Nichts als Leerformeln
Die Parteien enthalten sich konkreter Zusagen bei der Hochschulpolitik
2002 war die Hochschulpolitik ein Hauptthema des Landtagswahlkampfes. Auch in den aktuellen Wahlprogrammen wird die Bedeutung der Hochschulen betont. Sie seien „Entwicklungszentren des Landes“ (CDU), „elementare Bereiche der Landesentwicklung“ (FDP) und „Ausgangspunkt für technologische, wirtschaftliche und kulturelle Innovation“ (Grüne). Zudem sollen sie „eine für die Landesentwicklung herausragende Bedeutung“ haben (SPD).
Trotzdem besteht der Eindruck, dass die Parteien die Hochschulpolitik nicht unbedingt als zentrales Wahlkampfthema nutzen wollen. Die Regierungsparteien haben angesichts der erheblichen Proteste gegen ihre Hochschulpolitik in den vergangenen Jahren auch wenig Interesse an einer tieferen Beschäftigung. Die Opposition wiederum ist sich bewusst, dass sie den Hochschulen zwar viel Geld versprechen, aber wohl kaum mehr Geld zahlen kann. Daher ist auch bei einer neuen Koalition nach der Wahl nicht mit einer grundlegend anderen Hochschulpolitik zu rechnen. Dennoch lohnt ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien. Immerhin verfolgen sie zu den für die Hochschulen zentralen Themenkomplexen – Studiengebühren, Hochschulbau, Hochschulautonomie und Hochschulfinanzierung – zumindest teilweise unterschiedliche Pläne.
Finanzielle Ausstattung
Mehr Geld will keine der drei großen Parteien den Hochschulen geben. Immerhin planen die Parteien keine einschneidenden neuen Kürzungen. Aber vor vier Jahren waren ja auch keine Kürzungspläne in den Wahlprogrammen zu finden. Am Ende gab es trotzdem drei Kürzungsrunden in vier Jahren.
Insgesamt finden sich in den Wahlprogrammen wenige Aussagen zur geplanten Finanzausstattung der Hochschulen. Die SPD will eine verstärkt erfolgsorientierte Mittelzuweisung an die Hochschulen, abhängig von der Anzahl der Studienabschlüsse. Wie das im Detail funktionieren soll, wird nicht dargestellt. Die CDU will eine „verlässliche“ Finanzausstattung bereitstellen, eine Erhöhung der Gelder ist nicht vorgesehen. Auch sollen die Hochschulen selbständiger über die Verwendung der Mittel entscheiden. Die Linkspartei strebt eine Ausstattung der Hochschulen auf dem Niveau des OECD-Durchschnitts an. Leider wird nicht benannt, welcher Durchschnitt damit gemeint ist. Wie viel Geld die Hochschulen erhalten sollen, bleibt daher vollkommen unklar.
Mehr Geld für die Hochschulen wollen nur die Grünen ausgeben: Bei den Ausgaben für die Hochschulen wollen sie sich an den Bundesländern orientieren, die die höchsten Ausgaben pro Einwohner haben. Dazu müsste das Land seine Ausgaben um circa 70 Prozent erhöhen. Die FDP äußert sich zur zukünftigen finanziellen Ausstattung nicht.
Hochschulbau
In Greifswald sind in den letzten vier Jahren große Bauprojekte begonnen und abgeschlossen worden. Für das meiste Aufsehen sorgte die Grundsanierung des Hauptgebäudes, das seit April im neuen Glanz erstrahlt. Finanziert wurden die Bauten nach dem Hochschulbauförderungsgesetz je zur Hälfte von Bund und Land. Dies soll sich, wenn es nach den Verhandlungsführern der Föderalismusreform geht, zukünftig ändern. Der Bund soll den Hochschulbau nur noch fördern können, wenn dadurch Forschung von überregionaler Bedeutung gestärkt wird. Diese Voraussetzungen werden bislang durch keine Hochschule in M-V erfüllt. Somit wird der Bund den Hochschulbau im Land nicht mehr fördern. Als Ausgleich für die wegfallende Förderung erhalten die Länder in den nächsten Jahren die Bundesgelder zwar weiter, ihren eigenen Zuschuss können sie aber streichen. Erfahrungsgemäß vermeidet das Land gerne Investitionen, wenn es sie allein bezahlen muss.
Dabei sind viele Gebäude der Universität dringend sanierungsbedürftig. Von daher ist es kein gutes Zeichen, dass das Thema „Hochschulbau“ in den Wahlprogrammen wenig Beachtung gefunden hat. Linkspartei, FDP und CDU äußern sich gar nicht zur Zukunft des Hochschulbaus. Die Grünen wollen zukünftig Bauprojekte über die jeweiligen Hochschulgrenzen hinaus verwirklichen. Dadurch sollen Kosten gesenkt werden. Wie viel Geld die Grünen für den Hochschulbau ausgeben wollen, bleibt allerdings offen. Die SPD will jährlich mehr als 70 Millionen Euro für den Hochschulbau zur Verfügung stellen. Zum Vergleich: Zwischen 2004 und 2006 lagen die Ausgaben bei 85 Millionen jährlich. Angesichts dessen wird eine Grundsanierung der Mensa keine Angelegenheit von Jahren, sondern von Jahrzehnten.
Studiengebühren
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Januar 2005, wonach das Studiengebührenverbot im Hochschulrahmengesetz verfassungswidrig ist, kämpfen die Studierendenvertretungen bundesweit gegen die Einführung von Studiengebühren. In ganz Deutschland fanden Demonstrationen mit jeweils mehreren tausend Studierenden statt. Genutzt hat es wenig: Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben bereits Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester eingeführt. Die Landesregierung von Nord-rhein-Westfalen hat dabei einen besonders cleveren Weg gefunden, von Protesten der Studierenden verschont zu bleiben. Dort entscheiden die Hochschulen selbst, ob sie Gebühren erheben. Die Proteste der Studierenden richten sich daher in erster Linie gegen die Rektoren und Senate. Einige Senatssitzungen wurden deshalb an geheime Orte verlegt. Und die Zahl der gebührenpflichtigen Bundesländer wächst weiter: Hamburg, Hessen und das Saarland wollen noch in diesem Jahr Studiengebühren einführen.
In M-V war zeitweise von Gebühren für Studierende aus anderen Bundesländern die Rede, dies verstößt gegen das Grundgesetz, weshalb die Debatte dazu eingeschlafen ist. Nach den Landtagswahlen könnte die Diskussion aber neu aufbrechen, wenn SPD, CDU und FDP ihre Pläne umsetzen wollen: Die SPD plant „zur Erhöhung der Ausbildungseffizienz“ Studienkonten einführen. Danach erhält jeder Student ein Konto, das sich aus dem Umfang der Regelstudienzeit plus eines gewissen Prozentsatzes errechnet. Ein vergleichbares Modell gibt es zurzeit in Rheinland-Pfalz. Das Guthaben darf in einem festgelegten Zeitraum genutzt werden. Ist das Konto aufgebraucht, fallen für jedes weitere Semester Gebühren an. Details, insbesondere die Höhe der Gebühr, werden im Wahlprogramm nicht genannt. Die CDU erwägt sogar, allgemeine Studiengebühren einzuführen, macht dies jedoch von den Erfahrungen anderer Bundesländer abhängig. Unter welchen Voraussetzungen und welcher Höhe Studiengebühren erhoben werden sollen, wird nicht thematisiert. Die FDP will wie in Nordrhein-Westfalen die Entscheidung über die Erhebung von Studiengebühren den Hochschulen überlassen. Dagegen lehnen Linkspartei und Grüne Studiengebühren weiterhin in jeder Form ab.
Hochschulautonomie
Autonomie bedeutet, selbst über eigene Angelegenheiten entscheiden zu können. Nach Ansicht der Hochschulrektoren muss dieses Recht der Hochschulen so weit wie möglich erweitert werden, damit die Hochschulen sich im zunehmenden Konkurrenzkampf behaupten können. Insbesondere sollen die Hochschulen selbst über ihr Personal und ihre Studenten entscheiden können. Die meisten Bundesländer sind diesem Wunsch
zumindest in Ansätzen gefolgt.
Auch Mecklenburg-Vorpommern wollte mit dem 2002 verabschiedeten Landeshochschulgesetz die Hochschulautonomie deutlich ausweiten. Diese Freiheit ging der Landesregierung bei der letzten Kürzungsrunde aber deutlich zu weit. Sie fürchtete, dass sie die geplanten Schließungen mit der damaligen Gesetzeslage nicht verwirklichen konnte. Die Regierung legte dem Landtag daher einen Gesetzentwurf vor, der intensiv beraten und schließlich im Januar verabschiedet wurde. Jetzt können „Zielvorgaben“ mit Zustimmung des Landtages erlassen werden.
Zukünftig können die Hochschulen aber unter Umständen auf mehr Freiheit hoffen, denn abstrakt wollen alle Parteien mehr Hochschulautonomie schaffen. Wie dies konkret aussehen soll, wird in den Programmen von SPD und Linkspartei jedoch in keiner Weise thematisiert. Dies weckt erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der entsprechenden Aussagen in den Wahlprogrammen. Dagegen finden sich bei der CDU konkrete Pläne: Sie will die Einschränkung der Hochschulautonomie umgehend zurücknehmen. Ferner will sie die Verantwortung über das Personal, Gebäude und Liegenschaften auf die einzelnen Hochschulen übertragen. Die Grünen wollen den Hochschulen zukünftig die Entscheidung über die Besetzung von Stellen und die Einrichtung oder Aufhebung von Studiengängen übertragen.
Die am weitest reichenden Pläne verfolgt die FDP. Sie will zur Stärkung der Hochschulautonomie dem Land die Möglichkeit nehmen, Zielvereinbarungen zu kündigen. Außerdem will die FDP die Hochschulen in Stiftungen umwandeln. Dadurch sollen sie Personal- und Projekthoheit erhalten. Die Hochschulen erhalten nach der Umwandlung in eine Stiftung ausschließlich Globalzuschüsse, über deren Verwendung sie selbstständig entscheiden. Eine solche Änderung hat es bereits in Niedersachsen gegeben, die Erfolge sind umstritten.
Stand der Wahlprogramme
SPD, Linkspartei und Grüne haben ihre Wahlprogramme bereits beschlossen. FDP und CDU werden ihr endgültiges Wahlprogramm erst nach Redaktionsschluss (am 17. und 24. Juni) verabschieden. Bei CDU und FDP wurde deshalb der Entwurf des Wahlprogramms zugrunde gelegt.
Geschrieben von Simon Sieweke, hochschulpolitischer Referent des AStA