Angesichts der auslaufenden Legislatur muss sich der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) ernsthafter Kritik stellen. Eine grundlegende Neustrukturierung ist in Sicht, die auch durch Ermittlungen des Finanzamtes determiniert wird.

Wieder einmal geht eine Legislatur der studentischen Selbstverwaltung zu Ende. Das neue Studierendenparlament (StuPa) wurde im Januar gewählt und wird sich nun im neuen Semester, am 19. April konstituieren. Für den Allgemeinen Studierendenausschuss bedeutet das, dass dessen Struktur, also die Anzahl der Referate und deren Themenbereich, erst einmal neu beschlossen werden muss und danach die entsprechenden Referate neu besetzt werden, sofern sich engagierte Studenten finden, diebereit sind, ihre Freizeit für einen fordernden, aber undankbaren Job zu opfern, der viele Nerven kostet.

In der vergangenen, einjährigen Legislatur haben sich mehr oder weniger durchgehend 20 Studierende dieser Aufgabe gestellt. Der ein oder andere wird sich vermutlich noch einmal zur Wahl stellen lassen. In den vergangenen Monaten sind jedoch auch schon einige vorzeitig zurückgetreten. So zum Beispiel der Referent für Fachschaften und Gremien, Jens Pickenhan, oder die Referentin für regionale Vernetzung
und Geschichte, Sabine Wirth. Beide aus persönlichen, beziehungsweise studientechnischen Gründen. Im ersten Moment erscheint es ein wenig verantwortungslos, zurückzutreten, bevor das Studierendenparlament jemand anderen in das Amt wählen kann, weil es sich noch nicht konstituiert hat. Angesichts der momentan relativ entspannten hochschulpolitischen Lage ist ein zeitweilig nicht besetztes Referat jedoch verkraftbar.

Das liegt zum einen daran, dass die großen Themen der Legislatur vorbei sind. Die Lehrerbildung ist für Greifswald gerettet (moritz Magazin 86), das Landeshochschulgesetz wurde weitestgehend studentenfreundlich novelliert (moritz Magazin 89), die sogenannte „Masterhürde“ wurde gestrichen (moritz Magazin 88), für das Studententheaterwurde erst einmal alles mögliche getan (moritz Magazin 88). Insofern kann die studentische Selbstverwaltung ein insgesamt positives Fazit vom vergangenen Jahr ziehen. Dennoch gibt es selbst in der Eigenevaluation des AStAs deutliche Kritik. „Einige Referate sind schlicht überflüssig, es gibt nicht genug zu tun, für so viele Leute. Das endet dann darin, dass manche Referenten nur noch ihre Bürozeiten absitzen.“ erklärt die AStA-Vorsitzende Daniela Gleich. „Wir brauchen
eine Professionalisierung der Struktur, das ganze muss ordentlich umgekrempelt werden, auch damit mal frischer Wind rein kommt“, so die Studentin der Politikwissenschaft.

Der gemeinsam mit den anderen Referenten des Ausschusses erarbeitete Strukturvorschlag wurde dem StuPa als Empfehlung vorgelegt und enthält im Wesentlichen eine drastischeKürzung der Referatsanzahl. Unter anderem soll das Referat für Mediengestaltung, Onlinekommunikation und Technik, das für den Bolognaprozess und das für Studienfinanzierung dran glauben. Viele dieser Referate hätten sich inhaltlich überschnitten, eine effektivere Struktur sei nötig. Die Leitung des Gremiums soll fortan ein expliziter Vorsitzender und ein aus vier normalen Referenten bestehender Vorstand übernehmen. „Bei der Neustrukturierung des AStAs vor einem Jahr hatte man seltsame Prioritäten, das hat auch mir als Vorsitzende Schwierigkeiten bereitet, die 19 Referenten alle im Blick zu behalten und darauf zu achten, dass alle ihre Arbeit richtig machen.“, erklärt Daniela das Ergebnis der Eigenevaluation weiter.

Inwieweit diese Vorschläge vom StuPa übernommen werden, ist nicht mit absoluter Sicherheit abzusehen. Es gibt jedoch in den Vorgesprächen der einzelnen Hochschulgruppen Tendenzen in eine ähnliche Richtung, wie sie der AStA vorschlägt: Weniger aufgeblasen, professioneller, schlagkräftiger.Martin Hackbart von der Jungsozialisten( Juso)-Hochschul ruppe macht deutlich, dass die Zahl der Referenten sinkenmüsse und sich auch an der Bezahlung was ändern sollte: „Zumindest die Juso-Hochschulgruppe strebt eine gerechtere und höhere Bezahlung an. Ich gehe davon aus, dass man sich dort im linken Lager schnell einig werden kann.“ Auch von konservativer Seite aus will man den AStA wieder auf die wesentlichen Referate beschränken. „Wir müssen das ehrenamtliche Engagement in der studentischen Selbstverwaltung wieder attraktiver machen. Eine höhere Bezahlung ist da eine denkbare Alternative. Damit einhergehend müssten aber Referate gekürzt werden, weil der Haushalt nicht mehr hergibt“, so Johannes Radtke vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Ähnliche oder gleiche Antworten gaben auch die Vertreter der anderen Hochschulgruppen. So scheint Einigkeit zu herrschen im „bunten“ Haufen der Hochschulgruppen.

Neben dem mehr oder weniger selbstkritischen Rückblick auf die Legislatur gibt es noch andere Faktoren, die den Ausgang der Neustrukturierung bestimmen werden. Bereits im November vergangenen Jahres wurde der AStA vom Landesrechnungshof darauf hingewiesen, dass die bestehende Struktur so nicht tragbar sei. Es könne nicht sein, dass „der ganze Finanzkram“, wie AStA-Vorsitzende Daniela Gleich es im Gespräch nennt, von nicht ausgebildeten Studenten gemacht werde. Gemeint sind zum Beispiel Kassenwartstätigkeiten, es wäre also nicht das ganze Finanzreferat betroffen.

Der Landesrechnungshof hat uns drei Alternativen angeboten: Entweder wir geben das ganze an die Uni-Verwaltung ab, wir engagieren einen Steuerberater, oder wir stellen eine ausgebildete Bürokraft ein.“ Vor allem ersteres sei nicht denkbar. „Da könne man sich den Rektor ja direkt ins Haus holen.“ Von der AStA-Vorsitzenden wird der letzte Vorschlag präferiert, da man so die Referenten von organisatorischen Lappalien entlaste, und der inhaltlichen Arbeit Vorschub leisten könne. Die Kosten einer solchen Halbtagsstelle sei auf grob 20 000 Euro im Jahr zu schätzen. Die Hälfte davon könnte die Uni übernehmen, die andere Hälfte die Studierendenschaft, das habe der Kanzler Dr. Wolfgang Flieger in einem unverbindlichen Gespräch angedeutet. Eine solche Bürokraft sei auch kein Pilotprojekt, das gäbe es zum Beispiel auch beim AStA Düsseldorf.

Ein anderer Faktor, der in etwa schon genau so lange gärt, aber wesentlich drastischere Folgen für die studentische Selbstverwaltung haben könnte, sind die Ermittlungen des Finanzamtes. Alles begann mit einem vom ehemaligen StuPa-Präsident Korbinian Geiger in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten, dessen Ergebnis im Oktober 2010 feststand: Der AStA zahlt sittenwidrige Löhne. Der Befund überraschte damals die gesamte hochschulpolitische Riege. Mehr noch das Wort „Löhne“ als das Wort „sittenwidrig“. Letzteres ist laut StuPa-Präsident Erik von Malottki „an den Haaren herbei gezogen“, was eine weitere Prüfung durch die Rechtsaufsicht der Universität ergeben hätte.

Das Wort „Löhne“ war insofern überraschend, als dass im allgemeinen Selbstverständnis der studentischen Selbstverwaltung, die monatlichen Auszahlungen an die Referenten und Chefredakteure der moritz-Medien keineswegs Lohnzahlungen, sondern bloße Aufwandsentschädigungen sind, durch die anfallende Mehrkosten gedeckt werden sollen. Doch nach dem Gutachten vom Greifswalder Rechtsanwalt Dennis Shea und Steuerrechtler Jan Evers „stellt die Tätigkeit im Rahmen der Mitgliedschaft des AStA ein nicht selbstständiges Beschäftigungsverhältnis dar, das als solches der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterliegt. 20 Wochenstunden gehen über das Maß ehrenamtlicher Arbeit hinaus.“, so Shea gegenüber dem webMoritz.

Kurz darauf, im Dezember, meldete sich das Finanzamt mit einem Schreiben beim AStA. Im weiteren Gesprächsverlauf wurde von Seiten des Amtes deutlich gemacht, dass die AStA-Referenten in jedem Fall lohnsteuerpflichtig sind. Daniela Gleich rechnet stark mit Nachzahlungsforderungen, auch weil das Finanzamt bereits Informationen über die Auszahlungen der Aufwandsentschädigungen seit 2006 verlangt. StuPa-Präsident Erik von Malottki dagegen ist erst einmal optimistischer: „Bis jetzt rechen ich noch nicht mit Nachzahlungen. Es kann zwar sein, dass es dazu kommt, wir werden aber alles versuchen, das ganze abzuwenden.“

Dazu wird es am 13. April 2011 ein Gespräch mit dem Finanzamt geben, an dem unter anderem auch Prof. Wolfgang Joecks, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht, insbesondere Steuerstrafrecht teilnehmen wird. Einen solchen „universitären Beistand“ müsse man sich auch auf Grund eines Beschlusses des Studierendenparlamentes einholen. „Wenn es trotz dieser Verhandlungen zu Nachzahlungsforderungen kommt“, erklärt Erik, „werden wir auch einen Anwalt einschalten.“ Aus den Erfahrungen anderer ASten müsse man nicht mit einer mehr als vierstelligen Nachzahlungsforderung rechnen. Zum Beispiel hätte es in Kiel einen ähnlichen Fall gegeben: „Man hat dann mit dem Finanzamt verhandelt und sich auf einen bestimmten Betrag geeinigt.“

Ein Problem, das in diesem Komplex noch nicht zur Sprache kam sind die moritz-Medien. Im Grunde besteht kein großer Unterschied in der Anstellung eines Chefredakteurs oder eines AStA-Referenten, außer, dass das StuPa gegenüber den Chefredakteuren inhaltlich nicht weisungsbefugt ist. In diesem Zusammenhang ist es abzusehen, dass eventuell anstehende Nachzahlungen auch die moritz-Medien betreffen. Der Schiedsspruch über die Vergangenheit bleibt abzuwarten

und wird sich wohl noch etwas hinziehen. Doch selbst wenn es zu Nachzahlungen kommen wird, sollten diese im Rahmen der Rücklagen der Studierendenschaft und eventuell mit geringfügigen Einsparungen an anderer Stelle zu bewältigen sein. Das akutere Problem ist die Zukunft. „Es muss sich definitiv etwas ändern, sowohl beim AStA als auch bei den moritz-Medien.“ Zwei gangbare Wege zählt Erik von Malottki auf: „Entweder wir senken die Aufwandsentschädigung auf unter 175 Euro – dieser Betrag wurde in einem Urteil des Bundesfinanzhofes als höchster Beitrag genannt, der noch als Aufwandsentschädigung gelten kann. Oder wir nehmen Lohnsteuer und Sozialabgaben in Kauf und richten geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ein, gerade für die Knochenjobs wie den AStA-Vositz ist das eigentlich nicht anders denkbar.“ Die Entscheidung hierüber muss das neue StuPa treffen. Denkbar wäre auch eine Kombination von beidem. Man könnte den aufwendigen, aber besser bezahlten Referaten jeweils Co-Referate an die Seite stellen die bloß eine Aufwandsentschädigung erhielten.

Es scheint sich wieder etwas zu bewegen in der studentischen Selbstverwaltung Greifswalds und dieses Mal ist es nicht nur wie üblich eine hohe personelle Fluktuation, keine Intrigen, keine inszenierten Königsmorde oder dergleichen. Elementarste Strukturmerkmale werden überdacht und reformiert, zumindest bietet die aktuelle Sachlage den neuen StuPisten die Chance, solche grundlegenden Änderungen durchzusetzen. Grundlegend sollte aber auch überlegt sein. So bleibt zu hoffen, dass die frischgebackenen Hochschulpolitiker sich kein Beispiel an vergangenen Selbstinszenierungsexzessen nehmen und mehr ihr Mandat ernst und wichtig nehmen, als ihre eigene Person.

Ein Bericht von Patrice Wangen