Positionspapier kritisiert Bildungsministerium

Kundgebung für das Lehramts-Studium in Greifswald Anfang Juni 2010

Mehrere Vertreter der Studierendenschaft haben ein Positionspapier zur Lehramtsausbildung ausgearbeitet, das heute Mittag der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Das Studierendenparlament hat das Papier in seiner Sitzung am 16. Juni verabschiedet.

In dem 35-seitigen Dokument setzen sich die Autoren mit der Zukunft der Lehramtsausbildung in M-V auseinander. Die Studierenden haben dabei die bestehenden Verhältnisse in Greifswald und Rostock verglichen und werfen einen äußerst kritischen Blick auf die Planungen des Ministeriums und die ihnen zu Grunde liegenden Studien und Berechnungen. Dabei machen sie eine Reihe von Fehlschlüssen und methodischen Problemen aus.

Vor Veröffentlichung: Maulkorb für studentische Medien

Das Studierendenparlament hatte in seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch versucht, die Verabschiedung des Positionspapiers hinter verschlossenen Türen stattfinden zu lassen. Die Öffentlichkeit war dazu mit großer Mehrheit ausgeschlossen worden. Als Begründung dieses Schrittes wurde angeführt, man wolle eine Berichterstattung der Medien über das Papier bis zu dessen offizieller Vorstellung verhindern. Trotz mehrfachen Protests seitens des webMoritz waren keine triftigen Gründe für dieses Ansinnen genannt worden.

Zudem war das Positionspapier unter den Gästen im Saal herumgereicht worden – auch noch nach dem nicht-öffentlichen Sitzungsteil. So dürfte auch zu erklären sein, warum es dem ein oder anderen inzwischen doch vorliegt. Wie Carsten Schönebeck heute in der Ostsee-Zeitung berichtet, stellt sich die Greifswalder Studierendenschaft mit dem Positionspapier erstmals gegen die Kommilitonen in Rostock. In dem Papier heißt es etwa:

“In den Eckwerten des MBWK (Anm: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur) wird in einer knappen Passage auf die Lehrerbildung des Landes eingegangen, wobei die Leistungen der Rostocker Universität zu Unrecht positiv hervorgehoben werden. Die Leistungen der Universität Greifswald werden hingegen negativer dargestellt als sie sind.”

Prognose: Alle Lehrer arbeiten Vollzeit, keiner geht in Frührente

Insgesamt sei die vergleichende Darstellung der beiden Landesuniversitäten, die Rostock bessere Leistungen bescheinigt, “mangelhaft” und “interessengeleitet”. Mithilfe zahlreicher Statistiken und Untersuchungen wollen die Autoren diese Thesen nachweisen. So führen sie etwa auf, dass die Staatsexamens-Noten in Greifswald seit Jahren gleich gut ode besser sind wie die in Rostock. Zudem halten die Autoren den vom Land prognostizierten Lehrermangel in den kommenden zehn Jahren für stark untertrieben, denn die Berechnungen seien durch die Wahl der Parameter geschönt. So gehe das Bildungsministerium in seiner Bedarfsstudie unter anderem davon aus, dass alle Lehrer im Land Vollzeit arbeiten und kein einziger von ihnen in Frührente geht.

Insgesamt bemühen sich die Studierenden in dem Dokument um einen wissenschaftlichen und sachlichen Ton. So will man offenbar erreichen, dass das Papier im Ministerium und in der Landespolitik intensiver wahrgenommen wird als gewisse andere Protestformen. Das Papier enthält über 70 Fußnoten, zahlreiche Tabellen und Diagramme und ein einseitiges Abkürzungsverzeichnis. Zu den Mitarbeitern gehören unter anderem Daniela Gleich (komm. AStA-Vorsitzende), Franz Küntzel und Björn Reichel (HoPo-Referenten), Erik von Malottki (StuPist, Jusos) sowie die StuPa-Urgesteine Thomas Schattschneider (ohne Hochschulgruppe) und Alexander Schulz-Klingauf (GHG).

Eine ausführliche Vorstellung des Positionspapiers ist für heute Mittag, 14 Uhr angesetzt – der webMoritz wird darüber selbstverständlich berichten. Reaktionen aus der Politik oder vonseiten des Bildungsministeriums gibt es noch nicht.

Foto: webMoritz-Archiv/Carsten Schönebeck

Tesch fördert mit 1,4 Millionen Euro Teil der Universität

Bildungsminister Tesch unterstützt weiterhin medizinsche Ausrichtung der Universität

Einer Pressemitteilung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur zufolge hat Minister Henry Tesch (CDU) heute der Universität Greifswald einen Fördermittelbescheid in Höhe von 1,4 Millionen Euro überreicht.

Gefördert wird mit dem Geld ein Projekt mit dem Namen “GANI_MED: Approach to Individualised Medicine”. “Damit kann sich der Forschungsstandort Greifswald als wichtiges und international ausstrahlendes Entwicklungszentrum für die individualisierte Medizin weiter profilieren”, resümiert der Bildungsminister.

Das Vorhaben setzt sich zum Ziel, eine ganzheitliche personalisierte Medizin zu etablieren. Diese zielt auf eine bessere, sichere und wirtschaftlichere medizinische Grundversorgung ab. Im Rahmen des Projektes werden unter Einbeziehung der klinischen Forschung Individualisierungskonzepte auf ihre Eignung für die Patientenbehandlung getestet. Gleichzeitig sollen sich die Wissenschaftler mit ethischen und gesundheitsökonomischen Fragestellungen der individualisierten Medizin befassen.

Zum anderen werden mit “GANI_MED” individualisierte Analyseverfahren weiterentwickelt, die Aufschluss über individuelle Unterschiede bei der Entstehung, Fortschreitung und Behandlung von Krankheiten geben können.

“GANI_MED ist von zentraler Bedeutung für die gesamte Greifswalder Universität, denn es sind alle fünf Fakultäten daran beteiligt: Das führt zu einer entscheidenden Profilierung der Universität im Bereich der Lebenswissenschaften”, lobt Tesch das Projekt.

Das Projekt zählt zu den insgesamt elf Spitzenforschungsprojekten, welche im vorigen Jahr von einer Jury aus Strategiekonzepten für das mit 135 Millionen Euro geförderte Programm “Spitzenforschung und Innovation in den Neuen Ländern” ausgewählt wurden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist Verantwortlicher des Programms. Insgesamt wird das Projekt vom Bundesministerium mit 14 Millionen Euro gefördert.

Bild: Carsten Schönebeck (Startseite), Bildungsministerium (Tesch)

Verwirrung in den Gremien – Nun doch keine Rücktrittsforderung

Vergangenen Montag hatte die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses Daniela Gleich dem webMoritz gegenüber den Rücktritt von Bildungsminister Henry Tesch (CDU) gefordert. Die Legislative der Studierendenschaft war jedoch über diesen Schritt nicht in Kenntnis gesetzt worden. Ein Statement vom Präsidenten des Studierendenparlaments folgte gestern. Er schrieb uns:

StuPa-Präsident Geiger erklärt, der AStA habe den Rücktritt nicht gefordert

Der AStA hat nicht, wie vom webMoritz behauptet, explizit den Rücktritt von Minister Tesch gefordert. “Tesch muß weg” ist lediglich ein Slogan und kein offizielles Rücktrittsverlangen der Studierendenschaft.

Ich sehe die Verwendung dieses Slogans als völlig unproblematisch an, der unreine Reim darin gefällt mir persönlich auch ganz gut. Man kann ihn gut bei Demonstrationen rufen. Der Vergleich mit der Situation im letzten Jahr ist völlig abwegig und dramatisiert unnötig.

Vielleicht stellt ja jemand in der nächsten StuPa-Sitzung auch einen entsprechenden Antrag, eine Entlassungsaufforderung an den Ministerpräsidenten zu beschließen.

Angesichts dessen wollen wir das aufgezeichnete Interview mit Daniela Gleich noch mal ausführlicher zitieren:

AStA-Vorsitzende Gleich fordert den Rücktritt Teschs

webMoritz: Die Pressemitteilung zur Demo wurde übertitelt mit dem Spruch “Tesch muss weg”. Ist das eine Rücktrittsforderung der Studierendenschaft an den Bildungsminister?

Daniela Gleich: Ich sage mal, das war der Ruf der Studierendenschaft, der teilnehmenden Studierenden an der Demonstration. Wenn sie das fordern, dann schon.

webMoritz: Das heißt ihr fordert das auch?

Daniela Gleich: Ja. Wer so eine Bildungspolitik fabriziert und die Meinung nicht erhört die von den Leuten im Land ausgeht, beziehungsweise von den Studierenden, das alles nicht so in richtigen Bahnen verläuft – ja.

Daniela Gleich erklärte heute gegenüber dem webMoritz ihre Aussagen seien eher im Konjunktiv zu sehen. Sollte die Studierendenschaft den Rücktritt Teschs fordern so würde der AStA dies auch tun. Das Thema solle aber auf der nächsten AStA-Sitzung im Studierendenparlament und möglicherweise auch auf der Vollversammlung am 23. Juni behandelt werden.

Auf telefonische Nachfrage widersprach Korbinian Geiger der These er habe am Dienstag den Rückzug des AStA angeordnet. Auch Kommunikationsstörungen zwischen den Gremien der Studierendenschaft gebe es nicht. Sein Stellvertreter Christopher Denda kommentierte unterdessen die (vermeintliche) Rücktrittsforderung auf dem webMoritz:

Vize-Präsident Christopher Denda findet es gut, dass der AStA den Rücktritt fordert

“Ein Lob für die AStA-Führung von mir. Das ist doch genau was ich mir immer vorstelle, wenn das schwerfällige Bild eines “politischeren AStA” gebraucht wird.

Es sollen sich Positionen, welche innerhalb der Studierendenschaft getragen werden auch nach Außen an die Verantwortlichen herangetragen werden.

Die Forderung nach Teschs Rücktritt ist doch nur konsequent. Der Mann fährt dieses Land doch bildungspolitisch vor die Wand.”

Frederic Beeskow, Urgestein des Studierendenparlaments, hatte die Situation mit den Worten kommentiert: “Bisher gibt es ja keinen Beschluss. Der AStA-Vorsitzenden obliegt die Außenvertretung der Studierendenschaft. Wenn sie eine solche Aussage im Namen des ganzen Ausschusses formuliert ist das legitim, sei es nun ein Zeichen von Stärke oder Unerfahrenheit.”

Bilder:

Daniela Gleich, Korbinain Geiger – Gabriel Kords

Christopher Denda – Luisa Wetzel

Ampel (Startseite) – Robin Brass via jugendfotos.de

Podiumsdiskussion übers Lehramt: Es bleibt nebulös

Noch ist Greifswald nicht verloren – so ließe sich die Quintessenz der Podiumsdiskussion zur Zukunft des Lehramtsstudiums in Greifswald formulieren. Am Nachmittag diskutierten Vertreter aus Politik, Hochschulleitung und Studierendenschaft knapp zwei Stunden über die Planungen der Landesregierung, wie es mit dem Lehramtsstudium in Greifswald weitergehen soll.

Insgesamt blieb die Debatte, die unter Zeitmangel und mangelnder Zuspitzung litt, den knapp 150 anwesenden Zuhörern konkrete Antworten schuldig, wurde aber gleichzeitig nicht abstrakt genug, um nach langfristigen Planungen zu fragen. So verwies der Staatssekretär im Bildungsministerium, Udo Michalik, mehrfach auf konkrete Planungen, die das Ministerium derzeit erstelle, während die anderen Teilnehmer kritisierten, dass diese immer noch nicht vorlägen. (mehr …)

Breite Front gegen Regierung: Alle wollen Lehramt erhalten

Obwohl die Ostsee-Zeitung mit ihrem Artikel vom 7. April 2010 nichts anderes tat, als ein altes Thema faktisch ohne Neuigkeiten noch einmal aufzukochen, hat sie damit doch bewirkt, eine alte Debatte wieder neu aufleben zu lassen: Dass es Planungen gibt, die Lehramtsstudiengänge an der Universität größtenteils abzuschaffen, ist schon lange bekannt. Dass sich aber inzwischen sogar Offizielle trauen, konkrete Pläne für den Abzug zu nennen, ist neu.

So sollen für die Studiengänge Kunstgeschichte und Geographie Sonderregelungen getroffen werden, da diese nur in Greifswald angeboten werden. Das hatte Dr. Thomas Behrens, einst Kanzler der Uni und nun Referatsleiter im Bildungsministerium auch schon im Interview mit dem moritz-Magazin gesagt. Auch die Theologie macht sich wohl berechtigte Hoffnungen, so ein Sonderfall zu sein. Inwiefern diese Planungen jedoch völlig realitätsfern sind, sei dahingestellt: So ganz kann man sich nicht vorstellen, wie Lehrer, die ja in der Regel zwei bis drei Fächer parallel belegen, einzelne in Greifswald und andere in Rostock studieren sollen. Der Zeitplan für die Umstrukturierungen ist eng gestrickt: Über die Bühne gehen soll die Konzentrierung in den nächsten Jahren, begonnen 2011. Nun werden auch Protestveranstaltungen plant.

Hochschulgruppen und Bürgerschaft üben einmütig Kritik

Wird das Lehramt geschlossen, setzt sich das Ausbluten der philosophischen Fakultät (hier das Dekanatsgebäude) vermutlich fort.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Wortmeldungen zu den Planungen. Genau wie der AStA sind die studentischen Hochschulgruppen ganz besonders einhellig der Meinung, das Lehramt müsse erhalten bleiben. Die Jusos und der RCDS reagierten noch am 7. April mit Pressemitteilungen. Der RCDS schrieb plakativ: “Vielfalt statt Einfalt: Lehrämter müssen in Greifswald bleiben!”, bei den Jusos hieß es, Minister Henry Tesch (CDU) verkenne “die Zeichen der Zeit”. Auch die Grünen (hier allerdings der Stadtveraband und nicht die Hochschulgruppe) machten sich für den Erhalt des Lehramts stark und forderten den Ausbau statt der Abschaffung des Lehramts. Auch der SDS.Linke äußerte sich entsprechend. Nur von der LHG und den Hochschulpiraten gab es keine Stellungnahme.
In der Bürgerschaft war dieselbe Gleichförmigkeit zu beobachten: Alle Fraktionen verabschiedeten eine Tischvorlage von Dr. Gerahrd Bartels (Linke), die sich für den Erhalt der Lehrerausbildung in der Stadt stark macht. Der Oberbürgermeister, Dr. Arthur König, soll die Landesregierung schnellstens darüber unterichten, dass die Bürgerschaft der Meinung ist, die Lehrerausbildung solle erhalten bleiben. König merkte in diesem Zusammenhang an, es habe auch wirtschaftliche Nachteile für die Stadt, wenn diese Studierendengruppe abhanden komme. (mehr …)