Auch wenn Ausgangssperren und 15-km-Radien in Greifswald vorerst Geschichte sind und gerade auch frisch in Baden-Württemberg gerichtlich gekippt wurden, dürften inzwischen selbst die größten Reisemuffel die eigenen vier Wände satt haben und einen gewissen Freiheitsdrang und Fernweh verspüren. Also aufgepasst, denn hier geht es zur virtuellen Weltreise – für eine Person oder ganze Reisegruppen*!

Geographie war nie wirklich mein Lieblingsfach – im Gegenteil! Ich war ausgesprochen froh, mich nach der zehnten Klasse mit rudimentären Kenntnissen der deutschen Landeshauptstädte (ist Berlin die Hauptstadt von Brandenburg?) und Flüsse endlich davon verabschieden zu können und wieder planlos immer der Nase nach durch die Lande zu streifen. “Iller, Lech, Isar, Inn, aus den Augen, aus dem Sinn!” lautete damals mein Motto und es wäre wohl dabei geblieben, hätte es eine gewisse Pandemie nicht gegeben. Was für ein Glück, dass die fahrenden Kameras eines Suchmaschinen-Konzerns, der mit “G” anfängt und mit “oogle” aufhört, inzwischen weite Teile der Welt besucht und ihre Aufnahmen für die Allgemeinheit verfügbar gemacht haben! Diesen Umstand nutzt auch das Spiel “Geotastic”. Das Prinzip ist sehr simpel, aber gleichzeitig ausgesprochen spannend: Die Spieler*innen werden innerhalb des “Google Street View”-Bildmaterials ausgesetzt und müssen erkunden, wo sie sich gerade befinden. Wenn sie glauben, zu wissen wo sie sind, markieren sie den Ort auf der Weltkarte.

Das Spielprinzip von “Geotastic” ist übrigens nicht komplett neu. Die große Schwester “Geoguessr” gibt es bereits seit 2013. Während bei Geoguessr zum gemeinsamen Spielen allerdings für alle Spieler*innen ein kostenpflichtiger (und relativ teurer) Account nötig ist, finanziert sich Geotastic auf Spendenbasis. Nur die Person, die das Spiel leitet, benötigt einen (kostenlosen) Account, alle weiteren Mitspieler*innen können ganz einfach über einen Link beitreten.

Das Spiel bietet vier unterschiedliche Modi, die jeweils alleine oder gemeinsam mit bis zu 32 Personen gespielt werden können (ob mit- oder gegeneinander bleibt euch selbst überlassen). Der Modus “Popular Landmarks” eignet sich besonders für Anfänger*innen und Fans spektakulärer Ausblicke und Architektur, denn hier gilt es (relativ) bekannte Orte wiederzuerkennen. In “Fun with Flags” versuchen die Spieler*innen, anhand von Flaggen das virtuelle Reiseland herauszufinden, während es in “Country Battle” um Schnelligkeit geht – wer errät das Land zuerst?

Fun with flags: Welches Land könnte das bloß sein?

Für Abenteuerlustige eignet sich besonders der Modus “Random Drop”. Namensgebend ist hier wenig überraschend, dass die Spieler*innen irgendwo an zufälligen Street-View-Koordinaten abgesetzt werden. Dabei kann es durchaus passieren, dass ihr auf einer einsamen Straße mitten im Outback strandet, 30 Kilometer vom nächsten Ort entfernt. Oder in einer schwedischen Kleinstadt. Oder in Tokyo. Insgesamt stehen aktuell Bilder aus 72 Ländern zur Verfügung und die Ortsbestimmung ist bis auf wenige Meter genau möglich. Aber Vorsicht! Lässt man sich in die Irre führen, kann es auch passieren, dass die Nadel mit eurem Namen am Ende der Runde im falschen Kontinent steckt. Ohnehin bietet das Spiel viel Raum für Kuriositäten: Von der mit der Mistgabel über der Schulter durch das rumänische Dorf streunenden Oma bis hin zum Lastkraftfahrer, der mitten in der Einsamkeit einer brasilianischen Landstraße seinen liegen gebliebenen LKW repariert, wurde vom Street-View-Auto so ziemlich alles Erdenkliche bis in alle Ewigkeit für die Nachwelt abgelichtet.

Selbst ist der Mann, wenn die nächste Werkstatt Meilen entfernt ist.

„Geotastic“ bietet von zu Hause aus erstaunliche neue Einblicke in den Alltag fremder Kulturen. Und jedes Detail kann für die Orientierung wichtig werden: Von der Sprache über die Farben der Straßenschilder, die Straßenseite auf der die Autos fahren, die Vegetation und Landschaftsgestalt über die Kleidung der Menschen bis hin zu offensichtlichen Hinweisen, wie etwa Landesflaggen und Internetadressen auf Werbeschildern. Wichtig sind vor allem scharfe Augen und die Fähigkeit, vielseitige Informationen aus den Bildern und aus dem eigenen Gedächtnis (gibt es z.B. Google Street View in China?) miteinander zu einem stimmigen Gesamteindruck zu verknüpfen. Das Schöne ist dabei, dass viele unterschiedliche Taktiken gleichermaßen zum Erfolg führen können. Und wie immer im Leben, gehört auch hier ein Quäntchen Glück dazu. All diejenigen, denen die Welt zu groß ist, können das Gebiet übrigens von vornherein eingrenzen, zum Beispiel auf Europa oder auch auf Deutschland.

Womit wir wieder am Ursprung angelangt wären: “Iller, Lech, Isar, Inn, wir reisen virtuell dorthin.”
Wenn wir Geotastic damals im Geographie-Unterricht genutzt hätten, hätte ich bestimmt auch besser aufgepasst!
Zum Abschluss noch ein heißer Tipp: Wer auf den Zielort hereinzoomt, kann sehen, wo die Spieler*innen entlanggefahren sind. Auf diese Weise könnt ihr viel über eure Freund*innen (und deren Internetverbindung) lernen!

Du kriegst gar nicht genug von digitalen Abenteuern? Wer sich die Sehenswürdigkeiten nicht nur von außen, sondern gerne auch von innen ansehen möchte, findet im Artikel „Zuhause was erleben“ eine Übersicht virtueller Museumsführungen!

*Gepäck nicht inbegriffen!

Titelbild: athree23 auf pixabay.com
Beitragsbilder: roosites auf pixabay.com; Screenshot aus Google Street View