Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ab sofort könnt ihr jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!
Teil 1 – Der blinde Passagier
„Völlig losgelöst, von der Erde!“, grölte die Besatzung durch „das Raumschiff, völlig schwerelos!“ Es war der 11.11.1111 um Punkt 11:11 Uhr MESZ (= Mainzer Europäische Standardzeit) und unter den gefiederten Bewohner*innen der mobilen Raumstation Große Kosmische Ente herrschte ausgelassene Stimmung. Sie schnatterten freudig und lagen einander, vor Glück weinend, in den Flügeln. Kein Wunder, denn heute war die fast zweijährige Isolationszeit zu Ende gegangen, die alle 42 Crewmitglieder nach ihrem Start in Richtung des Planeten Meridia hatten antreten müssen. Zwei lange Jahre in aufgereihten Glaskästen, heruntergekühlt und in einer Art Dornröschenschlaf, um Ressourcen zu sparen für die lange Reise. Viele von ihnen hatten schon nicht mehr daran geglaubt, dass sie den Flug überstehen würden, zu groß war die Einsamkeit gewesen. Doch sie hatten keine Wahl, denn sie waren auf der Flucht. Auf ihrem Heimatplaneten herrschte Chaos, spätestens seit The Donald mit windigen Methoden in das Amt als El PresidEnte gelangt war. Doch nach langer Planung und noch längerer Reise hatten sie es nun tatsächlich geschafft. Sie waren angekommen. Entlich.
Bei einem Blick aus der großen, verglasten Crew-Lounge der Raumstation bot Meridia ein atemberaubendes Panorama. Die von azurblauen Ozeanen umgebenen, rotbraunen Landmassen waren geschmückt mit gewaltigen Urwäldern und kristallklaren Süßwasserseen, die zum Baden einluden. Jetzt gerade war die Atmosphäre des Planeten in das goldene Licht des Sonnenuntergangs gehüllt. Ein scheinbar unberührtes Paradies also, das so wirkte, als würde es nur darauf warten, die Fliehenden in Empfang zu nehmen. Und entsprechend war die gesamte Besatzung bestens gelaunt. Die gesamte Besatzung? Nein.
Gerhard Schmitt kauerte in seinem Panzer und versuchte, sich so still wie möglich zu verhalten. Er hatte sich seit Langem vor diesem Tag gefürchtet, von dem die ganze restliche Crew seit zwei Jahren geträumt hatte. Allerdings war er technisch gesehen auch gar kein wirkliches Mitglied dieser Raummission. Er hatte sich nämlich als blinder Passagier an Bord geschlichen. Aus beruflichen Gründen. Gerhard Schmitt war investigativer Fotojournalist, sein Schwerpunkt waren Aufnahmen von Enten aus Krisengebieten und nun also auch Enten auf der Flucht quer durch das Universum. Mit seinen 63 ½ Jahren war er im besten Alter für eine Galapagos-Schildkröte und hatte sich dank seiner spektakulären Aufnahmen bereits einen hervorragenden Ruf in der intergalaktischen Medienlandschaft erarbeitet. Als die Redaktion des quackmoritz. mit diesem riskanten Anliegen an ihn herangetreten war, hatte er daher keinen Augenblick gezögert. Nein, im Gegenteil, er hatte sich sofort auf den Weg zum Raumschiff begeben (denn Schildkröten sind bekanntermaßen nicht besonders flink zu Fuß). In einem Karton mit der Aufschrift „Schildkrötensuppe – Astro-Zubereitung“ getarnt war er an Bord gelangt und hatte es sich auf der Station gemütlich gemacht. Für die lange Reise war ihm zugutegekommen, dass die restliche Besatzung ihre Selbstisolation angetreten hatte. So war es ein Leichtes gewesen, unentdeckt zu bleiben, aber dennoch alles zu dokumentieren und sich außerdem mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Nach und nach hatte er also die Vorräte der Raumstation immer weiter geplündert, sogar einen kleinen Rest Sauerteig hatte er in seinem Panzer untergebracht, denn man konnte ja nie wissen … Doch das war ein Problem, denn obwohl er mit Bedacht vorgegangen war und sich aus den hintersten Ecken der Lagerräume bedient hatte, wusste er, dass es einzig eine Frage der Zeit sein konnte, bis jemand das Fehlen des Proviants bemerken und man daraufhin anfangen würde, die Station zu durchsuchen. Leider hatte er es nach seinem letzten Versorgungsausflug nicht mehr geschafft, zurück bis in seinen Unterschlupf zu gelangen, denn er war seit einer Schussverletzung sogar für eine Galapagos-Schildkröte nicht mehr besonders gut zu Fuß und auch in der Schwerelosigkeit der Raumstation war es kaum besser. Und so schwebte er nun hier, mitten auf dem Flur vom Aufenthaltsraum zum Landungsshuttle, als Suppenkarton getarnt und sah durch die Gucklöcher in der Kiste unruhig zu, wie immer wieder gut gelaunte Vögel die Lounge betraten und verließen. Erpel und Enten, mal alleine, mal zu zweit, mal in Grüppchen, die Stimmung war ausgelassen und niemand schien sich für die einsame Kiste zu interessieren. Er konnte aktuell nichts weiter tun als zu warten, so riskant das auch sein mochte. Nach Stunden der Anspannung, schlief er schließlich ein.
Als er wieder aufwachte, war es wahnsinnig laut und alles vibrierte. Wo war er bloß? Was war geschehen? Er wagte einen kurzen Blick durch die Gucklöcher. In einem länglichen Raum saßen zwölf Enten und Erpel in Landungsanzügen und starrten fasziniert aus dem Fenster, vor dem Meridia immer größer und größer wurde. „Das Landungsshuttle!“, zuckte es wie ein Blitz durch Gerhards Kopf. „Ich bin im Landungsshuttle! Aber wieso? Was ist passiert?“ Über das Dröhnen der Rakete hinweg konnte er ein paar Gesprächsfetzen aufschnappen:
„Nochmal: Wie kann es bitte sein, dass unsere Vorräte jetzt schon so gut wie leer sind? Diese Versorgungsmission war nicht im Protokoll vorgesehen! Verdammte Buchhaltung mit ihren ewigen Rechenfehlern!“
Eine zweite Stimme antwortete der ersten:
„Ich weiß es doch auch nicht. Aber so ist es jetzt halt. Und wir wollten den Planeten ja sowieso erkunden. Was mich viel mehr aufregt, ist, dass uns die Missionsleitung nur diese Schildkrötensuppe als Proviant mitgegeben hat, bloß weil die eh schon in der Nähe des Shuttles herumgeschwebt hatte. Ich HASSE Schildkrötensuppe!“
„Also ich könnte einen Happen vertragen“, meldete sich eine dritte Stimme zu Wort und schon hörte Gerhard mit Panik, wie sich jemand an seinem Karton zu schaffen machte. Doch es war bereits zu spät, um darauf zu reagieren – er hätte wohl eh nicht viel tun können.
„Riecht schön frisch, mir läuft schon das Wasser im Schnabel zu … – Hey! What the quack ist das denn??“
Der Karton kippte seitlich über und schon flog Gerhard, der sich reflexartig in seinen Panzer zurückgezogen hatte, heraus und schwebte nun in der Mitte des Spaceshuttles. Plötzlich war die komplette Besatzung auf den Beinen und selbst die Pilotin verriss vor Schreck das Steuer, was zur Folge hatte, dass das Schiff für einen kurzen Moment komplett aus der Bahn geriet und alle, zur Begutachtung des blinden Passagiers gerade ungesicherten, Besatzungsmitglieder gegen die Seitenwand des Schiffes geworfen wurden. Federn und wüste Flüche flogen durch den Innenraum des Shuttles. Die Pilotin wollte abrupt abbremsen, um ihrer Besatzung zur Hilfe zu kommen, doch dabei wurde Gerhard durch die Trägheit wie eine Kanonenkugel aus dem Kuddelmuddel der Enten heraus beschleunigt und krachte mit voller Wucht in die Steuereinheit des Landungsshuttles. Dieses wiederum beschleunigte jetzt unkontrolliert, wodurch noch mehr Panik unter den Crewmitgliedern ausbrach, die wild umherschnatterten und schließlich ein Fenster aufbrachen, um darüber nach und nach das nun in Höchstgeschwindigkeit abstürzende Schiff zu verlassen und davonzufliegen, bis nur noch Gerhard an Bord war. „Das war’s für mich …“, dachte er, als er den fremden Planeten auf sich zurasen sah. „Das war’s … hätte ich bloß auf Mama gehört und bei Nintendo angeheuert … ‚Die brauchen immer gute Schildkröten da!‘, hat Mama immer gesagt … Das war’s für mich …“
Das Letzte, was er hörte, bevor er bewusstlos wurde, war ein ohrenbetäubendes Krachen. Danach nur noch Stille. Und Dunkelheit.
„Lass das Schatz … nur noch ein paar Minuten … Bitte …“ Er öffnete träge die Augen, es war viel zu hell um ihn herum, und sein Kopf tat höllisch weh. Also schloss er die Augen wieder. „Lass mich noch ein bisschen schlafen … Bitte …“ Doch was auch immer da gegen seinen Kopf stieß, es wollte einfach nicht damit aufhören. Er öffnete erneut die Augen. Inmitten des Trümmerhaufens liegend sah er, wie sich ein breiter Schnabel auf seinen Kopf zubewegte und an ihm zu knabbern begann. Er fuhr erschrocken auf und obwohl sein Kopf zu explodieren drohte, war seine Erinnerung plötzlich ganz klar.
„Die Enten sind zurückgekommen, um mich zu verhören … oder zu töten?!“
Doch dieses Wesen, das ihn geweckt hatte, besaß zwar unverkennbar einen Schnabel, aber es war keine Ente. So ein Tier hatte er überhaupt noch nie gesehen, obwohl er bereits sehr viel herumgekommen war. Es war das wundervollste Wesen, das er jemals gesehen hatte. Ob es bereits taxonomisch eingeordnet worden war? Falls nicht, war es als sein Entdecker nun an ihm, genau das zu tun. Doch weil er soeben den Absturz eines Spaceshuttles überlebt hatte und entsprechend gerade nicht zu geistigen Höchstleistungen in der Lage war, beließ er die Namensgebung beim Offensichtlichen: Dieses Wesen war unverkennbar ein Tier und es besaß einen Schnabel, so viel war klar. Und so stand für ihn fest, dass er soeben Bekanntschaft mit einem Schnabeltier gemacht haben musste.
Puh, hartes Auftaktprogramm für Gerhard! Trinken eigentlich alle Schnabeltiere aus Schnabeltassen oder nur die Babys und die ganz alten? Diese und weitere Fragen werden nächste Woche vermutlich nicht beantwortet, aber dafür erfahrt ihr von Lilli, wie es Gerhard nach seinem Absturz auf Meridia weiter ergangen ist!
Illustration: Elisa Schwertner
L**** mich am Bürzel, ich weiß nicht, was ihr geraucht habt, aber ich will es auch haben. Geil!!!!!! Ich bin gespannt auf das, was ihr als nächstes ausgebrütet habt. Es wird sicher wieder etwas gans Besonderes. 😀