Adventskalender Türchen 19: No-Gos an Weihnachten

Adventskalender Türchen 19: No-Gos an Weihnachten

An Weihnachten ist durch Bräuche und Familientraditionen oft vorgegeben, wie man sich verhält hat. Dennoch gibt es noch immer einige nicht ganz so offensichtliche Dinge, die man lieber lassen sollte. Hier kommen vier sehr spezifische No-Gos an Weihnachten – ganz abseits von den Standardtipps, die eh schon jeder kennt.

Weihnachtlicher Common Sense

Den Eltern keine Socken schenken, beherzigt hoffentlich jede*r von euch. Genauso wie der Freundin eine Kochschürze oder eine Anti-Aging-Creme unter den Weihnachtsbaum zu legen. „Koche mehr und schau dabei nicht so alt aus.“ Diese indirekte Botschaft kommt wahrscheinlich nicht so gut an. Da ihr ja schlaue Leser*innen seid, brauch ich euch das nicht ausführlich zu erklären. Aus diesem Grund sind in diesem 19. Türchen die Tipps versteckt, an die ihr vielleicht noch nicht gedacht habt.

Beten mit Bakterien

Für Christ*innen gehört es an den Festtagen dazu, in die Kirche zu gehen. Selbst wenn es nur dieses eine Mal im Jahr ist, kann man immerhin sagen, dass man regelmäßig dorthin geht. Auch wenn die Regelmäßigkeit eine Pause von exakt 365 Tagen beinhaltet. Wer dann im Gotteshaus seiner Heimatstadt gezwungenermaßen viele altbekannte Gesichter sieht, muss diese zum einen mit einem etwas aufgesetztem Lächeln grüßen, zum anderen gibt es aber in den allermeisten Gottesdiensten auch den sogenannten Friedensgruß, bei dem jede*r den Satz „Der Friede sei mit dir“ zu den Menschen, die um ihn herum sitzen, ausspricht.

Eine schöne Geste, wenn diese nicht meist mit ewigem Händeschütteln etlicher fremder Personen verbunden wäre. Die Vorstellung, die Bakterien so vieler unbekannter Menschen mit nach Hause zu nehmen, ist nicht gerade schön. Erst recht nicht, wenn diese Bakterien dann noch die Weihnachtsferien durch eine Erkältung versauen. Also: wünscht den Leuten in der Kirche Alles Gute, aber lasst uns doch die Hände bei uns selbst lassen. Spätestens seit der Pandemie sollte jede*r wissen, warum das eine gute Idee sein kann.

Großer Krach von und für die Kleinsten

Vermutlich müssen sich die meisten von euch an diesem Weihnachtsfest noch keine Gedanken darüber machen, welches Geschenk dem eigenen Kind gefällt. Da man aber nie früh genug für die Zukunft planen kann, gibt es diesen Tipp schon einmal mit auf den Weg.

Für die Kleinsten ist Weihnachten oft magisch, neben den Lichtern und dem Warten auf das Christkind sind natürlich die vielen Geschenke ein Grund dafür. In den letzten Jahren sind diese mit immer neuen Features versehen worden, die die Kinder begeistern sollen. Darunter auch Soundeffekte, die etwa die Stimmen der Lieblings-Zeichentrickfigur nachmachen. Bereitet das Geräusch in den ersten Minuten dem Kind und der ganzen Familie Freude, so ist spätestens nach dem zehnten Paw-Patrol Sound bei den Erwachsenen die Luft raus. Der kleine Racker hat noch Spaß an seinem Spielzeug, während die Erwachsenen langsam ungeduldig werden. Weil aber keiner der Buhmann sein will, der dem Kind die Stimmung versaut, wandern die Blicke passiv-aggressiv zu den Eltern. Die stehen dann vor der Entscheidung: Dem Kind den Abend kaputt machen oder den Gästen? Um nicht in diese Lose-Lose-Situation zu geraten, raten wir euch: einfach kein Spielzeug mit Geräuschen schenken. Problem gelöst!

Zu vergessen, dass das Beste nach dem Fest kommt

Klar, Heiligabend und die beiden Weihnachtsfeiertage sind für viele von uns eine schöne Zeit und ein Highlight am Jahresende. Es ist aber eben noch nicht ganz das Jahresende. Die Tage vom 27. bis zum 31. Dezember sind wie ein Fehler in der Matrix. Niemand weiß wirklich, was man mit sich anfangen soll. Weihnachten ist vorbei, aber Silvester noch nicht da. Es bleibt Zeit für die schönen Sachen: Weihnachtsgeschenke austesten, sich ausschließlich von Resten des Festessens ernähren, bei der Darts WM stundenlang wohlgenährten Engländern beim Pfeile werfen zuschauen, oder einfach Freund*innen aus der Schulzeit treffen, die wieder in der alten Heimatstadt sind. Kurzum: Zu denken, die schöne Zeit ist am 27.12 vorbei, ist ein No-Go.

Moodle, Groupware und Co. einen Besuch abstatten

Zum Schluss noch ein wirklich ernst gemeinter Rat an die überaus engagierten Studierenden. Das ganze Jahr über ist man mit Hausarbeiten, Prüfungen und allgemeinem Stress im Studium konfrontiert. Wie heißt es so schön im Werbeslogan eines renommierten Baufachgeschäfts: Es gibt immer etwas zu tun. Da ist es sicherlich nicht hilfreich, wenn man sich an Weihnachten, einer Zeit der Ruhe und Gemütlichkeit, auf Moodle, Groupware und Co. rumtreibt. Diese Plattformen, deren Erblicken und Geräusche allein schon Stressauslöser sind, sollte man dann einfach mal keinen Besuch abstatten. Keine Sorge, die fühlen sich schon nicht alleine. Und an alle Dozierenden: Eure Mails können Sie auch getrost im neuen Jahr abschicken, so dringlich ist es meistens nicht. Und selbst wenn ist ein ruhiges und stressfreies Weihnachten in jedem Fall wichtiger.

Hoffentlich konnten euch diese etwas individuellen No-Gos auf dem Weg zu einer schönen Festzeit weiterbringen. Wenn ihr noch mehr Ratschläge habt, dann lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen!

Beitragsbild: Vanessa Finsel


Zur Person des Autoren

Mit 21 Jahren ist der Autor 2022 aus der niedersächsischen Kleinstadt in unsere Kleinstadt am Meer gezogen. Beflügelt vom Wissen der Politik- und Kommunikationswissenschaft möchte er die Medienwelt betreten. Beflügelt ist auch sein Lieblingstier, der Weißkopfseeadler.

“I’m only planning for the next five months” – An interview with ukrainian exchange students in Greifswald

“I’m only planning for the next five months” – An interview with ukrainian exchange students in Greifswald

For over 1,000 days Russia’s war of aggression has raged on in Ukraine. An entire nation lives in a constant state of suffering and fear, coupled with remarkable courage in the face of this threat. Amid this uncertainty, focusing on their studies is no easy task for young people. Yet Liuda and Zlata are doing just that. The two 19-year-old students from Ukraine are spending a semester abroad in Greifswald. In an interview with webmoritz., they share insights into what studying in Ukraine is currently like, what has surprised them about Greifswald, and how planning the future works in times of uncertainty.

Editorial note: To make the subject accessible to more readers, the interview, which was held in English, is published in German and English.

webmoritz.: You two have been in Greifswald since September. How has the experience been so far?

Zlata: It was really good so far. Both in terms of studying and in terms of social life.

Liuda: There is much more than I expected, as there are a lot of events that we as Internationals are invited to. People are really open and we have made friends already, so I enjoy it so far. We are mostly with other Internationals, but the exchange with local people from Greifswald is also a very nice part.

Have you met other exchange students from Ukraine in Greifswald?

Zlata: There are around ten exchange students from Ukraine, all of whom are girls. (Male students in Ukraine are still exempt from military service)

What surprised you about Greifswald and studying in Germany in general?

Liuda: The study process is not like it is in Ukraine. We can actually choose the subjects and courses we study here. In Ukraine you only have a fixed list. You can’t choose between courses. Here I can actually select what I am interested in.

Zlata: What Liuda mentioned is the most important difference. It just makes everything more interesting. For me it is easier than in Ukraine in some parts.

How long will you be in Greifswald?

Zlata: Until march. We will miss the Summer here sadly..

You are from Lviv and Drohobych. The war has been going on for over 1000 days now. How is the situation at home, how do you stay in contact with your families?

Liuda: It is a tough topic to talk about, because even though we live away from the front line, there are still missiles from Russia everyday. Just yesterday (21.11), Russia striked with an intercontinental missile for the first time in Ukraine. That was horrific. I don’t think it is gonna get any better, because the Russian aggression is still there and it has been there for over 1000 days.  People, soldiers, civilians, and even children are dying under the rubble. I hope that the European Union and Germany will support us, so we can actually win the war.

Liuda’s (top) and Zlata’s universities are in the western Part of Ukraine, near the Polish border. (Source: Google Maps)

With this situation in mind, what made you still do an exchange semester? Were there any extra challenges or were you even more encouraged to do it?

Liuda: Because of the war, even though it sounds horrible, there are a lot of doors that were opened to Ukrainians. There is a lot of support for us, which is great. Countries are happy to accept exchange students from Ukraine. Now, the doors are even open for male students to do exchanges. That was not possible before. But I have to say, even though I am here now, I still miss Ukraine and I will definitely come back and live my life there. My parents are happy that I am here because I am in safety here, but I still want to come back.

Are there still regular lessons being held at your home university?

Zlata: Yes, it is considered „peaceful“ because we don’t have active warfare in the region. We have offline-studying. In the eastern part of Ukraine, they study online because of the war-conditions. But if we have an air alarm then we go to the shelter and then of course there is no lecture.

Liuda: Most universities in the central and eastern parts of Ukraine are closed. We can’t complain because we don’t miss any student life. When there is an alarm we have to go to the shelter or even study there.

So there is a shelter for all students?

Zlata: Yes, for every faculty there is one. If you don’t have a shelter, there can be no studying.

Were there no extra challenges for you to do the exchange?

Zlata: For the International Department of our university it may be easier to do the agreements with other universities. For us students there is still a contest, where you must do an interview. We have to prepare documents and have good grades. But that was the same before the war.

Why did you choose Greifswald? Could you choose between many universities?

Zlata: It depends on the university. For me I chose Greifswald because the second language I learn is German. But we do have a lot of options from multiple countries.

Liuda: I study German as my first language and English as my second, so I wanted to come to Germany to improve my skills in both languages. People here surprisingly talk really good English, so it was a great choice. A friend of mine was in Greifswald before and she gave me great feedback, so I decided, why should I not try it?

What did you see outside of Greifswald? Did you go an any trips?

Liuda: I traveled to Denmark and the Netherlands, but also German cities like Hamburg, Berlin, and Nürnberg. It was really beautiful. The other things on my wish list are far away, given Greifswald’s relatively isolated geography. Köln or Düsseldorf come to my mind there.

Zlata: I wasn’t abroad yet but we went on a hiking trip to Rügen which was organized for Internationals as well as a trip to Lübeck. Next week we will go to Berlin, which is also a trip organized for the Internationals.

Looking into your future: What are your goals regarding university or jobs? How do you work towards these goals if the situation at home is so unknown?

Zlata: It is a hard question. I didn’t think of getting a masters degree but now I think that I will do a masters degree. Maybe not in Ukraine but somewhere abroad. When talking about a job, I would like to work as a translator. Of course it could be harder to do that in Ukraine because of the situation, but the field of translating is in high demand there right now. I just really hope it works out.

Liuda: It is really hard to plan things out these days. Before the war I set plans for the next few years, but now I only plan things for like the next five months. But as my my major is also in the field of translating I will work in that field, hopefully as a German and English translator. For me, the best place to work is still in Ukraine.

Is there anything that you would like to say to the people reading?

Liuda: Don’t be afraid to take a risk, even if it doesn’t work out. Do something, leave your comfort zone and meet new people.

Zlata: Nothing to add to that!

We thank Zlata und Liuda for the interview.

Beitragsbild: Simon Fortmann


Zur Person des Autoren

Ein Ausflug in die heile Welt, nach 49377 Vechta

Ein Ausflug in die heile Welt, nach 49377 Vechta

Kommt mit auf eine Reise in eine heile Welt. In eine niedersächsische Kleinstadt, die in einigen Jahrzehnten sinnbildlich vom Tellerwäscher zum Millionär aufgestiegen ist. Dort, wo der Bundeskanzler Bier zapft, die Basketballer in Europa spielen und viele Tiere viel Geld bringen.

Anfang August fuhr ich mit meinem guten Freund Peter von einer Party in einer Gartenhütte in Vechta nach Hause. Es war ein lauer Sommerabend in der Kleinstadt zwischen Bremen und Osnabrück. Beide waren wir erst vor Kurzem aus unseren Unistädten zurück in unsere Heimat gekommen. Als wir die Straße erreichten, in der unsere Wege sich trennten, sagte Peter: „Immer wenn ich in Vechta zu Besuch bin, merke ich, was das für eine heile Welt hier ist.“ Ich schmunzelte und stimmte ihm kurz zu. Antworten konnte ich nicht, unsere Wege trennten sich just in diesem Moment.

Zu Hause angekommen, hatte ich Zeit, um über seine Aussage nachzudenken. Viel zu grübeln, ist um 4.30 Uhr nachts eigentlich selten eine gute Idee. Ich machte es trotzdem, und da wurde mir klar: Dieser Begriff, die
„heile Welt“, trifft das Gefühl, was Vechta mir gibt, zu einhundert Prozent. Eine (irrationale) Faszination für seine Heimatstadt hat wahrscheinlich jeder. Nur sie in Worte zu fassen, die Faszination greifbar zu machen, das gelingt nicht immer.

Vechta ist mehr als nur Deutschlands „Schweinegürtel“

Aber woraus besteht denn diese „heile Welt“ in der 34.000-Seelen-Stadt nun? Da kann man natürlich mit den rationalen Punkten argumentieren. Die Gegend um Vechta gehört zu den wirtschaftsstärksten in ganz Deutschland. Die eigenen vier Wände sind standardmäßig in Form eines Einfamilienhauses gestaltet. Arbeitslosigkeit ist so gut wie nicht vorhanden. Die ländliche Region ist eine der jüngsten und geburtenreichsten ihrer Art. Man könnte noch lange so weiter machen. Aber das hier soll keine bierzeltartige Lobeshymne eines Bürgermeisters werden. Fakten allein können keine heile Welt erklären. Vielmehr erklärt sich diese Welt, diese Stadt, durch die Menschen die sie schaffen.

Ein kitschiger Imagefilm: Jede Stadt hat ihn, ob jede Stadt einen braucht, ist die andere Frage.

Die Menschen können nämlich wortwörtlich aus Scheiße Gold machen. (Verzeiht mir die Ausdrucksweise an dieser Stelle, aber sie ist unumgänglich). Das ist auf der einen Seite auf die Gülle bezogen, deren Verwertung hiesige Firmen perfektioniert haben. Das ist auch bitter nötig, da das Gebiet um Vechta, von einigen als „Schweinegürtel Deutschlands“ verpönt, sehr viel von dem guten Stoff hat. Bei der höchsten Dichte an Massentierhaltung in der Bundesrepublik kommt da so einiges zusammen. Das muss irgendwie entsorgt werden. Das Zeug nur auf die Felder zu kippen, geht nicht mehr, da sind die Grenzwerte an Schadstoffen schon im dunkelroten Bereich. Auch wenn die seit einer Ewigkeit beständig gewählten CDU-Politiker*innen da gerne drüber hinwegsehen.

Das DDR-Fernsehen drehte einst Filme über die Armut in der Region

Die Vechtaer*innen sind also reiche, konservative Landwirt*innen, die die Umwelt verpesten? Wie sollen diese Menschen eine heile Welt darstellen? Es gibt einen Unterschied zu den Menschen in ebenfalls reichen, konservativen Regionen, etwa in Bayern: Die Leute in Vechta wissen es zu schätzen, wie gut es ihnen geht. Denn der Wohlstand war längst nicht immer gegeben. Das ist die andere Seite der Scheiße-zu-Gold-Metapher. Die Vechtaer Vergangenheit entsprach eher dem Ersteren. Noch Mitte des letzten Jahrhunderts galt das Oldenburger Münsterland, in dessen Mitte Vechta liegt, als „Armenhaus der Republik“. Die Lage war so schlimm, dass sogar das DDR-Staatsfernsehen vorbeikam, um über die schlechten Zustände beim kapitalistischen Klassenfeind zu berichten. Mit Fleiß und landwirtschaftlichem Unternehmertum wurden in den letzten Jahrzehnten dann die Kassen gefüllt.

Lecker Bierchen: Bundeskanzler Olaf Scholz stößt auf dem Stoppelmarkt 2024 mit Vechtas Bürgermeister Kristian Kater und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil an. Quelle: Bundesregierung/Marvin Ibo Güngör

Eine volle Kasse macht sicher noch keine heile Welt. Aber mit einer vollen Kasse lässt es sich besser feiern. Und das kann man in Vechta sehr gut. Natürlich auf Schützenfesten und mit den Alteingesessenen. Aber das haben andere Orte ja auch. Etwas, das andere Orte aber nicht haben, ist der Stoppelmarkt. Das sind sechs Tage im August, an denen 800.000 Menschen nach Vechta kommen, um seit 726 Jahren ein Volksfest der höchsten Güteklasse zu feiern. In etwa so wie das Oktoberfest, nur besser. In über 20 Festzelten wird dann mit alten und neuen Weggefährt*innen angestoßen. Zu diesem Fest kommt jeder, der in Vechta aufgewachsen ist, wieder in die alte Heimat zurück.

Mitte August kommen alle zurück in die Heimat

Egal, wohin es ihn oder sie auf der Welt verschlagen hat. Das ist in Vechta genauso wichtig wie das Heimkommen an Weihnachten. Mindestens. Auf dem Stoppelmarkt wird auf die alten Zeiten und die neuen Erfahrungen angestoßen. Dass es diese gemeinsamen Momente jedes Jahr gibt, das ist ein ganz großer Teil dieser heilen Welt Vechtas. In diesem Jahr waren sogar unser Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundeskanzler Olaf Scholz da. Sie wurden herzlich begrüßt und durften selbst leckeres Bier zapfen, auch wenn dem Großteil der konservativen Vechtaer Wählerschaft ihre Politik wohl nicht gut schmeckt. Aber das ist ja die Quintessenz des Stoppelmarkts: Dort, gerne mit einem Bier in der Hand, sind wir alle gleich.

Alle gleich sind die Vechtaer*innen auch im Rasta Dome. Auf den Punkt 3.140 Vechtaer*innen, um genau zu sein. So viele Menschen passen nämlich in die Halle des Basketballvereins Rasta Vechta. Und dort sind eben alle gleich in Orange angezogen, der Farbe des Basketball-Bundesligisten. In dieser kleinen, dafür lauten und heißen Halle treffen sich die Vechtaer*innen alle zwei Wochen von September bis Mai, um ihre Mannschaft zu Siegen gegen Teams wie Bayern, Athen und Istanbul zu schreien. Nach den Spielen wird oft noch bis in die Nacht an den Theken der Halle gefeiert und über das Spiel philosophiert.

Alles in Orange: Spiele von Rasta Vechta sind ein gesellschaftliches Highlight in Vechta. Besonders, wenn man Teams wie Bayern oder Istanbul zu Gast hat. Quelle: Rasta Vechta/Christian Becker

Hier ziehen sich wieder Parallelen zur gesamten Stadt. Ich persönlich habe noch Spiele von Rasta in einer kleinen Schulsporthalle gesehen, wo in der fünften Liga eher rustikaler Basketball geboten wurde. Doch mit viel Herzblut (und etwas Kleingeld eines Tierfutterherstellers) begann der Siegeszug bis in den Europapokal. Und das Schöne ist: Man sitzt heute noch mit denselben Leuten auf der Tribüne, mit denen man schon in der fünften Liga als kleiner Bub zugeschaut hat. Der Verein und man selbst sind gleichzeitig groß geworden. Auch das ist ein Teil der heilen Welt.

Tante Mia, Golden Gels und schnelle Autos in der Innenstadt

Was gibt es sonst noch über Vechta zu sagen? Im Schnelldurchlauf fallen mir noch ein paar Dinge ein: Wir haben eine kleine, aber feine Universität sowie eine Innenstadt, deren Einkaufszone sich noch standesgemäß beidspurig mit der geleasten S-Klasse durchfahren lässt. Ein architektonischer Hingucker ist zudem eine Kopie der Golden Gate Bridge. Die erstreckt sich über unseren Bahnhof und wird im Volksmund auch „Golden-Gels-Bridge“ genannt. Herr Gels war ein ehemaliger Bürgermeister, dem man nachsagt, er habe sich mit diesem Bauwerk ein eigenes Denkmal setzen wollen. Fragen Sie den Chef dieses Mediums, er soll besondere Kontakte zu diesem Mann haben! Die Elektrofans unter euch kennen vielleicht das Tante-Mia-Festival, welches auch jedes Jahr in Vechta stattfindet. Dort werden dann auch im katholischen Vechta eher unchristliche Substanzen konsumiert.

Ich hoffe, diese sicher etwas überschwängliche Beschreibung der „heilen Welt“ Vechta hat euch diese Stadt etwas nähergebracht. Vielleicht bringt euch das ja zum Nachdenken darüber, welche kleinen oder großen Dinge eure Stadt oder euer Dorf zu einer „heilen Welt“ machen. Schreibt es gerne unter diesen Beitrag!

Beitragsbild: Adobe Stock/ Roman


Zur Person des Autors

moritz.playlist: Berq

moritz.playlist: Berq

Musik – Töne mit Zusammenhang, oder gerne auch ohne. Im Prinzip systematischer Krach. Jede*r hört Musik, aber was ist die Geschichte hinter den einzelnen Stücken, auch Lieder genannt, und womit verbinden wir sie? Was lösen sie in uns aus und wer hat sie erschaffen? webmoritz. lässt die Pantoffeln steppen, gibt vor, was angesagt ist, und buddelt die versteckten Schätze aus. Unsere Auswahl landet in eurer moritz.playlist.

Wer in Deutschland nach jungen, aufstrebenden und erfolgreichen Künstlern sucht, der hat diese in den letzten Jahren meist im Deutschrap gefunden. Ein junger Mann aus Hamburg ändert das. Berq, bürgerlich Felix Dautzenberg, hat sich in den letzten anderthalb Jahren quasi mit einer Bewerbungsmappe als neue musikalische Hoffnung etabliert. Irgendwo zwischen Indie und Pop zu verorten, bringt er Musik mit ganz klarem Wiedererkennungswert auf die Platte. Wer sich mit nur sieben Liedern einen Namen macht, den sollte man sich genauer anschauen. Also tun wir das. Hier und jetzt.

Ein wahres One Trick Pony

Lauscht man in eine Single von Berq, so gibt es einen immer wiederkehrenden Effekt: Die eigene Laune sinkt. Der Gemütszustand bewegt sich auf einem dramatischen Weg Richtung Melancholie und Herzzerrissenheit. Warum sollte man sich das freiwillig antun? Gute Frage. Die noch bessere Antwort: Weil dieser dramatische Weg umsäumt ist von einer Landschaft aus großartiger Pianistik. Umsäumt von einer Stimme, die ein Ende der Notenleiter nicht kennt und Worte so fesselnd dramatisch in die Länge zieht.

Die Thematik ist dabei immer die selbe: zerbrochene Beziehungen, der Betrug einer eigentlich eng vertrauten Person und die damit verbundene Unfähigkeit, noch an die wahre Liebe glauben zu können. Ein wahres One-Trick-Pony, wie man im Englischen zu pflegen sagt. Aber eben auch ein verdammt gutes. Dass dieses Merkmal kein Hindernis sein muss, das sieht man ja seit Jahren bei Taylor Swift, nicht wahr?

Überzeugt euch selbst, mit seinem erfolgreichsten Werk „Rote Flaggen“, das auf Youtube und Spotify jeweils die Millionenmarke geknackt hat. In dem Song beschreibt Berq die Beziehung zu einer Frau, die eigentlich aus gutem Grund beendet ist. Zu viele Warnzeichen, zu häufiges falsches Verhalten, kurz: zu viele „rote Flaggen“ (red flags) die die andere Person abgibt. Und doch ist das Verlangen da, wieder zurückzugehen, auch wenn das Gewissen das Herz anschreit, es nicht zu tun. Drum geht er nur nachts zu ihr hin, denn dann sieht er die roten Flaggen in ihrer Einfahrt nicht. Ein Selbstbetrug, der dann auffliegt, wenn ihn am Morgen die „nackte Wahrheit im Bett in die Knie zwingt“.

Tipp: Kickt mit Kopfhörern noch mehr.

Mit einer Unibewerbung in die Charts

Als Felix im Sommer 2022 sein Abitur in der Tasche hatte, war für ihn klar, dass er sich in seiner Zukunft mit Musik beschäftigen möchte. Nicht umsonst hatte er zuvor jahrelang freiwillig samstags Musiktheorie-Unterricht genommen und versucht, das Gelernte im spärlich eingerichteten Kellerstudio seines Elternhauses umzusetzen. Aber Berq wollte eigentlich kein Star werden. Seine erste und bislang einzige EP „Rote Flaggen“ war ursprünglich eine Bewerbungsmappe für die Popakademie Mannheim. Noch bevor er eine Einladung für die Akademie erhielt, entschloss er sich, seinen ersten Song „Echo“ doch online zu stellen. Keine gänzlich schlechte Idee. Besonders auf TikTok verbreitet sich das Lied wie ein Lauffeuer.

Auch die anderen Werke des heute 20-jährigen bekamen ein paar Funken dieses Lauffeuers ab und loderten immer heller. Mein persönlicher Favorit ist dabei „Achilles“. Nicht wegen meiner Leidenschaft für die griechische Mythologie, sondern wegen Zeilen wie diesen):

Und danke für die Bindungsängste, krass, dass du das zweimal schaffst
Bin dankbar für die Superkraft
Dass du mich zum Achilles machst
(Unsterblich, weil ich geh, wenn ich Gefühle seh)

Und danke für die Bindungsängste, für die Reste in der Brust
Wo bei anderen ein Herz sitzt
Denkst du, dass das hier ein Scherz ist?
Vielleicht weil heute nicht mehr März ist

Berq in „Achilles“

Ihr seht, das Ganze ist nichts für die Untermalung der sonntäglichen Kaffeetafel bei den Großeltern. Aber das soll es auch nicht sein.

Big Business bei Böhmermann

Die Größe eines Musikers zeigt sich für mich besonders, wenn man sieht, dass er die Schönheit eines Liedes auch live und vor Publikum rüberbringen kann. Im Studio können Autotune und Co. auch große Fehler kaschieren. Auf der Bühne ist dann die Stunde der Wahrheit. Es sei denn, es wird Playback gesungen. Aber Künstler*innen, die das machen, sollte man ihren Titel sowieso aberkennen. Zurück zu Berq: Der im Jahr 2004 geborene Hamburger hat bewiesen, dass Bühnenpräsenz kein Fremdwort für ihn ist. Zuerst tat er das bei der Late-Night-Show Inas Nacht, im Oktober 2023 dann eine Nummer größer in Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“. Ein großartiges Zusammenspiel von Orchester, Licht und Stimme. Aber schaut und hört selbst hinein:

Der Auftritt im Zweiten Deutschen Fernsehen wird rückblickend wohl der Moment sein, der seiner Karriere den finalen Schub auf die Spitze des Erfolgsberg(q)es gegeben hat. Deshalb heißt es jetzt:

Es geht auf Tour!

In diesem Sommer führt Berq seine im vergangenen Jahr begonnene Reise über verschiedene, meist regionale Festivals fort. Vom 8. bis 11. August macht er auch in unserem schönen MV halt, beim About You Pangea Festival in Ribnitz-Damgarten. Später beginnt passend zum melancholischen Winter neben der kalten Jahreszeit auch seine erste eigene Solotour. In zahlreichen Großstädten in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist er unterwegs. Viele Karten waren bereits vor dem offiziellen VVK-Start vergriffen, da er mit versteckten QR-Codes in den Tourstädten schon eine Art Early-Access geboten hat, der etwas aus dem Ruder gelaufen ist. 80 Prozent der Tickets wurden nur durch die Codes vergeben. Aber kein Grund zu verzagen: Gleichzeitig mit seiner neuesten Single „Heimweg“ veröffentliche Berq Anfang Juli Daten für eine Zusatztour Anfang 2025.

Eine große Zukunft, wenn:

Dass Berq musikalisch großartige Voraussetzungen für eine lange und erfolgreiche Karriere hat, das ist wohl offensichtlich. Wenn er sich seiner Art, die ihn bis zu diesem Punkt gebracht hat, treu bleibt und gleichzeitig thematisch etwas vielfältiger wird, gibt es nach oben keine Grenzen. Dass er vor kurzem in die Künstlerhochburg Berlin gezogen ist, wird ihm sicher helfen, noch größere Features als das bisher einzige Feature mit ENNIO zu verwirklichen.

So verbleibe ich, passenderweise, mit dem Outro Song seiner EP „Einmal verliebt“. Peppt eure Playlist gerne mit diesem oder einem anderen Lied von Berq auf. Aber: Klaget nicht, wenn die Laune wie bei einer Achterbahn zunächst rasant nach unten geht. Wobei, bei der Achterbahn ist das auch der schönste Teil, nicht wahr?

Beitragsbild: Felix Aaron / Landstreicher Booking

Wie Putin mit Rhetorik seinen Krieg legitimiert

Wie Putin mit Rhetorik seinen Krieg legitimiert

Wie schafft Wladimir Putin es, die Geschichte zu verdrehen und seine grausamen Taten mit Wörtern anzudeuten und später zu rechtfertigen? Ein Experte erklärt die Strategie hinter der Sprache des russischen Herrschers. Live. In Farbe. Hier in Greifswald. Der webmoritz. berichtet von Prof. Nicolosis Vortrag am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg.

Der 24. Februar 2022 ist der Tag, an dem Undenkbares und überwunden Geglaubtes plötzlich erschütternd echte Realität wird. Russland überfällt nach Befehl von Machthaber Wladimir Putin die Ukraine. Eine „militärische Spezialoperation“, die sich in einen bis heute andauernden, schrecklichen Krieg verwandelt. Am frühen Morgen jenes 24. Februars hält Präsident Putin eine Ansprache, in der er seinen Befehl versucht zu begründen, zu legitimieren und eine Botschaft an die Welt zu senden.

Doch wie schafft er es, seine Sicht der Geschehnisse zu verbreiten? Welche klassischen Elemente der Kriegsrhetorik finden sich bei ihm wieder? Und warum sollte man sich angesichts der grausamen Folgen des Angriffs überhaupt mit so etwas Banalem wie Rhetorik befassen? Antworten auf diese Fragen gab Prof. Riccardo Nicolosi am Montagabend (15.04.) in seinem Vortrag „Putins Kriegsrhetorik“ im Greifswalder Alfried Krupp Wissenschaftskolleg. Die gut besuchte Veranstaltung war der Auftakt der Fellow Lectures des Kollegs, die Zuhörer*innen im ganzen Sommersemester spannende Einblicke in verschiedenste Forschungsgebiete eröffnet.

Putin ist kein begnadeter Redner

Prof. Nicolosi stellt zu Beginn direkt klar, was Putin nicht ist: ein begnadeter Redner. Er sei oberlehrerhaft, anstrengend und wenig charismatisch. Er bewegt die Massen nicht. Er überzeugt nicht in Debatten. Er kann bei Großveranstaltungen nicht mitreißen. Warum? Weil er es nicht nötig hat. Bevor der Präsident auch nur sein erstes Wort spricht, hat er Vorkehrungen getroffen, die den „Erfolg“ seiner Rede garantieren sollen. Putin, so Nicolosi, meide Reden vor großen Menschenmassen auf öffentlichen Plätzen. Wer keine demokratische Wahl hat, muss sich auch nicht, wie beispielsweise Merkel 2013, in einem TV-Kanzlerduell den überaus stechenden Fragen eines Stefan Raab stellen. So eine öffentliche Debatte gibt es in Russland, in dessen Inland laut Nicolosi in den vergangenen zwei Jahren noch repressiver und totalitärer agiert wird, schlichtweg nicht. Und selbst wenn Putin sich in einer Fernsehsendung Fragen eines Publikums stellt, sind die Personen sowie deren Fragen selbstverständlich zuvor abgesprochen. Diese Inszenierung diene nur dazu, eine Nähe des Herrschers zu seinem Volk zu suggerieren, erläutert Nicolosi.

Prof. Nicolosi füllte seine 60 Minuten mit spannenden Einblicken. Foto: Alfried Krupp Wissenschaftskolleg

Sind die passenden Voraussetzungen geschaffen, kann Putin seine Botschaften verkünden. Dazu bedient er sich verschiedener rhetorischer Mittel. Aber was ist Rhetorik überhaupt? Nicolosi erläutert diesen Grundstein seines Vortrags mit dem antiken griechischen Philosoph Platon. Laut diesem ist Rhetorik eine „ethische Überzeugungskunst zur Konsensbildung“. Eine demokratische Kunst also. Aber nicht in Russland. Dort gibt es keine Konsensbildung. Putin ist der Konsens.

„Die Kunst der Rhetorik ist laut Platon eigentlich eine demokratische Kunst.“

Prof. Riccardo Nicolosi

Die Subform der Kriegsrhetorik ist eine spezielle, wird sie doch nur im Ausnahmezustand genutzt. Laut Nicolosi kreiert diese Rhetorik einen begrenzten Möglichkeitshorizont, in dem Gewaltanwendung legitimiert wird. Was heißt das konkret? Putin stellt sein Land allgemein als ewiges Opfer des Westens dar, welcher eine ständige Bedrohung für das Fortbestehen Russlands sei. Er geht dabei weit in die Geschichte zurück und behauptet, der Westen wolle Revanche für die Niederlage Napoleons im Jahre 1812 (!). Bemerkenswert: In seiner 30-minütigen Rede am 24. Februar 2022 erwähnt Putin die Ukraine in den ersten 15 Minuten nicht ein einziges Mal. In genannter Rede bedient er sich laut Nicolosi klassischer Mittel der Kriegsrhetorik, die schon viele Tyrannen und Herrscher vor ihm verwendeten.

Fast zeitgleich mit Kriegsbeginn geht Putin mit seiner Rede am 24.2.22 an die Öffentlichkeit. Foto: Tagesschau.de

Zu Beginn gibt es die sogenannte Justification Speech, die dazu dient, die Entstehung der Situation zu erläutern und das Vorgehen zu legitimieren. Putin schildert seine Sicht der Vergangenheit, indem er auf einen angeblichen Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung im Donbas, in der Ostukraine, verweist. Das leitet auf das nächste Stilmittel ein: die Alternativlosigkeit des Handelns. Der Genozid müsse gestoppt werden, bevor es zu spät ist. Die „ukrainischen Neonazis“ müssten aufgehalten werden. Nicolosi erklärt, dass der Begriff Nazi in Putins Sprachgebrauch generell einen tyrannischen Feind beschreibt und nicht mehr viel mit der eigentlichen Nazi-Ideologie gemein habe. Zum Schluss seiner Rede zu Kriegsbeginn erwähnt Putin zudem klassisch die Siegessicherheit der „Militäroperation“, die die Führung in Kiew ersetzen und eigentlich nur wenige Tage andauern sollte.

Warum sollte man sich überhaupt mit Putins Rhetorik beschäftigen?

                       

Nicolosi ist es wichtig, die Relevanz des Vortragsthemas hervorzuheben. Die Sprache Putins war der Aggressivität seiner Taten immer mindestens einen Schritt voraus. Putin habe in seinen Reden in den vergangenen Jahren immer wieder undeutlich ausgesprochen, dass eine Intervention in der Ukraine nötig sei. Bereits 2014 deutete er dies in seiner „Blut und Boden“ Rede sehr bildhaft an: „Wenn man eine Feder immer weiter zusammendrückt, wird sie irgendwann mit aller Kraft auseinanderspringen“. Damit spielt er auf die Zeit nach dem Fall der Sowjetunion an, in der er Entwicklungen wie die NATO-Osterweiterung beobachten musste, die für ihn und sein Land eine „Demütigung“ seien.

„9 von 10 Russen haben wahrscheinlich noch nie eine Rede Putins gesehen“

Prof. Riccardo Nicolosi

Die Bezeichnung der „militärischen Spezialoperation“ wählt Putin nicht ohne Grund, wie Nicolosi erklärt. Eine Spezialoperation könne man abbrechen, wenn das Ziel erreicht sei. Einen Krieg könne man nur gewinnen oder verlieren. Hoffnung, dass diese Spezialoperation wirklich zeitnah beendet wird, lässt sich daraus aber wohl nicht schöpfen.

Zum Abschluss der Veranstaltung konnte das Publikum Fragen an Professor Nicolosi stellen. Besonders die Frage nach der Wirksamkeit der Reden stand dabei im Zentrum. Nicolosi stellte klar, dass 9 von 10 Bürgern Russlands wahrscheinlich nie eine Rede Putins verfolgt hätten. Ihnen sei auch völlig unklar, was Putin mit Begriffen wie „Entnazifizierung“ überhaupt meine. Es sind programmatische Reden. Putin sei kein Populist, so Nicolosi. Er wolle den Willen der Massen nicht auf sich ziehen. Das stehe ganz im Gegensatz zu jemandem wie Trump, der sich in einem ständigen Wahlkampfmodus befinde.

Nach dem Vortrag gab es für jede*n die Möglichkeit, Fragen zum Thema zu stellen. Foto: Alfried Krupp Wissenschaftskolleg

Nicolosi gelang es in seinem Vortrag, Putins Rhetorik wissenschaftlich einzuordnen und die Zuhörer an ihrem Wissensstand abzuholen. Sein Fachwissen über die Sprache und das russische System trugen zu einer überaus interessanten Abendveranstaltung bei.

Zum Vortragenden

Riccardo Nicolosi ist Professor für Slavische Philologie (Literaturwissenschaft) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er lehrte zuvor an den Universitäten Konstanz, Bonn und Bochum und war Visiting Professor an der University of California, Berkeley.  Im Sommersemester 2024 ist Riccardo Nicolosi Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald. In diesem Semester gibt es weitere Vorträge von Gastmitgliedern des Wissenschaftskollegs, Infos dazu gibt es hier.


Zur Person der*des Autor*in

Beitragsbild: Dimitro Sevastapol (Pixabay)