Chicago – Jerusalem – Harvard – Greifswald

Seit Oktober 2010 hat die Theologische Fakultät der Universität Greifswald einen Juniorprofessor für Jüdische Literatur und Kultur. Daniel Stein Kokin kommt ursprünglich aus Los Angeles und beeindruckt mit einem siebenseitigen Lebenslauf.

Normalerweise müsste man für die Professur dem christlichen Glauben angehören, aber mit einer bischöflichen Genehmigung konnte die Juniorprofessur an der Universität trotzdem an den Amerikaner Daniel Stein Kokin vergeben werden. In der Theologischen Fakultät scheinen die Regeln und Gepflogenheiten, die die Konfession betreffen, kompliziert zu sein. Das Dekanat wollte darüber jedenfalls keine konkrete Erklärung abgeben.

Der sympathische Professor aus Amerika war unter anderem schon in Harvard und Yale tätig und verbrachte mehrere Forschungsaufenthalte in Jerusalem, Rom und Paris. Dabei halfen ihm auch seine fundierten Sprachkenntnisse. Neben seiner Muttersprache Englisch beherrscht er außerdem Hebräisch, Latein und Italienisch. An der Universität Greifswald schätzt er vor allem die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus seinem Bereich. Außerdem böten sich ihm hier viele Möglichkeiten zur Forschung, wie die international bekannten Realia- und Dia-Sammlungen aus Palästina. Das sind vor allem Gegenstände des täglichen Bedarfs, darunter befinden sich aber auch Hölzer, Steine oder sogar ein Hochzeitskleid aus Bethlehem. Über diese sagt er selbst: „Die Leute sollen über die Sammlungen in Greifswald Bescheid wissen!“ Dazu möchte er auch seinen Teil beitragen, indem er zum Beispiel im nächsten Sommer eine Tagung plant, zu der er europäische Wissenschaftler und seine Kollegen aus den Vereinigten Staaten an die Greifswalder Universität holen will.

Stolpersteine die vor den Häusern von Juden liegen, die im 3. Reich ermordet wurden

Stein Kokin liegen aber auch die Kontakte am Herzen, die er außerhalb der Universität pflegt. So besuchte er vor kurzem zusammen mit dem Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern eine Grundschule in Greifswald und stellte das Pessachfest vor. Bei diesem Fest erinnern die Juden an den Auszug aus Ägypten. Die Vorgeschichte über die Versklavung der Israeliten steht im Alten Testament. In Greifswald ist er als Jude allerdings fast allein. Wenn er also den Sabbat oder andere jüdische Feiertage begehen will, muss er in andere Städte fahren, denn Greifswald hat seit dem Zweiten Weltkrieg keine jüdische Gemeinde mehr. Zwar gab es im Jahr 1868 noch eine Synagoge mit 120 Mitgliedern, spätestens nach der öffentlichen Bücherverbrennung auf dem Markt 1933 und der Reichspogromnacht verließen jedoch fast alle Juden die Stadt. Diejenigen, die sich nicht ins Exil retten konnten, wurden 1940 deportiert und starben im Konzentrationslager. Zum Ende des Krieges gab es in Greifswald keine jüdischen Einwohner mehr. Ähnlich verlief es in umliegenden Städten: Im gesamten Bundesland überlebten von den ehemals 1 200 pommerschen Juden nur zwölf den Holocaust, womit keine der 47 jüdischen Gemeinden das Dritte Reich überdauerte. (mehr …)

Urnen werden wieder ausgegraben

Im kommenden Januar stehen die nächsten Gremienwahlen an. Diese sorgen nicht nur für eine Neukonstellation der Machtverhältnisse zwischen den Fakultäten. Sie entscheiden letztendlich auch die nächste Rektoratswahl Oktober 2012.

Unsere Uni sucht den neuen Rektor.“ Unter diesem Motto stand ein vor kurzem in Umlauf gebrachtes Plakat. Darauf ist der jetzige Rektor Rainer Westermann im Stil der allseits bekannten Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ abgebildet. Dies führte naturgemäß zu einigen Spekulationen um seinen Nachfolger, obwohl die Rektorwahlen erst im Oktober 2012 stattfinden werden. Doch mit den kommenden Wahlen vor allem der des Senats können alle Wähler bereits jetzt den zukünftigen Rektor beeinflussen.

„Rainer W. tritt nicht mehr an“ heißt es weiter auf dem Plakat. Rektor Westermann bestätigte dem moritz-Magazin in einem Interview (siehe Seite 10), dass er nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stehen werde:„Ich trete nicht an, und das ist auch schon seit vielen Jahren bekannt.“ Noch sind die potenziellen Nachfolger nicht bekannt gegeben. Wer von ihnen Rektor wird, entscheidet der Senat. Das 36-köpfige Gremium setzt sich zusammen aus jeweils zwölf Professoren und Studierenden, der Rest umfasst akademische und sonstige Mitarbeiter der Universität. Diese vier Gruppen wählen die beiden Gremien. Wenn sich unter diesen nun mehrheitlich Mitglieder einer bestimmten Fakultät zusammenfinden, werden diese letztendlich die Wahl des Rektors im Oktober 2012 stark beeinflussen können. (mehr …)

Sicher, aber doch nicht frei

Die Bewohner des Asylbewerberheimes in Jürgenstorf wandten sich im September mit einem Brief an die Öffentlichkeit. Darin kritisieren sie die Isolation und den Heimzustand und fordern die Schließung. moritz war vor Ort.

Du bist Asylbewerber und dies ist kein Hotel“, soll Rainer Plötz, Amtsleiter des Ordnungsamtes Demmin, während einer Kundgebung im Oktober vor dem Asylbewerberheim in Jürgenstorf gesagt haben. Wie ein Hotel sieht der stereotype DDR-Plattenbau wirklich nicht aus. Die triste, graue und mit Satellitenschüsseln gesprenkelte Fassade wird durch graue Nebelschleier verdunkelt, die sich an diesem Tag durch den Ort in Vorpommern ziehen. Ausgerechnet an der „Straße der Initiative“ gelegen, spiegelt der marode Zustand des Gebäudes eine Ironie wider, die von den ratlosen, müden Blicken der rund 200 Bewohner unterstützt wird. Die aus dem Hintergrund schallenden Klänge der Ostseewelle, der locker-fröhliche pommersche Akzent werkelnder Handwerker am Nachbarhaus und der Blick auf die Platte ergeben ein abstruses Bild.

In diesem Heim lebt Katayoun Housseini seit 16 Monaten. Die gebürtige Iranerin umgibt auf den ersten Blick, trotz ihrer 1,60 Meter Körpergröße, eine Aura der Entschlossenheit. Ihr gezwungenes Lächeln verrät jedoch etwas anderes und ihre Fassade bröckelt allmählich. In schwarzen Jeans, Lederstiefeln und königsblauer Fleecejacke gekleidet, hält sie sich nervös an ihrer silbrig schimmernden Blumenkette fest, während sie mit leiser und zittriger Stimme im gemischten Deutsch-Englisch ihre Geschichte erzählt. Katayoun hat sich in ihrer Heimat für Frauen stark gemacht, Frauenhilfsprojekte ins Leben gerufen und betreut. Politisch verfolgt, verließ sie mit ihrer achtjährigen Tochter den Iran im Glauben an eine bessere Zukunft in Deutschland. Doch nun hinterfragt sie die Situation Deutschlands als asylgewährender Staat, in dem sie zwar sicher, jedoch nicht frei sei. „Wir sind hier sehr isoliert und haben keinen Kontakt zu anderen Menschen außer den Heimleitern“, erzählt sie. (mehr …)

Vegetarier sind intelligenter

Freuds Erkenntnis der Mensch sei eben ein »unermüdlicher Lustsucher«, und jeder Verzicht auf eine einmal genossene Lust sei ihm sehr schwer, lerne ich erst jetzt zu verstehen. Der vegane Selbstversuch: Warum Fleisch tödlich sein kann.

Ihr esst unserem Essen das Essen weg!“ Diese mehr oder weniger qualifizierte Äußerung hört man als Vegetarier oder Veganer nur allzu häufig. Die Tatsache, dass es eigentlich die Fleischesser sind, die 70 Prozent des gesamten Getreideanbaus wegfuttern, wird häufig ignoriert. Man sollte sein Gehirn ja auch nicht zu sehr mit Informationen belasten. Nachher müsste man sich noch über seine Ernährung Gedanken machen. Umso einleuchtender erscheint die Studie der Universität Southampton, die herausgefunden haben will, dass insbesondere sich vegetarisch Ernährende überdurchschnittlich intelligent sind. Schließlich sind die Argumente, die eine vegetarische Ernährung rechtfertigen, wesentlich ausgereifter, als die bloße Behauptung: Der Mensch kann ohne Fleisch nicht leben. (mehr …)

» Die Musik ist im Grunde das Zentrale «

Am ersten Novemberwochenende beehrte Moderator und Musiker Tex das Café Koeppen. Im Anschluss an das ausverkaufte Konzert ergründete moritz Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Liedermachertums.

Auffällig ist, zumindest für uns Kleinstädter, dass du deine Konzerte nicht nur in den Metropolen Deutschlands spielst, sondern auch kleine Städte wie gestern Wismar und heute Greifswald besuchst. Sind die Kleinstadtmenschen vielleicht ein dankbareres Publikum?
Wir haben eigentlich die Erfahrung gemacht, dass es leichter ist in Großstädten Konzerte zu spielen. Was sich aber in Wismar und auch hier gezeigt hat, meine Sachen funktionieren sehr gut mit Studentenpublikum. Denn Studenten haben die Zeit und den Spaß sich intensiv mit den Texten zu beschäftigen. Außerdem sind studentische Zusammenhänge auch noch mehr in solchen Blasen organisiert, also so ein Freundeskreis von acht bis fünfzehn Leuten. Und das ist auch etwas, das man spürt, dass da eben größere Gruppen gekommen sind. Und das passt irgendwie sehr gut zu dem was ich mache.

Du hast Mathematik studiert und als Programmierer gearbeitet, heute beschäftigst du dich vornehmlich mit Worten und Musik. Wo liegen da die Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Welten?
Es war nicht so, dass ich eine lupenreine Karriere hatte und dann irgendwann gedacht hab, jetzt mach ich mal etwas anderes. Seit ich 14 war, ist die Musik im Grunde das Zentrale. Ich hab zwar auch mit Leidenschaft Mathe studiert und auch sehr gerne gearbeitet, aber selten ganztags. Das Neue an der Situation ist daher, dass ich das Technische vor ungefähr einem Jahr ganz aufgegeben habe. Bei TV Noir arbeite ich als Firmenchef nicht nur künstlerisch, man stellt sich das kreativer vor, als es tatsächlich ist. Ich glaube als reiner Musiker würde es mich auch nicht so glücklich machen.Du hast gefragt ob es dort nun Gemeinsamkeiten gibt – ich habe so lange Mathe studiert, dass ich egal was ich mache, das als Mathematiker tue. Im Studium ging es oftmals darum, etwas zu beweisen. Das liegt nicht immer auf der Hand, man hat aber schon einen Verdacht, man spielt ein bisschen herum und erarbeitet sich irgendwie einen Zugang. Und auf einmal „schnackelts“, wie man auf Bayrisch sagt. Dieser Prozess ist ganz ähnlich wie bei der Musik, wenn man so ein wenig auf dem Klavier rumprobiert. In der Mathematik macht man es eleganter, kürzer und bei der Musik feilt man an den Worten und bastelt an der Harmonik. (mehr …)

» Ihr könnt uns mögen «

Kultur nach Greifswald bringen – ein Ziel des Café Koeppen Konzert Teams. So arbeiten Studenten mit dem Café Koeppen Team zusammen, um Konzerte zu organisieren. moritz sprach mit zwei Mitgliedern: Kristina Ewald und Jens Leuteritz.

Wie motiviert ihr euch für die vielen Stunden unentgeltlicher Arbeit?
Kristina: Mich motiviert die Liebe zur Musik, die Künstler live zu erleben. Aber vor allem dabei zu helfen Kultur nach Greifswald zu bringen.

Wie hat sich das CKKT gegründet?
Jens: Wir sind eigentlich immer noch in der Gründungsphase. Obwohl wir jetzt mit einem festen Kern aus sieben Mitgliedern eine gute Arbeitsatmosphäre haben. Wir wollen uns ja auch gegenseitig kennen, damit man weiß, wer wie tickt.
Kristina: Ich war auf dem Gregor McEwan Konzert. Am Ende hat Jens sich auf die Bühne gestellt und angesagt, dass sich Interessierte gerne anschließen können. Ich bin daraufhin zu einem Treffen gegangen und wurde gleich stark involviert.

Wie lockt ihr die Künstler nach Greifswald?
Kristina: Mit unserem Charme.
Jens: Nein, vertraglich haben wir leider nicht so viel zu bieten. Unsere Gagen liegen meist unter Bundesdurchschnitt, sowie auch unsere Ticketpreise. Ich habe das Gefühl es spricht sich in der Szene herum. Inzwischen kriegen wir mehr Anfragen, als wir Konzerte machen können. Das war nicht immer so. Wenn wir uns wirklich jemanden wünschen, dann fragen wir einfach an. (mehr …)