bildungsstreik_andrea_dittmarIm Jahr 2014 soll es wieder zu einem bundesweiten Bildungsstreik zu kommen. Das ist das Ergebnis einer Konferenz gegen Hochschulkürzungen, die am Wochenende unter Beteiligung Greifswalder Studenten in Halle stattfand. Grund ist, dass in vielen Bundesländern an den Hochschulen teilweise deutlich gekürzt wird oder werden soll. Das auf der Konferenz gegründete Bündnis Bildungsstreik 2014 fordert eine bessere Mittelausstattung der Hochschulen und umfasst 70 Studierendenvertreter aus 13 Bundesländern.

Den Auftakt des Bildungsstreiks sollen am 20. Mai viele dezentrale Aktionen bilden, erzählt Benjamin Schwarz, Referent für Hochschulpolitik im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), der als AStA-Referent zur heutigen Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) zurücktritt, da er als StuPist gewählt wurde. Das StuPa will auch auf seiner heutigen Sitzung dazu eine Arbeitsgruppe (AG) einrichten. Die AG wird sich dann auf die weiteren Planungen für Aktionen am 20. Mai und an weiteren Tagen im Mai und Juni konzentrieren. Sie soll beispielsweise klären, ob es einen reinen Demonstrationszug gibt oder auch andere Aktionsformen wie Flashmobs genutzt werden.

Allein der Universität Greifswald fehlen in diesem und nächsten Jahr 13,4 Millionen Euro. Der tatsächliche Finanzbedarf der Hochschule wird gerade durch den Landesrechnungshof geprüft. Das Gutachten liege wohl erst gegen Ende des Jahres vor, erwähnte die AStA-Vorsitzende Johanna Ehlers auf der AStA-Sitzung vom 7. April und sprach von „ergebnisoffenen Gesprächen“. Einige Hochschulen werden deutlich getroffen. So werden die beiden saarländischen Hochschulen etwa 5.000 ihrer 18.000 Studierenden verlieren und die Studiengänge Lehramt, Jura und BWL schließen müssen, nannte StuPa-Präsident Milos Rodatos ein drastisches Beispiel. Das Saarland wolle 100 Millionen Euro bei den Hochschulen einsparen.

Im Herbst soll es dann wahrscheinlich eine Großdemonstration in Berlin geben, um die lokalen Bildungsproteste zu bündeln, führte Milos weiter aus. Um die Hochschulfinanzierung zu verbessern, nannte Milos als Forderungen des Bildungsstreiks unter anderem die Abschaffung der Schuldenbremse und des Kooperationsverbots im Grundgesetz sowie Steuererhöhungen zugunsten höherer Bildungsausgaben. Das Kooperationsverbot, welches vor einigen Jahren durch die Förderalismuskommission II eingeführt wurde, verbietet es dem Bund grundsätzlich, den Hochschulen direkt finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Schuldenbremse bewirkt, dass die Bundesländer ihre Neuverschuldung zurückführen und ab 2020 ausgleichen müssen. Unter anderem durch die drei von Milos genannten Forderungen soll sich der finanzielle Spielraum der Hochschulen verbessern.

Die von der Konferenz gegen Hochschulkürzungen ausgerufene Bildungsstreik 2014 verabschiedete folgende Resolution:

STUDIERENDE GEGEN DIE KÜRZUNGSPLÄNE IM BILDUNGSBEREICH – AUFRUF ZUM BILDUNGSSTREIK 2014

In vielen Bundesländern sind die Hochschulen von massiven Kürzungen bedroht. Wenn die Kürzungen kommen, kann das dramatische Auswirkungen auf die ohnehin desolat finanzierte deutsche Hochschullandschaft haben. Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen ist kein Zufall, sondern ein politischer Prozess, der bereits seit Jahren vorangetrieben wird. Aus kritischen Wissenschaftseinrichtungen sollen Dienstleistungsunternehmen gemacht werden. Aber dieser Prozess ist umkehrbar. Studierendenproteste wie zum Beispiel frühere Bildungsstreiks haben bewirkt, dass allgemeine Studiengebühren derzeit flächendeckend abgeschafft sind. Es kann noch mehr erreicht werden: Eine Ausfinanzierung des Hochschulbereichs ist möglich!

Der Reichtum in Deutschland ist so groß wie nie zuvor. Den 2,2 Billionen Euro Staatsverschuldung stehen 10 Billionen Euro Privatvermögen gegenüber. Der Spitzensteuersatz ist seit Jahren von den Regierungskoalitionen immer weiter abgesenkt worden. Geld für Bildung wäre also genug da. Es ist nur ungerecht verteilt.

Bildung im Allgemeinen und Hochschulbildung und -forschung im Besonderen fördern nachhaltige und solidarische Formen des Zusammenlebens. Die Hochschulen haben deswegen die Aufgabe, die aktuellen Verhältnisse kritisch zu reflektieren und für friedliche Lösungsvorschläge zu forschen. Um das zu unterbinden, wurden Marktmechanismen in die Hochschulen eingebracht. Beispiele dafür sind die leistungsorientierte Mittelvergabe oder der Zwang zur Einwerbung von Drittmitteln, durch die Hochschulen, Fakultäten und Hochschulmitglieder in ein Konkurrenzverhältnis zueinander gesetzt werden sollen. In Konkurrenzverhältnissen können die Hochschulen ihrer eigentlichen Aufgabe nicht nachkommen, da es nicht um den Erkenntnisgegenstand sondern um Gewinnmaximierung geht. Kritische Wissenschaft dagegen gedeiht nur in Kooperation. Mit der kooperativen Hochschule und der Ausfinanzierung aller Bildungsinstitutionen kann das Konkurrenzverhältnis überwunden werden.

Statt einer „unternehmerischen Hochschule“ wollen wir für eine demokratische Hochschule kämpfen. Das schließt eine soziale Öffnung der Hochschulen und die Abschaffung prekärer Arbeitsbedingungen mit ein. Die Bedingungen für kritische Wissenschaft werden durch unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, gute Bezahlung und infrastrukturelle Ausstattung der Hochschulen verbessert. Die kritische Wissenschaft muss über die Hochschule hinaus für ihre Grundlage wirken. Dafür müssen unter anderem auch Kindertagesstätten und Schulen ausfinanziert werden und hierarchiefrei gestaltet werden. Wir kämpfen für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen. Erreichen können wir das durch Inklusion, günstige Wohnungen und die Demokratisierung aller Lebensbereiche. Deswegen ist die finanzielle Stärkung der sozialen Infrastruktur von großer Bedeutung. Es wäre fatal die derzeitigen Kürzungen im Bildungsbereich für sich genommen zu betrachten. Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Es ist der gemeinsame Kampf von allen, die sich gegen Abbau des Sozialstaats, Unterdrückung und für eine solidarische Gesellschaft einsetzen.

Bildung braucht die Ausfinanzierung als zentrale Aufgabe des Staates! Diese Aufgabe darf nicht auf die Privatwirtschaft, Stifter*innen oder die Bildungssubjekte abgewälzt werden. Wir wollen deshalb eine flächendeckende, plurale Bildungslandschaft ausbauen und setzen uns für eine vollständige Ausfinanzierung aller Hochschulen ein.

Deswegen kämpfen wir für:

1. AUFHEBUNG DES KOOPERATIONSVERBOTES ZWISCHEN BUND UND LÄNDERN FÜR BILDUNG UND WISSENSCHAFT

Der Konkurrenzföderalismus, den die Föderalismusreformen I + II vertieft haben, ist insbesondere in der Bildungs- und der Wissenschaftspolitik gescheitert. Das Kooperationsverbot muss aufgehoben und durch eine Regelung ersetzt werden, die es Bund und Ländern ermöglicht, bei der Grundfinanzierung und darüber hinausgehenden Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie der Studierendenwerke verbindlich zusammenwirken zu können. Die gemeinsame Bildungsplanung ist als verpflichtender Auftrag wieder in das Grundgesetz aufzunehmen.

2. VERMÖGEN UMVERTEILEN FÜR NOTWENDIGE INVESTITIONEN IN DIE ZUKUNFT

Geld ist genug da – es muss anders verteilt werden. Das Steuersystem muss so umgestaltet werden, dass der private Reichtum der Gesellschaft zu Gute kommen kann. Die Prioritätensetzung der Mittelverteilung ist zu ändern.

3. SCHULDENBREMSE ABSCHAFFEN

Die Schuldenbremse verstärkt und institutionalisiert den Druck, den Rotstift vor allem im Bildungs- und Sozialbereich anzusetzen. Wir setzen uns für die Forderung ein, dass der Bund die öffentliche Hochschullandschaft stärker kofinanziert. Zu geringe Staatseinnahmen gepaart mit der Schuldenbremse sind die Ursachen von Kürzungen im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich. Wir fordern die Abschaffung der Schuldenbremse!

4. PREKÄRE BESCHÄFTIGUNGSVERHÄLTNISSE AUFLÖSEN

Für die gleichberechtigte Teilhabe am Wissenschaftsprozess muss es allen Mitgliedern der Hochschulen ermöglicht werden, unbedrängt von Befristung, schlechter Bezahlung und aufgezwungenen Arbeitszeitmodellen zu arbeiten. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz muss abgeschafft werden.

5. BAFÖG FÜR ALLE

Damit alle Menschen ein Studium aufnehmen können, wenn sie dies wollen, muss es eine elternunabhängige Finanzierung als Vollzuschuss für alle geben. Einschränkungen oder Sanktionen sind abzuschaffen.

6. DEMOKRATIE AN DER HOCHSCHULE

Das Bild der „unternehmerischen Hochschule“, in der die Hochschule zu einem Dienstleistungsunternehmen umfunktioniert werden soll, muss zugunsten der allumfassenden Demokratisierung verdrängt werden. Alle Hochschulmitglieder müssen gleichberechtigt am Wissenschaftsprozess mitwirken können. Das bedeutet auch, dass die Hochschulen nicht durch Hochschulräte geleitet werden können, sondern aus sich selbst heraus demokratisch bestimmt sein müssen.

7. FÜR BREITENFÖRDERUNG – WIDER EXZELLENZ

Der Zwang, sich stets im Wettbewerb mit anderen Fachbereichen und Forscher*Innen zu sehen, muss aufgelöst werden. Statt der Exzellenzinitiative muss eine Breitenfinanzierung etabliert werden, die die Bedingungen für alle verbessert.

GEGEN KÜRZUNGEN UND UNTERFINANZIERUNG AUF DIE STRASSE!

Wir rufen zu bundesweiten Protesten in den kommenden Monaten zu einem Bildungsstreik 2014 auf. Nur wenn wir gemeinsam auf die Straße gehen, können wir Druck gegen das Kürzungsdiktat aufbauen. Der Mai wird zu einem Aktionsmonat mit einem dezentralen Aktionstag am 20. Mai. An diesem Tag wollen wir mit kreativen Aktionen und zivilem Ungehorsam auf Kürzungen und Unterfinanzierung aufmerksam machen. Für den 25. Juni wird zu überregionalen Demonstrationen aufgerufen um dann im Herbst alle gemeinsam in Form einer bundesweiten zentralen Demonstration gegen Kürzungen, Kooperationsverbot und Schuldenbremse und für eine grundsätzlich andere Hochschule, nämlich eine demokratische, zivile und kritische, auf die Straße zu gehen.

Foto: Andrea Dittmar (Archiv)