„Na, wie viel kostest du?“ „An diese Titten will ich auch mal.“ „Na Muschis, heute schon was vor?” Diese Sprüche werden Menschen hinterhergerufen – während sie in der Innenstadt stehen, einkaufen sind oder auf dem Fahrrad durch die Greifswalder Straßen fahren. “Catcalling” gehört für viele Personen zum Alltag. Die Aktion Catcalls of Greifswald hat es sich zum Ziel gemacht, diesem Thema Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Keine Komplimente

Catcalling bedeutet „verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum“. Das kann zum Beispiel die Form von Pfiffen oder Johlen, Bemerkungen über das Aussehen oder anderen übergriffigen Kommentaren annehmen. Catcalls sind keine Komplimente, sondern schlichtweg sexuelle Belästigung. In einer internationalen Studie aus dem Jahr 2020 wurde festgestellt, dass rund ein Drittel der befragten Frauen schon Erfahrungen mit sexuellen Bemerkungen und Beleidigungen gemacht hat. Auch die beiden Studentinnen, die die Aktion Catcalls of Greifswald im Frühjahr dieses Jahres ins Leben gerufen haben, waren schon Opfer sexueller Belästigung.

„Wir denken, dass es leider den meisten Frauen und queeren Personen so geht. Allerdings kann jeder Mensch davon betroffen sein. Das fängt ja schon bei einem Hupen aus dem Auto heraus oder unangenehmen Blicken beim Vorbeigehen an.“

Catcalls of Greifswald

Ankreiden der verbalen sexuellen Belästigung

Die beiden Studis wollen nun auf das Problem aufmerksam machen und halten die Catcalls, die Betroffene ihnen per Instagram zutragen, mit Kreide auf den Straßen Greifswalds fest. Unter dem Hashtag #stopptbelästigung sehen die bunten Sprüche zuerst ganz unschuldig aus, doch der Inhalt hat es in sich: „Na Kleiner, so einen Körper brauche im Bett“, verkörpern die blauen Buchstaben zum Beispiel. Auf Instagram halten die beiden Akteurinnen die Sprüche mit Fotos fest. Sie ordnen die Aussage außerdem ein: „Er stand 18 Uhr alleine in der Innenstadt, als ein circa vier Mal so alter Mann [das] zu ihm sagt“.

“Na Kleiner, so einen Körper brauche ich im Bett.“

“Zeig mal deine Titten”

Auf Instagram erfährt die Seite ausschließlich eine positive Resonanz und hat in kurzer Zeit rund 300 Follower*innen erreicht. Auch auf der Straße findet die Aktion Zuspruch. Trotzdem gibt es ab und zu auch die Bemerkung, dass es wichtigere Probleme gäbe. Doch dieses Problem ist relevant. „Wir wollen vor allem mehr Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für das Thema Catcalling und sexuelle Belästigung erreichen“, erklären die beiden. „Wir versuchen, Menschen damit eine Stimme zu geben, die sich nicht trauen, öffentlich darüber zu sprechen und allen Betroffenen zeigen, dass sie nicht alleine sind.“

Das „Ankreiden“ von Catcalls ist keine neue Aktionsform. Die „Chalk-Back“-Bewegung wurde in New York ins Leben gerufen und hat sich inzwischen auf der ganzen Welt verbreitet. Betroffene erzählen ihre Geschichte, schildern erlebte Situationen, die dann auf der Straße öffentlich angekreidet werden. So sehen alle das, was viele Menschen täglich hören müssen.

Solidarität zeigen

Der öffentliche Umgang ist ein Weg, sexueller verbaler Belästigung Aufmerksamkeit zu schenken. Doch wie geht man damit um, wenn man selbst gecatcalled wird? Die eine richtige Reaktion gibt es nicht. Manche Betroffene fühlen sich am wohlsten, indem sie aus der Situation flüchten. Anderen hilft es, die catcallende Person direkt mit ihrem Verhalten zu konfrontieren.

Für die betroffene Person kann es schwierig oder sogar gefährlich sein, in der Situation passend und sofort zu reagieren. Es fühlt sich aber natürlich auch empowernd an, dagegen anzustehen und zu zeigen, dass das nicht toleriert wird. Es kann hilfreich sein, andere Menschen anzusprechen oder Freund*innen anzurufen, um nicht alleine zu sein. Wenn du die Situation als sicher einschätzt, dann konfrontiere die catcallende Person und mach klar, dass das nicht angebracht ist und sie nicht damit durchkommt.

Catcalls of Greifswald

In einigen europäischen Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden wird Catcalling inzwischen mit Geldbußen geahndet. In Deutschland ist dieses Verhalten noch nicht strafbar, allerdings gab es im letzten Jahr eine Petition, die sich dafür einsetzte, das zu ändern. Insgesamt betont Catcalls of Greifswald, dass Solidarität mit den Betroffenen wichtig ist und sie ihre Story teilen können, wenn sie möchten: „Schreibt uns gerne eure Geschichten, falls ihr welche habt. Bleibt stark. Macht euren Mund auf. Hört Betroffenen zu. Informiert euch. Folgt uns auf Instragram ;)“.

Falls ihr Opfer sexueller Belästigung geworden seid und Hilfe sucht, findet ihr hier ein paar Anlaufstellen:


Beitragsbilder: Catcalls of Greifswald