von Leonie Vogelsang | 19.05.2023
Studierende sind häufig arm – so viel wissen wir. Und durch die Inflation und den Krieg in der Ukraine wird alles immer teurer. Auch das ist bekannt. Vom Staat werden Studierende durch verschiedene Einmalzahlungen, Erhöhung der Mindestlohngrenze, oder von BAföG und Kindergeld entlastet. Doch wie arm ist eigentlich arm? Und was heißt das für die Studierenden der Uni Greifswald? Wie gehen sie mit dieser Situation um und welche Lösungen haben sie, um mit wenig Geld zurecht zu kommen? Wir haben eine Umfrage zu diesem Thema gemacht, bei der 55 Menschen teilnahmen. Da der Link zur Umfrage nur für 24 Stunden verfügbar war, zeigt das unserer Meinung nach, wie wichtig den Studierenden dieses Thema ist.
Als arm galt in Deutschland im Jahr 2021, wer als alleinlebende Person ohne Kinder im Monat weniger als 1251 € zur Verfügung hatte. 90 % der Umfrageteilnehmer*innen liegen unter dieser Grenze, die mittlerweile höher sein müsste. Durchschnittlich sind es 920 €, die die Studierenden zur Verfügung haben. Die höchste Angabe unter unseren Befragten war eine Summe von 1890 € und die niedrigste 350 €. Trotzdem gaben nur 7 von 55 Befragten an, dass sie sich selbst als arm beschreiben würden. Das ist im Vergleich mit der offiziellen Armut sehr wenig. Das könnte an zwei verschiedenen Gründen liegen: Eventuell spielt die Gewohnheit hier eine Rolle, da die meisten Menschen die studieren wahrscheinlich noch nie selbstständig mit viel Geld gelebt haben. Oder es könnte daran liegen, dass die Eltern oder Verwandten im Notfall einspringen können, wenn das Geld doch mal knapp werden sollte. Außerdem kann man sich teurere Neuanschaffungen zu Weihnachten oder zum Geburtstag wünschen.
Bis auf 4 Personen bekommen alle BAföG und/oder Geld von ihren Eltern bzw. ihrer Familie. 40 % finanzieren sich zumindest teilweise selbst. Andere angegebene Einkommensquellen sind: Kindergeld, PJ-Vergütung, Kredit, Erspartes und Stipendium. Außerdem arbeiten 62 % der Studierenden neben dem Studium. 19 von 34 Personen (das sind 56 %), gaben an, deswegen weniger Zeit für ihr Studium zu haben. Das kann sich letztlich auch auf Noten oder die Dauer des Studiums auswirken.
Und was sind die Lösungen der Studierenden, um mit wenig Geld zurecht zu kommen?
Essen
Ganz vorne liegt „Selber kochen statt außerhalb essen“. 90 % wählten diese Antwortmöglichkeit aus. Dabei wird teilweise für mehrere Tage vorgekocht, auf Produkte wie Fleisch verzichtet oder „kreativ, aber günstig eingekauft und gekocht“. Außerdem sparen die meisten der Umfragteilnehmer*innen Geld indem sie ihren Einkauf genau planen, um nichts wegwerfen zu müssen. Mehrere Befragte gaben außerdem in einer freien Antwortmöglichkeit an, auf Angebote in Supermärkten zu achten oder nacheinander in mehreren Supermärkten einkaufen zu gehen. Also z.B. zuerst bei Aldi, Netto oder Lidl günstiger Lebensmittel einzukaufen und danach bei Edeka, Rewe oder im Bioladen die Produkte zu kaufen, die sie in den anderen Läden nicht finden konnten. Und nicht nur Mahlzeiten werden vorgekocht. Ein*e Umfragenteilnehmer*in gab an, sich jeden Morgen einen Kaffee vorzubereiten und diesen mit zur Uni zu nehmen, anstatt sich dort teuer einen zu kaufen.
Konsum und Hobbies
Generell ist das Sparen von Geld viel durch Verzicht gekennzeichnet. Zwei Drittel der Befragten gaben an, nicht oder selten auszugehen in beispielsweise Kino oder eine Bar. Und etwa die Hälfte verzichtet auf (teure) Hobbies, die sie aber eigentlich gerne machen würden, wenn das Geld dazu da wäre. Dafür werden von etwa zwei Dritteln der Studierenden Hochschulangebote wie Mensa und Hochschulsport genutzt. Auch auf bestimmte Produkte oder Lebensmittel wird häufig verzichtet (72 %). Und anstatt Dinge neu zu kaufen, werden Lösungen wie tauschen und ausleihen (34 %) oder die Reparatur kaputter Gegenstände (64 %) gefunden. Das geht z.B. über Kleidertauschparties oder, indem man Bücher aus der Bibliothek ausleiht. Auf Telegram gibt es Gruppen wie „Solidarisches Miteinander und #SchwarzesBrett Greifswald“, in denen Gegenstände verschenkt und verliehen werden. Hier gibt es Anfragen wie: „Ich suche für meinen Urlaub einen großen Koffer. Hat jemand einen, den ich mir für ein paar Wochen ausleihen kann?“. Und wenn man mal selbst nicht weiter kommt mit dem Reparieren eines kaputten Gegenstandes oder Technikgerätes kann man z.B. im Reparatur-Café in der Straze oder der Kabutze vorbeischauen und Hilfe von erfahrenen Reparateur*innen bekommen.
Bei dennoch notwendigen Neuanschaffungen wird auf Langlebigkeit und Qualität geachtet (54 %). Dabei werden Mehrwegprodukte wie Bienenwachstücher gegenüber Einwegprodukten bevorzugt. Viele kaufen auch Secondhand-Kleidung oder Gegenstände gebraucht ein, z.B. bei Ebay. Oder sie überdenken neue Anschaffungen mehrmals, um sicher zu sein, dass sie diese wirklich brauchen.
Transport
Viele Studierende sparen Geld, indem sie mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen, anstatt das Auto zu nehmen (80 %). Das ist sicherlich gerade zurzeit sehr sinnvoll bei den hohen Spritpreisen. Zum Thema Reisen gaben 74 % an, ganz auf Urlaub zu verzichten, Mitfahrgelegenheiten oder geteilte Zugtickets zu verwenden und/oder günstige Arten des Reisens zu nutzen, indem sie zelten, trampen oder den Urlaub früh planen.
Wohnen
Zum Thema Wohnen gaben 56 % der Befragten an, in einer WG anstatt alleine zu leben. 30 % leben außerdem in einem kleinen Zimmer, um dadurch zusätzlich Mietkosten zu sparen. Und viele der Studierenden heizen nicht oder nur wenig und tragen stattdessen lieber warme Pullis und Kuschelsocken (62 %). Auch eine kreative Lösung ist, häufiger bei Freunden zu übernachten um so Energiekosten zu sparen.
Um einen genauen Überblick über alle Ausgaben zu haben, nannten die Befragten das führen eines Haushaltsbuches als Strategie an. Dies kann bis zum Erstellen von „Überkomplizierten Exceltabellen“ führen, wie es ein*e Teilnehmer*in angab. Eine Person gab an, nur mit Bargeld zu bezahlen, um so einen guten Überblick über alle Ausgaben zu haben.
Sparen
Um trotz des geringen Einkommens Geld für z.B. Urlaube oder größere Anschaffungen zu sparen, heben einige der Studierende entweder zu Anfang oder Ende des Monats einen bestimmten Betrag bzw. das überschüssige Geld von ihrem Konto ab. Oder sie überweisen es auf ein Sparkonto. So können sie sicher gehen, nicht mehr Geld auszugeben, als sie wollen und somit die Möglichkeit auf einen Urlaub einfach „aufzubrauchen“.
Das Gute ist: Viele dieser Ansätze sparen nicht nur Geld, sondern sind gleichzeitig nachhaltig und schonen so die Natur und das Klima. Ein genau geplanter Einkauf und das Reparieren von Gegenständen und Kleidung wirken z.B. der Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen entgegen. Und wer mehr Rad und weniger mit dem Auto fährt schont ebenfalls die Umwelt. Genauso wie das Leben in einem kleinen Zimmer bzw. in einer WG.
Punkte wie nicht oder wenig zu heizen, sind zwar bis zu einem bestimmten Punkt ebenfalls klimaschonend. Dies kann aber bei zu niedrigen Temperaturen oder zu hoher Raumfeuchtigkeit zu Schimmel führen, was für Bausubstanz und Gesundheit schädlich ist.
Gleichzeitig kann es aber belastend sein, ständig auf sein Geld achten zu müssen. Ebenso steht es darum, sich Lebensmittel oder Produkte, Hobbies oder Unternehmungen, die man eigentlich sehr gerne mag, nicht leisten zu können. Das deckt sich mit der Umfrage: ca. 36 % der Teilnehmer*innen gaben an, dass ihre finanzielle Situation sie immer oder häufig stresst und ca. 33 %, dass dies zumindest manchmal der Fall ist. Immerhin können viele Studierende darauf hoffen, dass sie, sobald sie das Studium abgeschlossen haben, in einem hoffentlich gut bezahlten Job ihr eigenes Geld verdienen. Und sich so viele Dinge wieder leisten können, auf die sie während ihrer Studienzeit verzichten mussten.
Wir hoffen, dass wir euch mit diesem Artikel zeigen konnten, dass ihr nicht alleine seid und, dass es anderen Studierenden genauso geht wie euch und sie ebenfalls wenig Geld haben. Vielleicht konntet ihr euch von der ein oder anderen Möglichkeit Geld zu sparen inspirieren lassen. Eventuell hab ihr dadurch sogar mehr Geld für Dinge, die euch wichtig sind. Weil ihr an anderen, weniger wichtigen Enden, eine Möglichkeit finden konntet, zu sparen.
Hier noch ein paar weitere Ideen zum Geld sparen:
- Zusätzlich Geld verdienen durch die Teilnahme an Studien oder Blut- und Plasmaspenden
- Sachen selbst bauen oder nähen
- Re- und Upcycling
- Im Supermarkt nach Angeboten und reduzierten Lebensmitteln schauen
- Nutzung von Foodsharing
- Containern gehen*
- Ein eigener Kleingarten zum Anbau von eigenem Obst und Gemüse
* Aktuell fällt Containern in Deutschland noch unter Strafe (§242 StGB). Allerdings sprachen sich der aktuelle Bundesjustizminister und der Bundeslandwirtschaftsminister im Januar 2023 für eine Straffreiheit aus, sollte man sich beim Containern nicht anderweitig strafbar machen.
Beitragsbild: Adrian Siegler
von Leonie Vogelsang | 09.01.2023
Greifswald – die Unistadt. Und die Stadt der Radfahrer*innen. Die meisten von uns bewegen sich täglich mit dem Fahrrad durch Greifswald und Umgebung. Doch was darf man dabei eigentlich machen und was nicht? Schließlich ist es als Radfahrer*in leicht, sich noch schnell irgendwo durchzuschlängeln oder die 100 m ohne Licht zu fahren.
Wie muss ein verkehrstaugliches, sicheres Fahrrad aussehen? Ein verkehrstaugliches Fahrrad braucht zwei funktionierende Bremsen, eine für das Vorder- und eine für das Hinterrad. Außerdem muss eine gut hörbare Klingel am Rad angebracht sein. Das Vorderlicht muss weiß sein und das Rücklicht rot. Blinkende Lichter sind nicht erlaubt. Auch akku- oder batteriebetriebene Lichter sind seit 2013 ok. Zudem braucht das Rad mehrere Reflektoren: Einen weißen für vorne und einen roten für hinten, für jedes Rad zwei gelbe Speichenreflektoren, genauso wie für die Pedale.
Bei Dunkelheit ohne Licht fahren? Geht natürlich gar nicht und ist vor allem für euch selbst gefährlich. Das Licht muss übrigens schon ab Beginn der Dämmerung eingeschaltet werden und auch wenn die Sichtverhältnisse es generell erfordern.
Radwege müssen immer benutzt werden? Es gibt verschiedene Typen von Radwegen, Radfahrstreifen und Schutzstreifen für Fahrräder. Da sind zum einen die benutzungspflichtigen Radwege. Sie sind durch ein rundes, blaues Schild, auf dem ein Fahrrad abgebildet ist, gekennzeichnet. Ist dieses Schild nicht vorhanden, handelt es sich um einen nicht benutzungspflichtigen Radweg. Hier darf man entscheiden, ob man lieber auf der Straße fahren möchte. Ansonsten gibt es noch die Fahrradschutzstreifen, die Teil der Straße sind. Hier gilt keine Benutzungspflicht, sondern nur das Rechtsfahrgebot. Autofahrer*innen dürfen auf diesen weder halten noch parken und die gestrichelte Linie nur in Ausnahmefällen kurz befahren, wenn dabei keine Radfahrer*innen behindert oder gefährdet werden. Auf Gehwegen dürfen nur Kinder bis 10 Jahre fahren, sowie eine Begleitperson, die älter als 16 Jahre ist. Außer der Fußweg ist durch das Schild „Fahrrad frei“ freigegeben. Dann darf allerdings nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden und Fußgänger*innen haben immer Vorrang.
Nebeneinander fahren? Ist erlaubt, solange genug Platz ist. Nur wenn andere Verkehrsteilnehmer*innen behindert werden, muss hintereinander gefahren werden. In Fahrradstraßen, oder wenn ihr in einem geschlossenen Verband mit mehr als 15 Menschen fahrt, zum Beispiel in einer sogenannten „Critical Mass“, ist nebeneinander fahren grundsätzlich erlaubt. Bei einer Critical Mass dürft ihr übrigens nicht nur nebeneinander, sondern auch gemeinsam über eine Ampel fahren. Das heißt, wenn die Ersten der Gruppe bei Grün fahren, darf die gesamte Gruppe weiterfahren, auch wenn die Ampel für die letzte Person in der Zwischenzeit auf Rot schaltet. In einer Fahrradzone haben Radfahrer*innen grundsätzlich Vorrang und dürfen nicht behindert werden.
Autofahrer*innen, die zu dicht überholen, den Spiegel beschädigen? Ist natürlich verboten. Auch wenn ich das Bedürfnis danach sehr gut nachvollziehen kann, wenn ein Auto mal wieder mit weniger als den vorgeschriebenen 1,5 m an einem vorbeifährt (innerorts, außerorts sind es 2 m). Genauso sieht es aus, wenn wieder einmal ein Auto auf unerlaubte Weise auf dem Fahrradschutzstreifen hält oder parkt.
Richtiges Abbiegen? Fußgänger*innen, die die Straße überqueren, in die abgebogen wird, haben Vorrang. Das Abbiegen muss rechtzeitig angezeigt werden. Das heißt vor und nicht während des Abbiegevorgangs.
Musik hören? Ist erlaubt. Allerdings nur so, dass der Verkehr wahrgenommen werden kann und das Gehör nicht durch die Musik beeinträchtigt ist. Also am besten mit nur einem Kopfhörer.
Handynutzung? Ist hingegen absolut verboten. Und auch hier gilt wieder: Das ist besonders für euch gefährlich, weil ihr nicht auf den Verkehr achten könnt, und leider die Verwundbareren seid, wenn ein SUV euch rammt.
Wie viel Alkohol darf man getrunken haben? Anders als beim Autofahren darf man als Radfahrer*in mit bis zu 1,59 Promille fahren (beim Autofahren sind es 0,49 Promille). Das gilt allerdings nicht in der Probezeit. Es kann aber schon ab 0,3 Promille zu einer Strafanzeige kommen, wenn auffällig gefahren wird oder andere Verkehrsteilnehmer*innen gefährdet werden. Radfahren unter Alkoholeinfluss kann auch zum Entzug des Führerscheins führen. Übrigens: ein Bier mit 0,5 Liter hat ungefähr 0,5 Promille und pro Stunde werden 0,1 Promille abgebaut. So könnt ihr euch leicht ausrechnen, mit wie viel Promille ihr etwa unterwegs seid. Natürlich ist das von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt unter anderem von Größe und Gewicht der jeweiligen Person ab.
Insgesamt gelten für Radfahrer*innen die gleichen Regeln, wie für das Führen von Kraftfahrzeugen. Radfahrer*innen müssen sich genauso an Vorfahrtsregeln halten, Verkehrsschilder beachten und sich an den Grundsatz der „Gegenseitigen Vor- und Rücksicht“ halten. Bis dahin: Fahrt sicher!
Foto: Louise Guillemot
von webmoritz. | 29.10.2022
Am Dienstag, dem 18. Oktober, haben die beiden webmoritz.-Redakteur*innen Leonie und Adrian die Inhaber*innen des Greifswalder Unverpacktladens uver zu einem Interview getroffen. Dort haben sie einige Einblicke in den aktuell laufenden Rechtsstreit mit dem Dienstleistungskonzern Uber aus San Francisco bekommen. Doch wie kommt eigentlich ein weltweit agierendes Unternehmen mit über 11 Mrd. US-Dollar Jahresumsatz auf die Idee, einen kleinen Unverpacktladen aus Greifswald aufgrund von Markenrechtsverletzungen zu verklagen?
Ein Beitrag von Adrian Siegler und Leonie Vogelsang
Im Interview haben die beiden Inhaber*innen Esther und Philippe uns erklärt, was es mit dieser Klage auf sich hat, inwiefern Uber und eine Münchener Anwaltskanzlei in den Streit verwickelt sind und warum eine solche Klage nicht nur ein Problem für uver, sondern auch für viele andere Kleinstunternehmen darstellt. Außerdem im Interview dabei ist Markus, der versucht, wo es auch nur geht, die beiden bei allen möglichen Aufgaben und Herausforderungen im Hintergrund zu unterstützen.
Das Interview:
Hallo ihr drei, zuallererst vorweg …
Wie geht es euch gerade so? Die letzten Tage und Wochen waren ja sicherlich ziemlich anstrengend und stressig für euch.
Esther: Schön, dass ihr da seid. Es waren auf jeden Fall ein paar stressige Tage, aber mir geht es trotzdem ganz gut. Ich kann den Stress gut von meinem Privatleben trennen.
Philippe: Wir haben aufgrund der Thematik sehr viel zu tun und es gibt die ganze Zeit irgendwelche Sachen zu regeln. Das begleitet einen schon mit in den Alltag, da uns die ganze Geschichte je nach Ausgang auch echt gefährlich werden kann.
Würdet ihr euch und natürlich euren Laden einmal kurz vorstellen?
Esther: Ich bin Esther, bin zusammen mit Philippe hierher gekommen und wohne seit 2018 in Greifswald. Vor circa 2 bis 3 Jahren haben wir uns überlegt, dass wir gerne einen Unverpacktladen in Greifswald gründen wollen würden, da wir das hier noch etwas vermisst haben und selbst gerne nachhaltiger und unverpackt einkaufen wollen. Und nun hat der Laden seit mittlerweile knapp 1,5 Jahren offen – uver. Hier findet man alles für den täglichen Bedarf – Lebensmittel, Haushaltswaren wie Shampoo, Waschmittel und Drogerieprodukte und alles unverpackt oder in Pfandgläsern.
Philippe: Ich bin Philippe und auch Teilhaber von uver. Wir haben hier die Mission, Greifswald ein Stück nachhaltiger zu machen, indem wir es möglich machen, plastik- und müllfrei einzukaufen, sodass jede*r im Alltag was tun kann, um aktiv Umweltschutz zu betreiben.
Markus: Hallo, ich bin der Markus. Ich bin schon ein bisschen länger in Greifswald und habe Philippe und Esther bei einer Tour durch Mecklenburg-Vorpommern kennengelernt. Da war ich so begeistert von der Idee, dass sie hier in Greifswald was Nachhaltiges auf die Beine stellen wollen, dass ich da unbedingt einsteigen wollte. Die beiden waren so lieb, mir das Vertrauen zu schenken und seitdem versuchen wir gemeinsam, hier in Greifswald unverpacktes Einkaufen anzubieten.
Es gibt ein Problem mit Uber – Könntet ihr den Sachverhalt nochmal für uns zusammenfassen?
Philippe: Das Thema ist Uber und uver. Wir haben vor einiger Zeit ein Schreiben von einer Anwaltskanzlei für Patent- und Markenrecht erhalten, welche mit Uber zusammenarbeitet. Und die sind jetzt irgendwie dazu gekommen, uns unseren Namen streitig zu machen, da laut ihnen eine Verwechslungsgefahr zwischen den Namen „Uber“ und „uver“ bestünde. Das ist das Problem: Eine Anzeige, in der gefordert wird, unsere Marke und unseren Namen zu löschen.
Was bedeutet der Name uver eigentlich und wie seid ihr auf ihn gekommen?
Esther: Uver mit V ist quasi ein Wortspiel aus unverpackt und dem Ufer, in Bezug auf das Meer und den Ryck hier in der Nähe. Unser Mediendesigner ist auf die Idee gekommen und wir fanden es passend und haben den Namen direkt übernommen. Wir waren lange auf der Suche nach einem guten Namen, den man auch schnell aussprechen kann. „Ich gehe mal kurz zum Unverpacktladen“ klingt da etwas zu umständlich. Aber „Ich gehe mal kurz zum uver“ kann man gut sagen.
Die Forderung der Anwaltskanzlei, euren Namen und eure Marke zu löschen – Werdet ihr weiter darauf eingehen und wenn ja, wie?
Markus: Worum es uns hier eigentlich geht und warum wir die Öffentlichkeit mit euch suchen, ist die Tatsache, dass wir hier nicht nur unverpackte Lebensmittel anbieten, sondern auch für einen sozialeren Umgang – nicht nur im privaten Leben – stehen. Wir vertreten bestimmte ethische Werte, die unser Unternehmen auch ausmachen: Wie wir unseren Kund*innen und Geschäftspartner*innen gegenübertreten, sie behandeln wollen. Und das ist auf fairer Ebene und auf Augenhöhe. Und was uns ein bisschen stört – was heißt ein bisschen? Was uns richtig fertig macht, ist der Fakt, dass hier sofort wieder mit Anwälten kommuniziert wird, ohne die Möglichkeit, vorher mit Uber mal auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen. Wenn du so ein Schreiben in den Händen hältst, weißt du als Kleinstunternehmen: Es wird gefährlich, weil so etwas Anwaltskosten mit sich zieht, die besonders in der Start-up-Phase überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Wir suchen weiterhin eine Kompromisslösung, die für beide Seiten vertretbar ist. Und daran arbeitet aktuell auch unser Anwalt.
Was könnten im schlimmsten Fall diese Forderungen von Uber für euch und euren Laden bedeuten?
Philippe: Im schlimmsten Fall müssten wir auf diese Forderungen eingehen – also die Marke löschen. Und da steckt vielmehr dahinter, als man jetzt so im ersten Moment denkt. Wir müssten uns nicht nur einen neuen Namen ausdenken, ein neues Logo designen und eine neue Marke eintragen, sondern auch die ganze Arbeit und Ressourcen, die bereits reingesteckt wurden, um uver als Marke aufzubauen, gehen verloren. Nach 1,5 Jahren erreichen wir nun so langsam den Punkt, wo der Name „uver“ in Greifswald vielen Leuten ein Begriff ist. Das wäre dann komplett verloren. Wir müssten quasi nochmal bei null anfangen, was ein riesengroßes Problem ist, weil vor allem Marketing so ein großes Thema und unfassbar teuer ist. Es wäre für uns fatal, damit noch einmal von vorn anzufangen.
Seid ihr bereits im Austausch mit der Anwaltskanzlei?
Markus: Wir selber natürlich nicht, weil wir gar nicht den juristischen Background haben. Wir haben einen Marken- und Patentanwalt in Berlin kontaktiert, der uns aktuell vertritt. Dieser hat sofort das Telefon in die Hand genommen und gefragt, wie wir zu einer Lösung kommen. Die Münchener Anwaltskanzlei, die Uber vertritt, hat ihm und uns zuerst zu verstehen gegeben, dass wir die Kategorien einkürzen müssen, für die wir unsere Marke eingetragen haben. Das bedeutet, man meldet beim Marken- und Patentamt den Namen „uver“ an. Dabei muss man auch entscheiden, wofür man die Marke einträgt. Wir haben uns für etliche Kategorien eingetragen, die auch perspektivisch unser Unternehmen ergänzen sollen. Zum Beispiel auch für einen Lieferdienst innerhalb von Greifswald, mit dem wir beispielsweise Senioren mit dem Lastenrad beliefern können. Dort müssen wir nun schauen, ob wir nicht durch Einkürzung von Kategorien noch irgendwie unsere Marke retten können.
Uber-Deutschland hat einen eurer Posts auf Instagram kommentiert – sie haben von der Sache gehört und möchten sich bei euch melden. Haben sie das schon?
Esther: Wir haben uns riesig gefreut, dass wir ihre Aufmerksamkeit auf uns ziehen konnten. Aber nein, es ist noch nichts passiert.
Wie könnte ein Vorschlag von Uber aussehen?
Markus: Das ist gar keine so einfache Frage, beziehungsweise haben wir da keine einfache Antwort drauf. Wir haben einfach Hoffnung – und das könnt ihr sicherlich nachvollziehen – dass wir unsere Marke behalten können. Der Vorschlag, den wir uns erträumen, ist, dass Uber auf uns zukommt und sagt: „Okay, wir haben das gar nicht gewusst mit den Anwälten. Wir screenen grundsätzlich den Markt – so ist das ja üblich. Und vielleicht haben wir in dem Fall einen Fehler gemacht, weil wir nicht wussten, dass ihr ein Kleinstunternehmen seid, mit zwei Inhaber*innen, die selbst im Laden stehen und zusätzlich bei dem Thema Umweltschutz ganz stark aktiv sind.“
Eine Traumvorstellung wäre natürlich: „Okay, das war jetzt so ein harter Schlag für euch – wir unterstützen euch auf dem Weg oder bei einem anderen Umweltprojekt, was Relevanz hat.“
Denn der Umweltbericht von Uber hat Visionen bis in das Jahr 2030 oder 2040. Was wir hier betreiben ist Umweltschutz sofort. Oder vielleicht – man wird ja noch träumen dürfen – sagt Uber auch: „Wir gehen aus der Nummer gemeinsam gestärkt raus.“ – und sie unterstützen uns einfach.
Ihr habt zu dem Thema auch eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Wie läuft diese bis jetzt und reichen die Spenden um die Anwalts- und sonstigen Kosten zu decken?
Philippe: An dieser Stelle schonmal ein riesiges Dankeschön an alle Leute, die uns unterstützt haben. Es ist wirklich Wahnsinn. Wir haben das auf Instagram geteilt und es war wirklich unglaublich, was passiert ist. So viele Leute gingen darauf ein und es gab so viel Zuspruch von allen möglichen Seiten. Die Kampagne selbst läuft über betterplace und dort sind richtig schnell die Anwaltskosten in Höhe von 3000 €, die wir initial hatten, wieder reingekommen. Wir haben die Crowdfunding-Kampagne dann wieder runtergenommen. Auf weitere Spenden sind wir zunächst weniger angewiesen und wollen eher die Öffentlichkeit nutzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.
Markus: Auf das Thema aufmerksam zu machen bedeutet, dass wir kein Einzelfall sind. Dadurch, dass wir an die Öffentlichkeit gegangen sind, bekommen wir ganz viele Rückmeldungen von anderen Kleinstunternehmen – auch viele aus der Unverpacktbranche – dass das ein tagtägliches Geschäft ist: Unterlassungserklärungen, Abmahnungen, Markenverletzungsschreiben gehen raus und gerade die kleinen Unternehmen haben damit sehr hart zu kämpfen. Damit wollen wir an die Öffentlichkeit. Wir sind sehr dankbar für die finanzielle und emotionale Unterstützung, aber hier geht es um etwas viel Größeres. Wir hinterfragen die Praktiken, die in Deutschland (darüber hinaus kann ich es nicht einschätzen) vorherrschen, da wir permanent mit solchen Problemen konfrontiert sind. Das ist jetzt das zweite Mal innerhalb eines Jahres. Es ist nicht der erste Rechtsstreit, den wir haben. Und nun haben wir uns nicht anders zu helfen gewusst, als an die Öffentlichkeit zu gehen, was der richtige Weg zu sein scheint. Wir erhalten sehr viel Unterstützung – vielen Dank dafür.
Wollt ihr zum Abschluss noch ein paar Worte loswerden, die euch auf dem Herzen liegen?
Markus: Nach dem ganzen Schock und dem Stress, den wir erleben, erfahren wir aber auch – und da wiederholen wir uns an der Stelle – einen unglaublichen Support. Das schwenkt diese Negativerfahrung sofort in etwas Positives um. Kurz wird dieses Weltbild erschüttert und man fragt sich, ob wir jetzt wieder im Hardcore-Kapitalismus angekommen sind – etwas wofür uver überhaupt nicht steht, wir haben andere Werte. Und diese Werte teilen anscheinend auch ganz viele, viele andere Menschen, obwohl wir noch nicht einmal so richtig in der Öffentlichkeit sind. Wir haben einen minimal-kleinen Social-Media-Kanal mit nicht einmal 2000 Follower*innen und trotzdem haben darüber hinaus so viele Menschen Anteil genommen. Der Kabarettist Moritz Neumeier hat die Story innerhalb einer Stunde aufgegriffen und in seinen Stories veröffentlicht, weil anscheinend eine Followerin hier aus Greifswald das Ganze so schockieren fand, dass sie das einfach an ihn weitergeleitet hat. Danach ist die ganze Crowdfunding-Kampagne völlig explodiert. Und das gibt uns Kraft bei der ganzen Geschichte. Die Unverpacktbranche ist insgesamt eine ganz schöne Herausforderung – hier in Greifswald eher weniger – aber dennoch zu sehen, dass Umweltschutz eine Rolle spielt für die Leute, ist einfach fantastisch.
Vielen Dank für eure Zeit und die interessanten Einblicke. Die moritz.medien wünschen euch nur das Beste!
Beitragsbild: Markus
von Lena Isenberg | 10.03.2022
Ob Klimaschutz, Konsum, Ernährung oder Gewässerschutz — die Mitglieder der BUNDjugend in Greifswald engagieren sich umweltpolitisch für mehr Gerechtigkeit. webmoritz. hat vier von ihnen in der Innenstadt getroffen, um die Beweggründe der jungen Menschen zu erfahren.
Greifswald ist bunt. Dies erkennt man nicht nur an den Hausfarben in der Innenstadt, sondern auch an den vielfältigen NGOs, die sich im Stadtkern tummeln. Neben den derzeitigen Friedensdemos organisieren gemeinnützige Vereine Aktionen für mehr Gerechtigkeit auf unserem Planeten.
Die BUNDjugend Greifswald setzt sich beispielsweise für vielfältige Umweltthemen ein. Sie reichen von Klimaschutz und -gerechtigkeit über Konsum und Umweltverschmutzung bis hin zur Biodiversitätskrise und Ernährung. Sich selbst beschreibt die Gruppierung als politisch, vielfältig und offen. Der gemeinnützige Verband ist geprägt durch acht feste Teammitglieder in Greifswald. Insgesamt sind es etwa 83.000 Mitglieder bundesweit. Die jungen Menschen hier vor Ort sind mit Herz und Seele dabei. „Es passiert einfach auf der Welt zu viel Scheiße, wie die Abholzung der Regenwälder und die hohen CO2-Emissionen“ erklärt Tabea (21 Jahre), die sich deshalb umweltpolitisch engagiert. Sie studiert mit Verena (19 Jahre) zusammen an der Universität Greifswald Biochemie. Jeden Donnerstag um 19:00 Uhr trifft sich der Ortsverband, um neue Aktionen zu planen. Vor kurzer Zeit verteilten die Studierenden in der Greifswalder Innenstadt Beutel und Aufkleber, um über Sea-Watch zu informieren.
Die Pharmaziestudentin Gesine (21 Jahre) war schon in ihrer Heimatstadt Schwerin aktiv bei der BUNDjugend-Gruppe. Neben ihren Vorlesungen engagiert sie sich für eine gerechtere Welt. Christina (21 Jahre) hat die Gruppe 2020 in Greifswald wieder ins Leben gerufen. Die Landschaftsökologiestudentin interessiert sich innerhalb ihres Studiums und in ihrer Freizeit für viele unterschiedliche Umweltthemen. In ein paar Wochen ist eine Aktion gegen die Entenfütterung an unterschiedlichen Gewässern rund um Greifswald geplant, darauf freut sich die Studentin besonders.
Der Greifswalder Ortsverband der BUNDjugend sucht weitere junge Personen, die Lust haben, die Welt etwas zu verbessern: „Es gibt noch so viel zu tun, damit die Welt gerechter und grüner wird“, erzählt Christina am Fischmarkt in Greifswald. Anders als die Fridays-for-Future-Bewegung thematisiert die BUNDjugend diverse Umwelt- und Naturproblematiken. Daher finden über das Jahr verteilt ganz unterschiedliche Aktionen statt, beispielsweise eine Kleiderparty, von der Gesine schwärmt. Außerdem empfinden die vier Studierenden die Exkursionen immer wieder als spannend, um mit Menschen und der Natur in Kontakt zu kommen.
Personen bis zu einem Alter von 27 Jahren können bei der BUNDjugend in ganz Deutschland mitwirken. Zurzeit sind es vor allem Studierende, die darin aktiv sind, jedoch sind sie offen für alle jungen Menschen. Wer Lust darauf hat, etwas Luft von den frischen Ideen des Verbandes zu schnuppern, kann auf der Website unter anderem Informationen zu Aktionstagen und Mitgliedstreffen finden.
Beitragsbild: Lena Isenberg
BUNDjugend am Fischmarkt in Greifswald: Tabea, Verena, Gesine und Christina (von links nach rechts)
von Lilli Lipka | 11.02.2022
Eine nachhaltige Lebensweise und privates Engagement für das Klima reichen nicht mehr, haben die Begründer*innen der Initiative Greifswald Zero gemerkt. Daher haben es sich die Greifswalder*innen zur Aufgabe gemacht, einen Klimaentscheid in unserer Stadt durchzusetzen. Seit dem 14. Januar haben Bürger*innen die Möglichkeit, ihre Unterschrift für das Klimabegehren „Stadt Greifswald klimaneutral bis 2030!“ zu setzen.
Wenn ein nachhaltiger Lifestyle nicht mehr reicht
Etwas in der Stadt verändern und nicht tatenlos zusehen. Aktiver Einsatz für die klimapolitische Verantwortung Greifswalds. Und vor allem eines: eine lebenswerte, bessere Zukunft für sich und die eigenen Kinder. Das wünschen sich Fanny, Anne, Uwe, Maren und Tiemo, die sich neben Studium, Beruf und Alltag für die Initiative Greifswald Zero engagieren.
Besonders motiviert mich, dass ich drei Töchter habe, und für diese wünsche ich mir ein Leben, das nicht durch Klimakatastrophen bestimmt wird. Und ich möchte ihnen später in die Augen schauen können, wenn sie mich fragen: „Was hast du eigentlich getan?“
Uwe, Greifswald Zero
Alleine für das Klima aktiv zu werden reicht allerdings nicht, machen Fanny und Maren deutlich, und das frustriert sie. Fanny hat oft das Gefühl, dass die Verantwortung an Einzelpersonen weitergereicht werde, ohne auf Bundes- oder Länderebene Entscheidungen zu treffen. Doch nicht zu fliegen oder vegan zu essen brächte vergleichsweise wenig, betont Maren, wenn große Sektoren wie Industrie und Energiewirtschaft beinahe 60 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland ausmachen.
Daher stehe ich als Individualperson dem Klimawandel erstmal fast machtlos gegenüber. Mit dem Klimaentscheid kann ich aber auf eben diese Faktoren, auf die ich als Einzelperson keinen Einfluss habe, einwirken und hoffe, da mit vielen Menschen gemeinsam etwas verändern zu können.
Maren, Greifswald Zero
Gamechanger für den Klimaschutz in Mecklenburg-Vorpommern
„Gemeinsam etwas verändern“ trifft das Anliegen des Klimaentscheids auf den Kopf. Greifswald Zero macht deutlich, dass das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden muss, um eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu gewährleisten. Mit dem Entschluss der Uni, bis 2030 klimaneutral zu werden, seien in Greifswald schon die ersten Schritte gemacht worden. „Wenn wir erreichen, dass sich nach der Universität auch die Stadt Greifswald zur Klimaneutralität bis 2030 bekennt, dann kann das ein ‚Gamechanger‘ für den Klimaschutz in M-V werden!“, erklärt Tiemo. Doch der Weg, der Greifswald bis zur Klimaneutralität bevorsteht, ist noch lang. Bisher hätte Greifswald einen Handlungsplan für die Klimaneutralität bis 2050, doch die 1,5-Grad-Marke wird voraussichtlich bereits mit den 2030er Jahren geknackt.
Das bedeutet, dass das Ziel des Pariser Abkommens verfehlt wird, denn bis 2050 werden wir mit durchschnittlichen Emissionen 2,0 Grad Erderwärmung erreicht haben. Um die Stadt zum Handeln zu bewegen, ist der Klimaentscheid notwendig. Wir sehen als Bürger*innen der Stadt momentan keinen anderen Weg, um dies zu erreichen.
Greifswald Zero
Mit ihrem Bürger*innenbegehren setzt sich die Initiative für ein Planungsbüro ein, das einen Klimaaktionsplan erstellen soll. Dieser Klimaplan soll deutlich machen, wie und ob das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 möglich ist und welche Maßnahmen wann ergriffen werden müssen. So könnte der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs betroffen sein oder die Sektoren Bauen und Sanieren, Landwirtschaft und Energie. Doch nicht nur konkrete Maßnahmen könnte der Klimaentscheid von Greifswald Zero erreichen. Man erhofft sich neben einem Beschluss der Stadt, „dass Klimaneutralität zum Stadtgespräch wird“ und „Druck ’nach oben‘ auf die Landes- und Bundespolitik“ ausgeübt werden kann.
Unterstützung mit einer Unterschrift
„Bürgerbegehren und daran anschließende Bürgerentscheide sind bewährte Bausteine der direkten Demokratie“, erklärt uns Greifswald Zero. Der erste Schritt, das Bürger*innenbegehren, ist mit der Unterschriftensammlung im vollen Gange – nun müssen mindestens 4.000 Einwohner*innen ab dem 16. Lebensjahr ihre Unterschrift für das Begehren setzen. Ist die nötige Anzahl an Unterschriften erreicht, kann die Stadt die Forderung des Bürger*innenbegehrens selbst umsetzen. Ginge die Stadt nicht auf dieses Bürger*innenbegehren ein, würde daraus automatisch ein Bürger*innenentscheid werden, und Greifswald müsste den Einwohner*innen ermöglichen, über die gestellten Forderungen abzustimmen.
Bisher ist die Aktion gut angekommen, finden die Aktivist*innen. Sie hatten schon Gespräche mit dem Oberbürgermeister und der Umweltabteilung der Stadt.
Dass mehr in Sachen Klimaschutz getan werden muss, ist allen Beteiligten bereits klar, aber die Mühlen mahlen langsam. Es gab auch Bedenken, ob der Bürgerentscheid zu unseren Gunsten entschieden werden würde. Im Gespräch wurde uns jedoch vermittelt, dass die Stadt unseren Forderungen positiv gegenübersteht und wir weiterhin in Kontakt bleiben wollen.
Greifswald Zero
Auch der Eindruck auf der Straße und in Einzelgesprächen sei bisher sehr positiv, berichten die Organisator*innen. Um die 1000 Unterschriften konnten in den ersten zwei Wochen schon gesammelt werden. Doch sie möchten noch mehr Menschen erreichen.
Vor allem Bürger*innen, die sich selbst noch nicht eingehend mit klimapolitischen Fragen beschäftigt haben, sind teilweise noch skeptisch, wie ein solcher Klimaentscheid ihr Leben beeinflussen könnte. Wir möchten den Bürger*innen von Greifswald vermitteln, dass wirksame Klimapolitik nicht hauptsächlich Verlust oder Verzicht, sondern einen Gewinn an Lebensqualität für uns und unsere Stadt bedeutet.
Greifswald Zero
Noch mehr Infos für euch:
Beitragsbild: Greifswald Zero
von Juli Böhm | 02.02.2022
Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.
Der Bedarf an Palmöl in der Industrie ist groß. So groß, dass für den Anbau und für die Holzwirtschaft Regenwälder abgeholzt werden. Dies ist aus vielerlei ökologischen und sozialen Gründen problematisch. Zusammengerechnet nehmen Palmölplantagen weltweit etwa eine Fläche ein, die so groß ist wie ein Drittel von Deutschland. Die Plantagen befinden sich überwiegend in Indonesien und Malaysia, es gibt sie aber auch in Südamerika und Afrika.
Durch das Abholzen und Trockenlegen von Regenwäldern auf Torfmoorböden werden Treibhausgase frei, die zur Erderwärmung beitragen. Außerdem entstehen durch die großflächigen Palmölplantagen riesige Monokulturen, welche für die biologische Vielfalt ungünstig sind und zahlreichen Tieren den Lebensraum nehmen. Auch soziale Probleme in den Anbauregionen werden durch die Palmölplantagen verschärft, denn die Bevölkerung profitiert gegenüber den großen Konzernen kaum von dem Ölpalmenanbau. Auf den Plantagen herrschen oft schlechte Arbeitsbedingungen, es kommt zu Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen. Zudem machen sich die Konzerne ungeklärte Landrechte zu Nutze und bauen auf Land, das die Bevölkerung als Gemeindeland ansieht. Nicht selten werden für die Rodung auch Kleinbäuer*innen und Indigene aus ihrem Zuhause vertrieben.
Aber Palmöl hat auch einige wirklich gute Eigenschaften, weswegen es ja auch so oft genutzt wird. So ist es ist zum Beispiel sehr ertragreich. Aus einem Hektar Ölpalmen lassen sich etwa 3,8 Tonnen Öl gewinnen, während es bei Raps und Sonnenblumen gerade mal 0,8 Tonnen Öl sind. Eine wirkliche Alternative gibt es also nicht, denn man könnte bei weitem nicht so viel Platz für Raps- und Sonnenblumenfelder hergeben, wie es zum Decken des Ölbedarfs nötig wäre. Zudem ist Palmöl günstig und vielfältig einsetzbar. Es ist in den meisten stark verarbeiteten Lebensmitteln, in vielen Kosmetika, Hygieneprodukten, Wasch- und Reinigungsmitteln und auch in Biokraftstoffen enthalten. Eigentlich überall, wo Fett drin ist. Und bisher gibt es keine staatlichen Siegel mit klaren Vorgaben für nachhaltig erzeugtes Palmöl. Lediglich eine Regelung existiert, dass auch die Herkunft des pflanzlichen Fettes auf der Zutatenliste bei Lebensmitteln stehen muss. Bei Kosmetika, Hygieneprodukten, Wasch- und Reinigungsmittel ist dies jedoch nicht der Fall.
Da ich die Herstellungsbedingungen momentan für nicht vertretbar halte, versuche ich nun, auf Palmöl zu verzichten. Ich gehe mit der Einstellung in das Projekt rein, dass das doch gar nicht so schwer sein kann. Ich koche und backe sowieso schon viel selbst und für alles andere gibt es doch bestimmt auch Alternativen.
Der Anfang.
Beim ersten Prüfen meiner bereits gekauften Lebensmittel in der Küche, fällt auf, dass es gar nicht so viel ist, das ich ersetzen muss. Das könnte damit zusammenhängen, dass ich gerade erst aus den Weihnachtsferien bei meinen Eltern zurückgekommen bin und daher sowieso nicht besonders viel an Lebensmitteln da habe. Aber ich habe einen Christstollen mitgebracht, den zuhause niemand essen wollte, weil es eben nicht der Selbstgemachte von Oma ist. Nun stellt sich heraus, dass im eh viel zu dicken Dekorzucker des Stollens, dessen Verpackung eigentlich mit großem Trara sehr viel Tradition verspricht, Palmöl drin ist und ich den jetzt eigentlich auch nicht essen möchte. Da er aber doch gegessen werden muss und ja auch ganz lecker ist (auch wenn die Zuckerschicht meiner Meinung nach auch weggelassen werden könnte), entschließe ich mich, den Stollen doch noch zu essen, bevor ich richtig mit dem Experiment beginne. Auch Erdnusscreme und Nutella, die ich noch vorrätig habe, enthalten Palmöl, auf beides kann ich momentan aber verzichten.
Das Prüfen meiner bereits gekauften Wasch- und Putzutensilien stellt sich schon als deutlich größere Herausforderung heraus. Schließlich ist das Kauderwelsch der Inhaltsangaben auf den Packungen kaum zu verstehen. Lediglich Zutaten mit dem Wortteil „Palm-“ kann ich eindeutig identifizieren. Jedoch gibt es noch jede Menge anderer Palmölderivate, die häufig verwendet werden, aber am Namen allein nicht erkannt werden können. Nur mein Duschgel ist da etwas zuvorkommend, denn dort steht hinter jeder Zutat auch die Herkunft. Jedoch steht bei den Ölen auch nur „vegetable oil“, weshalb ich mir auch da nicht ganz sicher sein kann, ob da nicht doch eventuell Palmöl enthalten ist. Und bei meinem Badreiniger steht noch nicht einmal eine richtige Liste mit den Inhaltsstoffen drauf, lediglich eine Angabe, dass dort 5 % nichtionische Tenside drinnen sind. Aber auch Tenside sind häufig aus Palmöl. Schnell stellt sich also heraus, dass es mir eigentlich unmöglich ist, auf Palmöl in Wasch- und Putzartikeln zu verzichten, solange es nicht deutlich draufsteht.
Das Einkaufen.
Im Supermarkt muss ich jetzt auf jedes Etikett gucken und jede noch so kleine Zutatenliste durchlesen. Dadurch stehe ich nicht nur dauernd im Weg rum, sondern stelle auch meine eigene Geduld auf die Probe. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich das Wort Palmöl entdecke. Oft kann ich aber auch Alternativen finden. Aber es hängt auch damit zusammen, wo ich einkaufen gehe. So gibt es im Discounter ziemlich viele Produkte mit Palmöl und wenige Alternativen, während sich im übergroßen Edeka hingegen deutlich häufiger Produkte ohne Palmöl bzw. mehr Alternativen finden lassen. Und nicht immer (wenn auch häufig) sind die palmölfreien Produkte die teureren.
Oft sind es die etwas süßeren Lebensmittel, in denen Palmöl enthalten ist. So habe ich kaum Kekse ohne Palmöl gefunden und auch meine Lieblingsschokolade sowie zahlreiche bekannte Marken (Hanuta, Raffaelo und kinder Schokolade zum Beispiel) enthalten Palmöl. Kekse habe ich also kurzerhand selbstgebacken und meine Lieblingsschokolade diesmal gegen eine andere Sorte ausgewechselt. Erstmal kein Problem. Auch die Nutella habe ich gegen eine „echte“ Schokoladencreme ohne Palmöl austauschen können.
Im Drogeriemarkt ist es schon deutlich schwieriger. Dort ist es mir meistens nicht möglich, Produkte zu kaufen, die ganz sicher ohne Palmöl sind. Jede Zutatenliste mit einer über 100 Punkten langen Liste an Palmölderivaten abzugleichen, scheint mir auch nur bedingt sinnvoll. Schließlich ist in fast jedem Produkt etwas davon enthalten und es könnte ja auch eine andere Herkunft haben. Meistens greife ich dann also auf die Bio-Produkte zurück, solange nicht auch diese eindeutig mit Palmöl hergestellt wurden.
Der Lauf der Dinge.
Meine Hände sind inzwischen sehr trocken, denn in meiner alten Handcreme ist eindeutig Palmöl drin und durch die neue Handcreme sind meine Hände so lange fettig, dass ich nie einen passenden Moment zum Eincremen finde. Ansonsten fällt es mir bisher aber nicht so schwer, die palmölhaltigen Produkte im Laden zu lassen. Mein Frühstücksmüsli, das Brot zum Mittag und mein gekochtes Abendessen sind meistens überhaupt kein Problem. Aber mit der Zeit fallen gerade die Kleinigkeiten auf, auf die ich doch verzichten muss. Außerdem fällt es mir dann auch recht schwer, mich beim Essen zurückzuhalten und nicht gleich alles zu essen, das lecker ist.
An einem Tag gehe ich zur Bäckerei. Dort wird es kompliziert, denn dort hat nicht jedes Brötchen eine Zutatenliste, die ich mir selbstständig angucken kann. Also muss ich die Verkäuferin fragen, zum Glück ist nicht so viel los. Ich habe Lust auf ein Schokoladencroissant. Aber da ist Palmöl drin. Dann vielleicht ein Franzbrötchen? Nein, da ist auch Palmöl drin. Es stellt sich heraus, dass die süßen Teilchen fast alle mit Palmöl sind. Letztendlich wird mir ein Mandelhörnchen empfohlen. Das stellt sich dann zwar auch als lecker heraus, aber ist aber nun einmal kein Croissant. Für das nächste Mal weiß ich jetzt immerhin, dass in den normalen Brötchen und Brot kein Palmöl drin sein sollte.
Das Fazit.
Letztendlich stelle ich fest, dass es manchmal doch gar nicht so leicht ist, auf Palmöl zu verzichten. Zum einen liegt das an mir, weil mein Wille zuweilen nicht stark genug ist, um auf die leckeren Sachen zu verzichten. Zum anderen liegt es aber auch an den teilweise wenigen Alternativen, vor allem bei den Drogerieartikeln und Süßwaren. Zum Beispiel möchte ich meine Kekse nicht immer selbst backen müssen oder auch einfach mal ein Schokoladencroissant essen, wenn ich Lust dazu habe. Aber eigentlich musste ich meine Essensgewohnheiten insgesamt nicht allzu sehr umstellen. Daher nehme ich mir vor, mehr darauf zu achten und auch in Zukunft zumindest deutlich weniger Palmöl zu konsumieren.
Quellen und weitere Informationen:
Beitragsbild: Juli Böhm
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