Hattet jemand schon Mal einen Kater, der bis zum nächsten Donnerstag anhält? Also so einen richtig fiesen, der einfach nicht weggehen will? Und wenn ja, was tut man dagegen? Einige Verbindungsstudenten, Mitglieder der Jungen Liberalen und der Jungen Union haben die richtige Antwort gefunden: Ein Konterbier, oder zwei. Am gestrigen Donnerstag trafen sie sich am Dietrich-Bonhoeffer-Platz, nahe dem Internationales Kultur- und Wohnprojekt Greifswald (IKuWo). Hier begann am Wochenende immerhin das, was mit dem Kater endete.

Ein Gastbeitrag von Philipp Schulz

Was für eine Stimmung. Am Donnerstag um 15 Uhr sitzen rund zweidutzend Leute am Dietrich-Bonhoeffer-Platz. Sie haben Bierbänke, Bier und schönsten Sonnenschein mitgebracht. Einige wenige tragen Schärpen, andere sind in Jacket oder Casual erschienen. Nicht alle heben das Glas, immerhin ist es erst Nachmittags. Schöner könnte es kaum sein. Wäre der Anlass nicht so ernst, bzw. bedauernswert. Der Platz der Zusammenkunft ist nämlich nicht zufällig in Sicht- und Rufweite vom IKuWo. Dort nämlich wurde, während der After-Show-Party und letztem Ereignis des Festival contre le racisme, ein Verbindungsstudent der Katholische Deutsche Studentenverbindung Alemannia Greifswald und Münster (KDStV), von drei Angreifern in der Nacht vom 9. zum 10. Juni attackiert. Ihm wurde seine Schärpen entwendet eine weitere beschädigt, er wurde geschlagen. Die Angreifer flüchteten zurück ins IKuWo. Als die Polizei, laut eigenem Bericht, mit sechs Beamten Zutritt zu den Veranstaltungsräumen verlangte, „solidarisierten sich mehrere der anwesenden Personen (mit den Tätern). Etwa 15 von ihnen bildeten vor dem Eingang eine geschlossene Kette und der Zutritt wurde zudem verbal verweigert,“ so der Bericht weiter. Anonyme Augenzeugen hingegen reden von einer Verkettung unglücklicher Ereignisse. „Vor dem IKuWo standen rund 40-50 Personen, was bei 200 Gästen und dem Wetter nichts ungewöhnliches ist. Die Polizei ist durch die Leute marschiert, die Treppe hoch und wollte rein. Am Eingang hieß es dann, dass sie das nicht dürfen, damit die Situation auf der Veranstaltung nicht eskaliert.“ Weiter berichten die anonymen Quellen, dass logischerweise hinter den Polizisten immer noch 40-50 Personen standen. So sind die Polizisten wohl auch auf die Idee gekommen, von Menschenketten zu sprechen. Des Weiteren, was ebenfalls nicht im Bericht zu lesen ist – waren wohl insgesamt 4 große Streifenwagen vor Ort. Alle zogen unvollendeter Dinge wieder ab. Zutritt zum IKuWo bekamen sie nicht, auch die Täter wurden nicht ermittelt. Die anonymen Berichte decken sich mit der Stellungnahme des IKuWo, die auf der eigenen Homepage veröffentlicht wurde. Dort disztanziert sich das IKuWo auch bereits von dem tätigen Angriff. Aussage gegen Aussage, eine Situation, die bei der Lösung des Problems nicht wirklich weiter hilft.

Auch mal was wagen

Aber zunächst zurück zur gemütlichen Bierrunde. Auch die Polizei ist übrigens mit einem guten Dutzend Beamten und mehreren Wagen anwesend. Sie kontrollieren auch Personalien von Zuschauern, die sich zu lange am Rande der Veranstaltung aufhalten. Begründung: „Man befinde sich in der Nähe eines gefährdeten Objekts und sei aufgefallen.“ Auch wenn der Einsatzleiter betont, dass es sich bei der Zusammenkunft um keine angemeldete Veranstaltung handelt. Es fehlt der Veranstaltungscharakter. Würden die Anwesenden plakatieren, skandieren oder ähnliches, wäre es ok. So aber nicht. Gut zu wissen – Bier und die Solidarität alleine machen noch keine Demo.
In der Nicht-Demo steht Johannes Kaßler. Der großgewachsene, adrett gekleidete Verbindungsstudent bei der VDSt Greifswald hatte wohl die Idee zur spontanen Zusammenkunft, betont jedoch mehrfach, heute als Privatperson und nicht für die Verbindung zu sprechen. Dann lacht er: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber wir solidarisieren uns heute mit dem geschädigten Verbindungsstudenten. Fühlt sich gut an.“ Auch zwei Studenten der Verbindung, der auch der Geschädigte angehörte, sind gekommen. „Es geht ja gar nicht gegen das IKuWo, sondern gegen die Gewalt. Das kann halt echt nicht sein.“
Eine Welle der Solidarität, die nun also durch Verbindungen sowie die konservativen und liberale Kreise geht? Immerhin sind mit Marcel Zahn und Moritz Harrer auch Mitglieder der Jungen Liberalen bei der Veranstaltung und mit Franz Küntzel auch der Vorsitzende der Jungen Union Greifswald anwesend. Küntzel will in die Bresche springen und vermitteln, das IKuWo selbst findet er sogar gut. „Es ist wichtig, dass es solche Freiräume in Greifswald gibt, in denen sich Menschen verwirklichen können. Nur diese Gewalt von Studenten gegen Studenten bringt nichts. Das IKuWo sollte sich entschuldigen und danach alle Beteiligten an einem Runden Tisch zusammenkommen. Das würde die Situation entspannen.“ Auf die Frage, ob die kleine Anfrage der CDU, die sich mit der Finanzierung des IKuWo aus öffentlichen Mitteln befasst, die Lage wirklich entspannen kann, antwortet er: „Das hat damit ja nichts zu tun. Die Fraktion will sich einfach etwas detaillierter mit der Situation befassen.“

Gegen das IKuWo  vs gegen die Gewalt

Andere Töne kommen von den Jungen Liberalen. Laut Zahn kann es nicht sein, dass eine Veranstaltung, deren Bewerbung aus studentischen und damit öffentlichen Mitteln finanziert wurde, dort stattfindet, wo Menschen bestimmen Couleur keinen Zutritt haben, wo sie verletzt werden. Harrer ergänzt. er spricht sogar von No-Go-Areas für Verbindungsstudenten. Ihm geht es, scheinbar anders als den meisten anderen Anwesenden um eine direkte Auseinandersetzung mit dem IKuWo. Ob er schonmal drin war? Vor einigen Jahren, vielleicht ein oder zwei Mal, es ist aber nicht so seins. Er stellte auch mit anderen Studierenden einen Antrag auf der Vollversammlung vor wenigen Tagen. Inhalt: Keine weitere Veranstaltungen der Studierendenschaft im IKuWo, keine weitere Finanzierung. „Es geht auch um finanzielle Unterstützung vom IKuWo selbst und Leuten, die sich in diesem Umfeld bewegen,“ berichtet Marcel Zahn. Weiter führt er aus, dass das IKuWo Verantwortung übernehmen müsse. Der Antrag wurde von der Vollversammlung abgelehnt. Trotzdem werden beide nicht müde zu betonen, dass es soetwas ja nicht geben könne. Die Grenzen zwischen der Schuld der Täter und der Schuld des IKuWo verschwimmen hier zu einer Anklage: Keine Förderung und keine Veranstaltung für und bei Menschen, die anderen Gewalt antun. Differenzierung ist auch anders. Dann schaltet sich wieder Kaßler ein. Auch er ist mit dem Bier in der Hand eher auf Versöhnung aus. Milde will er die Fehler der Vergangenheit ruhen lassen, nicht jedoch, ohne vorher in ihr zu wühlen. „Vor zwei Jahren wurde uns die Scheibe bei der Verbindung eingeschmissen. Das war auch während so einem Festival.“ Ob die Täter im linken Umfeld ermittelt wurden? „Nein“, gibt er zu. Nach kurzem überlegen fügt er an: „Aber wenn die Antifa aus Rostock und Neubrandenburg und Anklam kommt, dann muss man sich ja nicht wundern.“ Ist das denn so mit der Antifa? „Sicher, das weiß man doch.“ Trotzdem würde er gerne mit den Verantwortlichen reden. Dann aber in seinem Verbindungshaus, immerhin haben alle Verbindungsstudenten Hausverbot im IKuWo.

Wie das solidarische Biertrinken nun zu deuten ist, vor allem auf Grund der verschiedenen Aussagen und Pläne der Anwesenden, bleibt offen. Eine klare Linie und ein Bekenntnis sieht anders aus. Auch ob man nun gegen die Gewalt einzelner oder gegen das IKuWo selbst angestoßen hat – man weiß es nicht. Vielleicht sollten einige Bier, die Zeit und ein klärendes Gespräch Licht ins Dunkel bringen.

Beitragsbild: Philipp Schulz