Die Zeiten scheinen schlecht zu werden. Da hallt auch schon aus allen Winkeln der Republik ein altbekanntes Zauberwort: FÜHRUNG.

obama-propaganda

Propaganda-Fake

Führung liegt im Trend. Wer sie nicht hat, der ist von gestern. Die Franzosen haben sie, die Amerikaner bekommen sie in jedem Fall. Selbst in ihrer schlimmsten Krise sind uns die Amerikaner um Längen voraus, und sei es nur darin, angeführt zu werden. Aber wir Deutschen bekommen mal wieder nichts hin. Uns sind die Führungskräfte ausgegangen. Ja, wir haben ein Führerdefizit.

Vergangenes Jahr war es der ungenügende Führungsstil Kurts Becks. Ihm fehlte Führungswille. Am Ende fehlte ihm der Führungsanspruch. Nachfolger Steinmeier wusste sofort, dass die Partei nun Führung brauche.

„Von der Pflicht zu führen. Neun Gebote der Bildung“ heißt der Bestseller des selbst ernannten 71jährigen Bildungspapstes Bernhard Bueb, denn zu viele unserer Lehrer strauchelten führungslos umher. Und auch die Medien stimmen in diesen Chor ein, überall vernimmt man das fast selten gewordene Wort in jeglicher Variation und zu jeder Gelegenheit. Bisweilen wird sogar öffentlich gefragt, ob Diktaturen als die Königinnen unter den Führungen nicht die schnelleren und darum besseren Entscheidungen fällen können angesichts der ganzen Krisen.

Im Führungsmagazin DER SPIEGEL fragt sich kurz vor Weihnachten der interviewete Joschka Fischer, warum Deutschland angesichts der Krise immer nein sage, statt selbst die Führung zu übernehmen, denn jetzt sei strategische Großplanung angesagt – im europäischen Geist. „Deutschland versagt als Führungsmacht in Europa.“ DER SPIEGEL fragt Fischer später, ob deutsche Politiker sich Frankreich ein Stück unterwerfen müssen, um Europa führen zu können? Also Führung durch Unterwerfung? Unterführung sozusagen.

obama-propaganda2

Propaganda-Fake

Man fragt weiter, ob denn Herr Fischer auch bei Frau Merkel ein Defizit an Führung bemerke. Ob es sich so anfühlt, wenn man wie eine Kuh an der Nase herumgeführt wird, fragt man sich als Leser. Zum Glück stellt sich wenig später endlich heraus, dass Europa wegen mangelnder deutscher Führung schwächelt. Am Ende soll man, so Fischer, in Deutschland endlich einmal wirklich Führungsverantwortung übernehmen. Dafür hält er es für absolut notwendig, dass Deutschland wieder in die Führungsrolle komme. Heil mein Fischer!

Nach diesem Führungsgespräch weiß man vor lauter Führungsdefizit gar nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Glücklicherweise schafft es DER SPIEGEL den Leser geschickt in den unmittelbar angrenzenden Beitrag zu überführen. In diesem gratuliert Altkanzler Gerhard Schröder Uraltkanzler Helmut Schmidt zum Geburtstag. Er schreibt „Sucht man nach einem Begriff für das Besondere, das Einzigartige der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt, dann ist es „Führung“.

Schröder entdeckt sie also in der Vergangenheit, die deutsche Führung. Sie liegt verborgen im alten Schmidt. Vorsichtshalber zaubert er ein Schmidt-Zitat von 1986 aus dem Zylinder „Ein Staat braucht Führung, die das Management einer Krise beherrscht und beherrschen will.“ Am Ende verbindet er seine Glückwünsche „mit einer tiefen Verneigung – vor einem großen deutschen“ Führer, Pardon „Kanzler, einem wirklichen Europäer und einem großartigen Menschen.“ Was Schröder sagt, ist uns allen längst bitter klar. Wir haben keinen starken Führer mehr in Deutschland. Merkel zaudert und Glos, Steinbrück und all die anderen sind nicht einmal der Rede wert.

Wir müssen uns einen neuen Führer suchen. Am Ende wird es wieder das Fernsehen sein, dass den Karren aus dem Dreck zieht. Schließlich kümmert es sich ja auch um Dicke, Verschuldete und Hässliche. Wie wäre es mit einer neuen Sendung: Deutschland sucht den Superführer!

Als Obama in Berlin redete, kamen 200.000, um zu hören, was er im Schilde führt. Wo sind diese 200.000, wenn es gegen Bildungskürzungen, Arztpauschalen, Radikalismus und Managergehälter geht? 200.000 Deutsche werden wohl nur durch wahre Führer mobilisiert.

In Anbetracht der Tatsache, dass man niemandem zutraut dieses Land zu bessern, am wenigsten scheinbar sich selber, will man mal wieder alles auf eine Karte setzen.
Es ist als hätten wir Deutschen die Demokratie satt. Wir gehen nicht mehr auf die Straße, um miteinander Politik zu machen. Wir wollen den Nachbarn nicht sehen auf irgendeiner Demonstration, vor allem wollen wir selber nicht gesehen werden. Nur wem es elend geht, der protestiert. Wir haben uns gegenseitig satt.

Wir Deutschen gehen nur noch auf die Plätze, nicht mehr auf die Straßen. Auf eingezäunten Plätzen, die gut bewacht sind, stehen wir und glotzen den fremden Messias an, lauschen seinen lauen Worten und träumen unseren Traum von neuer Führung. Ja – oder besser Ja-wohl – Wir wollen wieder Führung wagen.

Vielleicht sollten wir aufpassen, dass wir nicht allzu laut nach Führung rufen. Denn manch einer wurde am Ende hinters Licht geführt. Und dort ist es dunkel dunkel dunkel.

Grafik Startseite: surface to air via Flickr