Was macht mein*e Dozent*in eigentlich sonst so beruflich?
Diese Frage haben wir uns in letzter Zeit in der Redaktion häufiger gestellt.
Als Student*in vergisst man manchmal, dass die Lehre nur einen Aspekt der Uni ausmacht. Und selbst wenn man ahnt, womit sich der*die ein*e oder andere Dozent*in und seine*ihre Arbeitsgruppe in dem eigenen Studienfach beschäftigen, so bleibt es oft bei dieser groben Idee. In den Arbeitsalltag anderer Fakultäten oder sogar Institute erhält man selten einen Einblick.

Wir fragen nicht mehr nur uns:
„Was macht mein*e Dozent*in eigentlich sonst so beruflich?“,
sondern fragen diese einfach selbst.
Heute stellen wir die Forschung des Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Detlef Jahn vor.

 

 

Wie erklären Sie fachfremden Personen Ihre Forschung bzw. was forschen Sie überhaupt?
Meine Forschung umfasst mehrere Felder, Parteienforschung, Sozialpolitik und Umweltpolitik. Diese Forschungsfelder lassen sich gut Nicht-Wissenschaftlern erklären. Schwieriger wird es hingegen, wenn es um die Übertragung der Ergebnisse geht.

Ich habe z.B. gerade, in einem sehr renommierten Verlag, ein Buch auf Englisch herausgebracht. Darin ist die Umweltpolitik in 21 OECD-Ländern wissenschaftlich sehr gut abgedeckt. Diese Ergebnisse sind aber nicht so leicht der Öffentlichkeit zu kommunizieren, weil sich in dieser Arbeit natürlich politikwissenschaftliche Begriffe befinden. Deshalb kam ich auf den Gedanken, bei Spiegel Online nachzufragen, ob ein Journalist mit mir zusammenarbeiten würde, um dieses Buch der Öffentlichkeit vorzustellen. Journalisten schreiben einfach anders als ich, schließlich haben sie auch eine ganz andere Ausbildung gehabt. Ich kann so nur mit sehr großem Zeitaufwand schreiben. Leider hat der Journalist damals abgewunken, mit der Erklärung, dass es sich dabei nicht um ein Thema handelt, über das Menschen in 10 Minuten beim U-Bahnfahren schnell informiert werden möchten.

Das ist natürlich ein Problem. Ich sehe es so, dass gerade Umweltpolitik, aber auch Sozialpolitik wichtig sind. Die Ergebnisse sind sehr griffig, aber wir im Wissenschaftsbetrieb haben einfach nicht die Ressourcen, diese noch einmal in „einfache“ Sprache zu übertragen. Es ist aber möglich. Es wäre natürlich besser, wenn man da mit jemandem zusammenarbeiten könnte, evtl. einer darauf spezialisierten Pressestelle an einer Universität. Von daher ist es auch für mich etwas unbefriedigend, dass sie Sache im Elfenbeinturm bleibt.

Wie würden Sie versuchen fachfremden Personen Ihre Forschung zu erklären, also an was forschen Sie genau z.B.  in der Umweltpolitik?
Also man kann jetzt plump sagen, ich erforsche, welches Land eine bessere Umweltpolitik hat. Also welches Land hat seine Standards erhöht und welches setzt diese auch tatsächlich durch. Es gibt da z.B. viele Länder, die ihre Formalien erhöhen, aber gar nicht daran denken, sie umzusetzen. Portugal ist da so ein schönes Beispiel: Die erlassen da zig Gesetze, aber keiner kümmert sich darum, dass diese fachbegrifflich implementiert, also umgesetzt werden.

Und meine Forschung hat gezeigt, was die Länder tatsächlich machen. Und da sieht man auch sehr schön, wie sich das über die Zeit verändert hat. Deutschland war mal das gelobte Land des Umweltschutzes, aber das hat nachgelassen und jetzt haben uns andere Länder überholt.

Das kann man relativ gut kommunizieren, gerade wenn man mit bekannten Begriffen umgeht, die ich in der Wissenschaft nie benutzen würde, sowas wie „bessere Umweltpolitik“.

Warum ist das was Sie forschen gerade so interessant bzw. wichtig?
Ja gut, was ist wichtig? Es sind natürlich gesellschaftlich relevante Themen, also Umweltpolitik, CO2-Politik, warum es einfach nicht mit der Klimapolitik klappt. Und dazu kann die Politikwissenschaft natürlich sehr viel sagen. Dass es da Veto-Spieler gibt, die die Klimapolitik nicht wollen und dass die Politik nicht so klar definiert ist, wie sie sein sollte.

In der Sozialpolitik ist es sehr interessant, welche Arten von Wohlfahrtsstaaten wir haben. Da haben wir interessante Ergebnisse gefunden: Es gibt weiterhin sehr unterschiedliche Wohlfahrtsstaaten. Griechenland ist z.B. sehr interessant: Die geben wahnsinnig viel Geld für Renten und Rentenabsicherung aus. Bestimmte Kreise sind da besser abgesichert als viele in Deutschland. Und das kostet natürlich sehr viel Geld. Das weiß man aber so offensichtlich nicht. Durch die Forschung kann man sehen, wo der Schuh in einzelnen Ländern drückt und man kann das auch ganz gut vermitteln. Natürlich kommt dann sofort die Frage auf, warum die das dann nicht anders machen und da wird es interessant. Aber man kann ein Land nicht einfach von heute auf morgen umkrempeln.

Welches Forschungsprojekt war Ihr Interessantestes oder was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
Eigentlich Umweltpolitik, weil mich das auch immer wieder in fremde Länder gebracht hat. In Australien habe ich z.B. eine längere Zeit gelebt. Damit rechnet man gar nicht, aber es ist ein Land mit sehr starker Verschmutzung. Es hat nämlich Pro-Kopf einen sehr starken Verschmutzungsgrad. Und das in zwei Punkten. Zum einen sind das die Erzminen. Diese Minen haben keine Filteranlagen, es wird alles herausgepumpt. Allerdings wohnt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung in diesen Gegenden, also kann man an sich sagen, das es niemanden stört, obwohl man die Emissionen bis in Südafrika identifizieren kann. So etwas kannte ich aus Deutschland gar nicht. Zum anderen, was mich sehr fasziniert hat, die Feuerlandwirtschaft in Australien. Schon die vor tausend Jahren haben die Aborigines Landstriche abgebrannt, damit Pflanzen wachsen können. Es gibt in Australien tatsächlich Pflanzen, da platzt der Samen nur auf, wenn er mit Feuer in Berührung kommt. Würde man nicht feuern, würden die Pflanzen automatisch aussterben.

Das Problem Australiens ist aber, dass der weiße Mann eben diese Feuerlandwirtschaft übernommen hat, diese Kunst des Abbrennens jedoch nicht beherrscht. Die Aborigines haben dafür ein Muster abgebrannt. Und die Briten, die ja jetzt Australien bevölkern, die können das nicht richtig und deswegen kommt es jetzt oftmals zu diesen verheerenden Bränden, die nicht mehr kontrolliert werden können.

Das hat mich total fasziniert. Es war wirklich eine tolle Zeit und ich könnte noch viel mehr aus dem Nähkästchen quatschen.

Wurde denn schon viel in Ihrem Forschungsbereich geforscht?
An sich schon, aber Umweltpolitik ist auch ein sehr interessantes Gebiet. In der Umweltpolitik sind oft Menschen engagiert, die sehr idealistisch sind. Ich arbeite in dem Bereich der Umweltpolitik mit sehr statistischen Methoden, also mit sehr kühlen Methoden. Und diese Verbindung gibt es in der Politikwissenschaft im Gegensatz zu Naturwissenschaften eher selten. Von daher wird die Umweltpolitik zwar schon stark erforscht, aber mit anderen methodischen Ansätzen und gerade auch ländervergleichend eher wenig.

Können Sie Ihre Forschung denn in die Lehre einfließen lassen?
Auf jeden Fall! Im Lehr-Forschungsprojekt im vierten Semester des B.A. Politikwissenschaft gehe ich immer das neue Buch durch, also den Datensatz des neuen Buches. Der Datensatz ist öffentlich verfügbar und seit  nun schon zwei Jahren „müssen“ die Studierenden das Buch lesen und können dann die Daten nutzen und damit arbeiten. Aber unsere Forschung, z.B. der Datensatz zu Parteien, wird viel im Hause genutzt, z.B. von Herrn Oberst und Herrn Kosanke (wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft). Dort fließt das dann unmittelbar mit in die Lehre ein.

Und die Daten sind öffentlich verfügbar, das heißt man kann sie sich Uni intern herunterladen?
Ja, wir haben hier eine Homepage für Vergleichende Politikwissenschaft und da ist auch ein Link zu dem Buch.
Da kann man auch alle Daten und Tabellen herunterladen. Über meine eigene Seite kommt man auch auf diese Homepage. Das Buch ist: „The Politics of Environmental Performance. Cambridge University Press (2018).“

An sich sind das keine Geheimdaten, das sind alles Daten der OECD, aber diese Daten, die Rohdaten, kann man nicht einfach so benutzen. Die sind dann  manchmal unterschiedlich gewichtet. Wir haben diese ganzen Gewichtungen durchgeführt, sodass die Daten vergleichbar sind, und in dem Buch beschrieben. Mit diesen Daten kann man dann sozusagen spielen, wenn man möchte, und auch zu anderen Indizes zusammensetzen.

Was hat Sie überhaupt dazu bewogen, in diese Forschungsrichtung zu gehen?
Das ist eine spannende Frage! Ich fand Umweltpolitik immer ganz interessant und war lange in Schweden. Ich habe dann Deutschland mit Schweden verglichen. Dann habe ich eine Professur in England bekommen – ich hatte aber keine Ahnung von England! Und dann habe ich mir gedacht, dass ich mit Schweden und Deutschland keinen Blumentopf gewinnen kann. Also bin ich auf den Gedanken gekommen, wenn ich England nicht verstehe und Deutschland und Schweden keinen Markt in England haben, dann nehme ich einfach alle Länder. Und da mein Doktorvater damals für die Sozialpolitik auch alle Länder genommen hat, habe ich mir seine Methode abgeguckt und sie auf die Umweltpolitik übertragen.

Aber warum genau Umwelt?
Umwelt hat mich sehr interessiert. In dem Thema kannte ich mich schon ein bisschen aus.  Außerdem ist es auch eine Nische, wo man Mittel für Forschung bekommt. Wir haben mit der Sozialpolitik z.B. viel früher angefangen, aber da ist die Konkurrenz jetzt viel größer. Und die Uni hat da einen enormen Standortnachteil. Da nehmen uns im Moment Universitäten mit einem größeren Cluster und einem Sonderforschungsbereich sozusagen die Gelder weg. Z.B. hat die Uni Bremen jetzt einen großen Forschungsbereich in der Sozialpolitik. Dagegen kommen wir nicht an.
Es ist also ein bisschen Zufall und ein bisschen Interesse. Ich interessiere mich da einfach für Sozial- und für Umweltpolitik.

Wir hatten auch schon ein medizinisches Projekt, mit Herrn Metelmann von der Zahnmedizin. Das Projekt lief zu Gebärmutterhalskrebs. Der politische Aspekt war hier die Akzeptanz, also inwieweit sich junge Frauen in ländlichen Räumen impfen bzw. untersuchen lassen. Diese Publikation wird auch heute noch immer sehr gut zitiert. Allerdings muss man zugeben, dass dieses Projekt von der Pharmaindustrie finanziert wurde. Aber als sie uns einmal im Gebäude (Baderstr. 5/6)  besucht haben, kamen sie nie wieder. Keine Ahnung, ob das nur am Gebäude lag.
Das Projekt war ein 2-3 Jahresprojekt, danach war Schluss. Das war ein umfragebasiertes Projekt über Akzeptanz. Herr Metelmann hat dann die medizinische Seite behandelt und wir den Service und die Umfragen der ganzen Geschichte.

 

Letzte Woche haben wir Herrn Pechtls Forschung vorgestellt Guck einfach mal hier rein!
Beitragsbild: Magnus Schult, in Zusammenarbeit mit der moritz.familie
Das Interview wurde mündlich beantwortet.