Isländische Kulturministerin über Kultur in ihrer Gesellschaft

Island ist das kleinste der skandinavischen Länder. Dass es trotzdem mehr als Geysire und töltende Pferde zu bieten hat, darüber spricht Kulturministerin Thorgerdur Katrin Gunnarsdottir. Sie ist Schirmherrin des Nordischen Klanges, der in diesem Jahr vom 2. bis 9. Mai stattfindet.

moritz: Der Nordische Klang ist das größte Festival für nordische Kultur außerhalb Skandinaviens und Finnlands. Welchen Wert messen Sie Ihrer Schirmherrschaft bei?
Thorgerdur Katrín Gunnarsdóttir: Es ist für mich eine große Ehre, die Schirmherrschaft für den Nordischen Klang 2008 übernehmen zu dürfen. Der Nordische Klang hat sich zu einer wichtigen Institution im deutsch-nordischen Kulturaustausch entwickelt. Mit meiner Schirmherrschaft möchte ich die Bedeutung, die auch wir dem Festival in unserer wechselseitigen Kulturarbeit beimessen, unterstreichen.

moritz: Dennoch kommen Sie selbst nicht zur Eröffnungsveranstaltung.
Gunnarsdóttir: Aufgrund bereits bestehender anderer terminlicher Verpflichtungen ist es mir leider nicht möglich, der Eröffnung des Nordischen Klangs beizuwohnen. Aber mit dem isländischen Botschafter in Deutschland, S.E. Ólafur Davídsson, habe ich, denke ich, einen würdigen Vertreter!

moritz: Dem bisherigen Programm sind keine Auftritte aus Ihrer Heimat zu entnehmen. Ist es dann angebracht, Sie zur Schirmherrin zu ernennen?
Gunnarsdóttir: Wir freuen uns, dass wir mit insgesamt acht Beiträgen beim diesjährigen Festival vertreten sind: Am 1. und 2. Mai tritt das deutsch-isländische Ensemble Adapter mit Neuer Musik auf, am 5. Mai folgt das Ragnheidur Gröndal Duo. Yrsa Sigurdardóttir wird drei Programmpunkte bestreiten: eine Krimi- sowie eine Kinderbuchlesung am 6. Mai. Und in ihrer Eigenschaft als Ingenieurin wird sie am 7. Mai über die Nutzung erneuerbarer Energien in Island sprechen. Außerdem wird es am 7. Mai einen Vortrag über Björk geben sowie eine Ausstellung über „Sprachglossen auf isländischen Milchkartons“. Hinzu kommt ein Übersetzungsworkshop am 5. Mai, bei dem es u.a. um eine Kurzgeschichte von Hermann Stefánsson geht.

moritz: Welchen Künstler aus Ihrer Heimat sollten die Besucher des Festivals unbedingt kennen lernen?
Gunnarsdóttir: Dem deutschen Publikum mag Island vielleicht vor allem als touristisches Urlaubsziel und Land der Geysire bekannt sein. Doch die isländische Kunst- und Kulturszene zeugt von ebenso großer Dynamik und Vielfalt, wovon die isländischen Beiträge zum Nordischen Klang einen Eindruck geben mögen. Und eine Schriftstellerin wie Yrsa Sigurdardóttir, die in drei unterschiedlichen Sparten in Greifswald zu erleben ist, ist vielleicht eine recht typische Vertreterin der isländischen Kunst- und Kulturszene. Denn diese zeichnet sich, so glauben wir, auch im internationalen Vergleich vor allem durch ihre spartenübergreifende Tätigkeit, ihren Hang zum Interdiziplinären aus.

moritz: Island ist mit etwa 300.000 Einwohnern sehr klein. Es gibt aber eine Menge international bekannter Künstler, wie Björk, Sigur Ròs or Gusgus. Fördert der Staat kreative Köpfe in besonderem Maß?
Gunnarsdóttir: Es existiert gemessen an der Einwohnerzahl wohl kein Land weltweit, in dem derart viele Menschen im Bereich der Kunst und Kultur aktiv sind wie in Island. In einer kleinen Gesellschaft wie der isländischen gehört Kreativität fast zum Alltag dazu, Spezialistentum ist dabei weit weniger gefragt. So gibt es beispielsweise auch viel mehr Quereinsteiger in die Kunst. Hinzu kommt, dass für viele der isländischen Künstler die künstlerische Idee oberste Priorität besitzt. Künstlerisches Handwerk wird damit nicht zum Selbstzweck, und das führt nicht selten zu Lösungen, die neu und andersartig erscheinen, weil für die Idee eine unverbrauchte, unverkrampfte Umsetzung gefunden wurde.

moritz: Im isländischen Parlament, dem Alþing, liegt der Frauenanteil bei 33,3 Prozent. Das ist im europäischen Vergleich eine hohe Zahl. Für einige Zeit gab es in der Republik sogar eine Partei, die sich ausschließlich für die Rechte von Frauen einsetzte, die Frauenallianz. Was machen die Isländer besser?
Gunnarsdóttir: Auch die Isländerinnen haben über einen langen Zeitraum hinweg dafür kämpfen müssen, die gleichen Rechte wie die Männer zu erlangen – und dieser Prozess ist sicher noch nicht abgeschlossen! Heutzutage sind die isländischen Frauen allerdings sehr gut ausgebildet und haben mit etwa 80 Prozent eine hohe Beteiligung am Arbeitsmarkt. Deshalb ist es nur natürlich, dass sie auch in der Politik in zunehmend stärkerem Maße vertreten sind.
Althing, das isländische Parlament, setzt sich aus 63 Abgeordneten zusammen. 1999 wurde die damals 34-jährige Thorgerdur Katrin Gunnarsdottir dort hinein gewählt. Die heutige Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur machte einen Abschluss in Jura an der Universität Island in Reykjavik. Sie ist mit dem Managing Director der isländischen Kaupthing Bank, Kristján Arason verheiratet.

Geschrieben von Maria Trixa