Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Die Geschichte eines botanischen Weihnachtswunders.

Coole Musik und noch coolere Frisuren!

“Maria durch ein Dornwald ging, der hat in sieben Jahr’n kein Laub getragen.” Wer auch immer den Text dieses Liedes gedichtet hat, muss sich die Inspiration dafür in den leidvollen Erfahrungsberichten meiner Zimmerpflanzen geholt haben. Ihr Snitches, was hat man euch für den Liedtext geboten, was es bei mir nicht gab? Dünger? Sonnenlicht? Oder gar Wasser?!

Aufmerksame Leser*innen des webmoritz. wussten natürlich auch vorher schon längst, dass Pflanzen (insbesondere Basilikum) in meiner Wohnung keinen leichten Stand haben. Insofern ist es erstaunlich, dass mir ab und zu trotzdem immer noch welche geschenkt werden. Im Frühjahr diesen Jahres zum Beispiel wurde mir mit einem freundlichen Lächeln ein Blumentopf mit drei Hyazinthen überreicht. Tolle Blumen, meine Wohnung hat wochenlang großartig geduftet, was gerade in Anbetracht des – einige von euch erinnern sich vielleicht noch verschwommen daran – kurz darauf beginnenden ersten Lockdowns und der vielen Zeit am Schreibtisch eine der kleinen Freuden war, die die Isolation etwas erträglicher gemacht haben. Zu dieser Zeit war ich sehr um das Wohl dieser Blumen bemüht, sie waren quasi meine Rosen und ich ihr kleiner Prinz auf unserem Planeten der Selbstisolation, meiner Wohnung. Als sich der Lockdown irgendwann doch noch dem Ende zuneigte, verloren aber auch die Blüten der Hyazinthen nach und nach ihre Kraft und ihren Duft und ich damit das Interesse an ihnen. Und so kam es, wie es kommen musste, und auch diese Pflanzen gingen den Weg alles Irdischen. Die Blütenblätter fielen eines nach dem anderen zu Boden, die Stiele wurden braun, vertrockneten und brachen schließlich ab. Übrig blieb ein gelber Umtopf, gefüllt mit vielen welken Blättern, die den eigentlichen Topf im Inneren bedeckten. Die Welt draußen hingegen wurde vorübergehend von ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst, mein Planet wurde wieder zur Wohnung, mein Leben ging relativ normal weiter und der Topf stand etwa ein halbes Jahr lang vollkommen unberührt auf meiner Fensterbank.

Bis vor ein paar Wochen der zweite Lockdown begann und ich plötzlich wieder ungewollt viel Zeit zu Hause verbringen “durfte”. Vom ehrgeizigen Ziel getrieben, all das, was im Haushalt die letzten Monate liegen geblieben war, endlich anzugehen, wollte ich dann auch den traurigen Anblick der toten Blumen beseitigen. Als ich die Blätter in den Mülleimer befördert hatte, fiel mir aber auf, dass die Blumenzwiebeln darunter alles andere als tot aussahen. Aus der mittleren wagte sich sogar bereits ein zarter grüner Spross ans neu entdeckte Tageslicht! Also habe ich ein riskantes operatives Verfahren gewagt: Eine Zwiebeltransplantation. Um der wachsenden Blume all den Platz für eine blühende Entwicklung zu bieten, wurde sie umgepflanzt in den Topf einer Korianderpflanze, die leider viel zu jung bei einem furchtbaren Vertrocknungsunfall (mea culpa) ihre Erde verwaist zurückgelassen hatte. Die neue Zwiebel wurde, dank meines großen chirurgischen Geschicks und wohl auch ein wenig dank der pharmakologischen Unterstützung mit Dünger und Wasser, sofort gut angenommen und gedeiht, unter der strengen Aufsicht meiner zahllosen Gieß-Erinnerungsbenachrichtigungen auf dem Handy, besser als ich es je zu träumen gewagt hätte.

Es weihnachtet sehr.

Durch glückliches Timing bin ich dieses Jahr also ganz unerwartet in den Genuss eines wortwörtlich “wachsenden Adventskalenders” gekommen. Jeden Morgen, wenn ich den Vorhang des Küchenfensters zur Seite ziehe, freue ich mich über die große Entwicklung, die meine kleine Blume in den letzten 24 Stunden gemacht hat. Und inzwischen beginnt sich auch der Duft wieder über meine Wohnung zu verteilen. Genau pünktlich zum neuen harten Lockdown ist meine Rose zurückgekehrt. Bei meiner botanischen Vorgeschichte: Ein echtes Weihnachtswunder!

„Da haben die Dornen Rosen getragen!“ – close enough.

Und das Beste: Im gelben Topf warten immer noch die beiden weiteren Blumenzwiebeln auf ihren großen Moment. Also egal was passiert: Bring it on, Lockdown 3 und 4, wir sind bereit.

Titelbild: Julia Schlichtkrull
Beitragsbilder: Philipp Schweikhard