Im Januar hatte die Kandidatur von Burschenschafter Christoph Böhm für das Studierendenparlament (StuPa) für großes Aufsehen in der Studierendenschaft gesorgt. Böhm erreichte zwar lediglich einen Nachrückerplatz, doch dank einer Reihe von Rücktritten sitzt er ab kommenden Dienstag im Parlament. Der webMoritz sprach mit ihm über die Debatte im Januar, seine Erwartungen und Ziele in der laufenden Legislatur und das Verhältnis zwischen den Markomannen und der studentischen Selbstverwaltung.

Zur Erklärung: Da es zwischen Verbindungsmitgliedern aus unterschiedlichen Verbänden üblich ist, sich zu siezen, ist das Interview in der dritten Person Plural geführt, da webMoritz-Autor Carsten Schönebeck Verbindungsmitglied ist und einem anderen Verband angehört.

webMoritz: Als im Januar Ihre Kandidatur für das Studierendenparlament bekannt wurde, entsponn sich eine sehr heftige öffentliche Debatten um ihre Person und ihre Mitgliedschaft in der Burschenschaft Markomannia. Können Sie uns einen persönlichen Rückblick auf diese Zeit geben?

Christoph Böhm: Grundsätzlich ist die  Geschichte ja bekannt. Ich hatte in meinem Profil im Wahlmoritz, etwas kryptisch meine Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft angegeben. Das ist dann „rausgekommen“ und hat die gesamte Diskussion ausgelöst, die in meinen Augen etwas übergekocht ist.

Begonnen hatte es vorher bereits mit dem AStA-Flyer zu den Burschenschaften und der folgenden Diskussion um den vermuteten rechtsextremen Hintergrund dieser, auch gerade auf dem webMoritz. Ich war dann eben der erste öffentlich greifbare Markomanne, was für mich dann persönlich zu dem Schock führte den eigenen Namen auf „indymedia“ in Verbindung mit schweren Anschuldigungen zu lesen.

In Greifswald hat solch eine Diskussion insgesamt vorher noch nicht in der Form stattgefunden. In anderen Universitätsstädten werden die Burschenschaften schon seit längerem als rechter Rand der Universitätslandschaft dargestellt, wobei schnell der Vorwurf von Kontakten zu NPD und Kameradschaften konstruiert wird.

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Cover des AStA-Flyers aus dem vergangenen Jahr.

webMoritz: Hing Ihre Kandidatur mit den Flyern des AStA zusammen?

Christoph Böhm: Jein. Ich hatte zwar schon vorher eine Kandidatur in Betracht gezogen, wurde dann durch die Ereignisse nochmals darin bestärkt. Mein Bund hat dann auch angeboten mich etwas vom Alltagsgeschäft zu entlasten. Natürlich sah ich das auch als eine Möglichkeit sich aus dem StuPa heraus konstruktiv an der Debatte zu beteiligen und nicht mehr vollständig ausgeschlossen zu sein.

webMoritz: War die Formulierung „Mitglied der DB“ im Wahlmoritz reiner Zufall oder gab es Überlegungen, die dazu geführt haben?

Christoph Böhm: Ich wollte es angeben, da mir im vornherein bewusst war, dass es für Diskussionsstoff sorgen würde und eine etwaige Verschleierung sinnlos wäre. Möglicherweise habe ich mich aus einer gewissen verbindungsstudentischen Fachblindheit für diese Formulierung entschieden, wobei ich es aber für offensichtlich hielt, dass es eben nicht um die „Deutsche Bahn“ geht.

Im Nachhinein habe ich mich aber geärgert es nicht deutlicher angegeben zu haben. Übrigens hatte ich auch bereits vor diesen Ereignissen in meiner StudiVZ Wahlgruppe eine Stellungname zu dieser Problematik veröffentlicht, so dass jeder der sich über mich als Kandidaten informiert hat auch darüber Bescheid wusste.

webMoritz: Die ganze Debatte begann ja mit einem Artikel auf dem webMoritz. Haben Sie sich in der Angelegenheit fair behandelt geführt?

Christoph Böhm: Am Freitag, bevor der Artikel online war, habe ich eine Interviewanfrage von Herrn Jabbusch bekommen, in der er mir bis Samstag 12 Uhr für eine Antwort Zeit lies. Insofern wurde mir von Anfang an die Möglichkeit gegeben, zumindest meine Meinung im Rahmen des webMoritz zu veröffentlichen.

Der betreffende Artikel wurde ja dann gefühlte 450 Mal umgebaut, wobei Formulierungen, Anschuldigungen und Gegenmeinungen immer wieder verändert wurden. Letztendlich halte ich den Artikel in seiner endgültigen Form für ausgewogen und annehmbar, auch wenn er natürlich weiterhin sehr kritisch formuliert ist.  Ich habe mich natürlich angegriffen gefühlt, weil es eben konkret um meine Person ging und mir da einige unschöne Dinge unterstellt wurden.

Es war für mich persönlich auch ein Schock, weil es ja auch weitere Kreise im Internet zog zum Beispiel zu „indymedia“. In den Semesterferien hat mir die Geschichte dann noch mal richtig zugesetzt, als ich erfahren habe, dass auch die rechtsextreme Seite „altermedia“ sich mit dem Fall beschäftigt hat. Wenn man dort sein Bild mit Schmähungen und ziemlich direkten Gewaltaufrufen sieht, belastet das einen zu schwerst.

webMoritz: Gab es denn auch Reaktionen von außerhalb Greifswalds?

Christoph Böhm: Mein Vater hat sich bei mir gemeldet, als er meinen Namen in solchen Zusammenhängen gefunden hat. Ansonsten blieb es bis jetzt auf Greifswald beschränkt.

webMoritz: Man hat Ihren Namen ja sonst kaum im StuPa-Wahlkampf wahrgenommen…

Christoph Böhm: Das fand ich eigentlich schade. Was die Personen anging, stand ich sehr im Mittelpunkt, aber etwaige Inhalte haben niemanden interessiert. Ansonsten hatte ich von vornherein meinen Wahlkampf auch über den persönlichen Bekanntenkreis geführt.

webMoritz: Wenn ein Verbindungsstudent für das StuPa kandidiert, gibt es möglicherweise schon eine ganze Menge Korporierter in Greifswald, die ihn rein deshalb wählen würden. Haben Sie auch darauf gesetzt?

Christoph Böhm: Ich bin im Vorfeld schon ein wenig auf den Verbindungshäusern unterwegs gewesen und auch der Spruch im Wahlmoritz mit der „schlagenden Vertretung“ war ja eine relativ platte Anspielung in diese Richtung. Aber jetzt zu denken, dass ich nur von der Greifswalder Korporierten-Szene gewählt wurde ist unrealistisch. Das werden Sie persönlich auch wissen.

webMoritz: Haben Sie damit gerechnet, noch nachzurücken?

Christoph Böhm: Eigentlich nicht. Ich war relativ weit hinten auf der Liste, aber als dann der „Juso-Schub“ kam vor den Semesterferien wurde es realistischer und jetzt ist es eben passiert.

webMoritz: War für Sie klar, dass Sie das Mandat annehmen?

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Burschenschafter und StuPa-Mitglied Christoph Böhm

Christoph Böhm: Ja, das war immer klar: Ich hab meine Stimmen bekommen und wenn ich das Mandat erhalte, nutze ich es auch. Schlimmer – von der persönlichen Seite – als die Situation im Januar könnte es ohnehin nicht werden.

webMoritz: Wie muss man sich das vorstellen? Gibt es da einen Anruf oder einen schriftliche Anfrage vom StuPa-Präsidenten?

Christoph Böhm: Nein das kam ganz unspektakulär vom StuPa-Präsidenten per StudiVZ.

webMoritz: Wenn nun so richtig öffentlich wird, dass Sie im StuPa sitzen, erwarten Sie da noch besondere Reaktionen?

Christoph Böhm: Ich hoffe und denke, dass alles professionell abläuft, aber die Sorge ist schon vorhanden, dass es zu irgendwelchen kindischen Aktionen kommt.

webMoritz: Wie bereiten sie sich auf die Wahrnehmung Ihres Mandats vor? Hatten Sie schon Kontakt zu StuPa-Kollegen?

Christoph Böhm: Im Einzelgespräch hatte ich zum Beispiel über die Pro-Arndt-AG Kontakt zu weiteren StuPisten. Ansonsten habe ich mich auch letztes Semester immer wieder über die StuPa-Sitzungen informiert, auch über die vorhandenen Schwierigkeiten, insbesondere mit dem AStA. Auch an den Diskussionen auf dem webMoritz habe ich mich beteiligt.

webMoritz: Welche Ziele haben Sie für den Rest der Legislatur?

Christoph Böhm: Die Arbeitsfähigkeit des StuPa mit den vielen Sondersitzungen war ja im letzten Semester teilweise schon gefährdet. Das ist auf jeden Fall ein Problem, dessen ich mich annehmen möchte. Interessanterweise, finde ich hier beispielsweise einige Ansätze von Herrn Jabbusch gut, viele Prozesse zu digitalisieren und somit zu vereinfachen. Auch wenn er da manchmal zur Übertreibung neigt, z.B. das Twittern aus Senatssitzungen. Aber es geht schon in die richtige Richtung. Transparenz im StuPa ist wichtig, um die Selbstverwaltung interessanter zu machen.

Mit dem Thema Arndt werde ich mich natürlich auch beschäftigen und bin dementsprechend bereits Mitglied der Arndt-AG. Ich finde es gut und richtig, dass die Studenten sich damit ausführlich befassen. Der Namenspatron soll ja auch eben ein Vorbild sein, mit dem man sich beschäftigt. Die derzeitige Debatte halte ich teilweise aber für zu unprofessionell und zu sehr einseitig ergebnisorientiert.

webMoritz: Das Thema ist aber jetzt schon auf der Tagesordnung des Senats. Ist es nicht verlorene Liebesmüh‘, sich auf der rein studentischen Ebene weiter zu streiten?

Christoph Böhm: Auch wenn das Thema jetzt mittlerweile im Senat ist, hoffe ich natürlich, dass ein Votum der Studierendenschaft Einfluss auf den Senat hat. Und es ist natürlich einfach wichtig, dass sich die Studenten damit beschäftigen. Wir sind ja nicht nur hier, um Wissen in den Kopf gepresst zu bekommen, sondern auch um uns mit der Uni und Greifswald selbst zu identifizieren bzw. zu beschäftigen und kritisch mitzudenken. Auch wenn natürlich leider klar sein muss, dass wir uns immer nur mit einem Bruchteil der Studenten unterhalten.

webMoritz: Letzteres ist ja ohnehin ein Problem: Nur sehr wenige Komillitonen interessieren sich für die Selbstverwaltung. Es spricht auch nicht für die Anerkennung des StuPa, wenn zur Hälfte der Legislatur fast alle Nachrücker aufgebraucht sind….

Christoph Böhm: Es ist vielleicht ein bisschen mit den großen Wahlen im Land und im Bund zu vergleichen. Wenn bestimmte Dinge einfach auch ohne sein Zutun laufen, neigt der Mensch dazu, sich damit nicht zu beschäftigen. Und hier in der Selbstverwaltung ist es natürlich noch krasser. Theoretisch kann man durch sein Studium gehen, ohne auch nur einmal Kontakt zum AStA zu haben. Man kann nur versuchen, immer wieder Diskussionen möglichst informativ und professionell anzustoßen um die Leute mitzunehmen.

Ich würde weiter sagen, dass es sinnvoll ist, gerade im AStA die Aufwandsentschädigungen zu erhöhen. Das ist natürlich etwas schade und schnöde, aber man muss anerkennen, dass diese Tätigkeiten viel Zeit und Arbeit kosten. Das fehlt natürlich im Studium oder auch, um einem Nebenjob nachzugehen. Wenn es da mehr Geld gibt, wird eine Beschäftigung mit dem Thema auch interessanter. Das ist von den monetären Anreizen her wie in der freien Wirtschaft. Natürlich ist das schade, dass es so läuft, aber um der Sache selbst muss man da in den sauren Apfel beißen.

webMoritz: Wie bewerten Sie die studentische Selbstverwaltung insgesamt?

Christoph Böhm: Sie ist natürlich ganz wichtig, allein schon um die Leute an demokratisches Arbeiten und Handeln heranzubringen. Auch den Studenten selbst bringt das etwas. Es gibt sicher viele moritz-Leute, die hinterher im journalistischen Bereich arbeiten. Es gibt weiterhin auch den einen oder anderen, der nach einem Jahr in der studentischen Selbstverwaltung eine politische Laufbahn einschlägt oder sich zumindest den Luxus einer eigenen kritischen politischen Meinung erlaubt. Wenn wir es nicht schaffen, dafür die Kraft und auch das Geld aufzubringen, haben wir ein ernsthaftes Demokratieproblem.

Die oft bemängelte angebliche „Selbstdarstellung“ von StuPisten gehört zu diesem politischen Prozess genauso dazu. Auch wenn sie gerade im letzten Semester doch etwas überhand genommen hat, der „Putsch des AStA“ hatte ja auch eine Vorgeschichte.

webMoritz: Inwieweit sehen Sie sich als Vertreter der Burschenschaften und anderer Verbindungen in Greifswald?

Christoph Böhm: Wenn ich schon mit einigen verbindungsstudentischem Wählern hinter mir im StuPa sitze, ist es klar, dass ich mich auch für deren Interessen einbringe. Wobei anzumerken ist, dass sich diese nicht wesentlich von den Interessen der anderen Studenten unterscheiden.

Im speziellen Fall meiner Verbindung geht es mir um eine faire und sachliche Diskussion mit dem AStA, falls diese wieder aufkommen sollte. Ich werde das Thema „AStA – Verbindungen“ aber jetzt nicht von mir aus auf die Tagesordnung setzen. Ich habe sicher nicht vor, mein Mandat zu nutzen, um einen Kreuzzug gegen die Kritiker der Burschenschaften zu führen.

Allerdings finde ich es schade, dass die Verbindungen inzwischen nicht mehr als Bestandteil der Universitätstradition gesehen werden. Früher wurde zum Beispiel noch bei Feierlichkeiten chargiert*.

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Verbindungen chargieren* beim Festumzug zum Universitätsjubiläum 2006

webMoritz: Streben Sie eine längere Karriere in der studentischen Selbstverwaltung an?

Christoph Böhm: Das muss man sehen und ich kann jetzt noch nichts in diese Richtung abschätzen. Natürlich hängt es auch davon ab, wie viel Freude ich selber darin finde, ob ich etwas erreiche und wie es sich mit dem Studium vereinbaren lässt.

webMoritz: Glauben Sie, dass die Dinge, die Sie im Alltag Ihrer Burschenschaft gelernt haben, Ihnen im StuPa helfen werden?

Christoph Böhm: Ich habe zwar noch keine Sitzung als Mandatsträger mitgemacht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein gewisser Vorteil ist. Gerade für Themen wie Protokolle, Tagesordnungen und lange Diskussion entwickelt man schon eine abgebrühte und möglichst effiziente Routine.

webMoritz: Vielen Dank für das Gespräch!

* Chargieren ist eine besondere Form der Ehrbekundung bei Studentenverbindungen gegenüber einer Institution oder einer Person. Dabei bilden mehrere Mitglieder in der traditionellen Tracht der Verbindungen und mit der jeweiligen Fahne eine Ehrenabordnung. Bei den Alumniumzügen, die bis 2001 stattfanden, war es üblich, dass ein Großteil der Verbindungen beim Festumzug chargierte. Beim Umzug und Festakt zum Unijubiläum 2006 waren nur je zwei Verbindungen vertreten.

Bilder:

AStA-Flyer und Foto Christoph Böhm – webMoritz-Archiv

Festumzug 2006 – privat