Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Dieses Mal nehme ich mir vor, sieben Tage „kind“ zu sein. Kindness heißt so viel wie Güte, Liebenswürdigkeit, Gefallen, Nettigkeit. Eine Woche lang „nett“ zu sein, sollte eigentlich keine Challenge, sondern ganz normal sein: Jemandem die Tür aufhalten, kleine Gesten an Freunde und Freundinnen oder Fremden ein Lächeln schenken. Ein bisschen Selbstlosigkeit, ein bisschen Freundlichkeit. Eigentlich doch selbstverständlich, oder? Trotzdem möchte ich versuchen, eine Woche lang besonders freundlich zu sein. So schwer wird das doch nicht sein und ich bin gespannt, ob mir positives Feedback auffallen wird.

Montag

Meine freundliche Woche startet mit Blut spenden. Eine einfache Methode, etwas Gutes zu tun. Man bekommt zwar kein direktes Feedback von den Empfänger*innen, aber Blut wird hier immer gebraucht. Die Krankenschwester betont: „Danke, dass Sie da waren“. Nach einer Dreiviertelstunde gehe ich also mit einem guten Gefühl aus dem Krankenhaus. Für die Woche habe ich mir auch vorgenommen, mehr Komplimente zu machen. Dabei will ich aber ehrlich sein und nicht zwanghaft Honig ums Maul schmieren. Oft denke ich etwas Nettes oder irgendwas fällt mir positiv auf, selten spreche ich das dann aber an. Wir alle freuen uns doch über Komplimente, wieso machen wir so selten welche? Ich schenke einer Freundin also eine liebe Bemerkung über ihr Outfit, sie reagiert daraufhin aber etwas verhalten. Vielleicht ist sie es nicht gewohnt und weiß gar nicht, wie sie damit umgehen soll?

Dienstag

Heute nehme ich mir vor, einer fremden Person ein Kompliment zu machen. Als mir also der Stil eines Mädchens in der Mensa gut gefällt, gehe ich zu ihr und sage ihr das. Sie reagiert etwas überfordert, beinahe eingeschüchtert, und irgendwie nicht besonders erfreut. Na klar, ich wäre an ihrer Stelle wahrscheinlich auch völlig überrumpelt und würde vielleicht nach versteckten Kameras gucken. Ich hoffe aber, dass sie sich insgeheim doch gefreut hat. Nach diesem Adrenalinkick brauche ich erst einmal eine Pause vom Komplimente-an-Fremde-verteilen. Ich bin trotzdem weiterhin großzügig mit netten Worten an Freund*innen. Außerdem konzentriere ich mich darauf, an meinem Resting-Bitch-Face zu arbeiten und unbekannte Passant*innen einfach mal anzulächeln. Und – oh Wunder – sehr viele lächeln einfach zurück!

Mittwoch

Ich fahre extra mit dem Auto einkaufen (nicht besonders „kind“ für die Umwelt, ich weiß …), weil mein studierender Nachbar angefragt hat, ob ich nicht demnächst mal seine Bierkästen mitnehmen könne. Klar, ich bin doch jetzt besonders freundlich und freue mich über diese Gelegenheit (natürlich hätte ich das sonst auch gemacht). Außerdem bin ich heute besonders nett zu den Mitarbeitenden im Edeka, sodass mehrere Gespräche entstehen. Vielleicht sind solche Momente ja auch ein kleiner Lichtblick zwischen Tiefkühltruhe und Fleischtheke für die Mitarbeitenden. Außerdem bin ich so „kind“ und bringe meiner Mitbewohnerin aus heiterem Himmel ihre Lieblingschips mit – ich glaube, sie freut sich sehr darüber.

Donnerstag

Den Tag beginne ich wieder damit, einer älteren Dame zuzulächeln, die sich sichtlich darüber freut. Klingt kitschig, aber ist irgendwie toll, wie man mit einer Geste einer anderen Person und auch einem selbst den Tag verschönern kann. Außerdem schicke ich meinen Eltern „einfach so“ online Blumen nach Hause. Eine kleine Aufmerksamkeit, über die sie sich hoffentlich noch die nächsten Tage freuen werden. Zusätzlich übernehme ich bewusst mehr Kleinigkeiten im Haushalt der WG und hänge die Wäsche meiner Mitbewohnerin auf (was am Ende zwar ein bisschen mehr Arbeit, aber eine nett gestimmte Mitbewohnerin bedeutet).

Freitag

Natürlich kann man in so einer Selbstexperiment-Woche nicht erzwingen, dass plötzlich eine Oma auftaucht, der man die Einkäufe nach Hause bringen oder über die Straße helfen kann. Trotzdem versuche ich, auch solche Gesten irgendwie vermehrt in meinen Alltag zu integrieren. So achte ich beispielsweise gezielt darauf, Menschen vorzulassen oder so viele Türen wie möglich aufzuhalten. Zwar ist das nicht immer nötig, aber ich ernte dafür oft ein Lächeln oder ein erfreutes „Danke“. Zwischen all den positiven Eindrücken und Rückmeldungen mache ich am Abend doch eine kleine negative Erfahrung: Ich werde von einem jungen Mann, der mir schon bekannt war, um Geld für den Bus gebeten. Ich gehe nicht wie sonst üblich ignorant vorbei, sondern gebe ihm die zwei Euro. Irgendwie fühle ich mich danach aber schlechter und ein bisschen ausgenutzt, weil ich dafür weder ein „Danke“ noch ein Lächeln bekommen habe. Trotzdem soll mich sowas nicht abschrecken, denn dass nicht alle sofort nett reagieren, nur weil man es selbst ist, gehört wohl auch dazu.

Samstag

Ich habe, freundlich wie eh und je, einen Kuchen für meine Mitbewohnerin und mich gebacken. Aber ausnahmsweise wurde dieses Mal bei den Nachbar*innen geklingelt und geteilt. Außerdem mache ich seit meiner Kindheit das erste Mal wieder bei „Weihnachten im Schuhkarton“ mit. Ein Projekt, bei dem man einen Schuhkarton mit Spielzeugen, Kleidung und Süßigkeiten für ein Kind aus einer armen Region zu Weihnachten packt. Es macht so viel Spaß, die Kiste zu packen und sich auszumalen, wie sich ein fremdes Kind über die Geschenke freut.

Sonntag

Mit einer Freundin lasse ich die sieben Tage „Kindness“ ausklingen, indem wir Müll auf der Straße sammeln gehen. Ich dachte, das wäre in Greifswald schwer, aber ich werde enttäuscht. Nach 20 Minuten müssen wir schon wieder umkehren, weil wir die zwei, mit dem buntesten Abfall und prall gefüllten Mülltüten kaum noch tragen können. Es liegt einfach so viel rücksichtslos Weggeschmissenes herum. Beim Sammeln wurden wir außerdem komisch von den Passant*innen beäugt – warum denn? Das ist doch eine gute Tat, warum wird uns nicht mehr Dankbarkeit entgegengebracht? Und weil ich weiß, dass auf den Greifswalder Straßen und Wiesen noch so viel Müll liegt, bin ich motiviert, auch nach dieser Woche weiterzusammeln.

Das Fazit

Sowieso hat mir diese Woche gezeigt, dass „nett“ sein nicht schwer ist. Ich bin zwar schon vorher davon ausgegangen, recht nett zu sein, aber noch genauer darauf zu achten hat ein größeres Bewusstsein geschaffen und mir gezeigt: Da geht noch mehr! Ich versuche in Zukunft noch großzügiger mit netten und aufmerksamen Worten zu sein und vielleicht traue ich mich auch öfter, Fremden ein Kompliment zu machen. Ich möchte mehr Menschen anlächeln und häufiger Türen aufhalten. Es muss nicht immer materiell sein, aber Freund*innen öfter eine kleine Aufmerksamkeit zu machen, nehme ich mir auch vor. Denn (Achtung, Kitschalarm): Das Lächeln, dass du aussendest, kehrt zu dir zurück. Oder so ähnlich. Also, probiert doch mal aus, noch freundlicher zu sein – so schlimm ist es nicht.

Beitragsbild: Lilli Lipka
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