Eiszeit – Eggs for Later

Eiszeit – Eggs for Later

Eine Rezension von Luna Kovac

Karriere, Familie oder doch ein Leben voller verschiedener Liebschaften? Frauen stellen sich solche Fragen – Fragen, die Auswirkungen auf das restliche Leben haben und dementsprechend schwierig zu beantworten sind.

Marieke Schellart, 35, Filmemacherin aus den Niederlanden und Regisseurin des Dokumentarfilms Eggs for Later, konfrontiert sich als Protagonistin des Films mit ihrer Antwort auf die Frage „Karriere oder Familie?“.

Verzweifelt hört Marieke ihre biologische Uhr ticken

Sechs gescheiterte Beziehungen hat Marieke Schellart hinter sich, anschließend fünf beziehungslose Jahre. Jetzt muss sie dem Realitätslöwen in die Augen sehen. Dieser brüllt und lässt sie wissen und fühlen, dass die Uhr tickt und kein Mann zum Kinderkriegen vom Himmel fällt.

Von Freunden mit Kindern aus ihrem Freiheitstraum geweckt, gelangt sie zu der Erkenntnis, dass sich die Vorstellung von einem erfüllten Leben über die Jahre hinweg ändert. Zunächst freiheitssuchend, ist sie nun überzeugt von der Idee, sich fortpflanzen zu müssen. Dabei erweckt sie zu Beginn des Films des Zuschauers Mitgefühl, welches später vielmehr in Unverständnis übergeht. Denn der Ausweg für sie ist das Einfrieren ihrer Eier.

Eizellen im Gefrierbeutel

Durch schockierende Bilder informiert sie sich über die Prozedur. Diese wird beim Zuschauer schnell mit Abscheu und Abartigkeit assoziiert. Ein Gefühl von eisiger Kälte und Übelkeit, was nur schwer zu unterdrücken gelingt, bleibt.

So führt sie ihr Publikum durch ein sehr persönliches und emotionales Tief in ihrem Leben, lässt es teilhaben an ihren Diskussionen mit Familie und Freunden, ob diese Möglichkeit eine Lösung für sie darstellt, oder ob ihre Krisen ganz andere Wurzeln haben.

Mit gemischten Gefühlen geht Marieke ihren Entschluss an

Marieke Schellart jedoch ist fest entschlossen diesen Ausweg wahrzunehmen. Sie beharrt auf ihre romantische Ader Kinder nur auf natürliche Art mit dem Richtigen an ihrer Seite bekommen zu wollen.

Dies im Alter von 35 Jahren festzustellen ist reichlich spät, dennoch hält sie fest an ihrem Gedanken. Immer wieder bestätigt sie, wie wichtig ihr die Natürlichkeit des Kinderkriegens ist. Doch was ist an dem Eingreifen in den menschlichen Körper natürlich? Was haben Eier in Gefrierbeuteln zu suchen?

Unverständnis für die Protagonistin macht sich breit

Ebenso wenig versteht der Zuschauer die Wahl ihrer Partner. Wer den Wunsch hat eine Familie zu gründen und Kinder zu haben beschließt das nicht von einem Tag auf den anderen. Solch ein Lebensweg geht mit einem passenden Partner einher. Ein Drogenabhängiger, der sich in die Liste ihrer vergangenen Liebschaften einreiht, ist dann nicht zwingend die richtige Wahl. Zumindest sollte er eine Frau wie Marieke nicht davon abhalten, den Mann kennen zu lernen, der sie weiterbringt im Leben.

Im Ganzen macht sie einen sehr emanzipierten Eindruck, dennoch lässt den Zuschauer der Gedanke nicht los, dass sie sich sehr stark von dem „idealen“ Familienbild, welches ihr von ihren Freunden vorgespielt wird, beeinflussen lässt. So bleibt der Eindruck von der Angst vor dem Singledasein in der Gesellschaft mit Kind, Angst vor dem Alleinsein.

Dabei scheinen diese Ängste ihr, wie eine rosa-rote Brille, die Sicht auf die Realität zu verschleiern. Und obwohl sie sich selbst als sehr emanzipierte Frau ansieht, pflegt sie doch eine kindliche Naivität, die den Zuschauer mit ratlosem Kopfschütteln zurücklässt. In diesem Licht betrachtet erscheinen ihre Argumente für ein Kind im erhöhten Alter wie Ausreden. Diese bringen sie allerdings nirgendwo hin – weder zum Partner, noch zum Kind.

Somit beweist Schellart ein besonderes Talent dafür, ihre Position als Frau in der Gesellschaft zu portraitieren. Dabei lässt sie dem Zuschauer keine Wahl in einer Grauzone zu verweilen. Schwarz oder weiß, mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Regie: Marieke Schellart, Niederlande, 2010, 50 Minuten

Von der Zeit, die uns nicht einholen soll – Die Frau des Fotografen

Von der Zeit, die uns nicht einholen soll – Die Frau des Fotografen

Eine Rezension von Sandrina Kreutschmann

Wenn ein Fotograf seine Negative ins Entwicklerbad legt, hofft er. „Wenn alles so bleiben könnte. Wie schnell gehen diese Tage zu Ende.“ Wenn er das vollendete Bild in den Händen wendet, fragt er. „Wie viel mal schon gehen wir fort, um immer wieder heimzukommen?“

Eugen war Fotograf und Ehemann. Vom Tag der Hochzeit über die Geburt der Kinder und seinen ersten Herzinfarkt bis zu seinem Tod fotografiert er seine Frau Gerti. Posierend im roten Kleid vor blauem Meer, im Urlaub halbnackt im Schnee und am Strand, und Zuhause, nackt auf dem Fußboden. In mehr als vierzig gemeinsamen Jahren hat Eugen Gebert so 1241 Farb- und Schwarzweißfilme belichtet.

Die Fotos hat er sorgfältig in einem mehr als 200 Seiten umfassenden Journal verzeichnet. Aufzeichnungen der gemeinsamen Reisen. Wichtige Ereignisse. Inklusive Anhang. Mit Inventurliste. Vordergründig erzählt der Dokumentarfilm von Philip Widmann und Karsten Krause anhand dieser Aufzeichnungen vom Leben und Lieben des Ehepaares Gebert. Die Jahre und Bilder werden dem Zuschauer hintereinander präsentiert, dabei aus dem Off kommentiert. Zwischen den Objekten, die Vergangenes zeigen, spricht jemand subjektiv aus gegenwärtiger Sicht. Die Witwe Gerti sortiert die Fotos und reflektiert über sich, ihr Leben, die Bilder und ihren Mann.

Vergänglichkeit, der Körper und die Liebe

Die beiden Regisseure haben mit ihrem Werk die großen Themen der Menschheit buchstäblich im Blick: Das Leben, das Sterben, dazwischen das Altern und die Vergänglichkeit; der menschliche Körper und die menschliche Liebe.

Gerti ist Model und Kunstwerk in einem

Die Frage nach der Zeit, wie sie uns folgt und einholt, immer wieder, wie wir sie halten, bannen, unschädlich machen können, wie wir ihr darum zuweilen gewalttätig, zuweilen listig begegnen, gilt als der Kernpunkt jeglicher Fotografie, der alltäglich in unser aller Familienalben beginnt und in mühsam verfolgten Dokumentar- und Kunstbildern nach dem Höchsten strebt. Dieses Motiv durchzieht auch den Film und das Schaffen Eugen Geberts in sehr expliziter Weise. An mancher Stelle wäre ein bisschen weniger Deutlichkeit Explikation dessen, was kaum zu explizieren ist, wünschenswert gewesen (Kommentare wie: „Alles bleibt, wie es war.“), eine Wiederholung der zu diesem Motiv seit jeher gehörenden Plattitüden (Fotografie als „die Möglichkeit, der Vergänglichkeit meiner Zeit in den Arm zu fallen“) erscheint womöglich überflüssig.

Einerseits ist dies eine berechtigte Kritik, andererseits lebt der Film genau von dieser umfassenden Authentizität, die in Eugens eigener Sicht auf die Bilder liegt, die kommentarlos rein dokumentarisch wiedergegeben ist – und vor allem: der Film will nichts verbergen. Er hält dieses Versprechen. Das macht er bereits in der ersten Szene deutlich, als eine Frau – Gerti – im roten Regenmantel, die mit einem Schirm im beregneten Wald steht, zunächst aus großer Unschärfe, schließlich in allen Details angezoomt wird, um schließlich schnell auf Aktfotografien dieser zu wechseln. Alles, was der Deutung verlangende, der vielleicht fragende, vielleicht voyeuristische Blick von diesen Bildern erhofft – wird ihm direkt und umstandslos gewährt, siehe auch Inventarliste 2B.

Die Bilder sind unglaublich präsent: Nicht nur die Materialität eines entwickelten Fotos, auch die Schwere des menschlichen Körpers, die subtilen Flecken und Falten des Alters, die Desillusionierung in der Entblößung, die Preisgabe einer Hoffnung auf Perfektion, das Nacktsein. Im Grunde ist nichts authentisch an den Fotos und an diesem Film, denn alles beruht auf Zurschaustellung und Selektion, Pose und Professionalität, die sich selbst zu verbergen versucht. Ob Leiblichkeit genug ist, ein Leben zu tragen, wenn Menschen einander lieben zumal: Gerti stellt diese Frage nicht und sieht in den Spiegel und erwägt eine Schönheitsoperation.

Das Objekt trägt das (Kunst)Werk

Der Film mit all seinen bewegten wie unbewegten Bildern wird überhaupt getragen von der Figur Gerti, nicht nur so, wie Eugen sie auf Zelluloid gebannt hat, sondern mehr noch, wie sie in der Jetztzeit mit den papiernen Abbildern ihrer Vergangenheit lebt. Hinter der belichteten Oberfläche offenbaren sich vielfältige Zusammenhänge und charakterliche Tiefen, die den Film sehenswert machen, einmal und noch einmal.

Dokumentation im Urlaub - Liebe und Leiblichkeit

Gerti zerreißt mit sicherem Griff die Bilder, die sie nicht gelungen findet. Man sieht dabei unter ihrer pergamentartig wirkenden Haut die Bewegung jedes Muskels. Gerti ist immer wieder im roten, eng geschnittenen, tief dekolletierten Kleid zu sehen, mit einer Miene aus Scheu und Professionalität frisiert sie sich sorgfältig, blickt in den Spiegel und reflektiert: Sie habe ein gutes Leben gehabt. Ein glückliches sogar. Im Gegensatz zu anderen Frauen. „Die waren halt nicht so fotogen, um es nicht anders auszudrücken.“

Was ist Liebe? Sie sagt, wiederholt, sie habe genau das Leben gelebt, das sie auch gewollt habe. Er sagt, dass er keinen Tag bereue, dass er alles wieder so machen würde. Sie sagt, von nun an könne es für sie nur noch bergab gehen. Sie sagt, sie habe sich als Frau hübsch und begehrenswert gefühlt. Eugen hinter der Kamera sagt: „Für mich bist und warst du stets die Erfüllung meines Lebens.“ Gerti vor ihren Bildern sagt: „Ich denke manchmal, ich habe meinem Mann viel zu wenig gesagt, dass ich ihn auch liebe.“

“Du musst eben so fotografien, dass wir zusammen bleiben können!”

Über vierzig Jahre hat Eugen seine Gerti seit ihrer Hochzeit fotografiert, über vierzig Jahre waren die beiden verheiratet, bis dass der Tod sie schied. Eine Ehe, ohnehin das institutionalisierte Moment menschlicher Zuwendung, verstanden als eine Gussform für Liebe, die als Form, wenn sie nur klar und stark genug ist, über Jahrzehnte zu tragen vermag: Eugen und Gerti haben in diesem – gemeinsamen – Verständnis um ihre Beziehung und umeinander gerungen, klar einander in den Blick genommen, auf starkes Papier gebannt, siehe auch Anhang 7B (Langliste). Die Anstrengung in dieser Bewegung bekommt der Betrachter nicht zu spüren. Die Kamera, die Fotos bilden nicht nur die allzu materiale Brücke zwischen beiden. Unmöglich, Leben ohne Liebe und den Fotografen ohne die Fotografierte zu denken. Sie sind die Form, und jenseits dieser liegt die Angst. An dieser emotionalen Grenze droht die Fotografie von Anfang an grundsätzlich zu scheitern, und nach jedem Bild ist es fraglich, ob es nach ihm ein neues gäbe, das den Moment überbrücke, vor dem sie beide, jeder auf seiner Seite des Fotoapparates, nach jedem Bild sich fürchten. Diese Ränder sind das Trennende, das Unmögliche, ein großer Vorwurf: „Du musst eben so fotografieren, dass wir zusammen bleiben können!“

Und so muss man sich mehr noch auf die Bilder verlassen, die allezeit Schein sind und als Schein auch nur gelten. Der Dokumentarfilm funktioniert, weil er das weiß und um Wahrheiten nicht weiß, sie weder sucht, noch findet.

Der Film schließt mit dem Ende des Sommers und der Saison, die endgültig vorbei ist. Es ist dem Herbst wesentlich, dass er uns in Bildern überkommt. Irgendwann sind die Blätter fast Papier, die dem Baum wie nebenbei entgleiten, und schließlich ist da der Wind. Mit der Böe fallen so viele, dass sie nicht mehr zu zählen sind.

Regie: Philip Widmann, Karsten Krause | Deutschland | 2011 | 29 Minuten

Das Wartezimmer – I will forget this day

Eine Rezension von Melanie Fuchs

Wie eine Brücke verbindet auch ein Warteraum die Schicksale von Menschen.

An diesem Ort treffen die verschiedensten Lebensgeschichten aufeinander, die dort für einen kurzen Augenblick vereint, ihrem selbstgewählten Los entgegentreten müssen. Nachdem die Zeit in solch einem Raum überbrückt ist, folgt jeder wieder seinem eigenen Pfad. Doch für den Rest ihres Lebens verbindet sie – der Moment im Wartezimmer.

Diese emotionale Zusammengehörigkeit wird in Alina Rudnitskayas Dokumentarfilm I will forget this day beschrieben, als zu Beginn eine düstere und vernebelte Brücke das Publikum auf den schwermütigen Film vorbereitet. Denn die russische Filmemacherin Rudnitskaya, 35, porträtiert die unterschiedlichsten Frauen, während sie im Wartezimmer ausharren und auf die Abtreibung ihrer Kinder warten. Dabei beweist sie ein besonderes Talent, die zwischenmenschlichen Emotionen der einzelnen Frauen einzufangen – ihre Zweifel, ihre Trauer, ihre Erleichterung!

Der Weg, den diese Frauen eingeschlagen haben, scheint hoffnungslos und deprimierend, Diese Atmosphäre vermittelt der in schwarz-weiß gehaltene Film eindrucksvoll.

Eine Brücke im Nebel stimmt auf die undurchsichtigen Schicksale im Wartezimmer ein

Er hinterlässt den Zuschauer mit einem Gefühl von Beklemmung und in gewisser Weise auch Ratlosigkeit. Warum müssen diese Frauen eine solche Entscheidung treffen? Vor allem wenn der Zweifel und die Verwirrung während des Wartens in ihren Gesichtern beobachtet werden kann. In kurzen Interviews versucht eine Ärztin die Frauen davon zu überzeugen, dass eine Abtreibung nicht die Lösung ist. Doch die Frauen lassen sich nicht auf dieses Gespräch ein, können oder wollen keine nachvollziehbaren Gründe für ihre Entscheidung vorbringen.

Der Zuschauer gewinnt vielmehr den Eindruck, dass diese verlorenen Seelen auf der Suche nach sich selbst in den Wirrungen des Lebens und der Liebe hängen geblieben sind, ohne die Kraft, einen neuen Weg einzuschlagen. So traut sich eine junge Frau nicht einmal ihrem Freund zu sagen, dass sie schwanger ist. Dabei wird die Frage aufgeworfen, welche Substanz diese Beziehung dann überhaupt hat. Solche und ähnliche Gedanken werden durch den Film hervorgerufen und sorgen für lang anhaltendes Kopfzerbrechen.

Die sich wiederholenden Sequenzen im Wartezimmer erwecken den Eindruck einer Massenabfertigungsanlage, wo Frauen wie am Fließband ihr Schicksal erwarten. Einige dieser scheinen irgendwo in ihrem Leben falsch abgebogen zu sein, da sie sich zum wiederholten Male auf dem Weg in den OP-Saal befinden. Durch diese Bilder erzeugt der Film ein dumpfes Gefühl im Magen.

Gezeigt wird die Realität – egal wie grausam und schmerzhaft sie ist. Auch wenn die Frauen, wie der Filmtitel schon sagt, versuchen die Erinnerung an diesen Tag zu vergessen und so tief wie möglich in sich zu vergraben, wird ein solcher Gewissenswurm sich durch die Seele fressen und letztendlich doch an die Oberfläche des Bewusstseins krauchen.

Auch wenn dieser Dokumentarfilm nicht für ein alltägliches Fernseherlebnis geeignet ist, fasziniert er. Rudnitskaya vermag es auf tiefgründige Art und Weise die Gefühlswelt der verschieden Frauen zu entschleiern und den Zuschauer auf eine Reise in deren emotionale Abgründe mitzunehmen.

Regie: Alina Rudnitskaya, Russland 2011, 25 Minuten

moritz 94 – November 2011 – Lass es dir schmecken

moritz 94 – November 2011 – Lass es dir schmecken

Neu und altbekannt

Liebe moritz-Leserinnen und Leser,

herbstliche Stimmung macht sich in Greifswald breit. Nicht nur das Stadtbild verändert sich dadurch, auch der Alltag an der Universität und die abermals hohen Erwartungen an das neue Semester festigen sich oder eben nicht. Man hofft auf einen Neuanfang, der am besten mit interessanten Themen und Inspirationen verbunden sein sollte. Dieses Semester soll, wie jedes Semester, besonders werden. Gleichzeitig gelangen Nachrichten von außerhalb nach Deutschland und lassen uns in Gedanken abschweifen, inwieweit diese große Aufruhr und der Umbruchgedanke uns betreffen. Studentenaufstände und Demonstrationen gegen Banken beherrschen die Nachrichten und Köpfe der Menschen. Was bedeuten diese Nachrichten für uns und die gemütliche, abgeschiedene Hansestadt?

Veränderungen sind auch in Greifswald zu spüren. moritz berichtet über die Unsicherheiten, die durch die im September in Kraft getretene Kreisgebietsreform entstanden sind und schildert, wie sich diese auf die Zukunft der zum Stadtbild gehörenden Vereine auswirken könnte. Feste Größen der kulturellen Welt Greifswalds finden Platz im Heft, wie der polenmARkT, dessen Entstehungshintergründe näher beleuchtet werden. Die Entwicklung Proras, ein in den 1930er Jahren errichteter Gebäudekomplex auf Rügen, ist in dieser Ausgabe ebenso enthalten. Ein durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs verkommener, dann unter Denkmalschutz gestellter und nun als Jugendherberge fungierende Einrichtung wird weiter ausgebaut und ist ein treffendes Beispiel, wie aus Altem Neues wird.

Eine feste Institution im Alltag von fast jedem Studenten ist die Mensa, die eine große Veränderung und Erweiterung durch den Neubau am Berthold-Beitz-Platz erfährt. Eine Redakteurin begab sich hinter die Ausgabetheke und berichtet nicht nur über kulinarische Fertigkeiten, sondern auch über sonstiges Erfahrenswertes aus der Küche. Um das Ankommen von Neuen soll es in unserer Fotostrecke aus der Erstsemesterwoche gehen. Zudem kommen unsere neuen Redakteure selbst zu Wort und berichten über ihre Eindrücke.

Stabilität, aber auch Veränderungen kennzeichnen unseren Alltag. Trotz Spannungen am Anfang jedes Semesters sollte man Ruhe finden und zum Wesentlichen zurückkehren. Umwälzungen können abschreckend wirken, doch hinter jedem Wandel sollte auch eine Chance auf die Entstehung von Neuem stecken. Auch die moritz-Medien begaben sich auf ein gemeinsames Workshop-Wochenende in Glashagen bei Grimmen, auf dem an bereits Erlerntem gefeilt und Neues entdeckt wurde.

Irene Dimitropoulos

Das komplette Heft könnt ihr hier als pdf herunterladen, ausgewählte Artikel auch direkt online lesen und kommentieren.

TITEL „Ein Löffelchen voll Zucker“

Um fünf Uhr aufstehen, die Kochjacke überwerfen und einen Tag lang das Selbstexperiment wagen. Als moritz-Redakteurin mache ich mich auf, um herauszufinden, was im Hintergrund unserer Mensa passiert, wenn keiner hinschaut.

Mẹn|sa, die;-, Plur.-s u. …sen ‹lat.› (restaurantähnliche Einrichtung an Universitäten [für die Studierenden]“, so schreibt es der Duden.

Unsere Redakteurin bei der Arbeit

Soweit kann jeder Studierende die Institution Mensa definieren. Man schwingt sich ja schließlich häufig genug nach Vorlesungen aufs Fahrrad um in Richtung Mensa am Schießwall oder Berthold-Beitz-Platz zu radeln, manchmal öfter in der Woche als man vielleicht möchte. Die Treppen hoch, noch einmal auf den Plan geschaut, vielleicht einen unschönen Blick auf das Essen in der Vitrine geworfen und dann ist die Entscheidung meistens auch schon gefallen. Also stellt man sich an, hofft auf eine möglichst kurze Wartezeit und bezahlt anschließend. Manchmal hört man noch die Worte: „ich hätte gern“, oder „schönen Tag noch“. Diese Szene bedeutet Routine für viele Studierende unserer Universität und auch für mich ist sie Alltag. Doch als ich vor einiger Zeit vor meinem vegetarischen Essen saß, fiel mir auf, dass die Wenigsten wissen, was hinter den Theken geschieht und welchen Weg die Lebensmittel täglich gehen, bevor sie auf den Tellern landen.

 

Ich mache mich auf, es herauszufinden und wage das Selbstexperiment: ein Tag als Mensamitarbeiterin. Es wird ein spannender, anstrengender und aufschlussreicher Tag, der den Sonnenaufgang nicht abwarten kann. Während so ziemlich jeder Student noch in den Betten liegt, beginnt für die Mitarbeiterinnen der Mensa um 6.30 Uhr schon der Arbeitstag. So früh bin ich noch nie aufgestanden, um zu arbeiten. Bevor es in die Küche geht, muss aber zunächst die Umkleide aufgesucht werden. Straßenkleidung ist an den Herden nicht erwünscht, wird mir vom Chefkoch, Herrn Woryna, erklärt. Also pelle ich mich aus der Kleidung, die mich am Morgen beim müden Anziehen so viel Mühe gekostet hat und nehme vorlieb mit karierten Hosen, einem weißen Poloshirt und einer kompliziert geknöpften Kochjacke. Ich sehe wahrscheinlich ziemlich albern aus, aber plötzlich bin ich ein Teil des Kollegiums und werde mit freundlichen Augen gemustert. (mehr …)