von Archiv | 13.04.2007
„Dreckskerl“ von Wojciech Kuczok (Suhrkamp)
Es ist jenes Haus von Herrn K., in dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts weitergeht. Auch wenn der Krieg scheinbar vorbei ist. Mit der Antibiographie „Dreckskerl“ kehrt W. K geistreich auf den Buchmarkt zurück. 2004 erschien es in Polen, erhielt den renommierten Literaturpreis Nike und löste heftige Debatten aus. Denn der Neuling behandelt mit atemberaubender Leichtigkeit und sicherem Witz die dramatischen Wendungen der deutschen und polnischen Geschichte. Bravo!
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 13.04.2007
„12“ von Herbert Grönemeyer (Groenland)
Einst forderte Herbert Grönemeyer „Kinder an die Macht“. Kinderpsychologen rügten ihn in einer Gesprächsrunde vor laufender Kamera dafür. Im Sommer steht der derzeitige Wahl-Londoner zusammen mit Bono und U2 in Heiligendamm auf der Bühne.
Der Erfolg seines neuen Albums „12“ lässt zudem den einstigen Rausschmiss seiner ersten Plattenfirma eher als schlechten Witz erscheinen. Heute ist es Herbert Grönemeyer, der als deutschsprachiger Künstler für seine Plattenfirma EMI im eigenen Land Erfolge einfährt. Bei den Longplayern führt „12“ die Spitze an und die Tour ist bestens nachgefragt. Herbert Grönemeyer ist nicht mehr ein Musiker, sondern ein Ereignis. Als Musiker und Texter zieht er sich hartnäckig auf die Differenz von Kunst und Leben zurückzieht und erteilt dem Muster des Klingeltonkomsums eine Absage. Mit wortgewandtem Pathos, üppigem Streichereinsatz und der Stille einer Pianoballade zieht Herbert Grönemeyer mit „12“ erhobenen Hauptes seinen Weg und schafft damit vor allem eins: Es ist genug für alle darin.
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 13.04.2007
„Wir sind Gold“ von Letzte Instanz (Drakkar)
Es ist kaum ein Jahr her, da erschien das Album “Ins Licht”. Im März sind sie schon mit einer neuen Scheibe auf dem Markt. “Wir sind Gold” finden die sieben Musiker von Letzte Instanz und feiern damit auch gleich eine Premiere. Zum ersten Mal in der Bandgeschichte, der immerhin seit 1996 bestehenden Truppe gab es nicht einen Wechsel in der Besetzung zwischen zwei Alben. Wurden die sächsisch-bayrischen Rocker mit ihrer ersten Scheibe “Brachialromantik” noch in einen Topf mit “Subway to Sally”, “Schandmaul” und anderen, die das Mittelalter rocken geworfen, so sind sie mit der aktuellen Platte wohl endlich dort angelangt wo sie sich selber noch am ehesten sehen: Beim Klassik-Rock.
Im Vergleich zum letzten Album, dem ersten, welches mit dem inzwischen dritten Sänger Holly aufgenommen wurde, zeigt sich die Letzte Instanz hier von Anfang an wesentlicher ruhiger und tiefsinniger. Eben klassischer. Die altbewährten Streicher finden wieder angemessene Beachtung, zu Cello und Geige gesellt sich die Bratsche von Henriette Mittag. Für erste Ohrwurmqualitäten sorgt Song Nummer vier. Mit “Wir sind allein” erinnern sie nicht nur thematisch an “Das Stimmlein” vom Vorgängeralbum. Der Chor im Refrain vermittelt ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Einen Hauch Oper bringt Sopranistin Christiane Karg mit. Sie unterstreicht die markante Stimme des Sängers im Hintergrund.
Ob es “Wir sind Gold” mit ihrem Vorgänger aufnehmen kann, wird wahrscheinlich Ansichtssache bleiben. Lohnend ist die Scheibe mit ihren 16 Songs aber allemal.
Geschrieben von Maria Trixa
von Archiv | 13.04.2007
Das Theater Vorpommern zeigt Tschechows „Die Möwe“
Das Schicksal der unerfüllten Liebe durchzieht die tragische Komödie Anton Tschechows wie ein roter Faden. Und am Ende bleiben alle einsam und ganz für sich allein. In dem 1896 uraufgeführten Stück langweilt sich die alternde, divahafte Schauspielerin Irinia (Sabine Kotzur) mit ihrer Gesellschaft in der russischen Provinz. Einzig ihr Sohn und angehender Schriftsteller Konstantin (Florian Anderer) belebt die Szenerie mit einem, von seiner Muse und Geliebeten Nina (Heide Kalisch) insperierten, Theaterstück.
Doch die junge Schauspielerin verliebt sich in den Freund der Irina, den erfolgreichen Schriftsteller Trigorin (Christian Holm) und bricht mit ihrer Herkunft. Die von Konstantin erschossene und ausgestopfte Möwe dient als tragendes Element der gescheiterten Existenzen. Nach Jahren trifft sich die gleiche Gesellschaft wieder, unglücklich und einsam. Konstantin ist nun zwar erfolgreich, aber noch immer unglücklich verliebt. Und auch Nina, als nur mittelmäßige Schauspielerin und von Trigorin verraten und verlassen, ist tief verletzt. Gerade die beiden hoffnungsvollsten und ideelsten Figuren der verschrobenen Gesellschaft sind gescheitert. Das tiefgänige Werk Tschechows wird hervorragend von der Kulisse eines minimalistischen Birkenwaldes getragen, der den Zuschauer nicht von der Handlung ablenkt. Die Möwe nimmt unter den Werken Tschechows eine besondere Stellung ein und wirkt unter der Regie von Matthias Nagatis modern und überzeugend. Die engagierte Hingabe des Schauspielerensambles erklärt sich vor allem auch durch das Stück selbst, dass als eine Art Nabelschau der eigenen Zunft verstanden werden kann. Die Nebendarsteller verdeutlichen auf angenehme Weise, wie lustig und zugleich tragisch Tschechow sein kann. Und doch will der Tod Konstantins am Ende deutlich den Besucher zum nachdenken bewegen, ohne dabei belehrend zu wirken. Wer sich das Theaterstück nicht entgehen lassen will: Vorstellungen finden in Stralsund am 22. April, 16 Uhr und am 23. April, 10 Uhr statt. Die Premiere in Putbus läuft am 25. Mai 2007.
Geschrieben von Saskia Arnold
von Archiv | 13.04.2007
moritz sprach mit Prof. Manfred J. Matschke (Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebliche Finanzwirtschaft, insbesondere Unternehmungsbewertung) über die mögliche Anteilsveräußerung an der WVG.
moritz: Sind Sie als Betriebswirt für den Verkauf von Anteilen an der WVG?
Professor Manfred J. Matschke: Jeder Eigentümer sollte regelmäßig prüfen, ob die Struktur seines Portefeuilles noch seinen Bedürfnissen entspricht. Dies gilt auch für kommunale Eigentümer. Kommt er zum Schluß, daß für ihn ein Verkauf und die neue Verwendung der dadurch freigesetzten Kapitalbeträge wahrscheinlich größere Vorteile verspricht, dann sollte er eine solche Transaktion zumindest planen. Durchführen kann er sie allein sowieso nicht.
Als Ökonom kann man nicht abstrakt und absolut für oder gegen einen Verkauf sein. Ob man im konkreten Fall dafür oder dagegen ist, ergibt sich aus der Abwägung der Vor- und Nachteile ohne und mit Verkauf. Diese Abwägung hat die Kommune als Eigentümer zu treffen, nicht ich.
moritz: Besitzt ein möglicher Verkauf von maximal 49,9% der Anteile an der Wohnungsbaugesellschaft mehr Vorteile als Nachteile? Im Besonderen wenn die Interessen der Mieter berücksichtigt werden?
Matschke: Durch den Verkauf eines Minderanteils an die WVG, selbst durch einen direkten Verkauf von Wohnungen würde nicht in das bestehende Vertragsverhältnis des Mieters eingegriffen. Die Mieter würden den Umstand, daß nun ein Dritter Anteile an der WVG hält, überhaupt nicht bezogen auf ihre konkrete Mietsituation bemerken. Sie müßten weiterhin die Miete wie bisher zahlen, ihre Ansprechpartner bei der WVG würden sich nicht ändern usw. Nachteile haben die jetzigen Mieter keine. Vorteile könnten sich für sie ergeben, wenn der neue Eigentümer in das Management sein „besseres“ Know-how einbringt, um etwa die WVG insgesamt wirtschaftlicher zu führen. Wenn ich unterstelle, daß es da noch „Reserven“ gibt, was ich aber konkret nicht weiß, weil ich keinen detaillierten Einblick in die WVG habe. Für künftige Mie-ter gilt, daß sie die marktüblichen Mieten zahlen werden, wie dies auch ohne Verkauf zu erwarten wäre, und für die jetzigen Mieter werden eventuelle Mietanpassungen in gleicher Weise kommen, wie sie auch ohne Verkauf gekommen wären, wenn sich die WVG marktgerecht verhält. Der Rechtsrahmen für solche Mietanpassungen würde sich durch den Anteilsverkauf nicht ändern. Kein Eigentümer hat Interesse durch Mietforderungen, die überhöht sind und sich folglich am Markt nicht durchsetzen lassen, einen Wohnungsleerstand zu „produzieren“. Denn das geht wirklich ins Geld! Der Wohnungsmarkt in Greifswald ist ein „Mietermarkt“, kein „Vermietermarkt“, denn es gibt mehr Wohnungen, die auf Mieter warten, als umgekehrt. Die umlaufenden Vorstellungen, es würde für die Mieter ein Notstand bei einem Anteilsverkauf ausbrechen, sind geradezu absurd.
moritz:Ist eine Minderheitsbeteiligung für einen Investor überhaupt interessant? Sprechen der hohe Sanierungsgrad der Wohnungen und der im Vergleich hohe Mietpreis für einen Einstieg?
Matschke: Ob es für einen Käufer interessant ist, kommt letztlich auf die Vertragsverhandlungen und deren Ergebnisse an. Werden die Verhandlungen positiv abgeschlossen, dann doch nur deshalb, weil sich nicht bloß die Stadt als Anteilsverkäufer, sondern auch der Käufer der Anteile dadurch mehr Vorteile verspricht. Denn der Investor muß ja nicht kaufen. Natürlich ist ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen für einen Erwerb von Anteilen attraktiver, als wenn es sich um ein sanierungsreifes Unternehmen handeln würde, bei dem immer auch das Risiko eines Fehlschlags einer Sanierung bestände.
moritz:Ist ein Verkauf also eine win-win-Situation für die Hansestadt und einen Investor?
Matschke: Wenn er zustande kommt, dann doch nur deshalb, weil sich beide Seiten mehr Vorteile versprechen, also – wie Sie es ausdrücken – eine win-win-Situation aus Sicht aller Beteiligten vorliegt. Ob diese erwarteten Vorteile sich tatsächlich für jeden der Beteiligten realisieren werden, wird dann die Zukunft zeigen.
Geschrieben von Björn Buß