Eine Liebeserklärung an Ausmalbücher

Eine Liebeserklärung an Ausmalbücher

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die Liebe zu Ausmalbüchern gehen.

Wir müssen es immer mit dranhängen: für Erwachsene. Ausmalbücher für Erwachsene.

Ausmalbücher sind für Kinder, oder waren es zumindest einmal. Mittlerweile gibt es sie zu verschiedensten „erwachsenen“ Themen: Als Begleiter für die Arbeit, inklusive Flüchen, weil Arbeiten frustriert. Mit kleinen feinen Designs, die Kinderhände noch nicht gut ausfüllen können – dazu fehlen die feinmotorischen Fähigkeiten. Mit Fantasiewelten, die … die sich wie genau von Kinderausmalbüchern unterscheiden? Vielleicht dadurch, dass die Linien nicht an allen Stellen perfekt abschließen, oder einzelne Motive zu klein sind. Vielleicht sind auch nicht alle Motive für Kinder geeignet.

Ausschnitt eines bunten Ausmalmotives: verschiedene Dinosaurier und Pflanzen, Vögel, im Hintergrund ein Vulkan.

Letztendlich unterscheidet sich unser Gebrauch von Ausmalbüchern jedoch kaum von dem eines Kindes. Meiner zumindest nicht. Im Kindergarten war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, stapelweise lose DIN A4 Blätter zu bekrakeln, am liebsten mit gut funktionierenden Filzstiften, noch lieber, wenn mir schon Formen zum Ausfüllen vorgegeben waren. Dabei fand ich mich in einen geradezu meditativen Zustand versetzt, bevor ich wusste, was Meditation ist. Wenn ich dabei kein Hörspiel hörte, erfand ich selbst Geschichten, die nie ein Ende hatten.

Die meisten kennen sicherlich das Phänomen, Kindheitshobbys nach einigen Jahren abzulehnen, weil sie zu „kindisch“ sind.
Irgendwann fiel mir auf, dass das sinnlos war – ich besaß zwar keine Ausmalbücher, aber sämtliche farblosen Illustrationen in Arbeitsheften oder vielleicht sogar einem Buch waren fair game.

Mitte der 2010er waren sie plötzlich überall. Ausmalbücher für Erwachsene, zur Stressbewältigung. Alle, die das Gefühl kennen, ein vergessenes Hobby nach ein paar Jahren wiederzuentdecken, wissen, was nun auf mich zukam. Dieser meditative Escapism, dieses Mal mit weniger Feen und Prinzessinnen, stattdessen mit Tieren und Pflanzen, zusammengesetzt aus geometrischen Formen. Kleinteilige, filigrane Motive, für die ich jeweils mehrere sehr entspannende Stunden brauchte. Statt Hörspielen ließ ich Serien und Filme im Hintergrund laufen, später auch Podcasts und Hörbücher. Und dann digitale Vorlesungen.
Ich stellte fest, dass ich mich viel besser auf Inhalte konzentrieren und sie hinterher viel leichter abrufen konnte, wenn ich das ausgemalte Motiv später wieder sah. Diese Information nutzte ich nicht so viel, wie man hätte annehmen können – aber gut zu wissen.

Ausschnitt eines angefangenen Ausmalmotives: Ameisen tragen Blätter über dünne Äste. Einige Ameisen sind lila, die Blätter grün und gelb. Die Motive beinhalten geometrische Formen,

Ich zeichne auch sehr gerne selber, male fast noch lieber. Linien sind manchmal einschüchternder als Farbflächen. Ausmalen ist wie eine harmlose Vorstufe: Die einzige exekutive Entscheidung, die du treffen musst, lautet „Welche Farbe kommt in welches Feld“. Für jemanden mit Entscheidungsproblemen und Startschwierigkeiten ein gefundenes Fressen. Es lässt mich mein Hobby öfter ausleben, als wenn ich mich auf eigenständiges Malen beschränken würde und jedes Mal eine Idee haben müsste, wenn ich etwas in die Richtung machen möchte. Manchmal ist es einfach gut zum Aufwärmen.

Ich habe es auch mit digitalen Kunstprogrammen und sehr kurz mit digitalen Ausmalmotiven versucht. Immerhin ist es praktisch, Hobbys leicht abrufbar auf dem Handy zu haben, oder? Naja. Es gibt sicherlich eine Zielgruppe dafür. Ich gehöre da nicht zu. Einer der besten Aspekte von Ausmalbüchern ist, zumindest für mich, dass ich dabei nicht auf einen Bildschirm gucken muss. Insbesondere seit Beginn der Pandemie.
Wenn man mich fragt, ist es zudem wesentlich zufriedenstellender, mit Stiften auf Papier zu arbeiten. Taktiles ASMR.

Ein weiterer Punkt, den ich an Ausmalbüchern wertschätze, ist die Diversität der Stile verschiedener Ausmalbuchautor*innen. Natürlich habe ich meine Lieblinge, aber je nach Präferenzen – klare Formen oder flexiblere Gestaltung, dickere/dünnere Linien, mehr oder weniger abstrahierte Motive, u.v.m – ist für alle etwas dabei.

An dieser Stelle: Eine Mini-Rezension meiner Top 3 Ausmalbücher.

  1. Kerby Rosanes: Colourmorphia 7/10
    Zugegeben – ein Liebling in Theorie. Sehr fantasievoll. Tiere verschmelzen mit ihrer Umgebung oder anderen kleineren Elementen, und die Motive geben alle kreative Freiheit, kleine Meisterwerke aus den Seiten zu machen. Das funktioniert am besten, wenn man tatsächlich z.B. Schattierung nutzt, und wird schwieriger, wenn deine Go-To-Stifte zum Ausmalen das 36-Farben-Set Filzstifte für 2€ von Tedi o.ä. sind. Ich habe es auch mit Wasserfarbe versucht, hatte aber zu viel Angst um das Papier, um dem Versuch eine faire Chance zu geben.
    Kann mit viel Geduld trotzdem cool werden, aber nicht so entspannend, wie ich es gerne hätte.
  2. Millie Marotta: Wundervolles Tierreich 9/10
    Ich bin sicher, es war eins von Millie Marottas Ausmalbüchern, das mein Interesse wiedererweckt hat. Die Motive sind sehr detailliert, etwas abstrahiert und geometrisch. Ein großer Pluspunkt ist, dass man dadurch stundenlang an einem Motiv sitzen kann und ein Buch sehr lange vorhält. Die Muster sind etwas repetitiv, was einerseits eine meditative Wirkung hat – andererseits kann das nach einer Weile etwas langweilig werden. Falls man genug Zeit hat, um diesen Punkt zu erreichen.
  3. Johanna Basford: Mein geheimnisvoller Dschungel 9,5/10
    Ich habe zwei Ausmalbücher von Johanna Basford sowie ein Anleitungsbuch: How to Draw Inky Wonderlands. Ihre Zeichnungen haben natürliche Formen, keine geometrischen Elemente. Jedes Buch hat einen Hauch Magie in den Motiven. Ähnlich wie in Marottas Ausmalbüchern kann man sich hier gut in den Details verlieren, aber die Details sind keine winzigen Blattformen, die zusammen den Hals eines Vogels bilden, sondern ein Gestrüpp, ein Regal voller Krimskrams, oder eine Szenerie, die eine Doppelseite ausfüllt. Anders als bei Marotta gibt es jedoch Gelegenheit zum Schattieren und Farben ineinanderfließen lassen. Anders als bei Rosanes ist es kein Verlust, nur mit billigen Filzstiften zu arbeiten.
    Die 0,5 Punkte Abzug sind rein subjektiv – besagte Doppelseiten können leicht zu Entscheidungsmüdigkeit führen.

Beitragsbilder: Clara Rauner

Eine Liebeserklärung an Filme mit Christian Bale

Eine Liebeserklärung an Filme mit Christian Bale

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die Liebe zu Filmen mit Christian Bale gehen.

Variabel wie ein Schweizer Taschenmesser

Christian Bale ist vor allem eins: variabel. Sei es als Patrick Bateman in „American Psycho“, als Batman in Christopher Nolans Trilogie oder als Dicky Ecklund in „The Fighter“, er überzeugt. Aber das war nur ein Auszug der ikonischen Rollen des Christian Bale. Seine Darstellung als Trevor Reznik in „The Machinist“ ist vielen auch noch ein Begriff. Es liegt aber nicht nur an seinem Talent, diese unterschiedlichsten Rollen darzustellen, sondern auch an seinem unfassbaren Einsatz. Alle, die sich näher mit der Person des Christian Bale beschäftigen oder regelmäßig Filme konsumieren, in denen er mitspielt, merken schnell, dass Bale sein Äußeres beinahe chamäleonartig verändert. Je nach Rolle natürlich. Für den Part als Trevor Reznik nahm Bale in kurzer Zeit 28 Kilogramm ab. Berichten zufolge aß er in jener Zeit eine Dose Thunfisch und einen Apfel. Am Tag. Ach ja, natürlich wurde Bale auch zum Kettenraucher, um Gewicht zu verlieren, was auch sonst. Was auf diese Rolle folgte, ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme bis heute: „Batman Begins“. Zum Dreh für den Film erschien Bale ungefähr 45 Kilogramm schwerer – und das nur etwa sechs Monate nach dem Drehende von „The Machinist“. Diese Story allein ist schon krass und absolut nicht gesund. Sie hört hier aber noch nicht auf. In einem Interview sagte Bale, dass er zu viel Fett zugenommen hatte und scherzhaft von Crewmitgliedern gefragt wurde, ob sie Batman oder Fatman drehen würden. Also nahm er wieder etwas Gewicht ab und unterzog sich Krafttraining, um gezielt Muskeln aufzubauen. Christian Bale hat diese Prozedur mehrfach hinter sich. Auch beeindruckend ist der Fakt, dass er als gebürtiger Waliser das amerikanische Englisch erst erlernen musste.

Hochdekoriert und weitestgehend skandalfrei

Bale hat bis jetzt einen Oscar und zwei Golden Globes gewonnen. Insgesamt sind es über 75 Filmpreise und mehr als 120 Nominierungen. Es ist also leicht zu sagen, dass Christian Bale zu den besten Schauspieler*innen seiner Generation gehört. Aber jede*r hat ihre oder seine Leichen im Keller, so auch er. Sein Ausraster am Set von „Terminator: Die Erlösung“ hat mich beim ersten Hören der Audiospur an einen gewissen Klaus Kinski erinnert. Der große Unterschied zwischen den beiden ist aber, dass Kinski so etwas regelmäßig machte. Bales letzter „Skandal“ liegt mehr als 10 Jahre zurück, was überrascht, wenn man hört, dass er oft als schwierig, dünnhäutig oder auch unberechenbar beschrieben wird. Auch interessant ist, dass er anscheinend keine Social Media-Accounts besitzt. Er ist also Teil einer aussterbenden Art. Wir alle können wahrscheinlich gleich zehn Schauspieler*innen oder andere Künstler*innen nennen, die auf Social Media zu finden sind – mit mindestens einem Account. Aber gar keinen zu haben? In der heutigen Zeit kaum vorstellbar.

Grund des Artikels

Hier sollte es in so einem Artikel das Ziel sein, dir, die*der gerade diese Zeilen liest, Christian Bale näherzubringen. Dafür musste ich aber erstmal mein kaputtes Verhältnis zu Filmen wieder geraderücken. Das ist nicht wirklich einfach. Aber fangen wir von vorne an. Zum einen gibt es kaum Filme, die mich wirklich begeistern. Star Wars nicht komplett gesehen, Der Herr der Ringe nicht gesehen, von Harry Potter nur den ersten Teil komplett geschaut – nur um dir ein Gefühl zu geben, wie wenig ich mich für Filme begeistern konnte. Seit ich jetzt in der sogenannten vorlesungsfreien Zeit vermeintlich mehr Freizeit habe, fing ich an, mir meine Lieblingsfilme anzuschauen. Aber selbstverständlich erst abends, da ich ja noch eine Hausarbeit zu schreiben hatte. Schließlich bin ich ein pflichtbewusster Student. Es fing mit der Batman-Trilogie von Christopher Nolan an, in der Christian Bale Batman verkörpert. Aufgrund der Empfehlung von Netflix schaute ich mir den nächsten Film an: „American Hustle“. Ich merkte hier erst nach geschlagenen 35 Minuten, dass Christian Bale die Hauptrolle spielte. Von seinen chamäleonartigen Fähigkeiten erzählte ich ja bereits. Und wieder fand ich die Rolle, die er spielte, gut. Besonders macht ihn aber auch, dass er nicht in einer Rolle gefangen ist. Die gesamte Bandbreite ist dabei. Von dem schwarzen Rächer bis zum Ex-Präsidenten spielt er alle. Es gibt genügend Beispiele für Schauspieler*innen, die in einer Rolle einen so bleibenden Eindruck hinterlassen haben, dass man sie nur in dieser wahrnimmt. Ein Beispiel, das mir sofort einfällt: Daniel Radcliffe. In ihm sieht man eigentlich nur Harry Potter. Jemand, der mir bei diesem Artikel sehr geholfen hat, brachte auch noch Tom Cruise ins Spiel. Kann ich persönlich wenig zu sagen, habe ich doch selbst keinen Tom Cruise Film gesehen, für den er wirklich bekannt ist. Ich kenne niemanden, die*der sagt: „Oh, das ist ja Tom Cruise, der hat doch Stauffenberg in ‚Operation Walküre‘ dargestellt.“ Meistens wird er doch entweder mit Top Gun oder Mission Impossible assoziiert. Zumindest kommt mir das so vor. Und da ist der Charakter doch eher einfach zu beschreiben. Waghalsig und unantastbar. Ein Aspekt, der auch zentral für die Filme von Christian Bale ist (zumindest für einige), ist Zeitlosigkeit. Wir alle kennen das, wenn man sich an etwas sattgesehen hat. Bei den meisten seiner Filme ist dies aber nicht der Fall. Allein als ich für diesen Artikel „recherchiert“ habe, habe ich mir die Batman-Trilogie locker dreimal angesehen. „American Hustle“ dreimal und „The Fighter“ auch mehrmals.

Zum Glück fand ich den Weg zu Christian Bale. Seitdem kann ich mich auf mehr Filme einlassen. Er hat es mir mit den Rollen, an denen er mitwirkte, also ermöglicht, in eine ganz besondere Welt einzutauchen. Eine Welt, in der alles möglich scheint und wo Fantasie selten nicht ausgeschöpft wird. Die Welt der Filme.

Top 5

Abschließend möchte ich aber noch meine persönlichen Lieblingsfilme mit Christian Bale mit dir teilen. Viel Spaß!

5. American Psycho (wird einigen wehtun, sorry)

4. Batman Begins

3. The Fighter

2. American Hustle

1. The Dark Knight Rises

P.S.: Ich habe mit Absicht nicht den zweiten Batman-Teil in die Liste einfließen lassen, obwohl es wahrscheinlich der beste Film der Reihe ist. Ich bin nämlich der Meinung, dass dieser Film nicht von Bale, sondern von Heath Ledger, der den Joker darstellt, getragen wird.

Beitragsbild: 선인장 auf unsplash

Eine Liebeserklärung an Takeshi´s Castle

Eine Liebeserklärung an Takeshi´s Castle

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die Liebe zu der alten Kultserie Takeshi´s Castle gehen.

Was geschieht in der Burg dieses Takeshis überhaupt?

„Und wieder bricht ein Tag auf der Burg des Fürsten Takeshi an“, so lauten die berühmten Einleitungsworte der japanischen Spielshow, die von 1986 bis 1989 zum ersten Mal in ihrer Originalfassung ausgestrahlt wurde. Das Prinzip der Show ist ganz simpel, auf der einen Seite haben wir General Hayati Tani und seine Gefolgschaft von Kandidat*innen, die gemeinsam versuchen die Burg des Fürsten zu erobern. Auf der anderen Seite befinden sich Fürst Takeshi und seine Gefolgsleute, die alles dafür tun, um die Eroberung der Burg zu verhindern. Knapp 90-150 Teilnehmer*innen versuchen sich jedes Mal an der Herausforderung. Die Show ist wie ein Videospiel aufgebaut, welches mehrere Level hat, die man abschließen muss, ehe man sich dem Boss, in dem Fall Fürst Takeshi, stellen kann. In einer Reihe von Minispielen und Challenges versuchen so viele Teilnehmer*innen wie möglich sich bis zum Fürsten vorzukämpfen.

In den 133 Folgen gab es insgesamt 127 Finalrunden, in denen die Burg ganze 9-mal erobert wurde, 117-mal konnten die Angreifer erfolgreich abgewehrt werden und einmal trat ein Unentschieden ein. Takeshi’s Castle wurde zu Beginn noch mit eher geringem Aufwand wie auch Budget gedreht, aber konnte später in den Midoriyama-Studios bei Yokohama abgefilmt werden.

Takeshi’s Castle hat international einen großen Erfolg zu verzeichnen. So wurde die Serie beispielsweise in Spanien, Italien, Portugal, Taiwan, Australien und eben auch Deutschland ausgestrahlt. Dabei wurden die Originalsendungen etwas gekürzt und von berühmten Kabarettist*innen und Komiker*innen der jeweiligen Länder neu synchronisiert. Während die Kommentare in der japanischen Fassung oft eher bedeckt und nüchtern waren, wurden in den neuen Synchronisationen viele humorvolle Anmerkungen genutzt. In Deutschland wurde die Sendung das erste Mal von 1999 bis 2001 auf DSF ausgestrahlt und in war in den kommenden Jahren auch auf Sendern wie RTL 2, Comedy Central oder RTL Nitro zu sehen.

Was genau macht die Show jetzt so interessant?

Für mich persönlich ist Takeshi´s Castle eine meiner Lieblingsserien aus meiner Kindheit. Ich kann mich noch erinnern, wie ich als kleiner Junge manchmal ganz unbeaufsichtigt und gelangweilt die Fernsehsender durchgeschaltet habe, auf der Suche nach etwas Interessantem. Hin und wieder landete ich eben bei der japanischen Spielshow. Mein 7-jähriges Ich hat nicht lange gebraucht, um Gefallen an der Show zu finden. Es war spannend, die vielen Teilnehmer*innen bei ihren Versuchen, die Minispiele zu überstehen, zu beobachten. Oft fand ich mich selbst mitgerissen und eiferte mit den Teilnehmenden mit und hoffte, dass sie eine Etappe weiter kommen würden. Da die Spiele aber alle auch einen Comedy Aspekt hatten, musste ich öfter schmunzeln, wenn mal wieder eine Person beim Überqueren des Drachensees auf den falschen Stein trat und ins Wasser plumpste. Ich war immer wieder fasziniert, wie viele verschiedene Spiele die Show zu bieten hatte. Es gab immer reichlich Abwechslung, aber genauso waren manche Klassiker immer wieder vertreten, wie zum Beispiel die Grenzmauer, die oft das erste Spiel war. Dabei müssen die motivierten Kandidat*innen versuchen, eine glitschige Schräge zu überwinden, auf deren anderer Seite ein Wassergraben wartete, in den die erfolgreichen Teilnehmenden hineinrutschten. Ich finde dieses spezifische Spiel als erstes immer ganz passend, da es zeigt, dass die Gefolgschaft von General Hayati Tani wirklich eine Einheit ist und auch als Team zusammen arbeitet. Selbst wenn die Kandidat*innen bei vielen Spielen auf sich alleine gestellt sind, helfen sie sich hin und wieder doch aus.

Meine Lieblingsspiele

Ich kann leider nicht auf alle Spiele der Show eingehen, da das wirklich eine ordentliche Anzahl ist, aber ich würde euch trotzdem gerne ein paar meiner Lieblingsspiele vorstellen. Zunächst hätten wir da einmal das Waben-Labyrinth, bei dem die Teilnehmenden sich einen Weg durch das Labyrinth an Kammern bahnen müssen. Nur eine Tür führt ins Ziel, alle anderen leiten entweder gegen eine Wand, ins Wasser oder in die Arme von Fürst Takeshis Gefolgsleuten, die sich ebenfalls im Labyrinth aufhalten. Ich fand es bei dem Spiel immer amüsant anzusehen, was für verschiedene Strategien die Kandidat*innen zu bieten hatten. Manche versuchten ganz leise und eher langsam durch das Labyrinth zu schleichen, während andere alles auf Schnelligkeit setzten, um ans Ziel zu kommen.

Ein weiteres meiner Lieblingsspiele ist die Hängebrücke, bei der die Teilnehmenden zunächst einen goldenen Ball fangen müssen, den ihnen General Hayati Tani persönlich zukommen lässt. Danach ist Balance und Geschick gefragt, denn man muss sich über eine schmale Brücke wagen und den goldenen Ball sicher auf die andere Seite bringen, während die Schergen von Fürst Takeshi versuchen die Teilnehmenden mit ihren Kanonen abzuschießen. Ich fand es immer wieder lustig, wie manche Kandidat*innen versuchten, im Matrix-Style den Schüssen der Kanonen auszuweichen.

Zu guter Letzt habe ich noch ein Spiel, welches man quasi auch in jeder Folge sieht, nämlich die Finalrunde. Hier stehen die Teilnehmer*innen, die alle Etappenspiele überstanden haben, dem Fürsten und seinen Schergen persönlich gegenüber. Alle sitzen in Fahrzeugen, die mit einem Sensor ausgestattet sind, der abgeschossen werden muss. Benutzt wurden dafür sowohl Wasserpistolen, als auch richtige Laser. Falls der Sensor des Fürsten getroffen wird, gilt die Burg als erobert, aber falls alle Sensoren der Kandidat*innen getroffen werden, haben diese versagt. Ich fand das Finale immer richtig cool inszeniert. Jede*r fährt in einer Art abgespaceten Autoscooter direkt auf dem Platz vor der Burg des Fürsten und versucht, das andere Team auszuschalten. Als meine Eltern mich damals fragten, was ich mir denn da anschauen würde und ich ihnen erklärte, dass die Leute versuchen sich mit Wasserpistolen abzuschießen, während sie in einem Autoscooter fahren, haben die mich auch erstmal komisch angeguckt. Das Ganze ist so absurd und spannend zugleich, aber genauso ist Takeshi´s Castle nun mal eben.

Schlusswort

Ich fand es immer faszinierend, wie die Show für ihre Zeit umgesetzt wurde, und was für eine Vielzahl an lustigen Spielen sich die Japaner*innen ausgedacht haben. Die Show hat nicht umsonst so einen internationalen Erfolg eingefahren, denn es gab nun mal nichts vergleichbares zu Takeshi´s Castle zu dieser Zeit, was Zuschauer*innen auf die Art und Weise unterhalten konnte, wie es die japanische Spielshow tat. Der Videospiel-Charakter der Show war für mich immer der größte Anreiz, die Serie weiterzuverfolgen. Man hatte wirklich das Gefühl, dass sich die Teilnehmenden von Level zu Level vorarbeiten würden, um den großen Fürst Takeshi herauszufordern zu können. Eine sehr erfreuliche Nachricht, auf die ich während der Recherche zu diesem Beitrag gestoßen bin, ist, dass Takeshi´s Castle angeblich im Frühjahr 2023 eine Neuauflage erhalten soll, die von Amazon Prime ausgestrahlt wird. Vielleicht ist das für einige die Chance, um etwas Nostalgie aufleben zu lassen oder die Show selber zum ersten Mal zu erleben. Ich bin jedenfalls gespannt, wie das Reboot umgesetzt wird und werde bestimmt auch mal gucken wie es so ist, wenn wieder einmal ein neuer Tag auf der Burg des Fürsten Takeshi anbricht.

Beitragsbild: Alessio Ferretti auf Unsplash

Adventskalender Türchen 8: Eine Liebeserklärung an Weihnachtsmärkte

Adventskalender Türchen 8: Eine Liebeserklärung an Weihnachtsmärkte

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die Liebe zu Weihnachtsmärkten gehen.

Die meisten Blätter sind von den Bäumen gefallen und der Herbst neigt sich dem Ende zu. An ihrer Stelle macht sich der Duft von Tanne und Lebkuchen breit, die Weihnachtszeit beginnt! Mit Beginn der schönsten Zeit des Jahres werden auch wieder festlich die Weihnachtsmärkte überall im Land eröffnet und „All I Want For Chistmas Is You“ und „Rudolph, The Red-Nosed Reindeer“ erklingen wieder in voller Pracht. Die Menschenscharen eilen voller Vorfreude zu später Abendstunde auf den Weihnachtsmarkt und bedienen sich am breitgefächertem Angebot der lieblich eingerichteten Buden und Stände. Weihnachtsmärkte bringen immerhin auch ein renommiertes und herzhaftes Angebot an Getränken und Essen mit sich. Gebrannte Mandeln, tonnenweise Spezialitäten vom Grill und natürlich auch die immer beliebten Mutzen. Obwohl ich vor meiner Zeit in Greifswald tatsächlich noch nie Mutzen gegessen hatte, kann ich nun nicht mehr genug davon kriegen, da mir wirklich jede*r Greifswalder*in eingetrichtert hat, dass ich die Dinger unbedingt probieren muss. Und auch wenn meine tollpatschige Wenigkeit es jedes Mal schafft, mehr Puderzucker auf meiner Winterjacke als auf den Mutzen selbst zu verteilen, genieße ich das Schmalzgebäck (wie es auch genannt wird) immer wieder aufs Neue.

Was absolut nicht fehlen darf bei den zunehmend kälter werdenden Temperaturen, ist eine warme Tasse Glühwein. Diese erwärmt nicht nur das Bäuchlein, sondern auch das Gemüt, wenn noch ein Schuss Amaretto dazugegeben wird. Ich erinnere mich beim Glühweintrinken immer an mein erstes Semester zurück, als ich mit meinen Freunden jede Woche einen Abstecher auf den Weihnachtsmarkt gemacht habe, bevor wir in die vierstündige BWL-Vorlesung abgetaucht sind. Da waren die ein, zwei (oder auch ein paar mehr) Tassen Glühwein genau der Motivationsbooster, der uns durch die Vorlesung getragen hat.

Was den Weihnachtsmarkt für mich aber noch mehr ausmacht, ist die Stimmung und das Ambiente selbst. Überall ist alles festlich verziert, alles leuchtet und glitzert, es duftet nach allen möglichen Köstlichkeiten, alle Leute sind am Lachen und man genießt die Zeit mit seinen Freund*innen und/oder der Familie. Wobei man bei der gemütlichen, warmen Stimmung auch gerne mal mit komplett fremden Leuten in Kontakt kommt. Aus dem Stegreif fällt mir gerade ein, dass mich mal eine Gruppe von Rentner*innen dazu ermutigt hat, ein paar Weihnachtsliederchen mit ihnen anzusingen. Wir hatten tatsächlich mächtig Spaß und haben sogar noch ein paar mehr Leute angelockt, die entweder zugehört oder sogar auch mitgesungen haben.

Weihnachtmärkte symbolisieren für mich einfach die Wärme, das Beisammensein und die endlos gute Laune, die das Weihnachtsfest für mich ausmachen. Falls ihr bisher noch nicht auf dem Weihnachtsmarkt wart, dann dreht doch mal eine Runde über den Markt mit euren Nächsten und Liebsten und genießt die Zeit miteinander.

Eine Liebeserklärung an den Herbst

Eine Liebeserklärung an den Herbst

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die stürmische Liebe zum Herbst gehen.

Lasst uns den Herbst romantisieren. Was bleibt uns anderes übrig? Man kann sich viel über jede Jahreszeit aufregen: Der Winter ist zu kalt und nass und dunkel, im Sommer ist es zu heiß, viel zu früh hell und Insekten sind überall, und im Frühling sterben Allergiker*innen sämtliche Tode, vor denen sie der Winter verschont hatte.
Genauso über den Herbst. Ich denke viele mögen ihn nicht, weil sie sich nicht vom Sommer verabschieden wollen. Weil sich die Sonne und das Gefühl, alles und jede*r sprühte vor Leben, langsam zurückziehen. Es wird gewelkt und verblüht. Es wird kälter. Nasser. Windiger.

Ich finde nass und kalt auch nicht super, trotzdem ist Herbst meine Lieblingsjahreszeit. Ich liebe es, mich vom Sommer zu verabschieden. Sommerliche Wärme ist mir schnell zu viel, ich bekomme nichts gebacken (haha). Ein Spiegelei auf dem Asphalt hat mehr Elan als ich, wenn Temperaturen die 24-°C-Markierung hinter sich lassen. Der Moment, in dem sich spät im August oder früh im September die Luft abkühlt, ist mit Leichtigkeit einer meiner Top 3 im Jahr. Aber nicht nur das.

Herbst und Essen

Es wird langsam kühler, warme Mahlzeiten gewinnen wieder mehr an Wertschätzung. Jedes Jahr gibt es einen Zeitpunkt, wo ich dringend eine Suppe kochen will. Sie sind sonst nie meine erste Wahl. Aber sie haben etwas umarmendes – ich kann mich nicht in eine Badewanne legen, also koche ich eine Suppe und lasse sie denselben Effekt wirken. Natürlich schwingt ein Hauch von „Suppen sind gesund“ mit, wenn ich mehr Gemüse kleinschneide und hineinwerfe, als ich normalerweise in einem Monat esse. Angebratener Knoblauch, Zwiebeln, cremige Soßen, Käse auf allem, das sich nicht aktiv wehrt. Und die Küche riecht warm und einladend. Extrapunkte für Mahlzeiten, die ich aus Schüsseln essen kann. Was ebenfalls exponentiell steigt, sind die Tassen Tee pro Tag. Wenn sich kochen anfühlt wie Self Care, ist zumindest für den Moment alles in Ordnung.

Herbst und Übergangsjacken

Genauso geht es mir mit Übergangsklamotten. Kuschelige Pullover, Jacken, Schichten … Der Mensch ist wahrlich eine Zwiebel. Ist es nicht ein massiver Vorteil, wenn Kleidung kuschelig sein kann? Und wandelbar? Zugegeben, ich finde es super, im Sommer weniger Wäsche waschen zu müssen, weil man da einfach nicht viel Stoff tragen kann. Aber ich brauche auch in keiner anderen Jahreszeit so dringend eine Extratasche, weil Jackentaschen ausfallen und die an meinen sommerlichen Kleidungsstücken wirklich nicht optimal sind. Wenn vorhanden. So sehr es andere nervt (und mich, wenn ich mich ohne Schirm von Regen überrascht finde), ich bin Team „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“.

Herbst und Romantik

Okay, das könnte man im Winter ja auch alles gut finden. Aber da gibt es noch etwas anderes. Das Licht, die Luft. Für den Geruch nach Regen und Erde und verwesenden Blättern nehme ich die Kälte gerne in Kauf. Dramatisch wechselhaftes Wetter macht jeden Tag ein bisschen besonders.
Wenn ich Greifswald im Herbst sehe, verstehe ich Künstler*innen der Romantik. Ich möchte das goldene Leuchten der ersten gelben Blätter in der Vormittagssonne festhalten und mich daran wärmen. Ich möchte den Mond in Ölfarben malen, wie er schon früh am Abend groß und hell in den Bäumen sitzt, über dem Feld, zwischen den Wolken. Straßenlaternen sehen kleiner aus neben ihm. Sie spenden zusammen ein warmes Licht, das hier und da in der diesigen Luft hängen bleibt.
Der Wind fühlt sich nach Veränderung an. Gleichzeitig riecht die Luft nach einem spezifischen Tag, an den du dich nur vage erinnerst, du warst vielleicht fünf, vielleicht elf, an einen Moment, der dir glasklar vor Augen liegt. Du gehst die Straße entlang und plötzlich fühlst du dich, als könntest du eine andere Person werden, wenn du einfach nicht aufhältst, was die Zeit jetzt mit dir macht.

Herbst und Halloween

Ich frage nicht mehr nach, beschwere mich nicht mehr über weihnachtlich assoziierte Kekse, wenn sie Ende August in Supermärkten auftauchen, seit ich in einer solchen Übergangssaison Spekulatius-Regalen gegenüber an der Kasse saß. In einer Woche kam derselbe Kommentar von circa fünfzig Kund*innen. Jedes Jahr früher? Nein. Aber, wenn du mich fragst, jedes Jahr ein bisschen zu früh. September ist dazu da, um zu verdauen, dass das Jahr wieder „fast vorbei“ ist, Oktober ist Halloween, und November ist eine Gratwanderung zwischen Herbst und Mariah Carey.
Halloween ist mein Lieblings-„Feiertag“ – völlig zwanglos, niemand erwartet eine Feiertagskarte oder Festtagswünsche auf anderen Wegen. „Das liegt daran, dass das kein Feiertag ist. Wenn überhaupt, ist Reformationstag.“ Gut, aber den feiert in meinem Umfeld auch niemand.
Seit meiner Kindheit habe ich mich immer gerne verkleidet und damals ein bisschen geärgert, wenn es Ende Oktober kalt war und ich eine Jacke über dem Kostüm tragen musste – an dem einen Tag im Jahr, an dem dieses Hobby akzeptabel war. Oh, die Optionen. Die Freiheit. Ich war schon immer introvertiert, das letzte, was ich wollte, war aufzufallen. Da kam es mir natürlich entgegen, wenn es an einem Tag im Jahr gesellschaftlich akzeptabel ist, wenn nicht sogar erwartet wird, dass man mal von „normal“ abweicht.
Und wenn keine Partys zustande kommen, kann man wunderbar Horror- und Halloween-Filme gucken, für die man eventuell zu anderen Zeitpunkten nicht in Stimmung ist. Ich bin auch immer für Horror-Podcasts und Graphic Novels zu haben.
Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht diejenige bin, die nachts das Licht ausmachen muss.

Beitragsbilder: Clara Rauner

Eine Liebeserklärung an … Reformationsbrötchen

Eine Liebeserklärung an … Reformationsbrötchen

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die Liebe zu ganz besonderen Brötchen gehen.

Die ersten Blätter fallen, auf dem Markt gibt es Kürbisse in allen Größen. Eine kühle Brise zieht durch die Straßen. Mit ihr kommen auch sie wieder in die Auslagen der Bäckereien: Die Reformationsbrötchen.

Reformations…was? Denken jetzt vielleicht einige. Ich musste in meinem ersten Greifswald-Semester lernen, dass es hier im Norden keine Reformationsbrötchen gibt. Irritiert schaute mich die Verkäuferin in der „Junge“-Filiale an, als ich fragte, ob es schon so weit sei. In Greifswald ist es scheinbar nie so weit. Nach einer kleinen nicht repräsentativen Umfrage unter meinen Kommiliton*innen wusste ich, dass kaum jemand die süßen Brötchen kennt. Scheinbar sind Reformationsbrötchen nur in der Region um Leipzig bekannt. An den Rest Deutschlands: ihr verpasst etwas.

Fluffiger Hefeteig mit saftigen Rosinen im Teig und einem Klecks Marmelade in der Mitte. Es ist im Prinzip ein Mini-Stollen und das schon im Herbst. Die Form soll an die Lutherrose erinnern. Allerdings meistens mit vier statt fünf Blättern. Traditionell isst man sie am 31.10 – dem Reformationstag. Aber so genau muss man nicht sein. Sie schmecken auch an jedem anderen Oktobertag. Man kann Reformationsbrötchen sogar vegan backen und sie können bedenkenlos auch von allen anderen Religionen gefuttert werden. Also ein süßes Stück Herbst, dass offen für jede*n ist. Was will man mehr? Außerdem bieten sie eine Alternative zum pumpkin-spice-alles, was einem im Herbst oft begegnet.

Reformationsbrötchen habe ich schon immer gemocht, aber den speziellen Platz in meinem Herzen haben sie seit meinem ersten Praktikum. In den Herbstferien 2014 habe ich ein Praktikum bei einer Lokalzeitung begonnen. Endlich sollte ich eine richtige Journalistin werden, zumindest dachte ich das. Bei meinem ersten großen Pressetermin ging es um: Reformationsbrötchen. Ich sollte einen Konditor interviewen, der offiziell die Saison eröffnet hat. Nach dem Termin durfte ich mir ein Reformationsbrötchen mitnehmen. Ich kam mir auf dem Rückweg zur Redaktion vor, wie eine Investigativjournalistin in New York mit ihrem Kaffee in der Hand. Nur eben als Praktikantin in Oschatz mit ihrem Reformationsbrötchen in der Hand. Also mindestens genauso cool.

Reformationsbrötchen sind für mich ein Stück Zuhause. Weil es sie wirklich nur dort gibt. Sie erinnern mich auch daran, dass am 31.10 nicht nur Halloween ist. Martin Luther und seine 95 Thesen haben die Geschichte Mitteleuropas verändert. Vielleicht sollte man den Reformationstag einmal nutzen, um sich ein bisschen in die Historie einzulesen. Oder man kartert von der letzten Halloween Party aus. Oder man zieht mit den kleinen Geschwistern auf der Jagd nach Süßigkeiten um die Häuser. Egal wie ihr den Reformationstag verbringt, ich werde an die Reformationsbrötchen denken, die es vielleicht irgendwann auch nach Greifswald schaffen.

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