Habt ihr euch eigentlich schon mal gefragt, welche Persönlichkeiten hinter den Namensgebern unserer Straßen stehen? Wir haben uns interessante Persönlichkeiten herausgesucht und möchten euch diese im Wochentakt vorstellen. Als nächstes folgt Rudolf Petershagen:

  • Offizier in der Wehrmacht
  • Übergab Greifswald kampflos an die Rote Armee und verhinderte damit seine Zerstörung

Die Rudolf-Petershagen-Allee verbindet die Innenstadt mit dem Berthold-Beitz-Campus und ist den meisten als Fahrradstraße bekannt.

Rudolf Petershagen ist mit Sicherheit eine der unbekannteren Personen dieser Reihe, doch für Greifswald bestimmt eine der Bedeutendsten. So bedeutend, dass die Stadt ohne ihn vielleicht nicht mehr existieren würde oder zumindest nicht in ihrer heutigen Dimension. Petershagen gehörte zu einem Kreis von Menschen, welche 1945 die kampflose Übergabe Greifswalds an die sowjetischen Truppen mit initiierten und durchführten.

Als Sohn einer Kaufmannsfamilie am 4. Juni 1901 in Hamburg geboren schlug Petershagen eine militärische Kariere ein. Noch in der Schule trat er dem Freicorps ‚Sturmbataillon Schmidt‘ bei und studierte nach seinem Abitur 1921 an der Kriegsschule in München. Bis 1934 stieg er zum Oberleutnant auf und heiratete ein Jahr später die adelige Angelika von Lindequist. Sie zogen 1938 nach Greifswald um.

Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Petershagen auf deutscher Seite bis 1943 unter anderem in Frankreich, auf dem Balkan und im Russlandfeldzug. Während der ersten Schlacht um Charkow, durch die Rote Armee eingekesselt, widersetzte sich der inzwischen zum Major ernannte Petershagen dem Befehl sein Bataillon überrollen zu lassen und brach durch die feindlichen Gruppen aus. Nach einer schweren Verwundung bei der Schlacht von Stalingrad kehrte er endgültig nach Greifswald zurück.

Am 1. Januar 1945 wurde Petershagen zum Standkommandant ernannt. Die Rote Armee rückte beständig näher und es gab immer wieder ‚Führererlasse‘, unter anderem, dass jede Stadt bis zum letzten Mann und Stein verteidigt werden solle. Doch Petershagen war klar, das würde die Zerstörung von Greifswald bedeuten. Deswegen fasste er den Plan, die Stadt kampflos aufzugeben.

Greifswald wurde von flüchtenden Menschen aus den östlichen Gebieten überschwemmt. Es waren mehr als doppelt so viele Menschen in der Stadt wie normalerweise, viele verwundet. Am 27. April wurde Petershagen von dem damaligen Universitätsrektor Professor Engel aufgesucht mit der Bitte Greifswald zur offenen Lazarett-Stadt zu erklären (Stadt, die nicht verteidigt wird und deshalb nicht angegriffen werden darf – Haager Landkriegsordnung Art. 25).

Dies war wegen eines Befehls des ‚Führers’ nicht möglich, da keine deutsche Stadt für offen erklärt werden sollte. Stattdessen wollte Petershagen seinen ursprünglichen Plan in die Tat umsetzen und wählte Professor Engel und Professor Katsch, der damalige Leiter des Universitätsklinikums, als Angehörige der Universität und der Zivilbevölkerung, sowie seinen Stellvertreter Max Otto Wurmbach als Parlamentäre.

In der Nacht vom 29. auf den 30. April fuhren die drei Herren samt Dolmetscher in Richtung des bereits komplett zerstörten Anklams, um den Offizieren der Roten Armee die kampflose Übergabe der Stadt anzubieten. Gerade rechtzeitig, denn keine Stunde später hätte der Angriff begonnen. Eigentlich sollte Petershagen für dieses Vorgehen durch ein Erschießungskommando der SS hingerichtet werden. Doch sein Adjutant warnte ihn rechtzeitig und verhinderte so, dass Greifswald doch noch zerstört wurde. Am 30. April trafen sich Petershagen, seine Parlamentären und einige Greifswalder Bürgern mit den Offizieren der Roten Armee im Rathaus und besiegelten die Übergabe.

Darauf wurde Petershagen von der Roten Armee in Kriegsgefangenschaft genommen. Nach wochenlanger Zugfahrt erreichten die gefangenen Offiziere und Generäle das ‚Generalslager Krasnogorsk‘ in der Nähe von Moskau. Von dort wurde er in ein Arbeitslager in der Nordukraine versetzt und kehrte im Winter 1948 zurück nach Greifswald.

Hier baute er die NDPD, National-Demokratische Partei Deutschlands. auf und wurde 1950 erst zum Stadt- und kurz darauf zum Kreisrat auf Usedom gewählt.

Bei einer Reise nach München im Jahr 1951 nahm der amerikanische Geheimdienst Petershagen wegen angeblicher Spionagetätigkeiten fest. Nach der langen Gefangenschaft, anfänglich als Schutzhaft ausgegeben, verurteilte ein amerikanisches Militärgericht ihn zu zweimal sechs Jahren Zuchthaus. Während der gesamten Zeit versuchte der Geheimdienst Petershagen dazu zu überzeugen nach Westdeutschland überzusiedeln.

1955 konnte er nach Greifswald zurückkehren und erhielt die Auszeichnung des Ehrenbürgers der Stadt Greifswald und ein Jahr später die des Ehrensenators der Universität.

Am 13.April 1969 verstarb Rudolf Petershagen im Alter von 67 Jahren und wurde auf dem Greifswalder Neuen Friedhof beigesetzt.

Beitragsbild: Svenja Fischer