Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

„Ach na ja, das mache ich dann später“, ist ein Satz, den ich leider viel zu häufig denke oder sage, obwohl ich mich doch eigentlich als ziemlich disziplinierten Menschen beschreiben würde. Ich versinke nicht im Chaos und bin so gut wie immer up to date unterwegs – bemerke aber auch, dass ich doch gerne mal kleinere Sachen vor mir herschiebe: Zu manchen Zeiten sammeln sich dann einzweidreivier Teebecher in meinem Zimmer an und den berühmten Klamottensessel muss ich bestimmt nicht weiter vorstellen. Ich bin mal mit jemandem gereist, der nach folgender Regel lebt: Alles, was man in 3 Minuten erledigen kann, wird sofort gemacht. „Damals“ wurde ich ganz gut mitgezogen (und war hellauf begeistert), nun starte ich aber schon zum zweiten Mal in dieses Selbstexperiment. Warum? In der ersten Woche war so viel los, dass das umgekrempelt schlicht und einfach wieder untergegangen ist. Eigentlich hatte ich geplant, mir am Sonntag davor zur Erinnerung noch kleine Post-Its in der Wohnung zu verteilen, habe es aber immer auf das berühmte „nachher dann“ vertagt und es schlussendlich ganz vergessen. Wenn das mal keine Ironie und ein Zeichen der Notwendigkeit ist, schließlich hätte auch das nicht mal die besagten 3 Minuten gedauert.

Montag

Der zweite Start in den umgekrempelt-Montag bringt dafür aber so einen Produktivitätsschub mit sich, dass sich die Verzögerung mehr als gelohnt hat. Die 3-Minuten-Regel wurde zugegebenermaßen in die „Mails, die ich schon ewig vor mir herschiebe endlich beantworten und danach den Abwasch machen“-Regel umgewandelt, um alles Mögliche, was mir schon länger aufsitzt, endlich mal anzugehen, aber Manometer war das ein befreiendes Gefühl! Ich habe die letzten Tage ein wenig komisch verlebt – ich wusste nicht, ob ich jetzt Sachen bewusst stehen und liegen lassen soll, damit der Kontrast zur umgekrempelt-Woche noch stärker wird? Es war für einige Momente jedenfalls eine sehr schöne Ausrede. 😀

Dienstag

So, bevor sich letzte Woche wiederholt, habe ich doch tatsächlich den Zettel aufgehängt. Auch das gibt so ein gutes Gefühl; das ist etwas, worüber ich letzte Woche auch schon sehr viel nachgedacht habe. Nehmen wir das Klamottensessel-Beispiel: Es würde ein, zwei Handgriffe brauchen, um die Klamotten zusammenzulegen und wegzuräumen, und trotzdem brauche ich oft mehrere Anläufe, bis es dann dazu kommt. Stattdessen geht dann aber der Blick mehrmals täglich dorthin, sodass man ebenso oft einen „Störreiz“ (oder irgendwann andersrum leider gar keinen Reiz mehr) vermittelt bekommt oder sich, viel pragmatischer, auch gar nicht auf den Sessel setzen kann. Diese kleinen Sachen sitzen dann teilweise so auf (in dem Fall „liegen“, höhö), dass das Belohnungssystem dafür auch entsprechend Glücksgefühle auslöst, sie (endlich) zu erledigen. Die Frage bleibt: Warum verschiebe ich es dann doch immer wieder?

Mittwoch

Hier ist Samstags-Annica, die irgendwie den Mittwochs-Abschnitt dieses Artikels füllen muss, weil Mittwoch- bis Freitags-Annica sich wohl so gar nicht dazu aufraffen konnte, na supi. Ich kann mich erinnern, dass der Tag // Ja und hier brach der Satz ab und woran ich mich erinnern konnte, weiß ich auch nicht mehr, echt nur zu empfehlen, dieses Aufschieben. 🙃

Donnerstag

Heute habe ich ehrlicherweise kaum darauf geachtet und würde es als relativ „normalen“ Tag bezeichnen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich heute Nachmittag durch einen Kursausfall viel mehr Zeit als erwartet hatte und das trotzdem nicht ansatzweise als Anlass nehmen konnte, mich mal um den Abwasch von gestern zu kümmern. Nach der Redaktionssitzung, in der wir über das laufende Experiment gesprochen haben, fühle ich mich allerdings echt ein wenig schlecht, heute mit Scheuklappen durch die Wohnung gegangen zu sein, raffe also meine Disziplin wieder zusammen und starte nochmal durch. Und obwohl es später dann schon tief in der Nacht war, habe ich mich endlich mal an eine Mail gesetzt, die ich schon seit Monaten schreiben wollte. Das hat zwar eineinhalb Stunden und nicht nur die paar Minuten gedauert, aber irgendwie gilt die Regel langsam abstrakt dafür, Sachen einfach mal anzugehen. Das Belohnungssystem hat danach wieder ganze Arbeit geleistet, schließlich war der Mail-Kontakt doch super schön und saß einfach nur auf, weil die Zeitspanne meiner Antwort immer größer und dann zu unangenehm geworden ist. 

Freitag

Was auch nur 3 Minuten dauern würde? Wenigstens ein paar Stichpunkte für die Tagesreflexionen festhalten, mir sind zwischendurch nämlich wirklich wichtige oder manchmal auch selbstironisch-lustige Gedanken gekommen, von denen ich aber anscheinend so überzeugt war, mich daran erinnern zu können, dass sie die 30 Sekunden fürs Aufschreiben wohl nicht wert waren. Schande über mein Haupt, denn vergessen habe ich natürlich jeden einzelnen davon. Dafür habe ich heute direkt beim Frühstück etwas erledigt, was ich in der Regel wirklich so lange vor mir her schiebe, dass es sich dann auch nicht mehr lohnt: Ein Lesezeichen in mein Buch legen. Auch hier kann ich wieder nur feststellen, dass die Contra-Seite enorm ist, schließlich vergesse ich wirklich JEDES Mal die Seitenzahl, von der ich aber genau so jedes Mal wieder überzeugt genug bin, sie mir merken zu können, dass ich das Buch dann einfach zuklappe. Wir könnten es einen ausgeprägten Selbstoptimismus für ein plötzlich entstehendes Zahlengedächtnis nennen, oder mein „Nicht jetzt“-Denken at its best. Tja, endlose Querles’- und Suchaktionen sollten mich eines besseren gelehrt haben, denn Spoiler sind da unvermeidlich. Ich habe mich also kurzerhand entschlossen, das mir nächste Verfügbare – typisch Lesezeichen – einer Zweckentfremdung zu unterziehen und stelle erst danach fest, was für ein Zeichen des Schicksals das war, schaut man sich mal die Beschriftung an:

Samstag

Jetzt wollte ich heute mal so richtig mit neuem Schwung die 3 Minuten wieder ausleben und hatte dann von morgens bis abends Uni, sodass mir eigentlich kaum Gelegenheit blieb, überhaupt was anderes zu machen. Dafür habe ich mich in der kurzen Zeit zu Hause aber umso engagierter daran gehalten und trotz des stressigen Tages alles noch direkt erledigt. Nur ein einziger Teller steht in diesem Augenblick (es ist schon sehr spät) noch in meinem Blickfeld (aber echt am äußersten Rand), den Weg in die Küche möchte ich jetzt aber wirklich nicht mehr machen.

Sonntag

Auch heute war Uni und ich kaum zu Hause, allerdings habe ich den Teller der letzten Nacht direkt nach dem Aufstehen in den Geschirrspüler gestellt, immerhin. Zum Ende der Woche habe ich mal weitere Dinge gesammelt, die weniger als 3 Minuten dauern: Auf links gestrampelte Hosen direkt wieder auf rechts drehen und zusammenlegen, das Bett machen, Chats beantworten, in Tupperdosen verstaute Lebensmittel … mal überprüfen (hust), den Müll (danach) runterbringen, Pflanzen gießen, Taschen direkt ausräumen, das Kalenderblatt umblättern (? lol warum schiebe ich sowas denn auch), geknülltes Naschpapier wegschmeißen oder auch sowas wie direkt etwas zu Trinken zu machen, wenn man den Impuls danach verspürt.

Fazit

Tja, ich muss ganz selbstkritisch feststellen: Puh, bin ich eine Aufschieberin geworden. Und zwar nicht von den großen Dingen, sondern von all den kleinen und privaten, die nur meiner eigenen Verantwortung obliegen und dann bei all den anderen, „richtigen“ Projekten einfach schnell hinten runter fallen. Eine kurze (dreiminütige? (ok Spaß)) Analyse meiner Fragezeichen zeigt: Warum ich solche Sachen nicht direkt erledige, verstehe ich nach dieser Woche noch weniger als vorher. Es ist schon fast paradox, wie ich teilweise Geschirr automatisch erstmal stehen lasse – wirklich so, als ob das der normale Ablauf wäre, aber später bin es doch immer noch ich, die das wegräumen muss?! Ich habe diese Woche wirklich gebraucht, um das überhaupt als Routine zu realisieren und immer wieder aktiv dagegen anziehen müssen. Es war teilweise echt ein innerer Kampf: Ich bin mehrmals pro Tag doch nochmal umgedreht, habe mich dann direkt um etwas gekümmert und mich dabei manchmal so im inneren Konflikt befunden, als hätte ich zwei Annicas auf der Schulter sitzen, die mir (beiderseits sehr überzeugend) ein „später“ oder „jetzt“ zuflüsterten. Ich kann inzwischen (zwei Tage nach dem Experiment) definitiv sagen, auch bei den kleinen Dingen wieder weitaus disziplinierter zu sein und nur immer wieder feststellen: Es tut so gut, nicht sechs Mal pro Tag an etwas denken zu müssen, sondern es direkt erledigt zu haben. Das ist nicht nur logisch, schließlich muss man es irgendwann sowieso machen, sondern die kleinen Glücksgefühle wirklich wert. 

Beitragsbilder: Annica Brommann
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