Mit einem Pivo in der Hand stehste im Sand, über dir die blinzelt Sonne, hinter dir liegt die Düne, vor dir erstreckt sich das Meer und neben dir wummert das Soundsystem. Direkt an der polnischen Ostsee gelegen sorgt dieses Festival pünktlich zum sich anbahnenden Sommerausklang noch einmal für Momente grenzenlosen Hochgefühls, bevor es danach mit der Open-Air-Saison für die nächsten paar Monate vorbei ist.
Vor zwei Jahren hatte das „Plötzlich am Bodden“-Festival seinen famosen Auftakt auf Usedom. Drei Tage Sonnenschein, drei Floors plus Kleinkunstbühne, der Zeltplatz erstreckte sich an einem grünen Hang, sodass sich die Bewohner an dessen Gipfel wie Könige über ihrem kleinen Wochenend-Reich fühlen konnten. Pausenlos plätscherte dort unten die Musik umher, bis am Montagmorgen aufmerksame Anwohner dafür sorgten, dass sie endgültig abgestellt werden musste. Wahrscheinlich deshalb blieb „Bodden“ ein unwiederholbares Ereignis.
2013 zogen die Veranstalter weiter nach Osten und verlegten das Festival in die westpommersche Gemeinde Rogowo direkt ans Meer. Ein riesiges Feld wurde hergerichtet, um Platz für die merklich gestiegenen Besucherscharen zu schaffen. Plötzlich war alles etwas größer. Die Veranstalter bauten bis zum Schluss mit viel Hingabe und Eifer jeden verfügbaren Winkel des Geländes zu einem riesigen Spielplatz um. Plötzlich am Meer bedeutete plötzlich Staunen und plötzlich Freiheit. Es gab ein Labyrinth, welches quer durchs Schilf getrieben wurde und irgendwann an der mächtigen Uwaga-Bühne endete, die in jeder Nacht mit ihren alles überragenden Scheinwerfern die Menge zu sich zog. Am Strand konnten die Besucher jeden Abend am Tentakelfloor den Sonnenuntergang begrüßen.
Obwohl man sich schon merklich von der Grenze entfernt hatte, blieb das Festival trotzdem ein kleines deutsches Refugium. Polnische Kultur äußerte sich im Wesentlichen durch eine Milchbar, gezahlt wurde mit einer Festivalwährung („Plötzkis“) und nur sehr selten waren auch einheimische Besucher auszumachen. Eine stärkere Einbindung des Gastgeberlandes haben sich die Veranstalter für dieses Jahr auf die Fahne geschrieben.
Schnell gewachsen
Plötzlich vielfach größere Ausmaße bedeuteten aber auch plötzlich mehr Probleme. Die Organisation verlief nicht immer reibungslos. Beim Ticketverkauf ließen die Veranstalter einem lange im Unklaren. Nur wenige Lagepläne und Timetables sorgten vor Ort für Orientierungslosigkeit. Sanitäre Anlagen gab es nicht überall, wo sie gebraucht wurden. Wer beim Arbeitsamt sein Eintrittsgeld wieder abrackern wollte, konnte an der Konfusion einiger Mitarbeiter scheitern. Manch einen brachten auch plötzliche Polizeikontrollen in Schwierigkeiten.
Wer sich seinen Urlaub gerne mit piefigem Gemecker verdirbt, konnte also durchaus auf seine Kosten kommen. Alle anderen genossen einfach trotzdem diesen unglaublich entspannten Ort. Dennoch gelobigten die Veranstalter Selbstkritik und erklärten hinterher: „Wir wollen aber auch anmerken, dass wir dieses Festival aus dem Bauch heraus mit viel Unwissenheit und blindem Vertrauen in unsere gemeinsame Stärke als idealistische Hedonisten begonnen haben. Dieses Festival lebt vom Geist einer großen Gruppe, die soviel Herz und Phantasie verbindet, dass sie von der Kraft ihrer Liebe getrieben diesem Traum ein realistisches Abbild zu geben vermag.“
Viele Verbesserungen sind in diesem Jahr geplant, was aber auch eine 40-prozentige Preissteigerung nach sich zieht. „Ein mehrtägiges Festival zu organisieren, ist entweder eine gut durchdachte und -geplante Unternehmung oder ein Abenteuer mit vielen Unbekannten. Da wir eher Abenteurer sind, mussten wir feststellen, dass wir mit unserem Ansatz letztlich für viele ein schönes Festival zu gestalten im Stande sind, aber das wir in vielen Bereichen […] nachlegen und in saubere Technologie investieren wollen und müssen.“
Also los! Allen Abenteurer sei dieses Festival wärmstens empfohlen. Zum Line-Up ist noch nichts bekannt, es dürfte sich aber wieder um die üblichen Verdächtigen in diesem Bereich handeln.
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Plötzlich am Meer | Nagle nad Morzem | 29. – 31. August 2014 | 71 Euro (Festivalticket) | Rogowo (Polen)
Bilder: Simon Voigt