Nico Weichsel stellt GreiMUN vor. GreiMUN gibt es an unserer Uni schon seit 20 Jahren und seit 10 Jahren als eingetragenen Verein. Aber…

… was ist eigentlich GreiMUN?

GreiMUN steht für Greifswald Model United Nations e. V.. Wir sind ein universitätsnaher Verein, also von Studierenden für Studierende. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Studierenden, die Interesse an der internationalen Politik haben, die Arbeitsweisen und den Sinn der Vereinten Nationen näher zu bringen.

Das Seminar in Greifswald:

In den Seminaren im Wintersemester erklären die Studierenden, die das Projekt schon einmal gemacht haben, erstmal, was die Vereinten Nationen sind, und was sie machen. Wir wollen den Studierenden einen Großteil dieser Arbeitsweise nahe bringen – also wie ein Diplomat auf dem Parkett handelt.

Dabei gibt es natürlich entsprechende Regeln, die man einhalten muss, wie Vorträge und Reden abzulaufen haben, welches englische (Seminarsprache ist Englisch) Vokabular man nutzt. Und wir wollen dann natürlich auch eine UN-Sitzung simulieren.

Was simuliert man denn da eigentlich?

In so einer UN-Sitzung finden sich alle Länder zusammen und jedes Land hat eine Meinung zu einem bestimmten Thema. Über dieses Thema wird dann debattiert. Es werden Reden gehalten, wenn dieser Teil abgeschlossen ist, gibt es Beratungssitzungen und wieder Reden und wieder Beratungssitzungen. So kommt nach und nach ein Konsens raus, der am Ende in der Resolution verabschiedet wird.

Und für diesen Ablauf gibt es Regularien und diese bringen wir den Studierenden bei und simulieren dann im Endeffekt so eine Sitzung.

Wie läuft so eine Simulation ab?

Es werden ganz am Anfang – vor der Simulation – drei Themen festgelegt und jedem*r aus der Seminargruppe, die immer aus etwa 30 Leuten aus den unterschiedlichsten Studiengängen besteht, wird ein Land zugeteilt. Dann hat man zwei Wochen Zeit, zu recherchieren, welche Ansichten das zugeteilte Land zu den ausgewählten Themen vertritt. Darin liegt natürlich auch die Schwierigkeit, da man z.B. zu einem kleinen afrikanischen Staat oft schwer themenspezifische Aussagen auf Englisch findet – diese dann aber vertreten muss.

Jeder schreibt seine Rede, jeder muss zu den drei Themen vorbereitet sein. Es wird während der Reden schon an der Resolution gearbeitet, das ist aber ein Arbeitsprozess. Diesen muss man in den Reden auch wiedergeben können und in seinen Wünschen in den späteren Reden sollte man immer diskussionsaktuell bleiben. Man muss also auch aus dem Stand heraus reden können. Es ist eine Minute Zeit, in denen man die Diskussionspartner von sich und seiner Rede überzeugen muss. Dies ist natürlich besonders auf Englisch schwer, da jeder aktiv zuhören und mit dem Vokabular erst einmal klar kommen muss.

Aber genau das lernt man ja bei uns und das ist auch das coole. Natürlich ist es wünschenswert, wenn man Englisch kann und jemand ist, der gerne redet. Es kommen aber auch viele zu uns, die das noch lernen wollen. So erlebt man auch immer wieder, wie stark sich Menschen weiterentwickeln, sowohl was das Englische angeht als auch das Selbstbewusstsein.

So eine simulierte Konferenz findet in Greifswald zweimal im Wintersemester statt. Einmal in der Seminargruppe und ein zweites Mal mit der Universität Kiel zusammen, wo dann auch insgesamt 60-70 Leute an der Diskussion teilnehmen und so die Hemmung, vor anderen zu sprechen immer mehr genommen wird. Und in New York spricht man mal vor 300 Leuten, danach schockt einen erstmal nichts mehr so sehr.

Welche Themen werden diskutiert?

Sehr große Themen sind zum Beispiel global nuclear disarmament, increasing women’s right in regulation and education. Also es geht viel um Abrüstung, die Stärkung der Rolle der Frau, Meeresverschmutzung und Umweltschutz allgemein. Ich selbst hatte zum Beispiel in New York die Frage, wie man die Jugend mehr in die nachhaltige Entwicklung des Landes mit einbeziehen kann – sowas ist immer gefragt.

Und man hofft in der Diskussion natürlich immer auf ein Thema, das das zu vertretende Land am meisten interessiert. Ein Staat, der mitten in der Wüste liegt, kann nicht viel mit der Meeresverschmutzung anfangen.

Erzähl doch mal von New York! Ihr wart jetzt in der vorlesungsfreien Zeit wieder da und wir haben auch gehört, dass ihr was gewonnen habt. Berichte doch mal, wie wars? Wie läuft denn die Zeit in New York ab?

Wer möchte kann mit uns nach New York kommen, zu der größten und bekanntesten Model United Nations-Konferenz. Diese Konferenz ist in zwei Wochen aufgeteilt und in jeder dieser Wochen machen etwa 2600 Personen mit, also insgesamt über 5000 Leute aus aller Welt. Diese große Personenanzahl führt dazu, dass man wirklich jedes der 193 Länder in den Vereinten Nationen darstellen kann, was das ganze sehr realistisch und spannend macht.

Dort kann man sich im Vorhinein auf ein Land bewerben, das man vertreten möchte. Es ist aber sehr unerwünscht bis verboten, sein eigenes Land zu vertreten, da es um den Lerneffekt geht, sich in andere hinein versetzen zu können.

Wir suchen uns immer Länder aus, die im Moment interessant sind, dieses Jahr war es die Ukraine. Es kommt aber auch immer stark darauf an, mit wie vielen Leuten man anreist. Wir waren dieses Jahr 19 und damit liegen wir immer so im Mittelfeld. Man muss bedenken, dass jedes Land in den Vereinten Nationen in verschiedenen Gremien vertreten ist, z.B. sitzen China, Russland und die USA überall mit drin, die Ukraine nicht. Also kann man mit 19 Personen die Ukraine vertreten, aber sicherlich nicht Russland.

Aber die Ukraine ist momentan international sehr tagesaktuell, denn jedes Land der Welt kriegt mit, dass eine große Macht wie Russland bei uns einmarschiert ist und da gibt natürlich wieder einen starken Ost-West-Konflikt, den es bei den Vereinten Nationen genau so hart wie in Europa gibt.

Das Jahr davor haben wir Jamaika vertreten, was auch sehr cool war, weil jeder Jamaika kennt. Und vor zwei Jahren waren wir Katar, zu einer Zeit, als gerade die WM-Auslosung stattfand, also das Land auch oft in den Nachrichten erwähnt wurde.

In New York vertritt dann die gesamte Gruppe das Land, da es in allen verschiedenen Komitees, in denen es in echt sitzt, vertreten sein muss. Dazu gehört die General Assembly, wo jedes Land drin ist, es kann außerdem die Security Council dazugehören und UNESCO, UNICEF und viele mehr.

Neben den zu bearbeitenden Themen, die allein wegen der Sprache, aber auch wegen des Inhalts auf sehr hohem Niveau sind, der an anderen Unis auch oft Unterrichtsstoff der Studiengänge ist, ist es immer wieder eine Bereicherung, Leute aus aller Welt zu sehen. In dieser Konferenz fällt einem erst auf, wie die Welt verteilt ist und wo man als weißer Europäer zwischen Asiaten und Afrikanern steht – definitiv in der Unterzahl.

Und was für einen Preis habt ihr gewonnen?

Trotz des hohen Anforderungsniveaus haben wir dieses Jahr den Outstanding Allegation Award erhalten. Das ist der höchste Preis, den man in dieser Konferenz überhaupt gewinnen kann und das macht uns natürlich sehr stolz, vor allem, dass wir das auch trotz der Hürden mit der englischen Sprache oder dass wir uns im Gegensatz zu vielen internationalen Unis „nur“ in unserer Freizeit damit beschäftigen, geschafft haben.

Es werden dort Unis ausgezeichnet, die durch besondere Leistung aufgefallen sind. Dazu zählt erstmal diplomatisches Verhalten – es bringt also nichts, irgendjemanden da ausbieten zu wollen, denn das ist unrealistisch und funktioniert in der echten Welt auch nicht so und wäre auch unangebracht. Zusätzlich gilt fachliche Kompetenz – dass man also entsprechend gute Reden hält und die Leute damit auch erreichen kann. Und natürlich auch, dass man fähig ist, Kompromisse einzugehen.

Wenn man diese Kompetenzen wirklich die ganze Woche abruft und sich in jedem Komitee, also wirklich jeder aus der Gruppe, so verhält, wird das am Ende honoriert. Wir werden auch seit vier Jahren dort mit unterschiedlichsten Preisen ausgezeichnet aber diesmal haben wir zum ersten Mal den höchsten erhalten.

Wem würdest du empfehlen bei GreiMUN mitzumachen?

Tatsächlich jedem, weil ich finde, dass es eine unfassbare persönliche Entwicklung ist.

Außerdem finde ich, dass wir im Grunde genommen genau das vermitteln, was heutzutage extrem wichtig auf dem Arbeitsmarkt ist – sich mit komplexen Themen zu befassen, andere Meinungen dabei zu berücksichtigen, aber auch kritisch zu hinterfragen. Natürlich muss man auch sehr kreativ in den Lösungsansätzen sein, die man braucht. Man muss sehr gut mit Menschen umgehen können. Man muss es hinkriegen, eine Führungsrolle einzunehmen und trotzdem einen Konsens finden und die Menschen koordinieren. Man muss Entscheidungen treffen und diese verkaufen können. Und die Diplomatie spielt natürlich eine Riesenrolle, also auf Leute eingehen, diese mitzunehmen und zu einem Ziel zu führen, das einem selbst und allen passt.

Diese Kompetenzen werden bei uns zusätzlich zum Seminar mithilfe von weiteren Workshops – auch mit Dozenten der Uni – geschult. Uns ist es deswegen wichtig, dass das Projekt weiter gefördert wird und wir so so vielen wie möglich diese Lebenserfahrung, die man auch als Praktikum anrechnen lassen kann, auch mit der Reise nach New York, bieten können.

Wie sieht denn eurer Sommersemester aus, in denen gar keine Seminare angeboten werden?

Wir sind ja auch ein ganz normaler Verein. Natürlich wiegt das inhaltliche sehr viel, aber wir machen auch ganz normale Vereinssachen. Wir veranstalten Grillabende am Hafen, das Running Dinner, Vereinsabende und dieses Jahr auch noch ein Sommerfest, ein Jubiläumsfest, weil wir 20 Jahre GreiMUN feiern. Außerdem veranstalten wir auch Fahrten, wie z.B. im letzten Semester nach Berlin ins Auswärtige Amt zu einer Führung und Vorträgen.

Wir sind ein Verein und machen auch die Dinge, die nur Spaß machen. Fachlich gibt es bei uns die Persönlichkeitsbildung und jede*r ist willkommen.

Hier noch einmal ein Interview von der Universität mit einem kurzen Überblick über GreiMUN.

Beitragsbild: GreiMUN, Nico Weichsel.