von Gastautor*in | 07.04.2011
Ein Gastbeitrag von Luise Röpke
Viele der Greifswalder Studenten führt es tagtäglich auf ihrem Weg zur Universität über den Platz der Freiheit, durch die Mühlenstraße und weiter über die Domstraße zum Audimax. Doch seit einigen Monaten ist die Mühlenstraße, eine der wenigen befahrbaren Straßen in der Innenstadt, weder für Fußgänger noch für Fahrradfahrer zugänglich. Schuld daran sind andauernden Baumaßnahmen der Stadtwerke Greifswalds, die durch den erneuten frostigen Winter und viele Regenergüsse deutlich in die Länge gezogen wurden. Was für uns Studierende schon leicht anstrengend ist, da man sich seitdem einen neuen zur Universität bahnen muss, ist für die vielen ansässigen Geschäfte und Läden der Mühlenstraße nicht nur eine Geduldsprobe, sondern mittlerweile schon eine Existenzfrage.
Im moritz Magazin wurde vor einiger Zeit die Inhaberin des kleinsten Ladens Greifswalds, Bigi Schulz, vorgestellt. Die gebürtige Rheinländerin hatte sich nicht nur in unsere Hansestadt verliebt, sondern ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und Souvenirs aus eigener Produktion verkauft. Wo man an wärmeren Tagen im letzten Jahr Bigi aus dem Fenster schauend antreffen konnte, herrscht nun gähnende Leere. „FederLesen & Meer“ gibt es nicht mehr – zumindest nicht mehr in der Mühlenstraße 21. „Es war ein einziges riesengroßes Kommunikationschaos“, berichtet Bigi dem webMoritz, „ denn der Bauplan war weder für Passanten, Anwohner – geschweige denn für Gewerbetreibende der Mühlenstraße nachvollziehbar. Wenn acht Mal die gleiche Stelle aufgebuddelt und wieder zugebuddelt wird, ist das einfach unverständlich.“
Aus der Not eine Tugend. Die neue Kreativ-WG mit Petra Ladwig (li.) und Bigi Schulz (re.) in der Langen Straße 19.
Die Stadtwerke als Bauträger wären nicht einmal bereit eine geringe Entschädigung für entstandene Ausfälle aufzubringen, die in Zahlen nachweisbar seien, da man ansonsten an alle Geschäfte hätte etwas bezahlen müssen, so die Wahl-Greifswalderin. Wer sich häufiger in der besagten Baustellenstraße aufhält, weiß, dass sich alle Geschäftsinhaber untereinander kennen. So auch Petra Ladwig und Bigi Schulz. Und da die beiden Ladenbetreiberinnen schon einige Zeit zusammengearbeitet haben, geht es nun auf eine höhere Ebene: die ersten gemeinsamen vier Wände. In der Langen Straße 19 haben es sich die beiden „handmade“- und „do-it-yourself“-Frauen in ihrem neuen Laden gemütlich gemacht und eine „Kreativ-WG“ gegründet, in der sie nun alle ihre Arbeiten und Ideen vereinen. „Wir wollen gerade den Kunden etwas bieten, was es so in Greifswald noch nicht gibt. Das ist das Besondere an unserer ‚Kreativ-WG‘, wir wollen das machen, was andere nicht machen“, erklärt die gebürtige Greifswalderin Petra Ladwig. Doch auch, wenn sie der Baustelle in der Mühlenstraße erst einmal entkommen sind, gibt es schon längst neue Pläne, die den neuen Laden auf die Probe stellen werden: In den kommenden Jahren soll das Westend, der hintere Teil der Langen Straße ab der Kapaunenstaße, dem Rest der Fußgängerzone angepasst werden. Es werden also erneut Bagger und Bauarbeiter anrücken, um Gehweg und Straße aufzureißen.
Foto: Luise Röpke
von Gastautor*in | 05.04.2011
Eine Rezension von Arvid Hansmann
Gigantische Luftschiffe über einem zerbombten Labyrinth von Schützengräben, feuerspeiende Drachen im Schlachtgetümmel, futuristische Städte mit High-Tech-Waffen – und fünf leicht bekleidete junge Damen, die auf alles schießen, hauen oder stechen, was sich bewegt – vermeintliche Zuckerpuppen, die sich mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Demütigungen ihrer martialisch-patriarchalen Umwelt zur Wehr setzen –und das Ganze vorangetrieben von manisch-wilder Musik. Dies scheinen doch genügend Zutaten zu sein, um einen großen Hollywoodfilm zu schaffen. Und doch bleibt da eine Leere zurück, wenn man die rund 110 Minuten von „Sucker Punch“ (z. dt. etwa „Boxhieb ohne Vorwarnung“) als Kinobesucher durchflossen hat; das trainierte jugendliche Auge benötigt, um die Bildfolge nicht zum psychedelischen Rausch jener Jahre werden zu lassen, auf die der adaptierte Jefferson-Airplane-Klassiker „White Rabbit“ verweist.
Wie Alice im Wunderland?
Wie „Alice im Wunderland mit Maschinengewehren“, so beschreibt Regisseur Zack Snyder sein neuestes Werk. Referenzobjekt wird hier sogleich die jüngste Verfilmung der Geschichte (2010) durch Tim Burton, jenes Meisters des grotesk überzeichneten Leinwandspektakels, der hier durch die Disney-Produzenten zur Mäßigung gedrängt worden war. Jedoch äußerte sich diese Mäßigung nicht in den Bildern: Die Welt die sich für die junge Alice im Kaninchenbau auftat, steht den Szenarien in Snyders Film in ihrer visuellen Fantasie kaum nach. Das, woran es beiden Filmen mangelt, ist der Mut zu einer innovativen, beziehungsweise konsequenten Geschichte.
Es ist das große Dilemma Hollywoods, das man dort nur äußerst selten bereit ist, ein intelligentes Narrativ mit einem entsprechenden audiovisuellen Horizont zu vereinen. Die Bilder besitzen mitunter eine so subtile Mehrschichtigkeit und eine so reiche Semantik, dass man sich immer wieder fragt, warum dies nicht auch auf die Ausgestaltung der Charaktere und den Handlungsverlauf übertragbar ist.
The Dormouse never said „Feed your head.“
In der Irrenanstalt steht Babydoll eine Lobotomie bevor. Wenn sie ihre eingängige Version von "Sweet Dreams" vorträgt, erhält man hier den Quellennachweis.
In „Sucker Punch“ ist die Protagonistin ein junges Mädchen (Emily Browning), das nach dem Tod seiner Mutter vom bösen Stiefvater in eine Irrenanstalt gebracht wird, wo ihr nach wenigen Tagen eine Lobotomie, also die Auslöschung ihrer Persönlichkeit, bevorsteht. In dieser scheinbar ausweglosen Situation lernt sie in der Theatergruppe einer ebenso hilfsbereit, wie hilflosen Therapeutin (Clara Gugino) vier weitere Mädchen kennen. Diese imaginieren die trostlosen Gefängnisräume als Szenerie eines Revuetheaters, in dem der sadistische Anstaltsleiter (Oscar Isaac) zum schmierigen Nachtclubbesitzer wird. Zwischen den Schwestern „Sweet Pea“ (Abbie Cornish) und „Rocket“ (Jena Malone), der dunkelhaarigen „Blondie“ (Vanessa Hudgens) und der Asiatin „Amber“ (Jamie Chung) wird nun der Neuankömmling als „Baby Doll“ zum eigentlichen Star. Zum einen vermag sie durch ihre Tänze die anwesende Männerwelt zu betören und hegt zum anderen konkrete Pläne, aus diesem Verlies auszubrechen, wozu sie auch ihre Freundinnen animiert.
Der eigentliche Reiz des Filmes besteht nun darin, dass sie sich mit jedem Tanz im Geiste in ein gigantisches Kampfszenario begibt. Hier wird nun sowohl im Narrativ, als auch in der Ästhetik in direkter Weise zu einem anderen Medium Bezug genommen: dem Computerspiel. Jeder Kampf bildet ein „Level“, in dem zunächst durch einen Auftraggeber das zu erreichende Ziel vorgegeben wird. Diese Aufgabe übernimmt hier Scott Glenn, der im Betrachter Assoziationen zum mittlerweile zwanzig Jahre alten „Das Schweigen der Lämmer“ weckt, wo er als väterlich-besorgter FBI-Agent die junge Clarice Starling zu Hannibal Lecter schickte.
Nach einem „Einführungslevel“, in dem „Baby Doll“ ihre Ikonographie als „Schulmädchen mit Samuraischwert“ erhält, wobei die blondierten Zöpfe, die melancholischen Augen und der Schmollmund das utopische Schönheitsideal der Mangawelt noch steigern, erwarten die fünf Mädchen gemeinsam drei weitere Level, die sich quasi paradigmatisch in die Genreklassifizierung des „Cyberspace“ einfügen. Dabei ist es diesem Film durchaus positiv anzurechen, wenn er die Kategorien „History“, „Fantasy“ und „Science Fiction“ zunächst in ihrer Fassadenhaftigkeit offen legt: das Prinzip „alles abknallen, was sich bewegt“, ist stets das gleiche. Spannend ist jedoch, zu sehen, wie auf einer zweiten Ebene das Bewusstein für „Geschichte“ ikonographisch kanonisiert wird.
Es mag zumindest den „gebildeten Europäer“ freuen, wenn im Szenario „Erster Weltkrieg“ neben den Schlaglichtern „Schützengraben“, „Zeppelin“ und „Doppeldecker“, sowie der Lokalisierung „Frankreich“ durch die skelettierte Kathedrale (wobei es unsicher ist, ob es sich um die wirklich im Krieg beschädigte in Reims oder die plakativere in Paris handeln soll), die „bösen Deutschen“ auch Pickelhauben und nicht nur Stahlhelme tragen und dass hier höchsten ein Ritter- aber kein Hakenkreuz etwas verloren hat und so vielleicht ein Hauch von einem „didaktischen Erfolg“ die amerikanischen Rezipienten erreicht.
[youtube NbjSfSug9tc]
Im Szenario „mittelalterliche Drachenburg“, in dem geharnischte Ritter auf Orks treffen (die vermutlich Peter Jackson kostengünstig abzugeben hatte), dient den fünf Kämpferinnen ein B-25-Bomber als Transportmittel und im dritten Szenario, durch das ein futuristischer Zug rast, der von technokratisch-sterilen Cyborgs bewacht wird, kommt ein Bell-UH-1-Hubschrauber zum Einsatz. Damit wird auf die beiden weiteren prägenden amerikanischen Kriegsschauplätze des 20. Jh. verwiesen. Ob nun die „Vernichtung des menschenverbrennenden Monsters“ auf Hitler und das „Scheitern der Mission“ auf Vietnam verweist, bleibt Interpretation. Festzuhalten bleib jedoch das diese Akzentuierung in der Geschichtsrezeption, oder besser –konstruktion durch den Film weiter unterstrichen wird.
„Da brauch’n ma Maschinengewehre und Stinger-Raketen, sonst wird das nischt!“
Das Bewusstsein dafür, dass man spätestens jenseits des kommunikativen Gedächtnisses, das mit dem letzten „persönlichen Zeugen“ (der auch alles andere als „objektiv“ ist) stirbt, so etwas wie eine „geschichtliche Wahrheit“ vergeblich sucht, hat Regisseur Zack Snyder bereits 2006 mit „300“ exemplarisch aufgezeigt. Der selbstaufopfernde Kampf der Spartaner gegen die persische Übermacht an den Thermopylen hatte sicher schon in der antiken Überlieferung die Funktion, patriotische Kampfestreue zu beschwören, wurde also aus einer späteren Zeit sinnstiftend interpretiert. Das zynische Grinsen, mit dem Gerald Butler dem König Leonidas ein äußerst einprägsames Gesicht verlieh, gab der Bildfreude am Gemetzel eine Ambivalenz, die zwischen der absoluten Hingabe für eine „höhere Sache“ und blankem Fatalismus schwankte. Die Popularität, die der Film gerade durch seine Parodien erhielt (von denen hier die Synchronisation des Mansfelder Anarcho-Duos „Elsterglanz“ besonders lobend hervorgehoben sein soll), wird auch die Feldlager im Irak und in Afghanistan erreicht haben. Ob dies die Opferbereitschaft für „Heim und Weib“ gesteigert hat, bleibt zu hinterfragen.
-
Abbie Cornish bei der Berlinale 2006, wo sie mit Heath Ledger das Drogendrama „Candy“ präsentierte.
Bei „Sucker Punch“, das nicht wie „300“ oder „Watchmen“ (2009) auf einer Comic-Vorlage basiert, sondern von Snyder zusammen mit seiner Frau Deborah ausgearbeitet wurde, wird jene zynische Ambivalenz durch das moralisierend gerechte Finale verwässert. Wenn sich die Heldin dieser Passionsgeschichte als Opferlamm mit Tigerkrallen zur Wehr setzt und sich ihr am Ende das Lobotomiewerkzeug gleich einem Kreuzesnagel nähert, fragt man sich, was denn hier das „Evangelium“ sein soll. Ist die amerikanische Moral von der „Erlösung des Individuums aus dem eigenen Willen heraus“ wirklich tragfähig? Hätte nicht die Konsequenz eines resignativen Szenarios, wie es Frank Miller ja bereits in „Sin City“ (2005) vorgegeben hatte, animierender auf den Zuschauer gewirkt?
Sicher erscheint es völlig am Ziel der Produzenten und wohl auch am Gros der Rezipienten vorbeigeschossen, hier wenigstens einige Züge von Brechts „epischem Theater“ einzufordern (oder zumindest das Rachelied seiner „Seeräuber-Jenny“). Doch hätte Snyder nicht die in ihren Ansätzen und in ihrer ästhetischen Gestaltung dafür prädestinierten Figuren mehr parabelhaft wirken lassen sollen? In den Level-Sequenzen hat er den Zuschauer ja zum passiven „Gegenüber“ gemacht – was den Reiz eines Computerspiels schnell abtötet.
Resümierend bleibt festzuhalten, dass „Sucker Punch“ als „Bildorgie“ durchaus innovatives Potential besitzt, dieses aber durch die inkonsequente Dramaturgie wieder verspielt. Man braucht hier nicht den Vergleich zu Julie Taymors Shakespeare-Verfilmung „Der Sturm“ (2010, in Deutschland leider noch nicht erschienen) zu unternehmen, bei dem die Geschichte auf einer nackten Theaterbühne ebenso gut wirken würde – eben deshalb, weil sie für die Theaterbühne geschaffen wurde. Die Möglichkeiten des Kinos und gerade der digitalen Technik sollten aber auch Dramaturgen animieren, über konventionelle Grenzen hinwegzudenken.
Ob nun – gerade in unseren Tagen – das Thema Krieg unbedingt die Hauptquelle für die phantastische Ausgestaltung sein muss, könnte man anprangern. Gerade hier wäre die Abstraktion das zu ersehnende Ziel. Der Staufer-Kaiser Friedrich II. hatte einst im 13. Jahrhundert auf einem Schachbrett um Jerusalem gekämpft – so erzählt es uns Guido Knopp. Sollten wir ihn bei seiner Welterklärung zumindest in diesem Punkt einmal unterstützen, anstatt aus unserem Elfenbeinturm auf tönernem Fundament verächtlich auf ihn herabzublicken
Fotos: Warner Bros (keine CC-Lizenz), Arvid Hansmann (Abbie Cornish, moritz-Archiv)
von Gastautor*in | 15.12.2010
Ein Beitrag von Claudia Sprengel
Im nächsten Jahr würde das Interdisziplinäre Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IZFG) der Universität Greifswald sein 15- jähriges Jubiläum feiern. Es ist damit eines der etabliertesten Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet innerhalb Deutschlands und genießt daher auch auf Bundesebene eine hohe Anerkennung unter Wissenschaftlern, welche sich mit genderspezifischen Fragestellungen auseinander setzen. Auch die Universitätsleitung rühmte sich stets gerne mit dem Zentrum als Symbol für Fortschrittlichkeit und diente als Begründung zum Erhalt des Zertifikats familienfreundliche Universität. Nun aber scheint von dieser Begeisterung für die Existenz der Forschungseinrichtung nicht mehr viel übrig zu sein.
Das IZFG in der Robert-Blum-Straße.
Zu jedem Jahresende mussten die Mitarbeiter des IZFG um ihre Stellen bangen, da nie sicher war, ob diese zum kommenden Jahr verlängert werden würden. In diesem Jahr gab es zwei Stellen am Zentrum: Eine halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin hatte Andrea Bettels inne. Um die Betreuung der Fachbibliothek war bislang eine wissenschaftliche Hilfskraft zuständig.
Ab 2011 gibt es keine Stelle mehr am IZFG, wie erst kürzlich bekannt wurde. Das bedeutet nicht nur, dass die Fachbibliothek ab Januar nicht mehr zugänglich ist, sondern auch dass nicht sicher ist, ob das Seminar „Einführung in die Gender Studies“, welches im Rahmen der General Studies II angeboten wird, von den Teilnehmern überhaupt beendet werden kann. Außerdem stellt sich die Frage, wie Literatur genutzt werden kann oder eine Fachberatung benötigt wird, wenn die Lehrkraft nicht mehr an der Universität ist.
Das IZFG musste schon immer um seine Daseinsberechtigung an der Universität kämpfen und natürlich vor allem um finanzielle Mittel. Dabei gehört das Zentrum zwar offiziell zur Philosophischen Fakultät, wird aber auf der Internetseite der Universität Greifswald als überfakultär und interdisziplinär bezeichnet. Das würde eine Teilfinanzierung von Institutionen außerhalb der Philosophischen Fakultät durchaus rechtfertigen. Diese kann sich unter den bereits vorhandenen Schwierigkeiten, den Erhalt der Forschungseinrichtung nicht mehr leisten.
Das Studierendenparlament sprach sich in der Sitzung vom 14. Dezember größtenteils für den langfristigen Erhalt des Interdisziplinären Zentrums aus. Bleibt zu hoffen, dass andere Gremien folgen werden.
*Update 15.12., 21 Uhr*
In der heutigen Senatssitzung versicherte Uni-Rektor Professor Dr. Rainer Westermann, dass das IZFG künftig aus dem allgemeinen Haushalt finanziert wird, wenn es die Philosophische Fakultät nicht mehr aus ihrem Etat bezahlen kann. Über die künftige personelle Ausstattung wurde jedoch keine Aussage getroffen.
Fotos: Christine Fratzke
von Gastautor*in | 13.12.2010
Ein Gastbeitrag von Christopher Denda
Schweriner Plenarsaal: Jugend im Landtag.
Wie funktioniert unsere Demokratie? – Diese und viele weitere Fragen haben sich die etwa 80 Teilnehmer des Beteiligungsprojektes „Jugend im Landtag 2010“, welches in Kooperation des Landesjugendringes Mecklenburg-Vorpommern und des Landtages Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt wurde, gestellt. Zum insgesamt elften Mal fand „Jugend im Landtag“ mittlerweile statt. In den fünf Tagen kam man mit Fachpolitikern ins Gespräch und formulierte Forderungen an die demokratischen Fraktionen des Landtages.
Mit 20 Jahren gehörte ich schon zu den ältesten Teilnehmern bei „JiL10“. Die meisten waren zwischen 16 und 18 Jahre alt und gingen noch zur Schule. Ein Großteil kam erwartungsgemäß aus dem Raum Schwerin, Rostock und Wismar, da es für Vorpommern ziemlich umständlich ist nach Schwerin zu kommen, immerhin liegt eine etwa zweistündige Autofahrt dazwischen.
Jugend im Landtag: Politik zum Anfassen
Am Sonntag stand das gegenseitige Kennenlernen dann im Vordergrund. In verschiedenen Spielen sollte man möglichst viele der anderen Teilnehmer kennenlernen. Montags ging es dann das erste Mal zum Landtag. Um sich dann in den kommenden Tagen nicht ständig in dem Schloss zu verlaufen, starteten wir nach der offiziellen Eröffnung durch die Landtagspräsidentin Sylvia Brettschneider (SPD) und Katharina Bluhm für den Vorstand des Landesjugendringes in eine Landtagsrallye, die neben den Fraktionsräumen der demokratischen Parteien auch beispielsweise das Büro der Landtagspräsidentin, den Plenarsaal und die Aussichtkuppel des Schlosses enthielt. Nachmittags stand dann ein Planspiel „Landtag“ auf dem Programm. Dabei ging es darum, anhand eines von der FDP-Fraktion im Landtag gestellten Antrages den Weg eines Gesetzes nachzuvollziehen. Dazu wurden die vier an die real existierenden Parteien angelehnten Wählergruppen gebildet; LiPa (Liberale Partei), PUC (Partei Unabhängiger Christen), SoPi (Sozialdemokratische Parteiinitiative) und PaMoS (Partei des modernen Sozialismus). Außerdem gab es mit den Fischern und den Anglern jeweils eine Umweltorganisation sowie die „Bürgerinitiative der Anwohner“.
Im Fokus der Debatte.
Dann wurde in den Fraktionen diskutiert, um zuerst eine eigene Position und einen Lösungsansatz zu dem Thema zu finden. Im Anschluss fand dann die öffentliche Anhörung im simulierten Ausschuss statt, woraufhin die verschiedenen Gruppen Kompromisse zu finden versuchten, um sich so parlamentarische Mehrheiten zu sichern. Nach gut zwei Stunden war es dann so weit. Die Debatte im Plenarsaal des Landtages begann. Aus jeder der vier „Fraktionen“ durfte jemand zum Antrag reden und so die Meinung der Fraktion deutlich machen. Für PaMoS durfte ich diese Aufgabe übernehmen, wobei es spannend war, da ich aufgrund der knappen Zeit keine Rede im Vorfeld mehr vorbereiten konnte, sondern lediglich während der Debatte mir einige Punkte aufgeschrieben hatte. Für die Rede bekam ich viel Lob aus den Reihen der Sozialdemokraten und Sozialisten.
November: „Schicksalstag der Deutschen“
Die Debatte war auf jeden Fall ziemlich gut und die von meiner Fraktion eingebrachten Änderungsanträge wurden größtenteils übernommen. So das dem Entwurf letztlich zu gestimmt werden konnte. Der Dienstag begann mit einem spielerischen Einstieg, bei dem ein Ball durch die Reihen geworfen wurde und jeder der ihn gefangen hatte, musste einen Fakt wiedergeben, der ihm zum 9. November, der auch als „Schicksalstag der Deutschen“ bekannt ist, einfällt. Nach dieser Einführung und der Vorstellung des Projektes „Zeitensprünge“ des Landesjugendringes stand die Arbeit in den verschiedenen Gruppen auf dem Plan. Ich selbst hatte mich für den Workshop „Freizeit“ entschieden. Dort beschäftigten wir uns zuerst mit dem Thema „Was ist Freizeit überhaupt?“ und versuchten eine Definition zu finden. Im Anschluss hatten wir dann verschiedenste Fachreferentinnen eingeladen; so stellt Katja Stephan von der camino-werkstatt aus Berlin ein Projekt vor, bei dem das Freizeitverhalten von Jugendlichen in den Landkreisen Parchim und Müritz untersucht wurde um im Anschluss konkrete Punkte benennen zu können um die Situation vor Ort zu verbessern. Wobei es zahlreiche spannende Nachfragen vor allem zu den konkreten Projekten, wie Jugendforen und Beteiligungswerkstätten die initiiert wurden, gab.
Sozialministerin MV: Manuela Schwesig (SPD).
Im Spiegel der Politik
Nach der Mittagspause kam dann die Sozialministerin und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, Manuela Schwesig, um sich den Fragen und Vorschlägen der Teilnehmer zu stellen. Wir bemerkten schnell, dass die eingeplante halbe Stunde im Prinzip viel zu wenig war. Schwesig äußerte sich unter anderem zu Hartz-IV, der finanziellen Förderung von Jugendarbeit und zur Struktur der Jugendclubs und wollte von den Teilnehmern selbst auch Verbesserungsvorschläge hören. Als letzte Referentin an diesem Tag war Susanne Kortas vom Institut für Bildungswissenschaften der Universität Greifswald da. Sie stellte die Shell-Jugendstudie vor. Leider war auch hier die Zeit viel zu knapp, so dass sie ihren Vortrag stark kürzen musste. Und wiederum gab es zahlreiche Nachfragen aus dem Plenum.
Zwischen 17 und 18 Uhr war dann noch eine Gesprächsrunde mit Fachpolitikern angesetzt. Daran teil nahmen Martina Tegtmeier, Sprecherin der SPD Landtagsfraktion für Kinder- und Jugendpolitik, Frank Grabow, Sprecher für Soziales der FDP Landtagsfraktion, Beate Schlupp, Mitglied im Vorstand der CDU Fraktion und zuständig für den Bereich Frauen und Gleichstellung, sowie die Landessozialministerin a.D., Marianne Linke, welche bei der Fraktion der Linken für Kinder- und Jugendpolitik zuständig ist. Nach dem Abendessen im Rathaus gab es anschließend noch verschiedene Stadtführungen, wobei ich mich für die konsumkritische Stadtführung entschied. Diese wollte uns unter Anleitung zweier Mitarbeiterinnen der BUNDjugend M-V dazu anregen zukünftig kritisch zu hinterfragen, woher alltägliche Produkte wie Kaffee oder Schuhe und T-Shirts kommen und wie die Arbeitsbedingungen vor Ort sind.
Die Fraktionen stellten sich den Nachwuchspolitikern.
Forderung der Jugendlichen an die Landespolitiker
Der Mittwoch stand dann im Zeichen der Ausarbeitung unser Forderungen sowie einem Treffen mit Politikern der verschiedenen Fachausschüsse. Ich selbst entschied mich dem Verkehrsausschuss einen Besuch abzustatten, da aus meiner Sicht beim Thema Freizeit die Mobilitätsproblematik zentral ist. Da unsere Treffen mit den Ausschüssen jedoch vor den eigentlichen Ausschusssitzungen lagen waren nicht alle Politiker der verschiedenen Fraktionen anwesend. Für die SPD war Norbert Baunach anwesend, für die CDU der Ausschussvorsitzende Egbert Liskow, für die FDP der Fraktionsvorsitzende Michael Roolf und für die Linke Birgit Schwebs. Die NPD verzichtete auf ihr Recht ebenfalls an dem Gespräch teilzunehmen. Am Nachmittag ging es nun darum die Forderungen an die demokratischen Fraktionen im Landtag auszuarbeiten. Wir im Workshop Freizeit haben zusätzlich zu den Forderungen noch verschiedene Projekte erarbeitet mit welchen man die Forderungen zumindest teilweise umsetzten kann.
Das war dann auch der entscheidende Punkt für den Donnerstag. Die verschiedenen Ergebnisse wurden von den Workshopgruppen vorgestellt. Im Anschluss überreichten die Teilnehmer die Forderungen in Form von Blumensträußen an die Landtagspräsidentin sowie an die Vertreter der verschiedenen demokratischen Fraktionen. Im Fazit waren es sehr spannende Tage und die von mir formulierte Ausgangsfrage „Wie funktioniert unsere Demokratie?“ ist allen Teilnehmenden ein Stück weit klarer geworden.
Fotos: Marco Herzog via jugendfotos.de (Landtagssaal), Manos Radisoglou via jugendfoto.de (Fernsehkamera), Pressefoto Schwesig, Erik Jalowy via jugendfotos.de (Schloss)
von Gastautor*in | 12.12.2010
Eine Ankündigung von Thomas Grothe
Es ist doch jedes Jahr das Gleiche: Das unbarmherzige Wetter, die weiße Decke über den früher bunten Stellen und die Stille, die mit der leblosen Umgebung einhergeht, bescheren uns eine Wintermelancholie. Aber genau deswegen wird uns, ebenfalls alljährlich, ein Anitdepressivum der besonderen Art geboten. Denn der St. Nikolai Dom wird noch einmal für einen Tag zu Johann Sebastian Bachs Auferstehungsstätte. Am 13. Dezember ab 20 Uhr teilen Anna Elisabeth Muro, Saskia Klumpp, Ulrich Cordes, Johannes Happel, die capella vitalis und I cornetti Pomerani, der Greifswalder Domchor und der Domkinderchor unter der professionellen Führung Frank Dittmers ihre musikalische Begabung mit uns. Dazu präsentieren sie die ersten drei der sechs Kantaten aus J. S. Bachs Weihnachtsoratorium und sein „Magnificat“.
Den Hörer erwartet ein musikalisches Feuerwerk der weihnachtlichsten Art. Denn Bach, der das Weihnachtskuratorium als Auftragswerk geschrieben hat, sollte eigentlich nur ein Stück von wenigen Minuten zur Einleitung eines Gottesdienstes komponieren. Stattdessen jedoch schallte im Winter 1734/35 ein mehrstündiges Meisterwerk durch die heiligen Hallen der Nikolaikirche und der Thomaskirche in Leipzig. Die Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf in der Dombuchhandlung, der Buchhandlung Scharfe oder dem Institut für Kirchenmusik.
Foto: Katharina Luttervia jugendfotos.de