Die Lehrerbildung in Greifswald steht auf der Kippe

80 Kilometer sind politisch gesehen gar nichts. Mal eben zwischen den Unis Greifswald und Rostock hin und herpendeln sollen die Studenten, wenn sie sich zukünftig zum Lehrer ausbilden lassen wollen. Was ist dran an dieser „Horrorvision“, die der Greifs-walder AStA-Vorsitzende Thomas Schattschneider genüßlich in jeder Pres-semitteilung anklagt?

Nachdem Bildungsminister Hans-Robert Metelmann kürzlich vom Kabinett seine Vorschläge zur Hochschulstruktur im Land abgenickt bekam und damit Mitte Dezember in den Landtag geht, wird es eng für die Greifswalder Lehrerstudenten. Erziehungswissenschaft soll nach Metelmann in Greifswald entfallen, die Lehrerbildung in Abstimmung mit Rostock laufen.

Grundsätzliches an der PhilFak

Dass dann gleich auch noch die Anglistik/Amerikanistik, Altertumswissenschaften und Romanistik sowie der komplette Master of Education wegfallen, wollte Rektor Rainer Westermann in einer ersten Reaktion nicht so stehen lassen. Zumindest die drei Institute werden ihm und PhilFak-Dekan Manfred Bornewasser vermutlich dennoch alsbald wieder ins Auge fallen – stehen doch einige der angestellten Professoren kurz vor ihrem Ruhestand.
Zur Theologie schwieg Metelmann vorerst. Zurzeit verhandelt das Land mit den Kirchen, um die Fakultäten unter dem Dach einer gemeinsamen Fakultät zusammenzuführen. Der Lehrbetrieb soll an beiden Standorten weitergehen. Nicht nur an der Theologischen Fakultät sind ein Großteil der Studenten angehende Lehrer, auch an der Philosophischen Fakultät sind es rund 40 Prozent.
Dort führt die Lehrerdebatte zu grundsätzlichen Diskussionen darüber, wo es mit der Fakultät hingehen soll. Kritiker wie die Anglistik/Amerikanistik-Professoren Hartmut Lutz und Jürgen Klein beurteilten schon die Bachelor- und Masterstudiengänge kritisch und sehen jetzt ein drohendes Ende der Geisteswissenschaften. Dekan Manfred Bornewasser pocht dagegen unermüdlich auf in der Wirtschaft anerkannte Studiengänge und -fächer und zieht Konzeptpapiere mit englischen Vokabeln aus der Schublade. Mit der Lehrerbildung ist in seinen Augen in Greifswald kein Staat mehr zu machen, zuviel Personal sei dafür vonnöten.
Außerdem sieht es für das Lehrerbil-dungsprestigeprojekt der Fakultät schlecht aus: Das Greifswalder Y-Modell mit dem Master of Education dümpelt seit mehreren Jahren in der Probephase vor sich hin, mit bisher null eingeschriebenen Studenten. Und dann scheiterte neulich auch noch das Akkreditierungsverfahren im ersten Anlauf. In Bildungsminister Metelmanns Augen Grund genug, den Master of Education nach Rostock abzuschieben.

Lästige Personaldebatte

Über das Personalargument kann sich der AStA-Vorsitzende Thomas Schattschneider nur wundern. „Seit Jahren hat die Lehrerdebatte in Greifswald diese leidige Personaldiskussion am Hals“, stöhnt er, „dabei weiß eigentlich niemand, ob die Lehrerbildung tatsächlich so viele Stellen braucht, wie von Dekanen und Rektor immer wieder behauptet wird.“ Eventuell müsste lediglich Personal umgeschichtet werden.
Schuld an der allgemeinen Konfusion ist die deutschlandweite Unklarheit, wie es mit der Lehrerbildung weitergehen soll. Irgendwann in den nächsten fünf bis zehn Jahren werden die herkömmlichen Lehramtsstudiengänge auslaufen. Alles hängt an den Lippen der Kultusministerkonferenz, die neulich schon mal durchblicken ließ, dass das Staatsexamen als Abschlussprüfung zu überdenken sei.
Wann das von Metelmann skizzierte Szenario, man beginne sein Bachelor-Studium in Greifswald und könne dann noch in Rostock den Master of Education dranhängen, Wirklichkeit wird, weiß Metelmann vermutlich nicht einmal selber.
In Greifswald würden auch schnelle Entscheidungen zu Gunsten der Lehrerbildung nicht mehr viel bewirken. Der Studiengang Erziehungswissenschaft ist geschlossen, die Mitarbeiter und Professoren werden sich bald nur noch mit der Lehre zukünftig Lehrender und einem Bruchteil Forschung beschäftigen können. Dann wurden schon im Juli 2005 etliche beliebte Kombinationsfächer aus der Lehrerbildung gestrichen, darunter Physik, Mathematik, Biologie und Französisch. Nichtsdestotrotz schrieben sich etliche Erstsemester in einen Lehramtsstudium ein.
Qualitätsverlust und Abwicklung sind zwar noch nicht überall zu spüren, werden aber Einzug halten. Fehlende Pflichtseminare und lange Wartelisten werden kommen, Prüfungen müssen die Institute teuer durch Personal von außerhalb abnehmen lassen, Wiederholungsmöglichkeiten bei Klausuren entfallen. „Das ganze ist ein langfristiger Prozess“, meint Torsten Heil, hochschulpolitischer Referent des AStA, „richtig eng wird es vermutlich mit den letzten Jahrgängen werden.“

Institute wissen sich zu helfen

Benjamin Mumm, Lehramtsstudent im dritten Semester, rennen jetzt schon die Professoren davon. „Einige Professoren wollen so schnell wie möglich ihre Lehramtsveranstaltungen loswerden“, beobachtet er, „andere gehen in den Ruhestand oder an andere Standorte.“ Das sei aber nur an einigen Instituten so, zum Beispiel nicht in der Physik. „Dort hat man uns die Möglichkeit zugesichert, in Regelstudienzeit abzuschließen oder sogar noch ein bis zwei Semester darüber“, freut er sich über das Engagement.
Über großen Einsatz freut sich auch der Fachschaftsrat Romanistik. „Es sieht zwar nicht gut aus an unserem Institut“, bedauert der FSR-Vorsitzende Steffen Saldsieder, „aber wir geben uns die beste Mühe.“ So würden trotz einer unbesetzten Professorenstelle alle nötigen Kurse angeboten und es sei auf jeden Fall möglich, bis zu Ende zu studieren.
Darauf vertrauen kann man aber nicht, auch wenn in letzter Zeit viel von Vertrauensschutz geredet wird. Noch muss die Universität jedem eingeschriebenen Studenten in Regelstudienzeit plus zwei Semester ein ordnungsgemäßes Studium ermöglichen. Das steht im Landeshochschulgesetz.
Sollte aber Metelmanns LHG-Novelle durch den Landtag kommen, kann für Anglisten und Altertumswissenschaftler das Uni-Hopping beginnen. Auch wenn es sich um den Ausnahmefall einer vom Minister verordneten Schließung handelt, muss das Land dann lediglich gewährleisten, dass die Ausbildung im Land abgeschlossen werden kann.

Geschrieben von Ulrich Kötter