Heute, am 14. September um 13 Uhr, findet im Hörsaal 3/4 am Loeffler-Campus eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen Landtagskandidierenden in Mecklenburg-Vorpommern statt. Der webmoritz. ist live dabei und hält euch in diesem Ticker auf dem neuesten Stand.

Bei der etwa anderthalbstündigen Podiumsdiskussion werden Daniel Seiffert (Die Linke), Christian Pegel (SPD), Bodo Kappek (Freie Wähler), Hannes Damm (Bündnis 90/Die Grünen) und David Wulff (FDP) anwesend sein. Auf der Agenda stehen Themen wie elternunabhängiges BAföG, Schwangerschaftsabbrüche im Lehrplan, stärkere Finanzierung der Studierendenwerke, Erweiterung des Azubitickets oder Wohnraum für Studierende. Außerdem könnt ihr direkt vor Ort oder über den Instagram-Kanal des Allgemeinen Studierendenausschusses (@asta_uni_greifswald) Fragen stellen.

Ab 13 Uhr folgt hier der Ticker.

Anna vom moritz.magazin, Ressortleiterin für Politik, moderiert die Podiumsdiskussion.
Der Saal füllt sich langsam. 
Um Punkt 13 Uhr sind etwa 30 Zuschauer*innen anwesend. Tröpfchenweise trudeln noch weitere Studis ein. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion sitzen schon bereit auf ihren Plätzen, alle mit eigenem Mikrofon und eigener Wasserflasche ausgestattet. 

Um 13:03 Uhr eröffnet Anna die Veranstaltung. Die heutigen Themen sollen sich auf hochschul- und wissenschaftspolitische Themen beschränken

Bodo Kappek (Freie Wähler) beginnt mit seiner Vorstellung: Er ist 27 Jahr jung und gelernter Fleischer. Er ist Kreisvorsitzender der Freien Wähler in Vorpommern-Greifswald. Auf seiner politischen Agenda stehen Digitalisierung, Bildung und das Soziale.

Daniel Seiffert (Die Linke) ist 37 Jahre alt und Geograph. Seit 2014 ist er in der Kommunalpolitik in Greifswald aktiv, seit 2019 ist er auch als sachkundiger Einwohner im Landkreis aktiv. Seine Themenschwerpunkte sind v.a. Energie, Verkehr und Umwelt.

Hannes Damm (Grüne) ist 29 Jahre alt. Er ist von Beruf Physiker. Seit 2016 arbeitet er am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, wo er auch gerade promoviert. Er ist fast seine ganze Studienzeit lang in der Hochschulpolitik aktiv, und seit 2016 bei den Grünen, wo er als energie- und klimapolitischer Sprecher tätig ist. Seine Schwerpunkte sind außerdem Hochschulwissenschaft und Hochschultechnologie.

Christian Pegel von der SPD ist 47 Jahre alt und damit der „Senior in der Runde“. Er hat in Greifswald studiert, ist etwa um 1990 zu den Jusos gekommen und hat zuerst Kommunalpolitik gemacht. Ab etwa 1997 war er im StuPa und Vorsitzender im AStA. Er war viele Jahre Rechtsanwalt, lässt den Beruf aber ruhen, denn seit 2014 ist er Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern.   

David Wulff (FDP) ist 2005 nach Greifswald gekommen und hat hier BWL studiert. Auch er war im StuPa aktiv sowie im Kreistag seit 2011. Seit 4 Jahren ist er Generalsektretär des Landes. Die Themen Hochschulpolitik und Bildung beschäftigen ihn weiterhin, aber auch Digitalisierung, da er Softwareentwicklung auch aus seinem eigenen Beruf kennt. Er hat sein eigenes Unternehmen gegründet, deshalb sind auch Start-Ups und Start-Up-Förderung ein Kernthema für ihn. Jetzt soll es in die Landespolitik gehen.

Anna fragt die Teilnehmer, was sie mit der Universität Greifswald verbinden, ob sie hier studiert haben oder nicht.

Hannes Damm fängt an und betont das Ehrenamt, das er hier ausgeübt hat. Er hat die AG Ökologie wieder ins Leben gerufen, die nun sehr stark läuft. Er war im StuPa und im Senat aktiv, er nennt zum Beispiel das Ziel der Klimaneutralität der Uni bis 2030, das in dieser Form durch seinen Änderungsantrag durchkommen konnte. Außerdem hat er sich für das studentische Prorektorat eingesetzt sowie für Weltoffenheit, beispielsweise in Bezug auf den Universitätsnamen.

Daniel Seiffert betont sein Studium selbst, war aber danach auch als Mitarbeiter in der Uni tätig. Dazu kommt aber noch mehr, v. a. zu Fristen und Ähnlichem.

Bodo Kappek hat selbst nicht studiert und hat dementsprechend nur durch seinen Freundeskreis direkten Zugang zur Uni. Er ist aber sehr stolz darauf, in einer Stadt zu leben, die eine Universität hat, die Forschende und Wissenschaftler*innen ausbilden kann.

David Wulff betont die Partys in Greifswald nach dem Studium, das Miteinander und den Austausch abends. Er nennt außerdem die Gründungswerft, die für ihn ein wichtiges Thema ist.

Christian Pegel erwähnt auch sein Studium und dass Kontakte mit Menschen, die auch hier geblieben sind, fortgesetzt werden. Wer in Greifswald lebt, ist stark mit der Universität verbunden, betont Pegel. Er hat außerdem selbst 5 Jahre am Lehrstuhl gearbeitet. Digitalisierungsthemen und das digitale Innovationszentrum in der Alten Mensa sind außerdem wichtige Themen für ihn. Er möchte sich für mehr Radwege einsetzen und das gibt er auch den Jusos im Senat immer mit, damit die Uni mehr von ihren Gebieten für Radwege freigibt. Eigentlich ist er total begeisterter Alumni, aber die Radwege sind ihm ein Wehmutstropfen.

13:15 Uhr

Anna möchte nun zum Thema Studienfinanzierung kommen. Denn für Studierende bedeutet ein Studium auch, Finanzierungshürden zu überwinden. Sie möchte wissen, wie die Teilnehmer sich zu einem elterunabhängigen BAföG positionieren.

Daniel Seiffert fängt an. Die Linke setzt sich stark für ein elternunabhängiges BAföG ein. Das BAföG muss unbedingt reformiert werden.

Christian Pegel möchte dagegen sprechen, auch wenn er damit die zuhörenden Jusos nach eigener Aussage „zucken lassen“ wird. Er ist vielleicht kein gutes Beispiel dafür, denn er hat nach dem zweiten Semester auf das BAföG verzichtet und sein Studium selbst finanziert, obwohl es ihm zugestanden hätte. Er sieht die Grenzwerte als zu klein und es muss eine Reform durchgeführt werden, aber nach ihm sei es klug, dass man sich daran orientiert, dass es Elternhäuser gibt, die das Studium bezahlen können. Daher muss nur IM Gesetz reformiert werden und nicht das gesamte Gesetz.

Hannes Damm vertritt einen anderen Standpunkt. Es muss in die jungen Menschen unabhängig vom Elternhaus investiert werden. Er hat eine Bekannte, deren Eltern nicht bereit waren, Unterhalt zu zahlen, obwohl sie es konnten. Daher muss es eine Grundsicherung geben, dafür setzen sich die Grünen ein. Mit dem Auszug aus dem Elternhaus sollte außerdem das Kindergeld an die Kinder gehen. Weiterhin wäre eine Zuzahlung zum Wohnen wichtig, abhängig davon, wo man in Deutschland lebt. Es muss seiner Meinung nach eine grundsätzliche Reform sein, die nicht nur für Studierende gilt, sondern insgesamt für Menschen, die sich in einer Ausbildung befinden.

David Wulff möchte reagieren. Er ist fest der Meinung, dass es elternunabhängig sein soll. Grundsätzlich ist man mit der Volljährigkeit ein eigenständiger Mensch. Deswegen muss auch die Ausbildung und alles, was damit zusammenhängt, unabhängig sein. BAföG ist eine Unterstützung, die das Studium erleichtern soll und muss zudem ja sowieso zu einem großen Teil zurückgezahlt werden. Wer es nicht braucht, muss es ja nicht in Anspruch nehmen, aber zu sehen, wie Kinder ihre Eltern verklagen müssen, weil diese sich bei der Förderung querstellen, ist frustrierend und öffnet unnötige Gräben innerhalb der Familie.

Bodo Kappek erklärt auch, dass die Freien Wähler für ein elternunabhängiges BAföG sind. Sie möchten den Menschen als ein Individuum gesehen: Sobald ein Mensch das Elternhaus verlassen hat, muss er sich selbst finanzieren können. Daneben muss sich das BAföG aber auch lokal anpassen. Das Studium / die Ausbildung hier in MV sind zum Beispiel nicht mit der Ausbildung in Bayern gleichzusetzen.

13:23 Uhr

Weiter geht es mit den Mieten, denn sie steigen, auch in Greifswald. Anna fragt, was die Politiker bezüglich der Wohnsitutation der Studierenden unternehmen wollen.

David Wulff reagiert sofort: Es muss eine bessere Förderung des studentischen Wohnraums u. a. über das Studierendenwerk geben und durch weniger Druck in den konkurrierenden Flächen.

Christian Pegel sagt, man bräuchte beides: Das Studierendenwerk und den freien Markt. Die SPD hat versucht die Bundesmietpreisbremse umzusetzen und bei zwei Greifswalder Wohnheimbauten geholfen. Das Grundstück- und Planrecht wird die Hauptherausforderung sein.

Hannes Damm möchte sich von Pegel deutlich abgrenzen. Er denkt auch, dass das StuWe eine Hauptaufgabe hat. Aber die soziale Wohnförderung und die Nachfrage von Studierendenseite passen überhaupt nicht zusammen. Es braucht ein eigenes Förderprogramm für das studentische Wohnen. Zum Bau auf eigenen Flächen wünscht sich Damm mehr Flexibilität. 

Christian Pegel unterbricht Damm, aber Anna übergibt das Wort an Seiffert von den Linken, der schon zuvor etwas einwerfen wollte.

Seiffert sieht es so, dass die StuWe mehr Geld fürs Bauen bekommen müssen. Das Wohnheim in der Makarenkostraße war ein Kampf und reicht bei Weitem nicht. Der Bedarf ist sehr hoch und es muss mehr gebaut werden, aber das gilt auch generell für den sozialen Bau. Greifswald hat insgesamt keinen gesunden Wohnungsmarkt und starke Konkurrenz. Für Erstis ist es zum Beispiel ein großes Problem, eine Wohnung zu finden, wenn sie neu nach Greifswald kommen.

Kappek betont auch, dass der soziale Wohnungsmarkt gefördert werden muss. Es sollen mehr Mittel für den Wohnungsmarkt bereitgestellt werden. Er findet es unverständlich, dass es so lange dauert, Wohnflächen zu schaffen.

von links nach rechts: Christian Pegel (SPD), David Wulff (FDP), Bodo Kappek (Freie Wähler), Daniel Seiffert (Die Linke), Hannes Damm (Bündnis 90/Die Grünen) 

Damm ergänzt, dass er es wichtig finden würde wenn die StuWe ein eigenes Kontingent bekämen. Vor allem jetzt zu Coronazeiten, wo psychische und soziale Beratung immer wichtiger werden, da die Nachfrage deutlich gestiegen ist, müssten die StuWe mehr gefördert werden. Er würde dafür gerne Landesgeld in die Hand nehmen. Fachliche Unterstützung müsse ebenfalls gegeben werden und ein Weg gefunden werden, einen zentral gelegenen Anlaufpunkt für Studierende zu schaffen.

Seiffert möchte zu diesem Verwaltungssitz sagen, dass er gut erreichbar sein muss. Insofern ist es wichtig, dass es ein ziemlich zentraler Standort wird. Ein weiteres Problem ist, dass die Bedarfe des Studierendenwerkes für die Uni gar keinen Wert haben. Das Raumkontingent für die Uni ist ja begrenzt, und diese Räumlichkeiten sind da gar nicht eingeplant. Das wäre eine Landesaufgabe, wirft Damm ein und Seiffert stimmt zu. Das ist ein Punkt, der dringend geändert werden sollte, damit Räumlichkeiten der Universität bestmöglich genutzt werden können. Die Einnahmen und Studierendenbeiträge können auf Dauer nicht einfach beliebig weit nach oben geschraubt werden, vor allem nicht, solange das BAföG nicht reformiert wurde, daher muss von Landessseite der Zuschuss erhöht werden.

Auf Seiten des Studierendenwerkes, so Wulff, hätte man auch motivierter sein können. Es braucht mehr Mittel vom Land und mehr Eigenverantwortung der Studierendenwerke. Außerdem fordert er mehr Personal, allerdings wird seit Jahren davon gesprochen, mehr Personal einzustellen, reden allein reicht also nicht. Außerdem hat das StuWe noch viel vor sich im Bereich der Digitalisierung und muss daher deutlich stärker unterstützt werden.

Pegel ergänzt noch, dass Hochschule und Senat nicht berücksichtigen, dass das StuWe eigene Ansprüche hat. Er teilt zudem die Aussage der Vorredner nicht, dass der Standpunkt des StuWe in der Makarenkostraße „fast schon im Gewerbegebiet und weit ab vom Schuss“ sei. Die Zuschüsse würde außerdem erheblich angepasst, weil es Kostensteigerungen gab,  betont Pegel. Allerdings ist der Landeshaushalt stramm, man bräuchte immer einen gewissen Kostendruck. 

13:37 Uhr

Anna möchte nun zum nächsten Punkt kommen und fragt, ob die Azubi-Tickets auch für Studierende ausgebaut werden sollen.

Pegel sagt, dass es zuerst wichtig ist zu erkenne, dass sich mit einem solchen Ticket der nötige Gesamtzuschuss für Busse und Bahnen für alle deutlich erhöhen würde. Bei den Azubis ist das Problem, dass ihre Berufsschulen teilweise sehr weit entfernt sind, während Studis ja meistens in der Nähe der Hochschule wohnen. Langfristig ist vieles möglich, aber man muss die finanzielle Ebene gut durchdenken. Sie haben ihr Programm in der SPD aber auch stark auf Senior*innen ausgelegt, und hoffen, für diese Gruppe möchte man also auch gerne ein 365-Euro-Ticket durchsetzen.

Seiffert möchte dazu sagen, dass die Linke schon länger so eine Erweiterung verfechtet. Er ist froh, dass das Azubiticket überhaupt eingeführt wurde. Das Modell der Linken ist ein Pass, mit dem Studierende, Azubis und Schüler*innen möglichst kostenfrei durch das Land reisen können.

Kappek spricht sich ebenfalls deutlich für ein solches Tickets aus. Studis könnten auch auf dem Land wohnen, wenn sie dort mehr Möglichkeiten hätten, z.B. im Bereich der Anbindung. Das könnte auch das Dörfersterben abbremsen. Aber natürlich kostet das alles Geld.

Wulff möchte deutlich machen, dass man erst einmal abwarten muss, wie solche Angebote wie das Azubi-Ticket angenommen werden, denn selbst das wird nach ihm weniger angenommen, als erwartet wurde. In Greifswald wurde zum Beispiel das Semesterticket oft abgelehnt, weil man das nicht bräuchte. Wenn man so ein Ticket anbietet, müsste man eine Spitzabrechnung hinbekommen. Man müsste schauen, wie sich so ein Ticket auf die Anfrage auswirkt.

Damm möchte einen weiteren Punkt aufmachen, nämlich dass man Nahverkehr attraktiver machen muss. Er erwähnt seinen Bachelorstandort Jena, wo es ein Semesterticket für ganz Thüringen gab, das war einfach attraktiver als die Verbindung in MV. Die Vernetzung der Studierenden untereinander ist nicht gut, man kommt z.B. nicht einfach schnell und günstig nach Rostock. Er sieht auch den Punkt von Kappek, dass man so dabei helfen könnte, dass mehr Studis aufs Land ziehen.

Seiffert möchte dann zu dem Verkehrsthema auch einwenden, dass sie sich als Linke für einen Landesverkehrsbund einsetzen. Für Greifswald ist die Verbindung nach Berlin wichtig und mit einem Landesverkehrsverbund könnte man z.B. besser nach Hamburg oder Berlin kommen und das wäre eine Qualitätssteigerung für das gesamte Land.

Anna möchte bereits zum nächsten Punkt kommen, aber Pegel möchte noch kurz einwerfen, dass man die 20 Millionen Euro, die dafür nötig wären, auch an anderen Stellen gebrauchen könne.

13:45 Uhr

Anna möchte wieder eher zum hochschulwissenschaftlichen Themenbereich kommen, namentlich soll es um das Bologna-System gehen. Obwohl die Reform schon 1999 abgesegnet wurde, ist die Diskussion darum noch nicht ganz abgeklungen. Was halten die Diskussionsteilnehmer von ihr?

Seiffert macht deutlich, dass Hochschulen mehr sind als Ausbildungseinrichtungen. Das Bologna-System ist zu sehr auf eine Optimierung für die Wirtschaft ausgelegt. Das System müsste so sehr entspannt werden, dass mehr freie Lehre und Forschung stattfinden kann. Eines der der Grundkonzepte der Vergleichbarkeit zwischen den Standorten und Ländern ist gar nicht erreicht worden, ein Uniwechsel o. Ä. sei sogar schwerer geworden. Bestimmte Ziele sind verfehlt worden.

Pegel will jetzt zwar nicht den „Opa erzählt vom Krieg“ geben, aber er hat noch vor Bologna studiert. Er möchte für das Ziel werben, das Studium europaweit zu vereinheitlichen, sodass man Kurse etc. aus dem Ausland hier besser anrechnen lassen kann. Er kann auch beobachten, dass Druck in das Studium reingebracht wurde und er glaubt, dass „ein bisschen mehr Luft“ im Studium guttäte. In Deutschland wurde es, laut ihm, zu sehr perfektioniert. Aber den Grundgedanken soll man nicht wegwerfen.

Wulff stimmt dem zu. Er macht zudem klar, dass es auch um die Freiheiten der Hochschulen geht. Ein Fehler am Anfang der Uni-Reform war, die alten Studiengänge in das neue System hinein zu pressen, was nicht funktioniert und nicht funktionieren kann. Vergleichbarkeit funktioniert nicht komplett, da es beispielweise sehr viele verschiedene BWL-Bachelorstudiengänge schon allein in Deutschland gibt. Da müssen aber auch die Hochschulen stärker hinterher sein.

Damm findet schon, dass das auch durch die Politik forciert werden muss. Er stimmt Pegel zu, dass man durch den straffen Plan kaum Zeit hat, sich während des Studiums zu engagieren. Er betont, dass vor der Bologna-Reform der einzelne Mensch bei der Anerkennung der Punkte, Module etc. im Fokus stand und nicht nur die Modulbezeichnungen. Er hat beispielsweise in Jena studiert, dann in England, dann in Greifswald. Er hatte das Problem, dass die Studienerfahrungen aus England in Greifswald nicht angerechnet wurden. Aus eigener Erfahrung sieht er die Bologna-Reform also kritisch, denn vereinfacht hat es ihm die Anerkennung nicht. Man muss das System reformieren und dafür braucht es auch die Politik. Er ist aber auch kritisch gegenüber dem Bachelorabschluss. Zumindest in den Naturwissenschaften kann man mit einem Bachelorabschluss nicht direkt Arbeit finden.

Anna geht nun auf die #ichbinhanna-Aktion der letzten Monate, v. a. auf Twitter ein. Die Wissenschaft ist das Herzstück unserer gesellschaftlichen Entwicklung, doch Studierende und junge Wissenschaftler*innen finden sich teilweise in „prekären Arbeitssituationen“ wieder.

Wulff sieht die Bezeichnung „prekär“ als übertrieben an, denn die Bezahlung stimme ja noch, trotz befristeter Arbeitsverträge, die Anna noch einwirft. Es müssen mehr unbefristete und Post-Doc-Stellen geschaffen werden, um Druck zu nehmen. Prekär ist für ihn aber anders, befristete Arbeitsverträge sieht er eher einfach als unschön an.

Damm kann aus eigenen Erfahrungen sagen, dass die Umstände tatsächlich prekär sind. Er betont, dass es nicht nur um das Geld bei einer Arbeitssituation geht. Es geht um die Betreuung, die Arbeitszeit etc. Und die stimmen nicht. Man bräuchte Dauerstellen. Durch das Wissenschaftszeitgesetz müssen viele gute Wissenschaftler*innen gehen. Es muss mehr Richtung Globalhaushalt an Unis gehen, sodass z.B. Drittmittel nicht nur an bestimmte Projekte gebunden sind und Menschen dann auch nicht gekündigt werden müssen, sobald ein Projekt endet. Es muss möglich sein, in der akademischen Laufbahn etwas anderes zu werden als Professor*in. Auch um beispielsweise sexueller Diskriminierung vorzubeugen, würde er gerne ein Mehr-Augen-Prinzip einbauen.

Pegel greift das auf, er betont, dass der Unihaushalt noch nie so global gewesen sei wie in den letzten Jahren. Die Schwierigkeit ist der hohe Projektmittelanteil. Sein Wunsch ist, dass sich die Hochschulen selbst angucken, wie viel sie zahlen und was über Drittmittel gemacht wird.

Seiffert geht auf das Problem der unzureichenden Grundfinanzierung ein. Auch er betont, dass die Projektmittel das Problem sind. Er berichtet von einem Fall aus eigener Erfahrung, bei dem ein Projekt und damit gleichzeitig auch die Arbeitsverträge ausgelaufen sind, und das noch, bevor das nächste Projekt losging. Somit fiel eine ganze Woche aus und es musste Arbeitslosengeld beantragt werden. Hinzu kommt, dass man am Ende des Jahres keine Jahressonderzahlungen bekommt, wenn man zum Beispiel nur 10 Monate bis Oktober gearbeitet hat, der Vertrag aber befristet war. Es gibt sehr viele solcher Kleinigkeiten, über die man sich aufregen können.

Damm und Seiffert kritisieren gemeinsam die falsche Einstellung und Bezahlung der Doktorand*innen. „Daueraufgaben müssen durch Dauerstellen abgesetzt werden.“

14:01 Uhr

Anna bittet darum, die nächsten Fragen kürzer zu beantworten, damit später noch genug Zeit für die Anwesenden bleibt, Fragen zu stellen.

Als nächstes geht es um die Petition, die Anna Kassautzki vor etwa einem halben Jahr zu Schwangerschaftsabbrüchen in der Lehre gestartet hat.

Damm macht deutlich, dass es bereits im Programm der Grünen drin steht. Schwangerschaftsabbrüche gehören unbedingt in die Lehre.

Seiffert schließt sich dem an, es ist unbedingt notwendig.

Kappek und Wulff befürworten das auch.

Auch im Wahlprogramm der SPD steht die Forderung drin. Es muss aber natürlich trotzdem beachtet werden, was das dann im Genaueren heißt.

14:03 Uhr

Vor der Eröffnung der offenen Diskussion, geht es noch kurz um Corona. Wie beurteilen die Diskussionsteilnehmer das Studium während Corona und die digitale Lehre der letzten anderthalb Jahre?

Kappek erklärt, dass er das Gefühl hat, dass viele Studierende sich alleine gelassen gefühlt haben. Er hat außerdem mitbekommen, wie Studis von einen Tag auf den anderen ihren Job verloren haben. Die Freien Wähler sind für ein Entschädigungsgesetz, sodass der Staat das Geld, das weggefallen ist, bezahlt, da ja auch die Gesetze, die es schwer machen, zu arbeiten, vom Staat erlassen wurden. Er findet auch, dass digitale Lehre langfristig in den Schulen integriert werden sollte.

Wulff betont auch, dass durch Corona klar wurde, dass die Digitalisierung der Unis hinterherhinkt. Es ist mehr Flexibilität nötig. Er wünscht sich verstärkt Präsenz bei Übungen oder Seminaren, bei Vorlesungen würden aber zum Beispiel digitale Formate reichen. Er plädiert für ein hybrides System für die Zukunft. Corona zeigt, dass das dauerhaft eine gute Lösung sein könnte.

Seiffert wünscht sich als Greifswalder Kommunalpolitiker, dass die Uni keine Fernuni wird und die Studierenden hier leben, denn die Stadt lebt von ihnen. Dafür muss es aber die Angebote an der Uni geben. Er gibt Wulff Recht, dass Vorlesungen online reingestellt werden können, aber grundsätzlich sollte die Uni wieder zu Präsenzangeboten kommen. Studieren ist schließlich auch eine soziale Erfahrung.

Damm hat es geärgert, auch als Studierendenvertreter, dass Studierende so spät beachtet wurden in der Landes- und Bundespolitik. Er denkt nicht, dass man Studienerfahrungen nur im Hörsaal machen kann. Er findet, Möglichkeiten, Lehre on demand machen zu können, müssen ausgebaut werden. Seminare, Übungen oder vor allem Praktika müssten natürlich in Präsenz stattfinden. Der Ausbau ist v.a. an Dozierende gerichtet, mehr Angebote bereitzustellen. Das wäre ja auch ein Punkt in der Frage der Familienfreundlichkeit.

Pegel sagt, dass sie in Corona versucht haben, die harten Punkte abzufedern, mit BAföG-Anpassungen und neuen Regelstudienzeitregelungen. Er ist hin- und hergerissen, schließlich ist er noch mit Overhead-Projektoren groß geworden, wie er erzählt. Wismar hat zum Beispiel als Hochschule schon Fernstudiengänge, vor allem für die, die bereits arbeiten. Er ist der Überzeugung, dass die Unis beides bedienen müssen.

14:12 Uhr

Anna bedankt sich für die angeregte Debatte und bittet das Publikum um Fragen und Anregungen.

Ein Zuschauer aus dem Publikum hat eine Frage zur Differenz zwischen den Lehrenden. Er möchte wissen, ob die Kandidierenden finden, dass Lehrende eine didaktische Ausbildung erhalten sollten und ob man Wissenschaft und Lehre aufspalten sollte.

Pegel kann sich nicht vorstellen, dass es in der Uni möglich ist, Forschung und Lehre komplett zu trennen. Aber er kennt das aktuelle Programm nicht. Er ist davon überzeugt, dass Hochschule eine Form der didaktischen Ausbildung leisten muss.

Wulff sagt, die Uni sei immer noch die Symbiose zwischen Forschung und Lehre und das sollte so auch bleiben. Er hätte sich früher öfter gewünscht, dass Dozierende mehr forschen, „damit sie auf dem neuesten Stand sind“. Für ihn gehören deswegen Forschung und Lehre unabdingbar zusammen, denn das Erforschte lässt sich auch besser lehren. In der Landespolitik kann man darauf hinwirken, die Unis dabei zu unterstützen, für alle Lehrende Didaktikangebote zu schaffen, beispielsweise mit einem Bonussystem.

Damm findet, es muss zwischen Bachelor- und Masterstudiengängen unterschieden werden. Im Master ist die Wissenschaft zum Beispiel relevanter in seinen Augen. Im Bachelor hingegen ist es relevanter, dass es eine fachdidaktische Ausbildung für Dozierende gibt, damit diese besser lehren können, gerade für die unerfahreneren Studierenden am Anfang. Eine Fachdidaktikausbildung und Mentorikprogramme sind wichtig, damit Skills im Lehren an Dozierende weitergeben werden. Es muss für die Lehre aber auch die Zeit und das Geld geben.

Seiffert meint, dass gute Lehre im System nicht belohnt wird, es geht eher um Drittmittel, Publikationen etc. Das sei das Problem. Lehre und Forschung müssen in der Universität Hand in Hand gehen.

Anna bedankt sich für die Antworten.

Als nächstes darf Hennis, der AStA-Vorsitzende, seine Frage stellen: In Rostock gibt es seit einigen Jahren ein studentisches Prorektorat. In Greifswald gestaltet sich die Einführung nicht so einfach. Ist es für die Parteien vorstellbar, das studentische Prorektorat im Landeshochschulgesetz fest zu verankern?

Im SPD-Wahlprogramm steht das bereits drin, erklärt Pegel. Dabei ist man allerdings auch vom Senat abhängig, dass er diesen Weg mitgeht. 

Seiffert und die Linke und stehen auch dahinter.

Damm erklärt, dass in der Grundordnung steht, dass es eine Prorektoratsstelle gibt, die von Student*innen besetzt werden kann. Trotzdem müsste die Wahl des*der Vertreter*in von der Studierendenschaft funktionieren. Er kämpft persönlich stark für die Festsetzung eines studentischen Prorektorats in der Landesverordnung und die Grünen stehen auch dahinter.

14:26 Uhr

Es gibt eine weitere Frage aus dem Publikum: Ein Student möchte die Meinung zum Lehrer*innenmangel wissen und fragt, was die Politiker davon halten, die Fächer Geschichte, Geographie und Sozialkunde zu Gesellschaftswissenschaften zusammenzulegen.

Kappek findet die Zusammenlegung „schwachsinnig“, da die Fächer an sich viel zu komplex und zu schön sind. Zum Thema Lehrer*innenmangel sagt er, dass die Freien Wähler Quereinsteiger*innen fördern wollen.

Wulff glaubt, dass der Lehrer*innenmangel der einzige Grund sei, diese Fächer zusammenzulegen. „Sonst könne man auch die gesamte Schulzeit als Lebenskunde bezeichnen.“ Er betont, dass sowieso jede einzelne Lehrkraft ihre eigenen Schwerpunkte setzt und so eh schon immer Teilaspekte der Fächer wegfallen, so droht das nur noch mehr.

Seiffert schließt sich dem an. Inhaltlich ist das nicht zu begründen. Er als Geograph kann sich nicht vorstellen, die Fächer zusammenzuführen. Er denkt auch, dass das ein Versuch ist, den Fachlehrer*innenmangeln in den Griff zu bekommen, aber so geht das nicht. Es muss eher mehr Geld in das System gesteckt werden und Studienplätze geschaffen werden.
Denn auch die Quereinsteiger*innen seien ja nur eine Notlösung, die Probleme seien zu spät gesehen worden. So kamen auch die Maßnahmen zu spät und müssten nun mit mehr Geld kompensiert werden. Wenn man zu lange wartet, etwas zu tun, wird es am Ende nur immer teurer. Das gilt fürs Klima aber auch für Lehrer*innenbildung.

Damm berichtet aus eigenen Erfahrungen aus seiner Schulzeit, wie es ist, wenn es keinen Lehrplan, keine Bücher, keine ausgebildeten Lehrer*innen für zusammengelegte Fächer gibt. Das Problem ist nicht, dass nicht genug Leute anfangen, sondern das nicht genug abschließen. Die Inhalte im Studium sind teilweise nicht gut für Lehrende ausgelegt, sondern wie in seinem Fall für Menschen, die am Max-Planck-Institut forschen wollen.

Pegel will als ältester Diskussionsteilnehmer nach eigener Aussage am progressivsten sein. Das Land habe in den letzten Jahren aufgesattelt. Er möchte auch die Quereinsteiger*innen nicht so stark kritisieren, da die teilweise sehr gut seien und sich bemühen. Er findet die Idee, Geschichte und Geographie zusammenzulegen, nicht schlecht, denn diese fächerübergreifenden Ansätze sollten nicht erst in der Uni erlernt werden. Der Gedanke muss eröffnet werden, dass man Informationen miteinander verknüpfen kann, z.B. dass eben geographische und historische Zusammenhänge bestehen.

14:35 Uhr

Eine Studentin möchte von den Teilnehmenden ihre Meinung zur Reisekostenpauschale von 10€ pro absolviertem Praxistag, unabhängig vom Ziel, wissen.

Pegel nimmt die Anregung gerne mit, dass eine Differenzierung der Pauschale überlegt werden muss.

Seiffert macht auch deutlich, dass solche Fahrtkosten für Studierende da sein müssen.

Damm stimmt zu, man müsse es ja nicht weiter breittreten.

14:36 Uhr

Die Zeit ist eigentlich rum, aber Anna gibt noch Zeit für eine ganz kurze Frage und kurze Antworten. 

Die Frage ist zu Bildungssteuern: Braucht es Reformen?

Wulff sagt kurz: „Ja.“

Seiffert denkt, dass das Steuersystem überarbeitet werden müsste, dem schließt sich Damm an.

Pegel macht deutlich, dass sich die SPD bundespolitisch für eine Vermögenssteuer einsetzt. Es könnte eine schöne Diskussion geben, welche Partei, wen neu und anders besteuern will, aber dafür gibt es keine Zeit mehr.

Kappek spricht dafür, dass der Staat an erster Stelle bei sich selbst sparen müsste. Da gibt es einige Felder, wo Gelder rausgeholt werden könnte.

14:38 Uhr

Anna hat noch eine abschließende Frage für alle: Was ist das zentrale Thema, was für uns Studierende in ihrer Kandidatur am relevantesten ist, was hat bei Ihnen die höchste Priorität?

Wulff nennt hier eine grundsätzliche Reform der Lehrer*innenausbildung.

Für Damm ist es die Energie- und Klimapolitik, denn Hochschulen müssen Vorbilder sein.

Seiffert meint, die öffentliche Hand soll mehr Geld einnehmen, eine vernünftige Steuerreform müsste her.

Kappek nennt eine allgemeine Entlastung der Studierenden.

Bei Pegel ist es das studentische bzw. allgemein das Wohnen.

Anna bedankt sich und hofft, wir haben einen allgemeinen Einblick in die Politik der einzelnen Parteien bekommen. Sie glaubt auch, dass es für die Teilnehmer eine gute Gelegenheit gewesen sein kann, sich die Ideen der Studierenden anzuhören und mitzunehmen und bedankt sich bei allen Anwesenden für die Debatte.

Auch wir bedanken uns, dass ihr dabei wart. Bis zum nächsten Ticker heute Abend um 20:15 Uhr!

Titelbild: Annica Brommann
Beitragsbilder: Anne Frieda Müller