Die Lehrerbildung entzweit die Philosophische Fakultät

Lehrer haben zurzeit weder in der Gesellschaft noch an der hiesigen Universität einen guten Stand. „Lehrer sind faule Säcke“, wetterte einst der amtierende Bundeskanzler Schröder, „Lehrer sind keine Wissenschaftler“, attestierte Jan-Peter Hildebrand, Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät.

Losgetreten hat die Lehrerbildungsdebatte das Land. Gewollt hat sie ein Großteil der Philosophischen Fakultät nicht und das auch im Strukturpapier des Senats vom 18. Mai deutlich gemacht. Das überwiegende Ende der Erziehungswissenschaft wurde damals zähneknirschend hingenommen, dafür aber auf den Erhalt der Lehrerbildung in Form des Master of Education mit attraktiven Fächerkombinationen gepocht.
Mit der neuerlichen Kürzungsrunde – weitere 14 Stellen sind bedroht – ist die Lehrerbildung zum Problem der Philosophischen Fakultät geworden, die sich in Gegner und Befürworter spaltet. Nicht von ungefähr berief der Fakultätsrat einen Tag vor der Senatssitzung am 19. Oktober eine Sondersitzung ein, um Dekan Manfred Bornewasser auf die Pro-Lehrerbildungslinie der Mehrheit der Ratsmitglieder einzuschwören. Der Beschluß kam zustande, Bornewasser hielt sich am kommenden Tag dennoch nicht daran und äußerte im Senat offen seine Bedenken gegen eine Fortführung der Lehrerbildung.
Zwei Möglichkeiten gibt es zur Zeit, sich in Greifswald zum Lehrer ausbilden zu lassen. Der herkömmliche Lehramtsstudiengang ist etabliert, über die Hälfte der 900 Erstsemester an der Philosophischen Fakultät wählten ihn als Studiengang.
Die Alternative – der Master of Education – dümpelt seit mehreren Jahren in der Modellphase vor sich hin, weil nur die Fächer Deutsch, Englisch und Geschichte kombiniert werden können. Eingeschrieben hat sich bisher noch niemand. Weitere Master of Education liegen in der Schublade, dort werden sie nach dem derzeitigen Willen des Rektors und des Dekans der Philosophischen Fakultät wohl auch bleiben.
Nachdem die Konferenz der Kultusminister neuerdings das Staatsexamen als Abschluss für Lehrer in Frage gestellt hat, wird das bisherige Konzept des Lehramtsstudiengangs bald zur Diskussion stehen. Er wolle trotzdem daran festhalten, bis der Master of Education sich erprobt habe, betonte Rektor Rainer Westermann auf der Senatssitzung am 19. Oktober. Dass der kommen wird, bezweifelte Prorektor Claus-Dieter Classen anschließend gleich wieder, weil das Akkreditierungsverfahren nicht gut verlaufen sei.
Mit der bundesweiten Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge wurde auch gleich ein neues System der Qualitätssicherung geschaffen: Nicht mehr die jeweilige Landesverwaltung sollte die neuen Studiengänge beurteilen, sondern private Akkreditierungsagenturen.
Die Philosophische Fakultät schloß im Mai 2004 einen Vertrag mit der Agentur Acquin, um mehrere Studiengänge akkreditieren zu lassen – darunter die vier Master of Education der Modellphase. Acquin stellte eine Gutachtergruppe zusammen, die beteiligten Institute reichten dieser unter anderem ihre geplanten Studien- und Prüfungsordnungen ein, eine Begehung vor Ort fand statt. Inzwischen liegt der Gutachterbericht vor: Er empfiehlt in keinem der Fächer eine Akkreditierung.
„Es ist einiges schief gelaufen“, monieren übereinstimmend die Professoren Franz Prüß und Roland Rosenstock vom Zentrum für Lehrerbildung. In ihren Augen haben sowohl das Rektorat als auch das Dekanat der Philosophischen Fakultät schlechte Arbeit geleistet. Prüß bemängelt, dass der Akkreditierungsagentur die falschen Unterlagen zugeleitet wurden. Die Schelte von Rosenstock geht weiter: Sowohl der Dekan der Philosophischen Fakultät, Manfred Bornewasser, als auch das Rektorat hätten politisch in das laufende Akkreditierungsverfahren zu Ungunsten des Master of Education eingegriffen.
Die Beteiligten weisen die Vorwürfe zwar von sich, doch der Bericht der Gutachter der Akkreditierungsagentur spricht eine klare Sprache: Man könne uns des Eindrucks nicht erwehren, dass das Akkreditierungsverfahren instrumentalisiert werden solle, um die Streichung von Studiengängen zu legitimieren, heißt es in dem Text unter anderem. Ferner wurde eine „fragwürdige Einstellung“ des Dekans und des Rektorats gegenüber der Philosophischen Fakultät bemerkt, die scheinbar „von einem zukunftsorientierten, profilbildenden Konzept entfernt ist“.
In einem offenen Brief an das Bildungsministerium fordert das Greifswalder Zentrum für Lehrerbildung Minister Metelmann auf, vor jeglichen Streichungen zunächst ein Gesamtkonzept für das Land vorzulegen. „Wir bilden in erster Linie Lehrer für das Land Mecklenburg-Vorpommern aus“, so Professor Franz Prüß, geschäftsführender Sprecher des Zentrums, „und bevor man die Lehrerausbildung in Greifswald aufgibt, braucht es ein Landeskonzept für Lehrerbildung.“ Ferner könne es nicht sein, dass sich das Ministerium bei so weitreichenden Strukturentscheidungen von ökonomischen Gesichtspunkten leiten lasse. „Lehrer sind wichtig für die Gesellschaft“, betont Prüß.
Dass das erziehungswissenschaftliche Institut geschlossen wurde, bedauert er in diesem Zusammenhang sehr: „Der Erziehungswissenschaft fehlt der wissenschaftliche Nachwuchs, die Forschung ist eingeschränkt und das beeinflusst auch die Lehre.“
Die Tragweite der Entscheidung vom 19. Oktober werde von den betroffenen Instituten noch nicht gesehen. Mit einem Ende der Lehrerbildung würde die überwiegende Zahl der Studenten wegfallen, von denen die meisten auch noch zur Leistungsspitze der Institute gehörten.

Geschrieben von Ulrich Kötter