einzelnen StuPa-Mitglied. Jedenfalls hat der RCDS in der neuen AStA-Struktur mit dazu beigetragen, den Posten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gigantisch aufzuwerten, nämlich einem stellvertretenden Vorsitzenden unterzuschieben. „Meist lieblose und wenig aussagekräftige Flyer sind einfach unzureichend“, bemängelt Schulz-Klingauf bisherige Ergebnisse in diesem Bereich. Schon mehrfach wies er in den Sitzungen auf eine ihm zur Hand liegende, angeblich ellenlange Liste von Konzepten hin. Über genaue Inhalte setzte er dabei nicht in Kenntnis.

Dafür wird derzeit hart an einer noch nie da gewesenen Transparenz gearbeitet. Die Hochschulgruppen, welche 15 der 27 Mitglieder ausmachen, sprechen sich vorher über ihr Abstimmungsverhalten ab, andernfalls wird über ICQ die aktuelle Witterungslage beim Teilnehmer gegenüber geprüft. Nachfragen verirren sich selten vom aufgeklappten Laptop in das Plenum. Genialerweise kürzen sich dadurch die Debatten immens ab. Welch Unerhörtheit, dass Außenstehende sonst eventuell Entscheidungen nachvollziehen könnten Glücklicherweise haben sich die Kandidaten zur Wahl noch leichter zu erreichende Versprechen ausgedacht, die durchaus eine ausgeprägte kreative Ader erkennen lassen. Martin Schönpflug wollte „die Kopierpreise senken“ und „für eine möglichst objektive Lehrevaluation“ sorgen. Matthias Stiel sprach sich dafür aus, dass „Fahrradwege wieder beidseitig befahrbar und ausgebaut werden“. Außerdem wollte er sich, ebenso wie Bernd Ahnefeld für eine „Veränderung der Wohnverhältnisse“ in der Hansestadt einsetzen. Wir sind gespannt, demnächst einige Hochschulpolitiker beim Bauplanen und Schaufeln zu sehen. Wann sie ihre großartigen und sicherlich wichtigen Visionen in einem Legislativgremium einer Studentenschaft durchsetzen wollen, konnte moritz leider nicht herausfinden. Aber es könnte lustig werden. Immerhin würden diese Vorhaben den Studenten, im Gegensatz zur Öffentlichkeit, tatsächlich einen Nutzen bringen.

Probezeit dauert noch

Selbst Wähler mit wenigen oder nicht vorhandenen Erwartungen konnten diesesJahr ihren Vertreter entsenden. Carolin Schulz wollte lediglich „Hintergrundarbeit an der Universität“ kennen lernen. Ihr Abstimmungsverhalten richtet sie dabei vornehmlich nach einem Kreis Studenten, mit denen sie regelmäßig Rücksprache hält. Für mehr Engagement ließ sich die 20-jährige Bachelorstudentin aber in den Haushaltsausschuss wählen. Germanistikstudentin Schulz reiht sich in eine ganze Riege junger engagierter Frühsemester, die sich im diesjährigen Parlament einnisteten und sich nach zweieinhalb Monaten noch immer auf den Welpenschutz berufen. Damit prallen sie gegen eine Ladung Endzwanziger mit jahrelang geprüftem Sitzfleisch, die sie teils argwöhnisch beäugen, Nachfragen aber meist wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Denn ebenso wissbegierig wie unwissend gingen auch Phil Ramcke, Vertreter der SDS.Die Linke und die vier Studenten der Jusos an den Start. Letztere wollen vor allem über die im nächsten Jahr anstehenden Kommunalwahlen auf studentische Probleme aufmerksam machen. Nebenbei: Ein Mandat ist dazu nicht mal notwendig. Mehr oder weniger unkonkret Sehr beliebt unter den Kandidaten ist auch die Förderung kultureller Initiativen. Spontanes Vorgehen ist dort das Bewilligen von Finanzanträgen. Das erfordert zunächst kein besondertes Eigenengagement. Damit dürften sich die konkreten Möglichkeiten erschöpft haben. Aber nicht doch. Auch Pseudopolitiker lernen schnell. Werbung läuft durch eigene Teilnahme an Veranstaltungen. Besonders spannend scheinen die Bestrebungen des RCDS die Uni-Kulturlandschaft zu fördern, worin unter anderem moritz und das radio 89eins verstanden werden. Schon zur Wahlzeit wehrte sich das Radio vehement gegen diese Kampagne. Die Hochschulgruppe um Martin Hackober hat es sich außerdem zum Ziel gesetzt, den Service für die Studenten zu verbessern. Konkrete Vorstellungen oder bestehende Defizite können sie dabei nicht nennen, doch „die Inanspruchnahme studentischer Hilfe ist für jeden Studenten erst dann möglich sobald ein Großteil den AStA kennt“, erklärt Martin Hackober. Soviel zur Qualität des Services. Phil Ramcke wird hier konkreter: Ein Kindergarten muss in die Innenstadt, am besten in das Gebäude der Stralsunder Straße 10.

Hochzeit mit Natalie Portmann

Was viele vor lauter Übereifer allerdings nicht sahen, als sie sich wundervoll klingende Bestrebungen in ihr Profil des Wahlmoritz malen ließen, die nur leider mit dem Gremium und dessen Durchsetzungskraft wenig zu tun haben: Ihre größte Macht liegt im Vergeben von Arbeitsaufträgen, sowie netten Sanktionen gegenüber ihrem ausführendem Gremium, dem AStA. So sind von Alexander Schulz-Klingauf mindestens noch Bemühungen Richtung einer Erlaubnis zum Trinken am Arbeitsplatz in der Universitätsbibliothek zu erwarten. Auch die Jusos sind heiß darauf, ihren zwei schon gestellten Anträgen weitere folgen zu lassen. „Versprechen kann ich nichts“, meint Stephan Schumann, ein Vertreter der Juso-Hochschulgruppe. Die Mitglieder der LHG haben ihr Wahlziel als einzige eigentlich schon erfüllt. Um eine „sinnvolle und nachhaltige Finanzpolitik“ zu gewährleisten, stellen Mathias Krüger und Paul Hahnert den Vorsitz des Haushaltsausschusses, wobei sinnvoll (AStA-Werbung auf Studentenausweisen) und nachhaltig (Verkauf des Mensa-Beamers an Campus-Vision) immer eine streitbare Frage darstellen. Leider scheinen sich die Liberalen damit von allen anderen Initiativen mehr oder weniger freigestellt zu fühlen. Einer, der sich definitiv nicht seinen im Wahlmoritz gesteckten, und aufgrund sexistischer Anspielungen (Nummerngirls) zensierten, Versprechungen widmen wird, ist Florian Bonn. Der Dauernörgler möchte vielmehr „vernünftig auf den AStA aufpassen“ und hofft dabei „auf etwas mehr Unterstützung vom Rest“ als im letzten Jahr. „Für großartige politische Ziele ist dies das falsche Gremium“, sagt Bonn, der Natalie Portmann heiraten und eine Antibürokratieabgabe pro Satzungsdebatte einführen wollte. Eigentlich schade drum. Ansonsten beschließt doch einfach den Weltfrieden, vielleicht noch ein Verbot für Laptops. Das fördert die Aufmerksamkeit. Auch Kinder dürfen ihr Lieblingsspielzeug nicht mit in den Unterricht nehmen.

Geschrieben von Maria Trixa, Björn Buß