Zum Fall des ausgebooteten Vortragsredners Schultze-Rhonhof

Nachdem am 24. November die Universitätsleitung einen Vortrag des Generalmajors a. D. Gerd Schultze-Rhonhof im Audimax untersagt hatte, rief dieser Akt sowohl im StuPa, als auch in der letzten Ausgabe des moritz ein lebhaftes Echo hervor. Schnell fielen im Zusammenhang mit dem Redner und der veranstaltenden Burschenschaft Rugia die Begriffe „rechtsradikal“ und „verfassungsfeindlich“, ja sogar die Apostrophierung „menschen-verachtend“ konnte man lesen.

Wurde aus dieser Perspektive zwar die Handlung der Universität zumeist verteidigt, meldeten sich allerdings auch viele Stimmen, die zur „Demontierung“ von Personen wie Schultze-Rhonhof eine Auseinandersetzung mit diesen in der Universität forderten. Dabei wurde eine Debatte entfacht, die sich in eine vollkommen falsche Richtung entwickelte.
Natürlich ist es begrüßenswert, Personen mit Kontakten zum Rechtsextremismus, wie dieses ja offensichtlich bei der Burschenschaft Rugia naheliegt, keine Plattform in einer Hochschule zu gewähren. Statt sich allerdings in die rechtlich schwierige und letztlich müßige Diskussion über die vermeintliche „Verfassungs- und Menschenfeindlichkeit“ von veranstaltenden Organisationen und eingeladenen Referenten zu versteigen, sollte es vielmehr Aufgabe der Universität – und damit auch des StuPas und des moritz – sein, zu prüfen, welchen fachlichen Nutzen ein Universitäts-Externer wie Schultze-Rhonhof mit sich bringt und welchen nicht. Wer aber jemals einen Blick in die „Publikationen“ von Schultze-Rhonhof geworfen hat, kommt sehr schnell zu dem Ergebnis, dass seine Schriften keineswegs akademischen Ansprüchen genügen.
Eine Person aber, die systematisch wissenschaftliche Standards bricht (und dieses sogar noch im Vorwort offen zugibt!), hat allerdings nichts an einer wissenschaftlichen Hochschule verloren. Die Erfüllung der vielfach vorgebrachten Forderung, dass es Aufgabe der Universität sei, mit Personen wie Schultze-Rhonhof in eine direkte Konfrontation zu treten, würde dagegen eine fatale Aufwertung dessen scheinwissenschaftlicher Thesen bedeuten. Kreationisten, die glauben, dass Dinosaurier und Neandertaler zur gleichen Zeit gelebt haben, werden schließlich auch nicht mittels Einladung zu Paläontologenkongressen aufgewertet, sondern in der Wissenschaft als „Lunatic Fringe“ ignoriert.

Sachliche Begründung einer „durchgefallenen“ Arbeit
Obwohl eine Auseinandersetzung also letztendlich nur eine Aufwertung bedeuten kann, soll hier wenigstens kurz auf das Buch „Der Krieg, der viele Väter hatte“ eingegangen werden.
Fängt man mit einer äußeren Kritik an, fällt augenblicklich das Literaturverzeichnis auf, mit dem sich Schultze-Rhonhof fast nur auf uralte Schinken gleichfalls revisionistischer, die deutsche Verantwortung am Zweiten Weltkrieg relativierender Literatur stützt. So findet man hier zum Beispiel neben dem Holocaustleugner Paul Rassinier, den ehemaligen SS-Mann und späteren Landserheftautor Erich Kern sowie den „klassischen“ Revisionisten David L. Hoggan. Allen genannten Autoren wurde bereits in den Sechziger Jahren nachgewiesen, nicht nur wissenschaftlich schlecht gearbeitet, sondern selbst vor systematischen Quellenfälschungen nicht zurückgeschreckt zu haben.
Im Falle des von Schultze-Rhonhof in weiten Teilen reproduzierten Hoggans, konnten zum Beispiel Hermann Graml und Gottfried Jasper schon 1962/63 durch die einfache Gegenüberstellung von „echten“ und zitierten Quellen nachweisen, dass dessen These eines Hitler „aufgezwungenen Krieges“ nur auf Hoggans gezielte Manipulation und Fälschung von Originalquellen beruhte. Da aber diese Fälschungen nunmehr seit mehr als vierzig Jahren bekannt sind, baut Schultze-Rhonhof in der unkritischen Verwendung eines Hoggans, Kerns oder Rassiniers seine Argumentation offensichtlich wissentlich auf Lügnern und deren Lügen auf.
Gegenüber der mehr als zweifelhaften revisionistischen Literatur finden sich dagegen keinerlei Verweise auf die größeren Darstellungen der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs (zum Beispiel Hermann Graml, Walther Hofer, Andreas Hillgruber und Klaus Hildebrand). Stattdessen hat sich Schultze-Rhonhof an „seriöser“ Literatur offenbar mit dem „dtv-Atlas zur Weltgeschichte“ begnügt.
Spätestens an dieser Stelle wäre allerdings eine Seminararbeit an einem Historischen Institut als durchgefallen bewertet worden, gehört es doch zur Pflicht eines Historikers, wenn man schon nicht mit der herrschenden Meinung in der Wissenschaft übereinstimmt, diese wenigstens zu kennen und das auch kenntlich zu machen. Selbst diesem einfachen akademischen Anspruch kann der Autor demzufolge nicht genügen.
Schultze-Rhonhof beansprucht allerdings auch gar nicht, dass er die historiographische Literatur zum Zweiten Weltkrieg überhaupt gelesen hätte. Ähnlich wie ein David Irving schreibt er nämlich im Vorwort stolz, dass er sich ja fast ausschließlich auf Primärquellen stütze. Ein Blick auf die Fußnoten zeigt aber, dass er an Quellen keinesfalls irgendwelche Archive aufgesucht, sondern de facto nur die längst publizierten „Akten zur deutschen auswärtigen Politik“ (ADAP) verwendet hat, die er allerdings wiederum an anderer Stelle als eine von den Siegern manipulierte, in Teilen sogar gefälschte Publikation diskreditiert.
Hier, wie auch in der von ihm geäußerten und schlichtweg falschen Unterstellung, dass ja die deutschen Historiker von den ehemaligen Siegermächten gezwungen würden, ein den Siegern gefälliges Geschichtsbild zu vermitteln, erkennt man aber spätestens die Absurdität und Paranoia der Gedankengänge von Schultze-Rhonhof.
Trotzdem hier noch zu einigen inhaltlichen Passagen: Schultze-Rhonhof geht zusammengefasst davon aus, dass es wahrscheinlich „ohne Roosevelt, Stalin, `die Kriegspartei in England? und die polnische Regierung den Kriegsausbruch von 1939 […] nicht gegeben“ hätte. Hitler wäre also gar nicht der eigentliche Verantwortliche des Krieges. Zumal der deutsche Überfall auf Polen ja angeblich legitim war, da man nur die „Wahrung der Menschenrechte der Volksdeutschen, [die] Wiederangliederung Danzigs und [den] Bau exterritorialer Verkehrs-verbindungen nach Ostpreußen“ beab-sichtigt hätte.Dutzende von Belegen, die die seriöse Geschichtswissenschaft anführen kann, dass Hitler natürlich schon länger einen Eroberungskrieg mit dem Ziel der Schaffung von Lebensraum im Auge hatte (vergleich diverse Stellen in „Mein Kampf“, „Vierjahresplan“ et cetera), werden vom Autor entweder beiseite gewischt, oder – wie etwa die Hoßbach-Niederschrift aus dem Jahre 1937 – in die Nähe einer Fälschung gerückt. Hier offenbart sich die häufig anzutreffende, revisionistische Strategie, die erdrückende Quellenlage zu ignorieren, lediglich ein bis zwei Quellen herauszugreifen und diese als Fälschung zu erklären. Eine Kontextualisierung des Kriegsausbruchs im Jahre 1939 etwa mit der terrorerfüllten Innenpolitik Hitlers oder auch ein Eingehen auf den Vernichtungsfeldzug gegen Polen und die UdSSR fehlt.
Resümiert man also den fachlichen Wert der Schriften Schultze-Rhonhofs, ist dieser gleich Null. Kommt man nun aber zu dem Urteil, dass eine solche revisionistische Literatur mit Wissenschaft nichts zu tun hat, sondern eine ähnliche Qualität wie der Kreationismus in der Paläontologie oder die Scharlatanerie in der Medizin besitzt, kann jede Diskussion auf gleicher Augenhöhe immer nur eine Aufwertung solcher Personen bedeuten, die letztendlich dazu führt, Wissenschaft und vor allem die Maßstäbe von Wissenschaftlichkeit zu untergraben. Da aber genau dieses die Strategie von Kreationisten, Scharlatanen und eben auch Revisionisten ist, kann man nur noch einmal wiederholen, dass eben solche in und an der Universität nichts zu suchen haben.

Geschrieben von Dirk Mellies