Sechs Prüfungen, jeweils fünf Stunden lang. In neun Tagen. Das schreit schon nach viel Stress. Immerhin gibt es hier in MV im juristischen Staatsexamen ja einen Ruhetag. Anderswo sind es sogar zwei. Aber gerade diese sollen jetzt ersatzlos gestrichen werden. Wieso die Ruhetage abgeschafft werden sollen und warum das keine gute Idee ist, erfahrt ihr hier. Ein Kommentar.

Der Anfang vom Ende der Ruhetage

Aber von Anfang an. Was ist überhaupt passiert? Im Mai 2022 beschließen die Justizprüfungsämter die Streichung der Ruhetage. Das soll zunächst schrittweise erfolgen. Im Übrigen wird das Ganze jetzt erst kritisiert, weil das erst im Januar bekanntgegeben wurde. Ganze acht Monate später. Warum das nicht die beste Idee ist, wird klar, wenn man sich den Ablauf der Prüfungen einmal genauer anschaut. Im MV gibt der vorläufige Terminplan des ersten Staatsexamens darüber genauere Informationen. Wie oben bereits beschrieben, müssen sechs Prüfungen über jeweils fünf Stunden absolviert werden. Das Ganze wird sich (zumindest vorläufig) über einen Zeitraum von neun Tagen strecken. Neun Tage deshalb, weil es einen Ruhetag in der Woche gibt und an Wochenenden keine Prüfungen geschrieben werden. Trotzdem schreit das förmlich nach Stress und vor allem einer Sehnenscheidenentzündung. Nicht unüblich ist deshalb sogar, dass Examenskandidat*innen während der Prüfungen unter dem Druck zusammenbrechen, wegen einer Sehnenscheidenentzündung die Prüfungen abbrechen müssen oder sich unter Schmerzmitteln und mit Handgelenksbandagen in die Prüfungen quälen. Ein beängstigender Zustand.

Baden-Württemberg bringt den Stein ins Rollen

Der gesamte Umstand der gestrichenen Ruhetage beruht darauf, dass das Landesjustizministerium Baden-Württemberg beschloss, dass die Ruhetage, von denen es zwei gibt, für den Prüfungsdurchgang im Herbst 2023 auf einen gekürzt und dann im darauffolgenden Durchgang komplett gestrichen werden sollen. Erst später wird klar, dass alle Bundesländer, die am sogenannten Ringtausch beteiligt sind, dies beschlossen haben. Also alle bis auf Bayern. Der Freistaat macht sein eigenes Ding. Im Übrigen schon heute ohne Ruhetage zwischen den Prüfungen. Aber zurück nach Baden-Württemberg. Hier werden die Ruhetage aus einem Grund gestrichen, von dem ich persönlich im ersten Moment dachte, dass ich hier auf den Arm genommen werde. Es liegt an der Organisation. Hier fragt man sich jetzt, was das genau bedeutet. Das ist einfach, aber auch unverständlich. Es ist nämlich üblich, dass zu den Examensprüfungen die Prüfungsräume von privaten Trägern angemietet werden. Auch soll es nach einer Auskunft der Pressesprecherin des Justizministeriums von Baden-Württemberg gegenüber jurios.de darum gehen, geeignete Räume leichter zu finden. Hier stellen sich für mich Fragen. Haben die Universitäten in Baden-Württemberg keine geeigneten Räume oder benötigt es besondere Anforderungen, damit ein Raum geeignet ist, um das Examen dort schreiben zu können? Aber wäre es nicht auch bedeutend billiger gewesen, wenn man diese Räume selbst geschaffen hätte? Und wie haben die vorher ihre Prüfungen geschrieben? An dieser Stelle möchte ich festhalten, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass es organisatorisch nicht ganz einfach ist, die Räume, wenn vorhanden, für einen so langen Zeitraum “aus dem Verkehr zu ziehen”. Allerdings finden die Examensprüfungen auch nicht von heute auf morgen statt. Eine angenehmere Lösung für die Examenskandidat*innen wäre möglich gewesen.

Chancengleichheit im Examen

Man könnte jetzt ja auch auf die Idee kommen, dass das ein Problem von Baden-Württemberg ist und alle anderen nicht betroffen sind. Allerdings ist hier Chancengleichheit ein zentrales Thema. Und auch richtig und wichtig. Es werden schon Nachteile geschaffen, wenn beispielsweise in Hamburg die Examensprüfung einen oder sogar zwei Ruhetage beinhaltet, es in Baden-Württemberg aber keine Ruhetage gibt. Dafür habe ich auch Verständnis, aber die Begründung mit Organisationsschwierigkeiten finde ich persönlich nicht nachvollziehbar.

Chancengleichheit begegnet einem im Examenskontext aber auch in einem anderen Zusammenhang, der hier nicht ganz unwichtig ist. Das E-Examen. Hört sich fancy an, ist aber letztendlich nur die Möglichkeit, das Examen am PC oder Laptop zu tippen, statt beispielsweise 25 Seiten handschriftlich zu verfassen. Auch hier muss dann der PC oder Laptop gestellt werden, da es nicht der Chancengleichheit entspricht, wenn zum Beispiel die Bildschirme unterschiedlich groß sind oder die Technik unterschiedlich alt ist. Das E-Examen soll aber nur als Wahl angeboten werden. Es soll also weiterhin möglich sein, auch mit Stift und Papier die Prüfung anzugehen. Besonders interessant ist aus meiner Sicht auch zu sehen, dass es bei dem E-Examen keine einheitliche Route gibt, bei der Streichung der Ruhetage aber die Organisationschwierigkeiten sowie die Chancengleichheit als Begründung für die Streichung angeführt werden.

Widerstand der Fachschaften

Ich steh mit meiner Meinung aber nicht alleine da. Es gibt eine Petition, welche vom Bundesverband der rechtswissenschaftlichen Fachschaften initiiert wurde. Diese verzeichnet 14.875 Unterschriften (Stand: 14.04. um 10:49 Uhr). Gefordert werden unter anderem die Rücknahme des Beschlusses zur Streichung der Ruhetage und auch Reformen, die das Examen betreffen. Die Fachschaft Jura unserer Uni unterstützt diese Petition übrigens ebenfalls. Aber es sind nicht nur die Studierenden, die sich gegen den Beschluss wehren. So hat sich der akj Freiburg in einer gemeinsamen Stellungnahme mit den kritischen Jurist*innen Heidelberg gegen den Beschluss ausgesprochen.

Eine letzte Bemerkung

Die Streichung der Ruhetage ist bedauernswert und wäre aus meiner Sicht bei ein wenig mehr Weitsicht der Politik zu vermeiden gewesen. Hätte man sich eher um eigene Räume bemüht und sich nicht von privaten Trägern abhängig gemacht, stünde man jetzt besonders in Baden-Württemberg nicht vor derartigen Problemen mit der Organisation. Ich hätte für eine Streichung der Ruhetage Verständnis gehabt, wenn diese mit Verweis auf die einheitliche Einführung des E-Examens geschehen wäre. Hier ist dann die körperliche Belastung deutlich geringer, wenn die Prüfungen getippt und nicht mehr als 20 Seiten handschriftlich geschrieben werden müssen. Allerdings gibt es bei dem E-Examen auch noch keine einheitliche Route, geschweige denn einen wirklichen Plan. Außerdem ist dann wieder das Problem, dass die Technik wohl von externen Firmen gestellt wird. Hier begibt man sich also wieder in eine Abhängigkeit von privaten Dienstleister*innen. Wohin das führen kann, ist ja schon bei den Prüfungsräumen ersichtlich geworden. Auch ist die Art und Weise, wie der gesamte Vorgang kommuniziert wurde und bis heute kommuniziert wird, aus meiner Sicht ein Armutszeugnis. Eine so weitreichende Entscheidung zu treffen und diese über ein halbes Jahr später erst bekanntzugeben, ist dem Umstand nicht würdig. Besonders aber auch, dass diese Entscheidung getroffen wurde, ohne auch nur ein Wort mit den Fachschaften oder zumindest der Bundesfachschaft zu wechseln. Hier ist die Kommunikation doch deutlich auf der Strecke geblieben. So wird jetzt in erster Linie die körperliche und geistige Belastung der Examenskandidat*innen unnötig gesteigert, obwohl diese ohnehin schon extrem hoch ist.

Beitragsbild: Scott Graham auf Unsplash