Ein Bericht von Martin Hackbarth
17.45 Uhr. Ein Zug passiert den Anklamer Hauptbahnhof. Einige wenige steigen aus, darunter auch ein älterer Herr im grauen Mantel und mit schwarzer Tasche. Er sieht sich um und lässt sich von einer kleinen Gruppe begrüßen, welche ihn zum Veranstaltungsort bringen soll. Es handelt sich bei ihm um Franz Müntefering, den ehemaligen Bundesvorsitzenden der SPD. Er ist wohl der bekannteste Politiker, der in den letzten Jahren in der Hansestadt an der Peene zu Besuch war. Grund seines Besuches war eine vom SPD Ortsverein organisierte Veranstaltung „Warum sich politisch engagieren?“ 50 Personen, welche nicht nur aus Anklam kamen, sondern auch aus näherer Umgebung, nahmen dies zum Anlass, um daran teilzunehmen. Für Müntefering selbst ist es eine recht kleine Veranstaltung, aber für Anklamer Verhältnisse hingegen ein Erfolg.
Demokratie lebt von der Mitgestaltung vieler
Die Veranstaltung begann: Müntefering referierte etwa eine halbe Stunde darüber, weshalb man sich politisch engagieren soll, warum er es damals tat und was er in seiner politischen Laufbahn erlebt hatte. Dabei war Müntefering weitestgehend neutral und riet zum allgemeinen politischen Engagement in demokratischen Parteien auf. „Es ist wichtig, dass sich Menschen politisch engagieren und sich für andere einsetzen“, sagte er. „Denn“, erläuterte der SPD-Politiker weiter, „eine Demokratie lebt von der Mitgestaltung vieler und nicht vom Diktieren einiger weniger.“
Man solle sich nicht von der politischen Arbeit abschrecken lassen und darf auch gerne mal anecken, denn „ wer zu 100 Prozent hinter einer Partei steht, ist nicht ganz dicht“, fuhr Müntefering fort. Darüber hinaus sollte man auch keine Angst vor dem Streiten innerhalb einer Partei, sowie mit anderen Parteien haben. Der 70-jährige Bundestagsabgeordnete erklärte: „In der Politik muss man sich streiten, aber danach noch ein Bier miteinander trinken können.“ Dies sei sehr wichtig, um Privates von Politik trennen zu können. Denen an Politik interessierten Anwesenden riet das SPD-Mitglied sich den Satz „Ein Sieg dauert seine Zeit, Niederlagen hingegen kommen viele“ einzuprägen.
Über die sozialen Sicherungssysteme
Dem Referat schloss sich eine etwa einstündige Debatte an. Während dieser wurde kurz über Thilo Sarrazin, Hartz IV, ehrenamtlichen Engagement und Bürgerinitiativen gesprochen. Zu Sarrazin selbst äußerte sich Müntefering nur dahingehend, dass er eine spätere Auflage des Buchs las und nun das unabhängige Schiedsgericht über die Zukunft entscheiden solle. Hartz IV wurde vor den anwesenden Bürgerinnen und Bürger verteidigt, aber unter dem Eingeständnis, dass sich einiges verbessern müsse. Er beobachtet auch mit Bedauern, wie sich die Politik derzeit verändert. Die sozialen Sicherungssysteme „dürfen wir uns von den FDP-isten nicht kaputt machen lassen“, so der ehemalige SPD-Vorsitzende zur aktuellen Lage. Zum ehrenamtlichen Engagement, Bürgerinitiativen und mehr Volksbefragungen auf Bundesebene äußerte sich Müntefering positiv. Er begrüßte, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich für andere einsetzen.
Foto: Stefan Damm
Hallo Martin – als ich den Artikel "Müntefering…: Stinksauer auf Sarrazin" am Wochenende in der OZ las, war ich sauer auf Münte, der angeblich keinen Satz gelesen hätte in Sarrazins Buch, "warum man ihn rauswerfen könnte." Er wollte wohl überhaupt mit seinem moderaten Auftreten, der mentalen Gesamtsituation in Anklam entsprechen. Sein Vorsitzender Gabriel ist da ganz anderer Meinung und hat dies auch gut begründet. Es ist Münte anzurechnen, dass er in die Provinz gefahren ist (und dazu in nicht irgendeine), und für politisches Engagement jenseits von Rechtsaußen geworben hat. Dass von ihm auch selbstkritische Töne zu hören gewesen wären, war wohl nicht zu erwarten – zumindest wurde das von Dir nicht erwähnt. Und Kritik seiner Zuhörer? Hatten sie doch immerhin den treuesten Gefährten des Bastakanzlers vor sich, dem sie wesentlich Hartz IV, die Rente mit 67, die wortbrüchige Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent u. a. m. mit zu verdanken haben. Oder waren gerade die am stärksten davon Betroffenen nicht da? Und Schelte für die FDPisten? Da hätte es doch klingeln müssen, oder? Gewiss hat Münteferings direkte volkstümliche Art Unterhaltungswert, und die Veranstalter können die Verantstaltung als positiv verbuchen. Aber letztlich: "Das Volk ist nicht tümlich" (B.Brecht).
Schöne Grüße – Jost
Münte ist mitverantwortlich für die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Einführung der Hartz Gesetzgebung. Damit hat die SPD CDU und FDP rechts überholt und sich als soziale Partei verabschiedet. Müntefering gehört mit Steinmeier und Schröder zu den Architekten dieser unsozialen Reformen.