Das Parlament ist tot – es lebe das Parlament

Schon fast vergessen sind die Wahlen zum Studierendenparlament (StuPa) Anfang Januar. Am heutigen Dienstag wird es für die 27 gewählten Kommilitonen ernst: Um 20 Uhr beginnt im Konferenzsaal die konstituierende Sitzung für die 19. Wahlperiode.

Eine Tagesordnung liegt dem webMoritz derzeit noch nicht vor, doch wird man sich am heutigen Abend wohl hauptsächlich mit den Grundlagen der kommenden Legislatur befassen: der Geschäftsordnung und einer neuen Struktur für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA).

Nur heute: Einfache Mehrheit für Änderungen der Geschäftsordnung

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Ergebnis der StuPa-Wahl 2009

In der konstituierenden Sitzung ist es möglich, die Geschäftsordnung des Studierendenparlaments mit einfacher Mehrheit zu ändern. Einmal beschlossen, können Änderungen dann nur noch durch zwei Drittel der Parlamentarier geändert werden. Verschiedene Änderungsanträge sind bereits eingegangen. Von den dem webMoritz bis dato bekannten Änderungswünschen der Parlamentarier dürften wohl zwei für längere Diskussionen sorgen.

Sebastian Jabbusch (dessen Mandat derzeit noch wegen seiner Tätigkeit beim webMoritz ruht) beantragt eine Distanzierung der Studierendenschaft vom Patron der Universität.  Der Name Ernst Moritz Arndt soll zukünftig nicht mehr in den offiziellen Dokumenten des Parlament und des AStA auftauchen. Der Diskussion um die Bedeutung des Namens für die Universität und ihre Mitglieder kam in den vergangenen Jahren regelmäßig auf die Tagesordnung – nicht nur beim StuPa. Bisher jedoch hat sich, abgesehen von zahlreichen Debatten, Willensbekundungen und Aufforderungen an die Universitätsleitung , nichts getan.

Die Juso-Hochschulgruppe hat sich derweil schon ausgiebig mit einer möglichen AStA-Struktur beschäftigt und wird ein Konzept mit 18 Referaten vorschlagen. Einige arbeitsreiche Referate werden in diesem Konzept aufgespaltet, der stellvertretende Vorsitz soll abgeschafft werden, stattdessen wird es wieder ein Referat für Öffentlichkeitsarbeit geben.

Im gleichen Zuge wollen einige Jusos die Aufwandsentschädigungen für AStA-Referenten, Moritz-Redakteure und StuPa-Präsidium deutlich erhöhen. Zwar könnten die angedachten Erhöhung um teilweise mehr als 30% die Attraktivität der Ämter steigern, doch eine Gegenfinanzierung wird sicherlich nicht einfach werden.

Gleichzeitig sollen zudem die Berichtspflichten der genannten eingeschränkt werden. Zukünftig sollen nur noch alle vier (statt wie bisher zwei) Wochen Berichte eingereicht werden. Dies soll auch helfen die Sitzungen straffer zu gestalten.

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Will StuPa-Präsidentin werden: Jaana-Leena Rode

Wer wird Präsident/in?

Weiterhin spannend wird wohl auch die Wahl eines neuen Präsidiums. Klar ist, das Frederic Besskow, nach zwei Jahren im Amt nicht mehr zur Verfügung steht. Sicher kandidieren wird Jaana-Leena Rode (Juso-Hochschulgruppe), die im vergangenen Jahr als Frederics Stellvertreterin fungierte, bei der StuPa-Wahl jedoch nur auf einem Nachrücker-Platz landete. Mitglieder des Präsidums müssen jedoch nicht zwingend auch Mitglieder des Parlaments sein.

Bereits auf sich aufmerksam machte in der vergangenen Woche auch die Grüne Hochschulgruppe. Unter anderem in der Mensa verteilten sie ihre eigene Zeitung mit dem Titel „campusgrün”. Darin erläutern sie als Agenda für die kommende Legislatur die Bemühungen um Energieeinsparungen und Umstellung auf Recyclingpapier an der Universität, ökologische Standards für alle Neuanschaffungen, die Einsetzung eines Nachhaltigkeitsbeauftragten und ein Bio-Menü für die Mensa. Dass diese Themen bereits heute diskutiert werden, erscheint jedoch eher unwahrscheinlich.

Der webMoritz wird heute Abend ab 20 Uhr natürlich auch wieder mit seinem allseits beliebten Live-Ticker dabei sein.

Bilder: Foto Jaana-Leena Rode – stupa.uni-greifswald.de, Grafik: Sebastian Jabbusch

Ein Demagoge wird zum Messias

Ein Kommentar von Florian Bonn

Der 6. Januar dieses Jahres brachte nicht nur (mal wieder) meinen Geburtstag, sondern auch den Auftakt zum persönlichsten und intensivsten Wahlkampf rund um die StuPa- und Gremienwahlen, an den ich mich erinnern kann. Das StuPa Info Blog ging online und der Wahlmoritz erschien.

Letzterer brachte eigentlich wenig interessantes, mein persönliches Highlight war der Kandidat, der sich für bessere Radwege einsetzen wollte. Gut, dass Leute mit Themen werben, die nichts mit dem StuPa zu tun haben ist normal, aber eine völlige Abkehr von der Uni ist… kreativ. Ein anderer Kandidat (Sebastian Jabbusch) stellte sich hingegen als “Anwalt der kleinen Leute” dar, der die Geldverschwendung des StuPas stoppen und die verwurzelten Strukturen aufbrechen will. Gewisse Vergleiche mit Parteien am Rand des politischen Spektrums, die auch primär gegen “die da oben” sind, drängen sich auf.

(Da)gegen war auch eines der Hauptthemen dieses Blogs. Gegen Verschwendung, gegen den konservativen Block, gegen Berufshochschulpolitiker, gegen den Schmusekurs der Senatoren mit dem Rektor usw. Da sich in den folgenden Tagen und Wochen so ziemlich jeder, der noch eine Rechnung mit irgendwem offen hatte, in den Kommentaren des Blogs einfand entwickelte sich eine wunderschöne “Alles Scheiße außer Mu.. äh, Sebastian” Stimmung.

Nicht fehlen dürfte hier natürlich Ulli K., der Kai Diekmann HGWs, der rein zufällig zur richtigen Zeit einen Artikel schrieb, der hier veröffentlich wurde. Der Artikel bot zwar wenig Wahres, aber er passte super zur allgemeinen Stimmung. Da sich kaum einer der Angesprochenen mit einbrachte war die allgemeine Stimmung eher einheitlich, aber immer emotional.

Nur was genau so schlimm sein sollte kam nie ganz raus. Am Anfang war es “der Verantwortliche für Wissen rockt 2006, der noch immer unser Geld kassiert”, irgendwann erfuhr auch der langjährige Beobachter des StuPas, dass die betreffende Person den AStA bereits im Herbst verlassen hatte, im Herbst 2006 um genau zu sein.

Daraufhin kam dieses Thema aus der Mode und der konservative Block rund um den RCDS, der das StuPa seit Jahren niederhält und progressive Ideen (absoluter Killer beim Bullshit Bingo spielen für Hochschulpolitiker) unterdrückt rückte in den Mittelpunkt. Aber wer ist dieser alles beherrschende Block eigentlich? Der RCDS mit seinen 3-4 Abgeordneten oder gehört auch die Liberale Hochschulgruppe zum konservativen Block. Zusammen hatten diese zwar gegen Ende der Legislatur eine Mehrheit, die Realität zeigt aber, dass diese nicht sonderlich effektiv genutzt wurde. (Schon scheiße, wenn die eigenen Leute kurz vor der Schlussabstimmung nach Hause gehen, nicht?) Auch hier fehlten wirklich stichhaltige Argumente, davon unbeeindruckt gewann Sebastian immer mehr Unterstützer und die StuPa-Wahl und zog in den erweiterten Senat ein, den Fakultätsrat verpasste er nur durch einen Trick der Konkurrenz.

Ich persönlich hatte die stille Hoffnung, dass nun nach dem Ende des stürmischen Wahlkampfes der neue “Hoffnungsträger” der Greifswalder Hochschulpolitik auch mal wirklich erklären würde, was genau er nun besser machen will. Meine Hoffnungen wurden nicht erfüllt, was folgte waren Artikel gegen Thomas Schattscheider und Christian Bäz, die ultimativ machtgeilen Dauerpolitiker, die ganz nebenbei beide für eine Trennung von AStA-Amt und StuPa-Mandat gestimmt haben. Kritische Nachfragen wurden meist ignoriert oder eher unzureichend beantwortet, so hatten von 6 Stichpunkten zum Haushalt nur 2 etwas mit dem Haushalt zu tun.

Wenn sich diese Entwicklung fortzieht und die öffentliche Aufmerksamkeit anhält (die ich persönlich sehr schätze) werden sich vermutlich viele fragen, wieso sie eigentlich ihr Kreuz vor Sebastians Namen gemacht haben.

[Update von Sebastian Jabbusch: Lesbarkeit wurde verbessert, keine inhaltliche Veränderung]