+++ Dieser Artikel wurde vom Medienausschuss geprüft +++
Eine Änderung der Geschäftsordnung des Studierendenparlaments sieht eine zweite Redeliste für Frauen, intersexuelle, nicht-Binäre, trans*- und agender Personen vor. Diese Liste soll den vom Patriarchat unterdrückten Personengruppen eine bessere Möglichkeit geben, ihre Meinungen zu äußern und sich Gehör zu verschaffen. Dieser Vorschlag führte in der letzten StuPa-Sitzung zu hitzigen Diskussionen, in denen es laut Protokoll mutmaßlich auch zu Aussagen von StuPist*innen kam, die transfeindlich gewertet werden können.
Die StuPa-Sitzung
Während die letzte StuPa-Sitzung in der vorläufigen Einladung mit nur sechs Tagesordnungspunkten noch versprach, eher ruhig zu bleiben, war sie das Gegenteil: Die Tagesordnungspunkte hatten sich spontan verdoppelt und die Sitzung fand erst um 1Uhr nachts ihr Ende– und nicht weil ein Konsens erreicht wurde, sondern weil die Räumlichkeiten nur so lange benutzt werden durften. In unserem Ticker könnt ihr den Wahnsinn nacherleben.
Der erste große Streitpunkt war in TOPneu3 der Antrag „Werbung Antifaschistischer Aktions- und Informationsmonat des AStA“, eingebracht von Simon Kugler, in welchem er den AStA für die angebliche Assoziation zur linksextremistischen Antifa kritisierte. Das ganze wurde mehr als eine halbe Stunde hitzig diskutiert und der Antrag ultimativ abgelehnt. Weiter ging es mit Berichten, nur kurz unterbrochen von Abschweifungen über Wurstgulasch und veganes Gyros, sowie der Wahl einer neuen AStA-Referentin für Digitales. Auch wurde über die neue Berichtstruktur für die AStA-Referent*innen gesprochen, und abermals die Vollmitgliedschaft beim freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) abgelehnt. Außerdem machte ein Antrag zur Umzugskostenhilfe auf dessen vorgesehene Kürzung durch die Stadt aufmerksam.
Um 23:38 kam dann TOPneu11, die Änderung der Geschäftsordnung des Studierendenparlaments. Obwohl es Anträge gab, den Diskussionspunkt zu vertagen, wurde beschlossen, sich dem ganzen doch noch so spät anzunehmen. Ob die Diskussion produktiver und freundlicher ausgefallen wäre, wenn den Anträgen statt gegeben wäre, ist diskutabel.
Die GO, AG SHA und andere spaßige Akronyme
Wie in den vergangenen Legislaturen, wurde bereits in der ersten StuPa-Sitzung dieser Legislatur die AG SHA gebildet, die Arbeitsgruppe für strukturelle und hochschulpolitische Angelegenheiten. Als Gremium für Satzungsordnungen können sie Ordnungen der Studierendenschaft, wie die Wahlordnung (WO), die Fachschaftsrahmenordnung (FSRO), die Sozialdarlehensordnung (SoziO) oder eben die StuPa-Geschäftsordnung erarbeiten und dann dem StuPa vorschlagen.
Während es in der 32. Legislatur nur zwei ordentliche Sitzungen gegeben hat, gab es in dieser Legislatur bereits vier ordentliche Sitzungen und die fünfte ist bereits geplant. In den ersten drei Sitzungen ging es unter anderem um die Änderung der Satzung der Studierendenschaft (wobei es uns Normalsterblichen nicht gegönnt ist, zu erfahren, was daraus geworden ist) und schließlich in der dritten Sitzung um die StuPa-GO. Das Protokoll dieser letzten Sitzung ist leider äußerst spartanisch gehalten, sodass zwar grob festgehalten wird, was geändert werden soll, allerdings sind die Entscheidungen und Begründungen dahinter nicht festgehalten. Bezüglich der Änderung der StuPa-GO sind im Protokoll nur die Änderungen (dreizehn Stück) aufgelistet, ohne jegliche Begründungen. Zur FINTA*-Liste heißt es hier nur:
§ 10 (1) hier soll der Passus aus der AStA-GO übernommen werden, welcher eine quotierte Redeliste vorsieht.
Protokoll der Sitzung der AG SHA vom 22.06.2023
Wer die Änderungen nachvollziehen möchte, muss also erstmal die Geschäftsordnung des AStA heraussuchen und die richtige Stelle (§9) finden, aus der der Satz zur quotierten Redeliste in die StuPa-GO herauskopiert wurde, sodass es nun dort heißt:
§ 10 Debattenordnung
(1) Die Worterteilung erfolgt grundsätzlich in der zeitlichen Reihenfolge der Wortmeldungen. Erstredner*innen sind zu bevorzugen. Die Reihenfolge der Wortmeldungen wird nach zwei Redelisten quotiert. Die erste Redeliste ist FINTA*-Personen vorbehalten. Die zweite Redeliste steht allen Anwesenden offen. Die*Der Präsident*in erteilt abwechselnd einer Personen der ersten und der zweiten Liste das Wort (Listenquotierung). Die*Der Präsident*in kann eine*n Redner*in unterbrechen, um sie*ihn zur Sache oder zur Ordnung zu rufen, oder ihr*ihm das Wort entziehen, falls die Redezeit überschritten wird oder diese*r vorherige Argumente wiederholt.
Neue Geschäftsordnung des Studierendenparlaments der Universität Greifswald (StuPa-GO), im Drucksachenpaket der 11. ordentlichen Sitzung der 33. Legislatur, 07.11.2023. Die Hervorhebung ist von dort übernommen und markiert die Neuerung.
Diese Änderung wurde bereits am 22. Juni 2023 in der AG SHA beschlossen, aber erst am 7. November im StuPa eingebracht. Allerdings tauchte der Punkt nicht auf der vorläufigen Tagesordnung der Sitzung auf. In der Sitzung stoß diese Änderung zunächst auf Unverständnis von einigen Stupist*innen im Hörsaal. Das FINTA*-Akronym war nicht bekannt und wurde auch nicht ausreichend erklärt, sodass der Eindruck entstehen könnte, es gäbe eine Liste für cis-Männer und eine für den Rest.
„Transfeindliche Bemerkungen“?
Aus dem Protokoll der StuPa-Sitzung ist herauszulesen, dass es Äußerungen gab, die von einigen Anwesenden des Studierendenparlaments und des AStAs als transfeindlich gewertet wurden. Ab diesem Augenblick gehen die Darstellungen über das Geschehene im Nachhinein auseinander. So meinen Teile des AStAs und des StuPas gehört zu haben, dass unter anderem „cis“ mit „biologisch“ gleichgestellt wurde. Außerdem kommt es zu unterschiedlichen Wahrnehmungen, was einen mutmaßlichen Kommentar über die mögliche Identifikation als Topfpflanze angeht. Den moritz.medien liegen schriftliche Stellungnahmen vor, die dies bestätigen. Der Vollständigkeit halber ist wichtig zu erwähnen, dass es ebenso Aussagen von Stupist*innen gibt, die diese Vorkommnisse dementieren. Nachdem die Diskussion über einzelne Redebeiträge in TOP 12 Sonstiges erneut aufgegriffen wurde, kam es auf Grund der fortgeschrittenen Zeit zur Schließung der Redeliste. Dies geschah sehr abrupt, weshalb weitere Stellungnahmen, die eventuell zur Klärung der Situation beigetragen hätten, abgewürgt wurden.
Diskussion in Absentia
Während die Meinung von männlichen und weiblichen Mitgliedern des StuPa deutlich wurde, gab es scheinbar keine Meldungen von intersexuellen, nicht-binären, trans* oder agender Personen. Ob es überhaupt INTA*-Personen im StuPa gibt, ist ebenfalls unklar und auch schwer herauszufinden, um nicht einen „Coming-Out Zwang“ zu forcieren. Auch die Pronomen der StuPist*innen sind nirgendwo gelistet.
(Falls sich jemand hier – oder auch im Ticker – missgendert fühlt, bitten wir um Entschuldigung. Die sprachliche Zuordnung von Geschlecht durch Geschlechtslabels und Pronomen basiert hier auf Rufnamen, Stimme und Erscheinungsbild. Eine Listung der Pronomen von StuPa-Seite könnte hier schon eine große Hilfe sein. Außerdem könnt ihr uns gerne eine Mail an web@moritz-medien.de schicken oder uns in der StuPa-Sitzung ansprechen und uns eure Pronomen mitteilen.)
Muss das sein?
Grundsätzlich wurde die Sinnhaftigkeit einer quotierten, und umso mehr einer doppeltquotierten Redeliste diskutiert. Die Quotierung soll mehr Personen die Teilhabe an der Diskussion und somit die Äußerung diverser Meinungen ermöglichen. Diverse Meinungen hier sowohl im Sinne von bisher noch nicht gehörten, vielleicht weniger vertretenen Meinungen, als auch im Sinne von geschlechtlicher und sexueller Diversität. Deshalb haben nach der Erstquotierung auch die Personen, die sich zum ersten Mal an einer Debatte beteiligen, Vorrecht. Diese Quotierung ist aber bereits seit April 2023 Teil der Geschäftsordnung.
Wie genau beide Quotierungen umzusetzen seien, wurde auch diskutiert. Ein Vorschlag der LISTE Münster erläutert das Verfahren genauer. Demnach sind die Listenquotierung und die Erstquotierung voneinander getrennt zu betrachten. In der Listenquotierung wird das Wort abwechselnd Personen von der einen und der anderen Liste erteilt. Erstmeldungen kommen dann – soweit wir es verstehen – an oberste Stelle der jeweiligen Liste.
Im AStA werden die Listen- und die Erstquotierung bereits seit mehr als einem halben Jahr durchgeführt, allerdings sind Sitzungen des AStA mit 10-15 Teilnehmenden im Verhältnis zu denen im StuPa mit 27 stimmberechtigten Mitgliedern und potenziell noch mehr Redeberechtigten doch eher überschaulich.
Nach dem jetzigen Vorschlag dürfen FINTA*-Personen entscheiden, ob sie sich auf die FINTA*-Liste setzen lassen oder der allgemeinen Liste anschließen. Ob diese Zuordnung über z.B. farbige Stimmzettel, Handzeichen oder Eintragung in eine Liste erfolgen würde, war noch nicht klar. Auch bleibt unklar, was die Dauer der Zuordnung angeht – gilt es für eine Legislatur, eine Sitzung oder nach Bedarf auch nur für einen TOP? Weiterhin gab es Bedenken, ob das Führen von zwei Listen nicht Mehraufwand für die Sitzungsleitung bedeuten würde. Es bleibt noch einiges zu besprechen.
Was kommt jetzt?
Die nächste StuPa-Sitzung findet heute Abend um 20:00, c.t. im Konferenzraum (Domstraße 11) statt. Die Besprechung der Geschäftsordnung steht als TOP 6 auf der vorläufigen Tagesordnung. Die Sitzung ist hochschulöffentlich, sodass alle Studierende der Uni Greifswald teilnehmen können. Der webmoritz wünscht sich für die nächste StuPa-Sitzung einen informierten und respektvollen Umgang.
Beitragsbild: “Nordisk kvinnekongress, Oslo 1902“. Nasjonalbibliotek.
Schreibt uns gerne, was ihr von der FINTA*-Liste haltet und ob diese eine sinnvolle Ergänzung für das StuPa darstellt.
Heute Abend tagt das StuPa übrigens wieder und wird unter anderem über den Punkt der trans*-Diskriminierung sprechen. Außerdem wird der Medienausschuss verraten, was es mit der Prüfung dieses Artikels auf sich hat.
Alles nachzulesen in unserem Live-Ticker, der heute Abend dazu erscheinen wird.
Der Medienausschuss ist doch für die Prüfung von Artikeln da, oder habe ich das missverstanden? Wäre es nicht sinnvoll bei Anschuldigungen zu transphoben Äußerungen bzw. der Verbreitung dieser Behauptungen den Artikel vorab prüfen zu lassen? Einfach um im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung, die alle Seiten mit einbezieht, sicher zu gehen, dass man nicht falsch verstanden werden kann und alles korrekt darstellt. Nicht das man aus Versehen den Ruf einer Person oder Institution schädigt.
Der Medienausschuss ist nicht für die Prüfung von Artikeln allgemein da (das wäre mit der Pressefreiheit schwer vereinbar), sondern hat in diesem speziellen Fall den Artikel geprüft, da die Vermutung bestand, dass die Inhalte des Artikels juristische Folgen nach sich ziehen könnten, die auch auf den Medienausschuss als Herausgeber der moritz.medien zurückfallen würden. Rückblickend wäre diese Prüfung nicht von Nöten gewesen. Die Darstellung der Ereignisse erfolgte korrekt und wurde mit der Sicht von mehreren unterschiedlichen, bei der besagten Sitzung beteiligten Personen, abgeglichen. Es war nicht das Ziel den Ruf einer Person oder Institution zu schädigen. Um jedoch eine bestimmte Person nicht direkt identifizierbar zu machen, solche Aussagen getroffen zu haben, musste die Formulierung im Artikel so gewählt werden, dass die Aussagen auf das StuPa allgemein zurückgeführt werden können. Entsprechend wurde gestern im StuPa erneut ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei den Aussagen nicht um die des StuPas allgemein handelt, sondern nur um die Aussagen einzelner Stupist*innen.
Das der Medienausschuss nicht alle Artikel prüfen sollte, ist mir klar. Allerdings handelt es sich bei diesem Fall um ein sensibles Thema und es steht der Vorwurf im Raum, dass sich Stupist*innen transphob geäußert haben. Da diese Aussagen bzw. deren Einordnung nicht mehr in der Stupa-Sitzung diskutiert wurden, empfinde ich es als angemessen bei so einer Gemengelage derartige Artikel vorab prüfen zu lassen. Vor allem wenn bis kurz vor der Veröffentlichung im Ticker noch Namen zu lesen waren. Ich verstehe daher nicht wie man eine Überprüfung daher als unnötig einordnen kann.
Ich bin für Pressefreiheit und gegen Diskriminierung jeder Art, Das Vorgehen, was jedoch an den Tag gelegt wurde, erscheint mir eher als Meinungsmache und Hexenjagd.
Ist übrigens sehr interessant, dass sich der Vorsitzende des Medienausschusses in der 12. Stupa-Sitzung für das Vorgehen rechtfertigen musste und dazu aufgefordert wurde, preiszugeben mit wem er die Entscheidung zur Überprüfung besprochen hat, es zur Debatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit kommt und die Person dann vom Amt zurücktritt.
Interessantes Vorgehen, dass der Vorsitzende des Medienausschusses zurücktritt, wenn Stupa und MoritzMedien es nicht hinbekommen die Angelegenheit entsprechend aufzubereiten.
@Adrian verstehe ich da was falsch, oder steht da nicht in dem Artikel, dass ihr vollständigkeitshalber auch erwähnen müsst, dass es Aussagen von StuPist*innen gibt, die die Aussagen der Transfeindlichkeit dementieren? Wieso schreibst du denn jetzt, dass die Darstellung so stimmt und es nicht hätte verändert oder geprüft werden müssen?
Was stimmt denn jetzt? Entweder wurde das hier gar nicht recherchiert, oder es wird hinterher versucht die Wahrheit zu verdrehen.
Ich weiß ja nicht
keine Ahnung wie genau die Sache abgelaufen ist da ich nicht da war.
Aber wild wie schnell hier nett und freundlich Zensur gefordert wird. Man sollte meinen dass Studierende n bisschen gefestigter mit freien medien umgehen können selbst wenn ihnen ein Artikel mal nicht passt. Man kann nur froh sein dass der Medien Ausschuss zwischen Stupa und medien ist sonst wären selbst solche eher harmlosen und nur ein wenig kritischem Artikel nicht möglich.
Danke für diesen starken Artikel über so ein wichtiges Thema!
Meine erste Reaktion auf die FINTA*-Liste war eher Ablehnung: Die Dichotomisierung die mit der Aufteilung in solche Listen, verbunden mit dem, was man als coming-out druck empfinden könnte, schien mir die Situation von FINTA*-Personen (zu denen ich mich auch zähle, aber bitte nagelt mich nicht auf einen Buchstaben fest) nicht zu verbessern.
Allerdings habe ich die Diskussionen mitverfolgen können, und bin überzeugt, dass die StuPist*innen, die sich gegen die Liste aussprechen, dies nicht tun, weil sie Binaritäten und Normativitäten abbauen wollen, sondern weil sie alles mit Feminismus, v.a. Queerfeminismus als Bedrohung sehen.
Und diese Diskussionen, die scheinbar zwischen cis-Männern geführt wurden, hätten von (quotierten) Beiträgen aus FINTA*-Perspektive nur profitieren können.
Ich weiß nicht, auf welche Liste ich mich eintragen würde, aber ich bin froh dass es jetzt diese Möglichkeit gibt. 🙂
Nachdem ich die ganze Zeit zwischen Ticker und dem Artikel wechseln muss, fällt mir gerade auf, dass hier bei dem Artikel kein Autor*in genannt wurde. Wieso denn nicht? Mehrere Autoren wurden bei Artikeln früher doch auch schon aufgeführt. Hätte mich schon interessiert, wer das geschrieben hat, immerhin geht es hier um eine Einordnung der FINTA*-Liste, Anschuldigungen von Transphobie und die Repräsentation von INTA*-Menschen im StuPA. Seltsam, dass das F nicht aufgeführt wurde, sind die FINTA* Leute nicht alle gleich wichtig? Frauen haben sich doch gemeldet, oder sind die egal?
Und wieso ist das Font/Aufmacher von dem Artikel und dem Ticker anders als bei anderen Artikeln?
Also je mehr ich hier lese, umso seltsamer wird es.