Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier. 

Ich wohne schon mein ganzes Leben lang in Greifswald. Auf dem Land, wie ich immer sage, auch wenn das nicht stimmt. Wir wohnen in Greifswald. Am Stadtrand, aber immer noch in Greifswald. Anfühlen tut es sich aber wie auf dem Land. Dafür verantwortlich sind der Wald, die Felder und das Meer direkt vor der Haustür. Die freundliche Nachbarschaftskleinkrieg-Atmosphäre. Und das Internet. Oder zumindest das, was davon hier draußen noch so übrig ist.

Mangelndes Netz ist natürlich nicht nur ein reines Land-Problem. In Deutschland beschweren sich hunderte Haushalte jeden Tag über Internetstörungen. Ich weiß das, denn ich muss regelmäßig mein Datenvolumen anzapfen, um nachzuschauen, ob das fehlende WLAN an einer bereits bekannten Störung liegt oder eben einfach nur daran, dass wir hier in M-V auf dem Land leben. Im internationalen Vergleich schneiden wir immer wieder verhältnismäßig schlecht ab. Akamai Technologies hat 2017 eine umfassende Studie veröffentlicht, in der die Internetanbindung der verschiedenen Länder unserer Erde verglichen wurde. Wenigstens liegen wir mit unserer durchschnittlichen Internetgeschwindigkeit noch auf dem 25. Platz, ganz knapp vor Ungarn. Durchaus nicht die schönsten Werte, aber wenn man bedenkt, dass wir in den letzten drei Jahren noch weiter zurückgefallen sein könnten, sollte man sich vielleicht über den Anblick freuen. Genauso wie über die schönen Bilder, die in das Dokument eingefügt wurden, wenn sie einem denn angezeigt werden. Das ist ja immerhin auch keine Selbstverständlichkeit.

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Egal, ob auf dem Land oder in der Stadt – Netzprobleme sind zumindest immer wieder ein Erlebnis. Gerade jetzt in Corona-Zeiten geht doch nichts über eine gute Online-Veranstaltung, bei der man nur die Hälfte versteht und die Chancen dafür, sich selbst mit Ton oder gar mit Video beteiligen zu können, gegen Null tendieren. Wenigstens werden einem diese frustrierenden Erlebnisse durch wunderschöne abgehackte Roboterstimmen und lustige Standbilder versüßt. Und wer macht keine Luftsprünge, wenn es zum fünfzigsten Mal heißt: „Tut mir leid, wir konnten das jetzt leider nicht so gut verstehen, aber ich versuche mal zusammenzufassen, was ich glaube, was du gesagt haben könntest.“

Als Gamer ist das für mich natürlich keine neue Erscheinung, die ich erst während der Coronakrise erfahren durfte. Immer wieder aus einem Spiel gekickt zu werden, weil das Internet einfach nicht reicht, verschafft einem doch jedes Mal aufs Neue Glücksmomente. An meinen Minecraft-Namen habe ich mittlerweile auch nur noch ein „timedout“ rangehängt – dann wissen die anderen wenigstens, wo das Problem liegt, wenn mein Skin mal wieder mitten in der Luft einfriert. Und ein neues Spiel herunterladen? Komm in einer Woche noch mal wieder, wenn der Download abgeschlossen ist. Warten erhöht ja bekanntlich die Vorfreude.

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Und da hören die positiven Nebeneffekte dieses Internet-Totalversagens ja noch nicht einmal auf! Du willst etwas in eine Dropbox hochladen, einen Beitrag auf Social-Media-Kanälen posten oder Freund*innen ein Video schicken? Nicht zuhause! Aber in der Uni gibt es gutes Internet, also fahr doch dort hin. So kommst du auch mal aus dem Haus, kannst die frische Luft genießen. Du hast endlich mal Verbindung, bist gerade mitten in einer Netflix-Serie und plötzlich kannst du die Bilder nur noch mit 0,5 fps sehen und den Ton immerhin erahnen? Wirf doch mal einen Blick aus dem Fenster! Vielleicht ist ja ein Sturm oder eine große Regenwolke im Anmarsch. Wirklich, es ist fast unmöglich einen besseren Wetterdienst zu finden als das Internet. Videos auf YouTube in 144p zu schauen ist auch nichts Ungewöhnliches mehr. Aber irgendwo macht es doch auch Spaß, wenn man miteinander rätseln kann, was da gerade auf dem Bildschirm eigentlich zu sehen ist. Wenn das Video denn überhaupt läuft. Ist das nämlich nicht der Fall, heißt es erst einmal: Vorladen. Und warten. Und wie dieses Internet auch noch die Kommunikation verbessern kann! Schließlich ist man darauf angewiesen, sich miteinander auszutauschen und zu koordinieren, wer denn jetzt das WLAN nutzen darf. Denn Vorsicht: Bei mehr als 2 Nutzer*innen in einem Haushalt gleichzeitig, kann das ganze Netz vor lauter Überforderung auch mal zusammenbrechen.

Ein tolles Gefühl ist es auch immer wieder, wenn Freund*innen vorbeikommen, die eben mal kurz aufs Internet zugreifen wollen. Ohne WLAN kommt hier immerhin noch E-Netz an. Also schnell mal nach draußen verschwinden – im Wald läuft das Ganze fast sogar noch besser als hier. Aber natürlich nicht überall, das wäre ja auch schade. Wenn es selbst in den dunkelsten Wäldern Deutschlands Funk geben würde, könnte ich ja am Ende noch in Notfällen jemanden kontaktieren! Und was würden dann die ganzen Horrorfilme machen, wenn ihr Number-One-Plot-Device á la Shit, kein Netz, und da steht nur ein zwielichtiger Clown hinterm Baum nicht mehr funktionieren würde?

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Spaß beiseite, ich möchte diese Gelegenheit wirklich nutzen, um Danke zu sagen. Danke, Internet, dass du mich als einziger nicht anlügst, wenn mein Laptop mir doch anzeigt, dass ich mit dem WLAN verbunden bin, aber du mir sagst: Leider scheinst du kein Netz zu haben. Danke, Internet, für die vielen Stunden, Tage, Wochen, die ich über all die Jahre durch stupides Warten ansammeln durfte. Ich wüsste sonst gar nicht, was ich mit dieser ganzen Zeit machen sollte! Danke, dass du mich vorausschauendes Denken gelehrt hast, wenn ich mir ganze Bücher lieber schon in der Uni screenshotte, weil ich sie zuhause ganz bestimmt nicht mehr geöffnet bekomme. Danke für die vielen analogen Momente in Zugfahrten durch M-V oder Brandenburg, wo definitiv nichts mehr ankommt und man auf solche exotischen Dinge wie Bücher angewiesen ist, um sich während der Fahrt bei Laune zu halten, und danke für die weihnachtsabendähnliche Freude, wenn man kurz an einem Bahnhof hält und die Zeit gerade so reicht, um zumindest die neuen Whatsapp-Nachrichten zu empfangen, wenn auch nicht mehr um zu antworten. Aber dafür ist ja dann der nächste Bahnhof da.

Beitragsbild: Max Yakovlev auf Pixabay
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