Was macht mein*e Dozent*in eigentlich sonst so beruflich?
Diese Frage haben wir uns in letzter Zeit in der Redaktion häufiger gestellt.
Als Student*in vergisst man manchmal, dass die Lehre nur einen Aspekt der Uni ausmacht. Und selbst wenn man ahnt, womit sich der*die ein*e oder andere Dozent*in und seine*ihre Arbeitsgruppe in dem eigenen Studienfach beschäftigen, so bleibt es oft bei dieser groben Idee. In den Arbeitsalltag anderer Fakultäten oder sogar Institute erhält man selten einen Einblick.
Wir fragen nicht mehr nur uns:
„Was macht mein*e Dozent*in eigentlich sonst so beruflich?“,
sondern fragen diese einfach selbst.
Heute stellen wir die Forschung des Kommunikationswissenschaftlers Prof. Dr. Klaus Beck vor.
Wie erklären Sie fachfremden Personen Ihre Forschung bzw. woran forschen Sie überhaupt?
Da es sich um wechselnde Objekte handelt, kommt es bei der Erklärung immer darauf an, woran man gerade forscht. Wenn wir uns jetzt zum Beispiel das letzte dfb-Projekt ansehen, das ich in Berlin gemacht und noch nicht ganz abgeschlossen habe, dabei ging es um Medienkonzentration und -vielfalt. Die Fragestellung ist keine neue: Die Befürchtung ist, dass wenn sich aus ökonomischen Gründen der Medienmarkt konzentriert, die Meinungsvielfalt abnimmt und sich dies negativ auf die öffentliche Meinungsbildung oder die Demokratie auswirkt. Unser Untersuchungsgegenstand waren dabei Tageszeitungen.
Diese Fragestellung hat klare gesellschaftliche Relevanz, wurde komischerweise aber noch nie über einen längeren Zeitraum vergleichend untersucht.
Deswegen haben wir eine Inhalts- und Strukturanalyse im Ländervergleich Österreich – Deutschland über 20 Jahre vorgenommen.
Man kann bei den Untersuchungen also an politischen oder lebensweltlichen Fragestellungen anknüpfen.
Im Projekt davor haben wir zu Medienbiografien und -generationen geforscht. Damals war viel die Rede von digital natives, die es dann aber vielleicht doch gar nicht gibt. Mir geht es mit der Forschung auch darum, einfach zu versuchen ein paar Missverständnisse aufzuklären.
Allgemein sind unsere Forschungsgegenstände nicht so abstrakt, wie zum Beispiel in der Teilchenphysik, wo man erst einmal erklären muss, was das eigentlich ist und was es mit dem Alltag zu tun hat.
Wir haben eher das umgekehrte Problem, dass alle glauben, sie würden schon wissen worum es ginge. „Wozu also noch eine Wissenschaft aus Kommunikation machen?“
Also würden Sie Ihre Forschung so erklären, dass Sie immer versuchen Missverständnisse in der Gesellschaft aufzuklären?
Im Prinzip schon. Es geht um die klassische Aufklärung. Zur Kommunikation hat jeder seine eigene Meinung oder private/persönliche Theorie. An dieser kann etwas Wahres dran sein, aber als Erklärung für die gesellschaftliche oder politische Entscheidungsfindung ist das ein bisschen zu wenig. Dafür benötigt man einfach die empirische Forschung. Und diese versuche ich zu machen.
Warum ist das, was Sie forschen so interessant/ Bzw. wichtig?
Das hängt eng mit der gesellschaftlichen Relevanz zusammen. Die ganze Welt redet von Digitalisierung und digitaler Revolution. Das halte ich für ein bisschen überzogen.
Wenn man sich zum Beispiel historisch nach hinten orientiert, merkt man, dass es immer wieder Umbrüche gab. Was nicht heißen soll, dass es gar nichts Neues gibt. Natürlich ist das eine wichtige Entwicklung, die auch mit riesigen Hoffnungen und ganz schlimmen Befürchtungen verbunden ist. In dieser Hinsicht kann man auch für Aufklärung sorgen.
Man kann sagen, es gibt bestimmte Dinge, die man jetzt schon sehen kann, aber manche auch noch nicht. Und das ist auch gut so. Es wäre ja schlimm, wenn wir schon alles wüssten. Man kann versuchen, empirisch fundierte Aussagen zu finden, zum Beispiel Wenn-Dann-Aussagen, sodass man rekonstruieren kann, wie sich die Dinge wirklich entwickelt haben.
Als Beispiel könnte man nehmen, dass viele Leute glauben, die Digitalisierung oder digitale Revolution sei schuld daran, dass sich unsere Gesellschaft verändert, dass die Technik unsere Gesellschaft determiniert.
Diese Aussage überzeugt aber nicht, denn die Technik ist auch etwas Gesellschaftliches, dahinter stehen ökonomische Interessen, kollektive Prozesse von Erfindungen oder Innovations- und Diffusionszyklen. Auch ohne Nutzer funktioniert das Ganze nicht. Man ist sehr schnell bei sozialwissenschaftlichen Dimensionen angelangt.
Ich würde daher eher sagen, die digitale Revolution ist mindestens ebenso eine kapitalistische Erscheinung.
Welches Forschungsobjekt fanden Sie denn bis jetzt am interessantesten von Ihnen?
Das ist schwierig zu beantworten, da es einige Sachen gibt, an denen man mit Leidenschaft forscht und die zur Grundlagenforschung gehören. Dafür versucht man natürlich auch finanzielle Fördermittel zu bekommen. Und dann gibt es noch Angebote für bestimmte Forschungsobjekte, die auch interessant sind, aber keine Grundlagenforschung darstellen. Dafür bieten sie dem Nachwuchs die Möglichkeit, überhaupt eine Stelle zu bekommen.
Mit Leidenschaft geforscht habe ich im Projekt Mediengeneration. Natürlich hängt auch an der Dissertation viel Herzblut, schließlich habe ich viereinhalb Jahre daran gearbeitet.
Wobei es in dem Fall nicht um ein empirisches Projekt ging, sondern um ein theoretisches, Medien und Zeit. In dem klassischen Forschungskontext eines DFG-Projektes ging es um Mediengeneration, also Fragen wie: Was sind überhaupt Mediengenerationen und gibt es sie überhaupt? Und wenn man Generationen als Forschungsobjekt der Soziologie betrachtet: Wie werden Generationen dort definiert? Gibt es eine gemeinsame Erfahrung der Mediennutzer?
Das ist ziemlich schwierig zu erforschen.
Dafür haben wir uns zum Beispiel Baby-Boomer angesehen und auch deren Kinder, die in digitalisierter Umgebung aufgewachsen sind. Aber auch die Großeltern-Generation oder alle drei Generationen aus einer Familie. Verschiedene Milieus, wie Ost und West.
Verbreitet gibt es noch den Glauben an eine Fernsehgeneration, dabei ist das Ganze viel komplexer. Wer hat welche Vorlieben und was hat einen wirklich geprägt? Es ist nicht DAS Fernsehen, sondern ein bestimmtes Medienrepertoire, welches sich in einem ständigen Wandel befindet, weil sich die Angebote ständig weiterentwickeln.
Zum Beispiel schätze man das Fernsehen für meine eigene Generation als relativ starkes Medium ein. Aber nur, weil man mit dem Fernsehen aufgewachsen ist, gehört man nicht gleich einer Fernsehgeneration an. Und der Glaube, wenn unsere Generation ausstirbt, wird das Fernsehen auch aussterben, ist für manche vielleicht Wunschdenken, aber
ziemlicher Blödsinn, weil das Mediennutzungsverhalten dieser Fernsehgeneration extrem heterogen ist. Und das sogar, obwohl wir als Kinder und Jugendliche nur die drei öffentlichen Programme sehen konnten.
Man kann aus der Vergangenheit nur sehr wenige Prognosen über künftiges Verhalten ableiten. Deswegen kann man auch nicht von einem generationsabhängigen Medienverhalten ausgehen.
Den Bezug zu den sogenannten Mediengenerationen sehe ich daher sehr kritisch, ich halte das nur für Geschwätz von Marketingagenturen und Journalisten.
Wurde schon viel in Ihrem Forschungsbereich geforscht?
Bezogen auf das gerade zu Ende gehende Projekt über Pressekonzentration und Vielfalt, meist nur in kleineren Studien, die sich auf kleinere Gebiete mit kleineren Auflagenzahlen von Zeitungen beziehen. Aber wir haben im Gegensatz dazu vergleichend geforscht.
Mein Forschungsteam und ich haben je zwei Regionen, eine in Deutschland und eine in Österreich, verglichen. In zwei von diesen Regionen war der Markt relativ stabil, mit vergleichbar hohen Titelzahlen.
In den zwei anderen Regionen verlief die Entwicklung unterschiedlich. In NRW wurden Redaktionen geschlossen oder zusammengelegt. Dagegen entstanden in Niederösterreich, also rund um Wien, in den letzten 20 Jahren mehrere neue Redaktionen. Hier konnte man wirklich einmal vergleichen, ob die Struktur einen Einfluss auf die Vielfalt hat, denn es handelte sich um vergleichbare Länder mit einer ähnlichen Pressetradition. Aber: In Deutschland gibt es eine relativ schlappe Konzentrationskontrolle, in Österreich wird die Vielfalt sogar durch Pressesubventionen vom Staat und von den Ländern gefördert. Dazu haben wir überprüft, wie Pressesubventionen eigentlich funktionieren.
Unsere Forschung zu den Mediengenerationen war wirklich innovativ, aber von Gutachtern ist so eine große medienbiographische Forschung eher schwierig finanziert zu bekommen. Uns ging es ja darum, von diesen einzelnen Fällen auf die ganze soziale Einheit, sprich Generationen, zu schließen. Das gab es, soweit wir wissen, so noch nicht. Auch nicht mit so einem qualitativen Ansatz.
Es hat sich auch gezeigt, dass sich das mühsame Unterfangen gelohnt hat, weil die entsprechende Publikation auch positiv rezensiert wurde und einen starken Anklang fand. Viele Leute sind auf uns zugekommen und meinten „Hey, endlich hat das mal jemand gemacht“.
Aber wissen Sie, ob das weltweit auch eine Rolle gespielt hat?
Da wir diese Forschung in Deutschland durchgeführt haben, sicherlich nicht. Dafür müsste man schon bewusst den internationalen Vergleich einbeziehen. Ich glaube allerdings auch nicht, dass sich, international betrachtet, viele für deutsche Medien interessieren und eine allgemeine Anwendung global ist hier auch nicht möglich. Da wir qualitative Interviews geführt haben, wäre es ohnehin schwierig, die Ergebnisse international vorzustellen, da diese nicht übersetzt werden dürften und auf Deutsch wäre es ziemlich schwierig, diese in englischen Publikationen vorzustellen.
Eine Verallgemeinerung der Forschungsergebnisse wäre außerdem schwierig, da wir mit qualitativen Interviews gearbeitet haben. Daraus erfolgte Zitate dürfte man gar nicht übersetzen und die würden auch nicht für das englische Publikum funktionieren. Oder meinen Sie, jemand in Amerika würde sich damit auseinandersetzen?
Das kann ich nicht einschätzen, aber trotzdem war die Forschung in Deutschland notwendig, da dort lange eine große Forschungslücke herrschte.
Können Sie Ihre Forschung in die Lehre einfließen lassen?
Das hängt von der Veranstaltung ab. In Einführungsveranstaltungen für die Erstsemester ginge das natürlich nicht, im Masterstudiengang hingegen kann man schon etwas einbringen.
Im letzten Semester habe ich zum Beispiel etwas zu Terror-Krieg-Medien angeboten. Das ist zwar kein großer Forschungsbereich von mir, aber dazu habe ich schon einmal etwas publiziert. Dadurch war das ganze schon relativ forschungsnah.
Was hat Sie dazu bewogen überhaupt in diese Forschungsrichtung zu gehen?
Fasziniert hat mich das Mysterium Kommunikation. Wie funktioniert Kommunikation überhaupt? Welche Voraussetzungen sind notwendig? Und natürlich auch, über die Sprache hinaus, was passiert eigentlich in einem Kommunikationsvorgang? Wie kann man das erklären? Und nicht zu vergessen, wie können sich Menschen überhaupt verständigen? Wenn man da erst einmal genauer hinsieht, stellt man fest, dass es deutlich schwieriger zu verstehen und sehr voraussetzungsreich ist.
Als ich mit dem Studium anfing, nannte sich das Studienfach noch Publizistik und eine kurze Episode lang in meinem Leben kam auch Journalismus für mich in Frage. Aber ich habe sehr schnell gemerkt, dass diese Fachrichtung nichts für mich ist, da man dem Ganzen nicht richtig auf den Grund gehe kann. Oftmals fehlt einem entweder die Zeit dafür, vielleicht auch das Miteinander mit den Intellektuellen, was nicht immer gegeben ist – es ist einfach ein anderer Job.
Es hätte auch Theaterwissenschaft werden können. Ich hatte damals zwei gleichgewichtige Magister-Fächer. Die schlussendliche Entscheidung hing dann von Zufällen hab, muss man gestehen. Wobei mich am Theater auch das Kommunikative interessiert, auch wenn es eine ganz andere Art von Kommunikation ist, wegen des kulturellen und literarischen Hintergrunds, und Theater ist mit viel mehr Körpereinsatz verbunden. Das ist auch das Schöne an der Greifswalder KoWi: Hier ist Teil der interpersonalen Kommunikation das Körper- und Stimmtraining. In Berlin hat das bei der Publizistikwissenschaft gar keine Rolle gespielt.
Wie kommt es, dass Sie wieder zurück nach Greifswald gekommen sind?
Ich habe mich am Berliner Institut wohl gefühlt. Es ist ein riesiges Institut, man kann dort unglaublich viel machen und hat viele Kooperationsmöglichkeiten, die man hier nicht hat, das macht Freude.
Dennoch war für mich die Überlegung, ob ich die nächsten 10–12 Jahre genau das machen will, was ich die letzten 10–12 Jahre gemacht habe und das war für mich keine Option. Das wird dann irgendwann langweilig.
Man muss dazu sagen, dass die FU eine sehr große Exzellenzuniversität ist. Das hat viele Vorteile, aber auch Nachteile. Es herrscht ein gewaltiger Verwaltungsaufwand und es werden sehr viele Mittel verwendet, wie ich finde zweckentfremdet, um für Qualitätssicherung und -controlling zu sorgen, das kann schon sehr nerven.
Hier ist es alles sehr viel überschaubarer und menschlicher, wenn man so will, in der kleineren Organisation.
Es ist Zufall, dass ich auf dieselbe Stelle zurückkehre. Es gab natürlich eine Entwicklung, deswegen ist es auch keine Retro-Nummer, dass ich wieder hier bin. Es ist nicht alles wie früher hier, insofern kann man sich weiterentwickeln und gucken, was man so mitgestaltet.
In Berlin musste man sich spezialisieren, hier bin ich gezwungen, mich auch in Forschungsfelder und Lehrgebiete hineinzuarbeiten, die mir nicht so nah sind wie meine eigene Spezialisierung.
Kennen Sie denn die moritz.medien?
Ja, das moritz.magazin kannte ich, von der Website habe ich bis jetzt nicht gewusst. Das Magazin wurde mir letztens sogar fast aus der Hand gerissen, als ich in der Eisdiele saß. Ich saß beim Italiener am Markt und blätterte das Magazin so durch und der Besitzer war scheinbar so fasziniert von dem Titelthema über die Verschwörungstheorien, dass er mich bat, das Magazin da zu lassen. Für das gebrauchte Magazin bekam ich so auch noch ein Eis umsonst.
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