Im Streit um die Schließung der Lehramtsausbildung hat der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Greifswald nun den Rücktritt des Bildungsministers Henry Tesch (CDU) gefordert.
Nach dem die Pressemitteilung des AStA zur letztwöchigen Demonstration mit dem Slogan „Tesch muss weg“ überschrieben war, bestätigte uns die kommissarische AStA- Vorsitzende Daniela Gleich, dass sich die politische Vertretung der Greifswalder Studierendenschaft diese Forderung zu eigen macht: „Tesch muss weg“ sei „der Ruf der teilnehmenden Studierenden an der Demo. Wenn sie das fordern, ist das auch die Forderung des AStA.“ Es habe allerdings bisher keinen offiziellen Beschluss über diese Forderung gegeben.
StuPa wurde nicht informiert
Der Greifswalder AStA, der sich noch bis in den April als Mediator in der Hochschulpolitik sah, zeigt sich damit ungewohnt deutlich in seinen Aussagen zu den Problemen in der Bildungspolitik. Daniela Gleich: „Minister Tesch fabriziert eine Bildungspolitik, die an den Meinungen der Menschen im Land vorbeigeht. Wenn so viel Unmut im Land herrscht, bei Studenten, aber auch bei den anderen Bürgern, dann ist das Grund genug für einen Minister, sein Amt abzugeben.“ Informiert habe man Henry Tesch noch nicht über die Forderung: „Das wird er dann auf der Demo in Schwerin Juli mitbekommen.“
Franz Küntzel, Hochschulpolitischer Referent und Mitglied des RCDS betont: „Der Ruf nach Teschs Rücktritt wurde auf der Demo laut, wir als AStA sind da auch in der Pflicht, die Meinung der Studenten gegenüber Schwerin zu vertreten.“ Auf Nachfrage des webMoritz erklärte der Präsident des Studierendenparlaments (StuPa), Korbinian Geiger, dass er von dieser Forderung bis dato nichts gewusst habe. Weiter kommentieren wollte er die Aussagen des AStA daher nicht.
Stärke oder Unerfahrenheit
Fraglich ist, inwieweit ein solcher Beschluss ohne die Zustimmung des Parlaments fallen kann. Vergangenes Jahr hatte der AStA eine offene Solidaritätserklärung mit dem Studententheater und GrIStuF e.V. verfasst und beschlossen. Im Studierendenparlament war man wenig begeistert über dieses eigenmächtige Handeln. In Folge der anschließenden Diskussion trat damals die gesamte AStA-Führung zurück.
Der ehemalige StuPa-Präsident Fredric Beeskow sieht die derzeitige Situation allerdings unkritisch. „Bisher gibt es ja keinen Beschluss. Der AStA-Vorsitzenden obliegt die Außenvertretung der Studierendenschaft. Wenn sie eine solche Aussage im Namen des ganzen Ausschusses formuliert ist das legitim, sei es nun ein Zeichen von Stärke oder Unerfahrenheit.“
Landesweite Bildungsdemo mit fraglichem Erfolg
Unterdessen hat in vielen Städten in ganz Deutschland der Bildungsstreik begonnen, der bereits in den vergangenen Semestern Tausende von Schülern und Studenten auf die Straße brachte. Am Haupttag, dem 9. Juni, wird es Demonstrationen in mindestens 60 Städten geben. Greifswald gehört nicht dazu.
Im vergangenen Jahr hatten die Aktivisten des Greifswalder Bildungsbündnisses noch flashmobartig die Europakreuzung und für mehrere Tage einen Hörsaal des Audimax besetzt. Nach anfänglichem Zögern hatte sich auch das Studierendenparlament und der AStA mit dem Bildungsstreik solidarisiert. Das Rektorat hatte den Aktivisten einen Raum zur Verfügung gestellt, um künftige Aktionen planen zu können. Doch in diesem Jahr lädt man lediglich zur Großdemo in Rostock am heutigen Mittwoch, dem 9. Juni.
„Statt vieler kleiner Aktionen wollen wir in diesem Jahr eine konzentrierte Großveranstaltung im Land durchführen“, sagt Martin Hackbarth, Mitorganisator der Audimaxbesetzung im vergangenen Winter. Wie erfolgreich die Demo seitens der Greifswalder Studenten sein wird, ist indes fraglich. Erst am Dienstag waren Hinweisplakate durch eine AStA-Referentin geklebt worden, um auf die Veranstaltung hinzuweisen. Auch einen Bustransfer – wie in den vergangenen Jahren zu Großdemos im Bundesland üblich – wird es nicht geben.
AStA: „Bildungsbündnis hat sich totgestellt.“
Paula Zill, Referentin für Studium und Lehre, erklärte dem webMoritz gegenüber, die Bewerbung des Bildungsstreiks in Rostock sei beim hiesigen AStA in den vergangenen Wochen untergegangen. Die eigene Demonstration in der vergangenen Woche habe viel Zeit beansprucht, auch vom Bildungsstreikbündnis sei keine Initiative gekommen: „Die haben sich totgestellt.“
Auch auf der Internetseite der Greifswalder Aktivisten hat sich in den letzten Monaten nichts mehr getan. Der letzte Eintrag stammt noch aus dem Jahr 2009. Mindestens eine der beiden angegebenen Mailadressen zur Kontaktaufnahme funktioniert nicht mehr. Auf eine Anfrage des webMoritz erfolgte seit Dienstagvormittag keine Reaktion.
Im letzten Newsletter des AStA hatte die damalige Vorsitzende Solvejg Jenssen bereits einen „Nachruf zum Bildungsstreik“ veröffentlicht und dafür viel Kritik einstecken müssen. Sie schrieb unter Anderem über die Audimaxbesetzer und ihre Räumlichkeiten:
Kaum, dass man weiß, ob überhaupt noch jemand den Raum in der Slawistik nutzt, noch dass – trotz mehrmaligem Anfragen durch den hochschulpolitischen Bereich des AStA- jemals inhaltliche Arbeit zu Tage getreten wäre. Was ist passiert, wo seid ihr hin? Wurde bemerkt, dass doch mehr dazu gehört als den Audimax zu besetzen, um etwas zu verändern oder hat man einfach die Lust verloren? Wir hätten Eure Hilfe gebrauchen können.
Laut Auskunft von Franz Künzel wird auch vom Studierendenausschuss selbst niemand nach Rostock fahren.
Bilder:
- Henry Tesch (im Artikel) – webMoritz-Archiv
- Tesch und Demonstranten (Startseite) – Carsten Schönebeck
- Daniela, Gleich, Franz Künzel – Gabriel Kords
- Europakreuzung – Frederike Kühnel
- Demonstration 2009 – Christine Fratzke
Solvejg spricht mir aus der Seele, das ist ein häufiges Problem bei "politischen Aktivisten". Wenn die Aufmerksamkeit der Öffenlichkeit erlangt ist, geht die Arbeit nämlich erst los. Keine Kohlekraftwerk – was sonst; Arndt bye bye – was danach; Hörsaal besetzt – was tun damit etc. etc.
Dabei werden auch noch die wenigen Menschen frustriert, die tatsächlich ernsthaft etwas erreichen wollen.
Ein kleiner Sieg bleibt es dennoch: Soviel Presse wie es über die Besetzung gab, wird es jetzt nicht geben.
Ein Lob für die AStA-Führung von mir.
Das ist doch genau was ich mir immer vorstelle, wenn das schwerfällige Bild eines "politischeren AStA" gebraucht wird.
Es sollen sich Positionen, welche innerhalb der Studierendenschaft getragen werden auch nach Außen an die Verantwortlichen herangetragen werden.
Die Forderung nach Teschs Rücktritt ist doch nur konsequent. Der Mann fährt dieses Land doch bildungspolitisch vor die Wand.
Seit Jahren warten wir beispielsweise alle auf das Lehrerbildungsgesetz um zu erfahren wie das Ministerium sich Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen im Land Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft vorstellt.
Es werden Dokumente von breitem öffentlichen Interesse, wie die Lehrerbedarfsstudie nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Und man will am laut Staatssekretär Michallik wichtigsten Exportgut Mecklenburg-Vorpommerns – der Bildung – sparen und damit den Bestand der Philosophischen Fakultät als Ganzes und der Theologischen Fakultät in ihrerer breiten Auffächerung bewusst auf das Spiel setzten.
Da frage ich mich doch, woher der Minister diese Logik nimmt.
Deshalb möchte ich noch einmal betonen, dass die Forderung des Rücktritts des Ministers nur konsequent ist, da sie gleichzeitig eine Forderung ist die aus der Mitte der Studierendenschaft kommt und deshalb praktisch von der Außenvertretung der Studierendenschaft, also dem AStA, aufgegriffen werden muss.
Laut Angaben des NDR waren heute insgesamt etwa 700 Menschen in Rostock für bessere Bildungsbedingungen auf der Straße
http://www.ndr.de/nachrichten/bildungsstreik130.h…
Nach Pressemittelung des Greifswalder ASTA waren letzte Woche 800 Studierende und Uni-Mitarbeiter in Greifswald auf der Straße und demonstrierten für den Erhalt der Lehrerbildung, für die Volluniversität und bessere Bildung. Merkst'e selber? http://www.asta-greifswald.de/index.php?option=co…