moritz sprach mit Prof. Manfred J. Matschke (Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebliche Finanzwirtschaft, insbesondere Unternehmungsbewertung) über die mögliche Anteilsveräußerung an der WVG.

moritz: Sind Sie als Betriebswirt für den Verkauf von Anteilen an der WVG?
Professor Manfred J. Matschke: Jeder Eigentümer sollte regelmäßig prüfen, ob die Struktur seines Portefeuilles noch seinen Bedürfnissen entspricht. Dies gilt auch für kommunale Eigentümer. Kommt er zum Schluß, daß für ihn ein Verkauf und die neue Verwendung der dadurch freigesetzten Kapitalbeträge wahrscheinlich größere Vorteile verspricht, dann sollte er eine solche Transaktion zumindest planen. Durchführen kann er sie allein sowieso nicht.
Als Ökonom kann man nicht abstrakt und absolut für oder gegen einen Verkauf sein. Ob man im konkreten Fall dafür oder dagegen ist, ergibt sich aus der Abwägung der Vor- und Nachteile ohne und mit Verkauf. Diese Abwägung hat die Kommune als Eigentümer zu treffen, nicht ich.

moritz: Besitzt ein möglicher Verkauf von maximal 49,9% der Anteile an der Wohnungsbaugesellschaft mehr Vorteile als Nachteile? Im Besonderen wenn die Interessen der Mieter berücksichtigt werden?
Matschke: Durch den Verkauf eines Minderanteils an die WVG, selbst durch einen direkten Verkauf von Wohnungen würde nicht in das bestehende Vertragsverhältnis des Mieters eingegriffen. Die Mieter würden den Umstand, daß nun ein Dritter Anteile an der WVG hält, überhaupt nicht bezogen auf ihre konkrete Mietsituation bemerken. Sie müßten weiterhin die Miete wie bisher zahlen, ihre Ansprechpartner bei der WVG würden sich nicht ändern usw. Nachteile haben die jetzigen Mieter keine. Vorteile könnten sich für sie ergeben, wenn der neue Eigentümer in das Management sein „besseres“ Know-how einbringt, um etwa die WVG insgesamt wirtschaftlicher zu führen. Wenn ich unterstelle, daß es da noch „Reserven“ gibt, was ich aber konkret nicht weiß, weil ich keinen detaillierten Einblick in die WVG habe. Für künftige Mie-ter gilt, daß sie die marktüblichen Mieten zahlen werden, wie dies auch ohne Verkauf zu erwarten wäre, und für die jetzigen Mieter werden eventuelle Mietanpassungen in gleicher Weise kommen, wie sie auch ohne Verkauf gekommen wären, wenn sich die WVG marktgerecht verhält. Der Rechtsrahmen für solche Mietanpassungen würde sich durch den Anteilsverkauf nicht ändern. Kein Eigentümer hat Interesse durch Mietforderungen, die überhöht sind und sich folglich am Markt nicht durchsetzen lassen, einen Wohnungsleerstand zu „produzieren“. Denn das geht wirklich ins Geld! Der Wohnungsmarkt in Greifswald ist ein „Mietermarkt“, kein „Vermietermarkt“, denn es gibt mehr Wohnungen, die auf Mieter warten, als umgekehrt. Die umlaufenden Vorstellungen, es würde für die Mieter ein Notstand bei einem Anteilsverkauf ausbrechen, sind geradezu absurd.

moritz:Ist eine Minderheitsbeteiligung für einen Investor überhaupt interessant? Sprechen der hohe Sanierungsgrad der Wohnungen und der im Vergleich hohe Mietpreis für einen Einstieg?
Matschke: Ob es für einen Käufer interessant ist, kommt letztlich auf die Vertragsverhandlungen und deren Ergebnisse an. Werden die Verhandlungen positiv abgeschlossen, dann doch nur deshalb, weil sich nicht bloß die Stadt als Anteilsverkäufer, sondern auch der Käufer der Anteile dadurch mehr Vorteile verspricht. Denn der Investor muß ja nicht kaufen. Natürlich ist ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen für einen Erwerb von Anteilen attraktiver, als wenn es sich um ein sanierungsreifes Unternehmen handeln würde, bei dem immer auch das Risiko eines Fehlschlags einer Sanierung bestände.

moritz:Ist ein Verkauf also eine win-win-Situation für die Hansestadt und einen Investor?
Matschke: Wenn er zustande kommt, dann doch nur deshalb, weil sich beide Seiten mehr Vorteile versprechen, also – wie Sie es ausdrücken – eine win-win-Situation aus Sicht aller Beteiligten vorliegt. Ob diese erwarteten Vorteile sich tatsächlich für jeden der Beteiligten realisieren werden, wird dann die Zukunft zeigen.

Geschrieben von Björn Buß