Deutliche Kritik an Studentenverbindungen

Verbindungsstudenten wehrten sich am Mittwoch Abend im Geokeller vor etwa 60 Zuhörern gegen die Vorwürfe, die Referent Jörg Kronauer in seinem Vortrag erhoben hatte. Die Diskussion zur Kritik am Verbindungswesen endete in einem Streitgespräch zwischen mehreren Verbindungsstudenten und dem Referenten.

Unterschiedliche Studentenverbindungen

Ehemaliger Verbindungsstudent: Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers.

Zu Beginn seines Vortrages, zu dem die DGB-Hochschulgruppe geladen hatte, differenzierte Kronauer Studentenverbindungen. Es gäbe katholische, evangelische, Turnerschaften, Burschenschaften und Corps. Gemeinsam sei ihnen, dass Verbindungen im 19. Jahrhundert ihre Blütezeit hätten, die sie noch bis heute prägten. Als Beispiele nannte Kronauer Kappe und Band als ” klassische Elemente für Verbindungsstudenten”. Bevor man als Student in einer Verbindung aufgenommen werde, sei man ein “Fux”, dem die Werte, Sitten und Gebräuche beigebracht würden. Dazu gehöre auch eine feste Ordnung bei Feierlichkeiten wie Trinkriten. “Es fließt dabei sehr viel Alkohol in kurzer Zeit. Das ist mir völlig egal. Was mich aber stört, sind die festen Regeln, sich in Extremsituationen zu disziplinieren. Konservativer kann man nicht sein, wenn man sich das so eindrillt”, machte Kronauer einen Kritikpunkt deutlich.

Ein weiterer Kritikpunkt des Sozialwissenschaftlers waren Seilschaften. Hier schränkte er jedoch ein, dass es Seilschaften überall gäbe. Charakteristisch für Seilschaften bei Verbindungen sei aber, dass davon fast nur Männer profitierten. Sie teilten einen gemeinsamen Lebensstil und fühlten sich als Elite. So seien beispielsweise RWE-Vorsitzender Jürgen Rossmann oder der abgewählte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Verbindungsstudenten gewesen.

Kronauer: “Studenten verletzen sich bei Mensuren schmerzhaft und sinnlos.”

Deutlicher als Seilschaften oder Trinkriten bemängelte Kronauer schlagende Verbindungen, die Mensuren ausfechten: “Studenten verletzen sich schmerzhaft. Das ist sinnlos, nur um dazuzugehören.” Die Mensuren würden aber teilweise mit Körperschutz ausgetragen, um lebensgefährliche Verletzungen zu vermeiden, schränkte Kronauer ein. Ein anwesender Student einer schlagenden Verbindung gab an, dass in seiner Verbindung drei Mensuren Pflicht pro Leben seien: “Wenn jemand mehr machen möchte, kann auch zehnmal fechten”.

Zum Schluss seines Vortrages warf Kronauer einigen Burschenschaften, also einem Teil der Verbindungen, vor: “Es gibt eine lebenspraktische Zusammenarbeit zwischen Verbindungen und Rechten”, so gehörten ehemalige Verbindungsstudenten teilweise zur rechtsextremen Szene wie der NPD oder den Republikanern. Mit Verweis auf Fritz Hippler, der es im Dritten Reich bis zum Reichsfilmintendanten schaffte und den Film “Der ewige Jude” mitdrehte, unterstellte er den Verbindungen des Coburger Covents, keine kritische Auseinandersetzung über ihn geführt zu haben. Einige andere Verbindungen sähen in der Abtretung der deutschen Ostgebiete nach dem Zweiten Weltkrieg eine “völkerrechtswridige Handlung”, so der freie Journalist.

Verbindungsstudenten wiesen Vorwürfe zurück

In der sich anschließenden lebhaften und ausführlichen Diskussion verwahrten sich mehrere Verbindungsstudenten gegen Kronauers Vorwürfe: Innerhalb einiger Verbindungen gebe es Bestrebungen gegen Nazis. Ein Verbindungsstudent will sich über eine kritische Auseinandersetzung mit Fritz Hippler kümmern. Bei den Mensuren seien Ärzte dabei, um eine gute Behandlung der Verletzungen zu gewährleisten.

Fotos: David Vössing, Flyer DGB-Hochschulgruppe

Update [8. November 2013]: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt eine Porträtaufnahme des Diskussionsleiters Martin Schreck (DGB-Hochschulgruppe). Auf dessen Wunsch hin wurde diese entfernt.

DGB-Hochschulgruppe diskutiert über Verbindungswesen

Unter dem Titel “Saufen, Schlagen, Seilschaften – Zur Kritik des Verbindungs(un)wesens” will die DGB-Hochschulgruppe Campus Greifswald über Geschichte, soziale Quellen, Strukturen und gesellschaftliche Bedeutung von studentischen Verbindungen diskutieren und lädt am kommenden Mittwoch, um 19:30 Uhr in den Geographenkeller in die Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 16. ein. Referent der Veranstaltung ist Jörg Kronauer, einer der Autoren des Buches „Studentenverbindungen in Deutschland: Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht“.

In der Ankündigung der Hochschulgruppe heißt es: “Burschenschaften, Corps und andere Studentenverbindungen sind nicht dasselbe, teilen aber eine verhängnisvolle Geschichte.” Auch in Greifswald sind diverse Verbindungen aktiv. Das gepflegte Gesellschaftsbild gelte als konservativ, die Geschlechterrollen seien klar verteilt und Rituale nähmen einen großen Teil des Zusammenlebens ein. Mitglieder von Verbindungen, begünstigt durch gute Kontakte ihrer Vorbilder erreichten hohe Positionen in Justiz, Politik, Wirtschaft oder Medien.”

Die Veranstalter wollen auch das Thema Rechtsextremismus ansprechen: “Auch wenn sich einige Verbindungen gegen den Vorwurf wehren, rechts zu sein, fanden doch viele Rechtskonservative und Nazis ihre politischen Anfänge in studentischen Korporationen. Immer wieder werden auch Angehörige von Burschenschaften im Nazimilieu aktiv. Gleichzeitig entsprechen die studentischen Verbindungen heute wieder einem gesellschaftlichen Trend zum Konservatismus und zu nationalistischer und militaristischer Ideologie. Schließlich sind die Verbindungen mitunter auch einfach durch die gemeinsamen Wohnmöglichkeiten, die sie bieten, für Erstsemester an einem neuen Studienort attraktiv”, so die Hochschulgruppe weiter.

An der Universität Greifswald wurde unlängst im Debattierclub über das Verhältnis Verfasste Studierendenschaft – studentische Verbindungen diskutiert.

Flyer: DGB-Hochschulgruppe Greifswald

Faktencheck: Hausverbot für Burschenschaften an der Uni?

Der Angriff auf das Markomannenhaus vor einigen Wochen und das Nachrücken des Burschenschafters Christoph Böhm ins Studierendenparlament (StuPa) hat in den vergangenen Wochen die Debatte um die beiden Greifswalder Burschenschaften erneut aufflammen lassen.

asta_flyer_burschenschaften-250x333

Der Allgemeine Studierendenausschuss warnte im letzten Wintersemester mit einem Flyer vor Rugia und Markomannia

In den webMoritz-Leserkommentaren wurde mehrfach die Behauptung aufgestellt, sowohl der Rugia als auch der Markomannia sei von der Universitätsleitung ein Hausverbot ausgesprochen worden. Die Gegenseite bestritt dies vehement.

Auf Anfrage des webMoritz erklärte die Pressestelle der Universität, dass der Rektor keiner der beiden Burschenschaften ein Hausverbot ausgesprochen habe. Dennoch hat die Universität in den vergangenen Semestern einen distanzierten Umgang zu den beiden Organisationen gepflegt. Das lässt sich an mindestens zwei Ereignissen festmachen:

Im November 2005 hatte die Burschenschaft Rugia für einen Vortrag mit dem Geschichtsrevisionisten Gerd Schultze-Rhonhof einen Saal im Audimax reserviert, nach Protesten durch den AStA, wurde die Raumzusage der Uni-Verwaltung in letzter Sekunde zurück gezogen. Das StuPa beschloss in der darauffolgenden Sitzung:

„Das StuPa unterstützt und befürwortet Maßnahmen der Universität und ihrer Organe, die es Personen und Vereinigungen mit offenkundig rechtsradikalem bzw. verfassungsfeindlichem Hintergrund untersagen, universitäre Ressourcen und Räumlichkeiten für ihre Zwecke zu nutzen…” (StuPa-Protokoll 29. November 2005)

Allerdings erklärte der damalige StuPa-Präsident Simon Sieweke wenige Wochen später, der Beschluss “beziehe sich nicht explizit auf den erwähnten Vortrag, sondern gelte abstrakt-generell für sämtliche Veranstaltungen an der Universität.” (StuPa-Protokoll 13. Dezember 2005)

Von der Burschenschaft Markomannia distanzierte sich die Universität im Rahmen des Universitätsjubiläums. Die Burschenschaft hatte eine größere Summe Geld für die Restauration des Rubenow-Denkmals gespendet. Ihr Name stand entsprechend auf der Spendertafel die im Hauptgebäude der Universität enthüllt wurde. Die Apfelfront und die Satireburschenschaft “Malumia” um Sebastian Jabbusch protestierten gegen die Aufnahme in den Kreis der Spender. Die Universitätsleitung entschied sich schließlich, den Namen zu entfernen und durch den eines Einzelspenders zu ersetzen.

Bilder:

Startseite: cpradi via flickr

Flyer: AStA Greifswald