Perfide Experimente

Perfide Experimente

Das als Drehbuch verfasste Werk „Gott in Ketten“ besticht durch seine innovative Art der Aufmachung sowie eindringliche Geschichte, verwirrt zwischendurch allerdings auch. Eine Rezension von Uwe Saegers neuestem Werk – welches er am 25. April im Koeppenhaus vorstellt.

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Kuttner: Die One-Woman-Show

Kuttner: Die One-Woman-Show

von Claudia Sicher und Iwan Parfentev

Was sich am vergangenen Samstag, den 17. Januar im Hörsaal Kiste abspielte, sollte eine Lesung von Sarah Kuttners sein. Sie las auch ein paar Kapitel vor, doch das war eher nebensächlich. Niemand hätte es ihr übelgenommen, wenn sie nichts vorgelesen hätte, denn ihre Person war bereits pure Unterhaltung. (mehr …)

Pagenstecher

Für alle Literaturinteressierte haben wir eine neue Reihe ins Leben gerufen. Unser Bücherexperte Ole wird künftig Bücher unter die Lupe nehmen und euch diese dann vorstellen. In dieser ersten Folge präsentiert er euch die Werke “Haus der Löcher” von Nicholson Baker und “Die geschützten Männer” von Robert Merle.

Ohne Netz – Erfahrungsbericht eines Entzugs

Während des Schreibens der Hausarbeit schnell was googlen, dann noch fix Mails lesen, kurz nach dem Abstecher ins studiVZ, dem aus der Ecke blinkenden Link folgen, nebenbei in ICQ antworten – so in etwa dürfte bei vielen Studenten die Arbeit am Computer aussehen.

Ein halbes Jahr kein Internet: Ohne Netz von Alex Rühle.

Ähnlich verhackstückt ist auch der Alltag von Alex Rühle. Als Journalist gehört das Internet einfach dazu – eine Information hier, ein Abstecher da, und hochploppende Mails wollen natürlich sofort beantwortet werden.

Bis er beschließt, diesem Teil seines Lebens ein halbes Jahr den Garaus zu machen. Aus der während einer Bahnfahrt gewonnenen Erkenntnis heraus, dass es sich ohne ständig brummelndes Smartphone doch erstaunlich konzentriert arbeiten lässt, beginnt er sein sechsmonatiges Fasten.

Suchtsymptome und Heimlichkeiten

In kurzweiliger Manier berichtet er über seine Erfahrungen, die zwar nicht von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt reichen, aber manchmal nicht allzu weit von dem einen oder dem anderen Extrem entfernt sind. So reflektiert er seine eigenen Suchtsymptome – während eines Urlaubs alle halbe Stunde heimlich ins Netz, es ist ja so wichtig – und leidet durch das ausbleibende Vibrieren des normalerweise in der Hemdtasche am Herzen getragenen Handys. Genauso gibt es aber „die ruhigen Momente, wenn es sich so anfühlte, als würde ich eine Schale klaren Wassers durch die Gegend tragen“.

Ähnlich verhält es sich mit dem gesamten Buch: Mal betrachtet der Autor das Arbeitsumfeld von Google oder skizziert in großem Maßstab ein Szenario, in welchem dem Internet der Platz des Ersterfundenen vor dem Buch zufiel. Dann wird wieder detailliert ein Gespräch mit seinem Sohn geschildert und von der Befreiung einer undankbaren Ente erzählt.

Dabei wird alles durch einen locker-(selbst)ironischen Stil verknüpft, der es dabei doch schafft, auch ernsthafte Themen und die innere Welt des Autors mitzuteilen, ohne ins Oberflächliche oder Klischeehafte abzurutschen.

Nichts aufgezwungen

Wie es einem wohl nach sechs Monaten ohne Netz geht?

Dies ist auch einer der Aspekte, die das Buch so lesenswert machen – eine Sprache, die wirkt, als ob es dem Autor wirkliche Freude bereitet hätte, sich ihrer zu bedienen, die ohne mahnenden Zeigefinger oder überspitzte Meinungsextreme auskommt. Dem Leser wird nichts aufgezwungen oder eine Ansicht als die einzig wahre dargestellt. Wer sich das Buch zu Gemüte führt, kann es als Anlass nehmen, sich auch mit seinem Verhalten dem Internet gegenüber auseinandersetzen, kann es aber ebenso gut einfach genießen und anschließend beiseite legen. Genau diese scheinbare Unverbindlichkeit wird wahrscheinlich viele dazu verleiten, ersteres zu tun.

Und auch wenn nicht, so bereichert die Lektüre doch das Allgemeinwissen, denn immer wieder eingestreut finden sich Wissensbrocken aus einem verblüffenden Fundus, der die Beteuerungen des Autors bezüglich seines schlechten Gedächtnisses Lügen straft.

So etwa ein Zitat Blaise Pascals, nach dessen Worten das gesamte Unglück der Menschheit allein daraus entstünde „dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen“. Oder die Tempovorschriften einer Klaviersonate von Robert Schumann. Oder die – wenig positiv gefassten – Meinungen Reisender am Anfang des 19. Jahrhunderts zum damals neumodernen Eisenbahnfahren. So wie denjenigen, die Pferdekutschen gewöhnt waren, das neue Gefährt mit seinen zu dieser Zeit sagenhaften 30 Stundenkilometern entschieden zu schnell war, so müssen sich heute viele erst an die mit dem Netz kommende Beschleunigung des Lebens gewöhnen, dann passt das schon. Oder nicht? Eine endgültige Antwort gibt der dem Internet keineswegs abgeneigte Autor nicht.

Letztlich bleiben die kleinen Dinge und Momentaufnahmen aus dem halben Jahr. Der Autor kann und will nicht auf www.internetweißalles.de verzichten und fällt rapide in sein altes Suchtmuster zurück. Ein paar Dinge seines Lebens haben sich dennoch geändert. Ein leicht von den Augen ins Hirn wandernde, an einigen Stellen einen zum Weiterdenken anregenden Nachgeschmack hinterlassende Buch wird zugeschlagen. Dann check ich mal meine Mails. Und verzichte wohl auf den verlinkten Abstecher.

Fotos: Aufmacher Klett-Cotta (keine CC-Lizenz), Alexander Franke via jugendfotos.de

 

Wie das Internet den Wahlkampf verändert: Bierzelt oder Blog? Eine Buchkritik

Bierzelt oder Blog? (Cover)

Bierzelt oder Blog? (Cover)

In den letzten Jahren hat sich der Wahlkampf durch das Internet merklich verändert. Zumindest war es so beim Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama. Wie sieht es in Deutschland aus? Setzen auch hierzulande Parteien und Politiker auf das Web 2.0 und lohnt sich das überhaupt?

Dieser Frage geht Andreas Elter in seinem im März erschienenen Buch “Bierzelt oder Blog? Politik im digitalen Zeitalter” nach. Der Autor ist Studiengangleiter für Journalistik an der privaten Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation. Zuvor war er 15 Jahre lang als Redakteur und Reporter beim WDR, ZDF und bei RTL tätig. Man kann also davon ausgehen, dass er sowohl die klassischen Wege kennt, als auch die neuen digitalen Medien.

Der Titel des Buches ist ein wenig irreführend, denn der Schwerpunkt liegt ganz eindeutig auf der Blog-Seite, d.h. wie sich Parteien und Politiker im Internet präsentieren und wie ihr Wahlkampf in diesem Medium bei der Bundestagswahl 2009 aussah. Vorher jedoch wird im ersten der drei Teile “Das Vorbild” betrachtet, d.h. wie in Amerika der Präsidentschaftswahlkampf 2008 ablief. Ein abschließender Vergleich macht deutlich, dass die Übertragung von den USA nach Deutschland aufgrund politischer und demographischer Unterschiede nicht so einfach ist.

Im Hauptteil des Buches (Die Analyse) wird die “heiße Phase” des Bundestagswahlkampfs betrachtet, d.h. die vier Wochen vom 1. bis 27. September 2009. Elter wirft einen Blick auf die Webauftritte der Parteien und welche Arten von sozialen Netzwerken sie wie nutzen. Auffällig ist die durchgängige Kleinschreibung aller neuen Medienkanäle (twitter, newsletter, facebook, youtube, aber: studiVZ), was wahrscheinlich eine Folge der verwirrenden Schreibweisen im täglichen Gebrauch ist und somit für das Buch die einzig konsequente Möglichkeit.

Die Beschreibung der Webseiten und Medienarten wird für jede (im Bundestag vertretene) Partei einzeln gemacht und es liest sich teilweise wie ein Schulaufsatz à la “Was ich in den Ferien erlebt habe”. Natürlich ist es schwierig, fünf Mal das Gleiche zu erzählen und Jeden gleich zu behandeln, aber mit ein paar Bildern hätte die ausführliche Beschreibung der einzelnen Seitenelemente und Links etwas knapper ausfallen können. Andererseits ist das kleine Format des Buches (18 x 12 Zentimeter) schlecht für Bilder geeignet. Elter kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass die Parteien größtenteils nicht im Web 2.0 angekommen sind, da sie eher auf Information denn auf Kommunikation setzen.

Sowohl im Hauptteil, als auch im dritten Teil (Die Bewertung) werden einzelne Blogger und Twitterer zitiert. Elter hat eine Vorauswahl getroffen und nur die wichtigsten und bekanntesten Vertreter ausgewählt (z.B. netzpolitik.org, nachdenkseiten.de), aber eine teilweise willkührlich anmutende Auswahl von Tweets und Kommentaren verwendet. Die Darstellung des allgemeinen Querschnitts wurde dadurch nicht erreicht, sondern eher eine verzerrte Momentaufnahme aufgrund der Hervorhebung einiger von Millionen von Tweets. Die komplette Auswertung von Print und Fernsehen soll seit März auf der Seite des Studiengangs verfügbar sein, aber dort lässt sich nichts finden.

Insgesamt liefert das Buch für den interessierten Leser ein kompaktes Bild zur Fragestellung ab. Wobei der “interessierte Leser” hier wahrscheinlich Politik- oder Kommunikationsstudent ist, der eine gute Referenz zum Thema Politik 2.0 sucht und sich eine Menge Analyse- und Recherchearbeit ersparen möchte. Verantwortliche im Wahlkampf werden dieses Buch wohl leider nicht lesen, obwohl es ihnen zu empfehlen wäre, wie Elters Arbeit gezeigt hat.

Bild: Verlag