Ein Beitrag von Johannes Köpcke und Simon Voigt

Vor einem Jahr stellte sich in Greifswald ein breites demokratisches Bündnis dem Aufmarsch der NPD entgegen. Damals zeigten sich auch Leute aus der Stadt Neubrandenburg solidarisch und kamen zur Verstärkung der Proteste nach Greifswald. Dieses Jahr war es umgekehrt: Unter dem Motto „Neubrandenburg bleibt bunt“ hatten sich etliche demokratische Parteien, Vereine und Privatpersonen zusammengeschlossen und organisierten zahlreiche Veranstaltungen in der Vier-Tore-Stadt. Darunter waren auch drei Busse aus Greifswald und einige aus Rostock, die die Proteste gegen die Nazis unterstützten.

Die Polizei war heute nach eigenen Angaben mit einem Aufgebot von 800 Beamten im Einsatz in Neubrandenburg. Der Aufzug der rechten Szene umfasste die angekündigten und angemeldeten 300 Teilnehmer. Die Zahlen bei den Gegendemonstranten wurden von der Polizei auf etwa 500 geschätzt. Diese Angabe ist aber etwas schwammig, da es keinen großen Demonstrationszug gab, sondern nur mehrere kleinere Gruppen.

Demokratiefest im Zentrum

Gisela Ohlemacher, ein Moderator, Erwin Sellering, Heiko Kärger und Paul Krüger (v.l.)

Parallel zu der Nazi-Demonstration in der Vorstadt fand auf dem Marktplatz in der Innenstadt bereits zum dritten Mal ein „Demokratiefest“ statt. Veranstalter war der DGB Ost-Mecklenburg-Vorpommern, zusammen mit vielen demokratischen Vereinen, Verbänden und Parteien. „Demokratie muss gelebt werden.“, sagte die DGB-Ost-Vorsitzende Gisela Ohlemacher in ihrer Eröffnungsrede. „Demokratie findet nicht nur statt, wenn man sich auf Demos den Nazis entgegenstellt. Es bedeutet auch Mitbestimmung im Betrieb. Demokratie sollen auch Kinder in der Schule und im Elternhaus lernen. Demokratie heißt auch, offen zu sein für Freunde in der Stadt, sie muss jeden Tag neu gelebt werden.“ Außerdem sprach sie sich deutlich für ein NPD-Verbot aus, dem stimmte danach auch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) zu: „Wir lassen uns den Tag der Arbeit nicht von den Nazis vereinnahmen.“ Es sei ein großer Zynismus, das Nazis an diesem Tag aufmarschieren. „Als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern bin ich froh, dass ich sagen kann, Neubrandenburg ist nicht allein, überall setzen sich Menschen gegen rechtsextreme Umtriebe ein“, fügte er hinzu. Weitere Schirmherren des Festes waren der Oberbürgermeister Neubrandenburgs, Paul Krüger (CDU), und Landrat Heiko Kärger (CDU).

Vor dem Demonstrationsbeginn der NPD gab es auch noch einige Gegendemonstrationen, die am Vorplatz des Bahnhofes oder beim Demokratiefest starteten. Diese waren aber verhältnismäßig klein, eine wurde ganz abgesagt. Die meisten Gegendemonstranten versuchten eher, in das Viertel des NPD-Aufmarsches zu kommen, um dort zu blockieren. Einer der Demonstrationen schloss sich auch Erwin Sellering an, nachdem er das Demokratiefest mit Gisela Ohlemacher eröffnet hatte. Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Schweriner Landtag, Jürgen Suhr, war dabei. Im Vorfeld teilte er dem webMoritz mit, dass er hoffe, das sich viele Menschen an der Demonstration beteiligen. Den Rechtsextremen solle gezeigt werden, das ihre antidemokratischen Haltung nicht gewollt sei. „Wenn wir den Rechtsextremen viel Raum nehmen können, dann wäre das ein Erfolg“, meinte er.

NPD-Demo in der Vorstadt

Dem Aufruf der NPD war zu entnehmen, dass die Gruppierung einen thematischen Schwerpunkt auf die zu geringe Bezahlung der Jobs in Mecklenburg-Vorpommern setzen wollte. Viele Menschen hätten wegen zu geringen Löhnen das Land verlassen oder müssten pendeln. Laut der NPD würde der „Volkstod“ nahen. Die antifaschistische Kampagne „Wake up Stand up!“ sieht in dieser Begriffswahl ein klares Ansinnen der NPD, eine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus herzustellen. Außer diesen Parolen, habe die NPD dem demografischen Wandel nichts entgegenzusetzen, teilte das Bündnis mit. Die Aktivisten rufen dazu auf, die Folgen des demografischen Wandels in MV offen zu diskutieren, um zu verhindern, dass die NPD in ländlichen Gegenden Einfluss auf dieses Thema gewinnt.

Anhänger der NPD auf dem Umweg durchs Industriegebiet.

Route konnte fast wie geplant abgelaufen werden

Entlang der eigentlichen Route durch die Ihlenhorstervorstadt sammelten sich einige Gegendemonstranten und formierten zwei große und mehrere kleine Blockaden. Die beiden größeren, die vor allem von den Busgruppen aus Greifswald und Rostock organisiert wurden, wurden die gesamte Zeit nicht geräumt. So musste der Zug der NPD zunächst einen anderen Weg durch ein Industriegebiet am Stadtrand nehmen. Dort waren immer wieder kleinere Sitzblockaden, die entweder direkt umgangen oder vorher durch Polizeikräfte geräumt wurden.

Im Großen und Ganzen konnte der Aufmarsch der Rechten aber fast wie geplant durchgeführt werden und verlief später auch durch eine Wohngegend. Polizeihauptkommissarin Verena Splettstößer beschrieb die Situation als recht friedlich. Nur kleine Zwischenfälle habe es bei den Sitzblockaden gegeben, die sich nicht freiwillig auflösen wollten. Der Leiter des Ordnungsamtes in Neubrandenburg betonte auch, dass alle Auflagen bei der Demonstration der NPD eingehalten wurden.

Erfolgreiche Blockade. Hier mussten sich die NPD-Anhänger eine neue Route suchen.

Das Bündnis „Neubrandenburg Nazifrei“ bewertet in einer ersten Mitteilung die Demonstration als eine weitere Niederlage für Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2009 seien alle Naziaufmärsche entweder verhindert oder stark eingeschränkt worden. Kritisiert wird allerdings der Einsatz der Polizei. „Aufgrund des brutalen Schlagstockeinsatzes der Polizeikräfte war es nicht möglich, die entstandene dritte Blockade an der Cölpiner Straße zu halten, sodass die NPD-Demonstration zu Teilen durch das Wohngebiet ziehen konnte.“, meint Gerome Winkler vom Bündnis. Allein der „aggressive Polizeieinsatz“ wird als Ursache für das Eindringen der Neonazis in bewohntes Gebiet gewertet. Konsens unter den Gegendemonstranten sei es gewesen, keine Eskalation zu provozieren, durch unverhältnismäßige und brutale Präsenz habe die Polizei dies aber ignoriert, so ein Sprecher. Die Polizei hält dem in einer Pressemitteilung entgegen, sie habe konsequent auf eine deeskalierende Haltung gesetzt.

Fotos: Johannes Köpcke, Simon Voigt