„Skandal“ steht über der Unterschriftenliste, die bereits rund 600 Studenten unterschrieben haben. Die zwei BWL Studenten Paul Hahnert und Mathias Krüger kämpfen um ihren Professor. Die Unterschriftenliste wendet sich gegen die in sechs Monaten anstehende Pensionierung von Professor Manfred Jürgen Matschke. Dieser hatte die Hinausschiebung seines Ruhestandes um ein Jahr beantragt, die das Bildungsministerium mit Verweis auf die ablehnende Haltung des Rektors zurückwies.

„Die ersten einhundert Unterschriften waren anstrengend – immer wieder mussten wir erklären, worum es geht. Denn kein Student wusste, was da hinter den Kulissen abgelaufen ist“, erregt sich Hahnert. Zusammen mit vielen Kommilitonen reichten Sie die Listen durch Vorlesungen und Seminare. Auch in der Innenstadt, im Fachschatsraum und im AStA-Büro sammelten sie Unterschriften.

„Wir verstehen den Rektor nicht. Matschke ist eine Koryphäe für Unternehmensbewertung. Ein Großteil des guten Rufes der Greifswalder BWL ist sein Verdienst“, erklärt Hahnert. „Matschke setzte sich stets für die gesamte Universität ein. Er hätte ein Dankeschön verdient“, ergänzt Krüger mit Nachdruck. Sie wollen bis Ende der Woche noch weitere 500 Unterschriften sammeln. „Das entspräche einer beschlussfähigen Vollversammlung der Studentenschaft“, betont Hahnert.

Auch in der Fakultät ist man sauer. Die Entscheidung des Rektors versteht man dort als eine ungebetene Einmischung.

Die Argumentation des Rektors sei widersprüchlich, erklärt der ehemalige Dekan Rollberg: „Zum einen soll nach der Begründung durch die Pensionierung jungen Professoren eine Chance gegeben werden, gleichzeitig wird der Fakultät angeboten, den Lehrstuhl vorläufig durch Matschke selbst vertreten zu lassen.“

Heikler Unterschied: Während Matschke mit einer offiziellen Verlängerung weiterhin Senatsvorsitzender bleiben würde, kann er dies bei einer nur kommissarischen Vertretung nicht. An der Universität kreisen Gerüchte, dass der Rektor in Wirklichkeit nur einen ihm unbequemen politischen Gegenspieler aus dem Weg räumen will (wir berichteten hier, hier und hier sowie hier).

Matschke bezieht als Senatsvorsitzender selbstbewusst auch unterschiedliche Positionen zum Rektor. Besonderen Zorn hatte Matschke im Spätsommer letzten Jahres auf sich gezogen, als er sich für die Verschiebung einer Ehrenpromotion der Medizinischen Fakultät aussprach. Die Doktorwürde war für den damaligen Siemens Personalchef Jürgen Radomski vorgesehen. Als die Ermittlungen wegen der Siemens Schmiergeldaffäre begannen, setzte Matschke eine Aussetzung der bereits vom Senat gegebenen Zustimmung zur Ehrenpromotion durch. „Die Entwicklung der Siemens-Affäre zeigt, dass Matschke richtig handelte“, sagt Thomas Schattschneider, Vorsitzender des AStA.

Siemens investierte viel Geld in die Universität. Radomski unterschrieb den Kooperationsvertrag für die Gründung des Zentrums für Forschungs- und Wissensaustausch (Center of Knowledge Interchange/CKI). Die erste Kooperation dieses Zentrums schlägt sich in der dritten Welle der SHIP-Studie der Medizinischen Fakultät nieder, für die Siemens fast viereinhalb Millionen Euro bereitstellt. In der Pressemitteilung der Universität wird als Partner Prof. Erich R. Reinhardt zitiert. Der Siemensvorstand trat erst letzte Woche wegen der Schmiergeldaffäre von seinen Ämtern zurück (wir berichteten).

Sowohl in München, als auch in Berlin und an anderen Universitäten wurden Ehrendoktorwürden und Honorarprofessuren an Siemensvorstandsmitglieder vergeben oder beabsichtigt, nachdem große Drittmittelprojekte gefördert wurden.

Rektor Professor Westermann möchte sich zu den Vorwürfen wegen Matschke nicht äußern. Personalangelegenheiten seien nicht öffentlich. Die Verantwortung liege im übrigen beim Bildungsministerium.

Matschke erklärt gegenüber der Ostseezeitung: „Ich habe per Zufall durch einen Anruf eines juristischen Kollegen von der Studentenaktion gehört. Ich kenne bis jetzt deren Text nicht. Als Betroffener möchte ich mich dazu auch nicht öffentlich äußern.“

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Hier Text der Unterschriftenliste:

„Skandal: Prof. Manfred Jürgen Matschke MUSS in den Ruhestand gehen! Es wurde eine Entscheidung zum Leidwesen ALLER Studenten gefällt! Zudem wurde die Entscheidung, Prof. Dr. Matschke in den Ruhestand zu schicken, entgegen der ausdrücklichen Entscheidung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (RSF) getroffen. Ohne die herausragenden Leistungen dieses renommierten Professors stünde weder der Bereich „Wirtschaftswissenschaften“ noch die Ernst-Moritz-Arndt-Universität als Ganzes so gut dar, wie durch viele Umfragen belegt. Prof. Dr. Matschke hat sich STETS für die Interessen der Studenten aller Fachrichtungen nachhaltig eingesetzt. Mit Deiner Unterschrift zeigst Du Deinen Unmut über diese umstrittene Entscheidung“.

Prominente Unterstützer:

Christian Ahrendt (MdB), Sebastian Ratjen (MdL) und der Vize-Landtagspräsident Hans Kreher (MdL), Egbert Liskow (MdL), Axel Hochschild (Bürgerschaft), Dr. Rainer Steffens (Bürgerschaft), u.v.m.

(*Update* 29.4.: Dieser Text erschien heute auch in der Ostsee-Zeitung)
(Foto rechts: Jabbusch; Foto links: Mit freundlicher Genehmigung aus dem Moritz.)