Ein Interview von Iwan Parfentev.
Als Björn Wieland, Mitglied von Die PARTEI, mit den anderen Mitgliedern der Hochschulgruppe in der Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) vom 01. Juli einen Antrag für einen Erotikkalender zur Rettung der Uni einbrachte, war das Echo nicht vorauszusehen. Artikel in der Zeit, im Focus und der Welt erschienen und haben bereits die vorrangige Intention erreicht, die bei jeder Demo auf der Strecke zu bleiben schien: Das Finanzdefizit der Universität Greifswald erhielt mediale Aufmerksamkeit. Einen Monat nach der Erstiwoche ist der Kalender noch immer nicht erschienen, obwohl dieser Zeitpunkt anvisiert war. Björn Wieland im Interview zum Stand des Erotikkalenders.
webmoritz.: Das Erscheinen des Erotikkalenders war unter der Federführung des StuPa und Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) zur Erstiwoche geplant. Woran ist dies gescheitert?
Björn Wieland: Nicht, dass es nicht geklappt hätte. Das StuPa hätte einen Antrag bewilligen können, dass der Arbeitsgruppe (AG) Erotikkalender 3000 Euro gegeben werden und wir das drucken lassen, dann hätte der AStA das verkauft. Dann ist die Frage: Darf der AStA überhaupt was verkaufen? Okay, die verkaufen auch mal Getränke und Würstchen, machen plus minus Null und dann ist gut, aber mit dem Kalender macht man ja sehr viel Plus. Das ist ein hochwertiges Produkt, wenn das rauskommt, sieht man einfach, dass da sehr viel Arbeit drinsteckt. Es geht auch darum, dass bei der Vermarktung eines Produktes 19 Prozent Umsatzsteuer anfallen. Dadurch wäre jeder fünfte Euro an den Staat als Steuer gegangen und das wäre doof. Das wäre so ein bisschen zweckentfremdet. Wir waren bei der Uni zur Vorfinanzierung und die war da auch nicht so sehr dafür. Es wurde angeboten den Kalender zum Teil über den Uniladen zu verkaufen, aber das war dann auch nicht die perfekte Lösung, die wir haben wollten.
Deswegen habt ihr einen Verein gegründet.
Ja. Wir haben die Rechte an dem Projekt vom Asta übertragen bekommen. Es war ja nur eine AStA AG, sag ich mal, wo halt so ein bisschen Input aus allen Leuten von der Studierendenschaft reinkam. Die Fotos sind sowieso geistiges Eigentum der Models und Fotographen und die haben eingewilligt. Es ist ja die gleiche Intention dahinter, die hat sich ja nie geändert, egal ob nun AStA, oder irgendwie anders. Wir haben den Studentischen Förderverein der Universität Greifswald gegründet, die Leute können spenden und als Dankeschön gibt es den Kalender für die ersten 1500 Spenden, ich denke mal so 15 Euro. Ein Verkauf wäre kurzfristig, mit einem Verein ist es viel langfristiger, den kann es noch in zehn Jahren geben. Es war nie geplant, dass wir uns oder der AStA sich an dem Kalender bereichert. Daher ist ein gemeinnütziger Verein, der für die Universität arbeitet, die logische Konsequenz.
Björn ist erster Vorsitzender des neu gegründeten Studentischen Fördervereins, Philipp Schulz, der StuPa-Präsident ist zweiter Vorsitzender. In der Satzung ist geregelt, dass der jeweilige StuPa-Präsident immer ein Mitglied des Vorstandes ist, um den Erhalt des Vereins zu garantieren. Weitere Mitglieder sind Sophie Johanna Stoof und Philipp Leon als Kassenprüfer und Anna-Lou Beckmann als Schriftführerin.
Auf welcher Stufe steht der Verein gerade?
Ein Antrag auf Eintragung ins Vereinsregister ist abgegeben und das dauert. Die versuchen das ins einen halben Jahr zu schaffen. Das ist aber nicht so schlimm, der Verein ist handlungsfähig, da steht bloß kein e.V. dahinter. Die andere Sache ist bezüglich des Finanzamts, wegen der Gemeinnützigkeit. da setzen wir uns auch den Hut auf, das hätte man früher machen können. Wir möchten steuerbefreit sein, also keine Umsatzsteuer und keine Körperschaftsteuer zahlen, da wir ja keine Spenden für uns selber erwirtschaften wollen. Da musste die Satzung angepasst werden und das ist gerade beim Finanzamt genehmigt worden. Damit sind wir ein gemeinnütziger Verein, können Spenden annehmen, Spendenquittungen ausstellen und dann hoffentlich, wenn die Kalender dann gedruckt sind, an die edlen ersten Spender verschenken. Ich hätte mir die Fertigstellung des Kalenders auch im Oktober gewünscht. Vielleicht klappt es dann im nächsten Jahr. Es wäre schön, wenn ein solcher Kalender jedes Jahr als dauerhaftes Projekt des Fördervereins produziert werden könnte. Der Kalender soll dann als Werbemaßnahme und Anreiz zum Spenden dienen.
Abgesehen vom Druck ist der Kalender an sich aber fertig?
Es fehlen noch zwei, drei Texte und ein paar Kleinigkeiten, aber die Bilder sind fertig. Wir können ja immer noch was verändern, das geht ja relativ schnell alles zusammenzufügen.
Würdest du sagen, dass ihr zu naiv an das Projekt herangetreten seid?
Wir haben gedacht, wir machen jetzt ganz schnell die Fotos, dann drucken wir im September und am 1.10. ist das alles fertig und kann los. Die Illusion wurde einem dann irgendwann genommen, wenn einem auffällt, was alles noch gemacht werden muss. Wenn man sowas noch nie gemacht hat, ist die Vereinsgründung eine neue Welt. Die meisten Leute sind mit dem Meckern schneller, als mit dem Helfen, aber sorry, ich kann es nicht ändern. Das dauert alles länger, als man denkt: zu jedem Bild einen Text ausdenken, alle Beteiligten für bestimmte Absprachen oder Feinarbeiten an einen Tisch holen, sich Unterschriften von allen besorgen für ein Schreiben ans Amt. Das Warten auf die Arbeit von den Ämtern und Behörden nicht zu vergessen. Das dauert eine Zeitlang. Wir haben aber gesagt wir machen das, also ziehen wir das jetzt durch, egal, wie anstrengend das ist, egal, wie lange es dauert, egal, wie viel Nerven das kostet. Es hat einen guten Zweck, es hat eine tolle Intention, wir wollen damit aufmerksam machen, wir wollen Spenden einnehmen und wir wollen dazu beitragen unsere Uni mit zu retten. Wir können gern einmal im Jahr im November auf die Straße gehen und rufen: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut.“ Oder wir packen mal selber an und das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Eben nicht immer nur demonstrieren, sondern auch selbst aktiv Geld heranschaffen, für die Uni arbeiten.
„Nächstes Jahr schaffen wir es dann auch im Oktober“
Wie habt ihr die Beschlüsse des StuPa berücksichtigt?
Wir haben uns an den Konsens des StuPa gehalten. Wendekalender, 12 Männlein, 12 Weiblein. Die Blöße soll bedeckt werden. Seit der Übertragung an den Förderverein hätten alle auch nackt sein können, wir halten uns aber an die Vorgaben. Nur bei ein, zwei Bildern sind Nippel zu sehen, weil es von den Fotographen als ästhetischer empfunden wurde, mit Einverständnis der Models. Es geht jetzt hier nicht um die Nippelquote, sondern um die Ästhetik.
Wie plant ihr den Druck zu finanzieren?
Dafür haben wir ein Kulturförderdarlehen vom Studentenwerk bekommen in Höhe von 4.500 Euro. Das muss dann innerhalb einer gewissen Zeit zurückgezahlt werden.
Wie werden die Spenden, die durch den Kalender eingenommen werden, in sinnvolle Projekte geleitet?
Die Frage, wer darüber entscheidet in welches Projekt die Gelder angelegt werden, ist noch nicht ganz geklärt. Wir sind für Input aus der Studierendenschaft offen. Es gibt die Möglichkeit, dass der Förderverein selbstständig beschließt, was gefördert wird, oder dass Förderanträge gestellt werden. Es werden aber vor allem Gelder in die Lehre fließen, da dies auch explizit in der Satzung des Fördervereins steht. Materialien, die der Lehre zuträglich sind, ein Beamer, wir können Lehrstellen fördern, etc. Die, die als Erstes meckern, können aber gerne zu den Sitzungen des Vereins kommen und mitentscheiden, was gefördert wird. Hiermit ein Aufruf an die Studierenden Greifswalds: Beteiligt euch an diesem Verein! Das macht nur Sinn, wenn viele mitmachen. Ich weiß nicht, wo das Geld fehlt, da müssen die Leute schon zu uns kommen. Dem gegenüber sind wir sehr aufgeschlossen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Fotos: Björn Wieland (Archiv) Lisa Klauke-Kerstan(Pressefototermin)
Trackbacks/Pingbacks