Viel Aufregung um die Namensablegung der Universität: eine neugegründete Bürgerinitiative, eine Petition, ein riesiger Shitstorm in den sozialen Netzwerken und eine mögliche Sondersitzung der Bürgerschaft. Was denken deren Mitglieder über die Entarndtifizierung?
Bereits wenige Tage nach der mehrheitlichen Entscheidung des akademischen Senats, den Namenspatron Ernst-Moritz-Arndt abzuschaffen, kochten zahlreiche Gemüter hoch. In den öffentlich-zugänglichen Gruppen der sozialen Netzwerke tobt ein regelrechter Hass gegen die hiesigen Studierenden. Auch die kritischen Stimmen aus der Greifswalder Lokalpolitik ließen nicht lange auf sich warten. Besonders sticht dabei die konservative Christlich-Demokratische Union (CDU) hervor. In einer Pressemitteilung zeigte sich der Greifswalder Landtagsabgeordnete Egbert-Liskow enttäuscht über die Entscheidung des Senats. Darin heisst es u.a.:
„Die Mehrheit der Greifswalder Bevölkerung und auch ich können dieses Ergebnis absolut nicht nachvollziehen. Die akademische Selbstverwaltung der Universität tut sich damit keinen Gefallen. Durch ein, für die Bevölkerung, intransparentes Verfahren wurde eine Debatte erneut befeuert, die eigentlich schon vor Jahren abgeschlossen war.
(„Abstimmungsergebnis zu Namenspatron nicht nachvollziehbar. Universität soll Abstimmung der Bevölkerung erklären“ vom 18.01.2017)
Sondersitzung der Bürgerschaft
Die CDU-Bürgerschaftsfraktion beantragte gestern, am 22.01.2017, die Einberufung einer Sondersitzung für Montag, den 30.01.2017. Tagesordnungspunkt soll die „Stellungnahme und Appell der Bürgerschaft an die zuständigen Gremien der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald wegen des Beschlusses des Hochschulsenats zur Ablegung des Namens „Ernst-Moritz-Arndt“ vom 18.01.2017“ sein. Auf Grundlage einer von CDU- und Kompetenz für Vorpommern (KfV) erstellte Beschlussvorlage soll diese zusammen mit den Bürgerschaftsmitgliedern Peter Multhauf (Die LINKE) und Torsten Hoebel (Bürgerliste Greifswald – FDP) abgestimmt werden. Die Mitglieder des Senats müssten demnach ihre Entscheidung überdenken und der Beschluss bis zu einer Neubefassung des Senats ausgesetzt werden.
Wie bewerten Sie als Teil der Bürgerschaftsfraktion die Umbenennung der Universität?
Auf den folgenden Seiten werden Meinungsbilder weiterer Bürgerschaftsmitglieder ungekürzt dargestellt. Die Reihenfolge wird bestimmt durch den chronologischen Eingang der Antworten. Die o.g. Frage wurde durch Kriterien zur Bewertung der Rolle der Uni, der Rolle der Stadt (Vertretung), der Rolle der Bevölkerung und den aktuellen Umgang der verschiedenen Bereiche mit der Thematik „Ernst-Moritz-Arndt Ablegung“ aufgeworfen. Von der Fraktion Bürgerliste Greifswald – FDP erhielten wir bis Fristende keine Antwort.
Beitragsbild: Michael Sander via wikicommons
Ich entdecke, dass sich ein häßliches Wortspiel mit Arndt hier auf der Seite einschleicht. Dieser historisch aufgeladene Ausdruck weckt unangenehme Assoziationen, die sicherlich von niemandem der Senatoren, ob für oder wider, angestrebt wurden.
Das ist geeignet das ganze Thema tendenziell zu färben und bei Gegnern der Namensablegung unnötige Abwehrreflexe hervor zu rufen. Ich würde empfehlen auf diesen Ausdruck besser zu verzichten.
Davon ab glaube ich auch, dass die Bürgerschaft dem Senat der Uni keine Weisung per Beschluss erteilen kann. Die Senatoren ‚müssten‘ demnach sicher ihre Entscheidung nicht überdenken. Das ist dann wohl eher als eine Empfehlung zu verstehen.
Sehr geehrte Frau Heide,
Ernst-Moritz-Arndt lebte im 19. Jahrhundert und war also keine Person des Nationalsozialismus. Wussten Sie, dass E.M.Arndt als Hochschullehrer wegen seiner demokratischen Gesinnung und antifeudalen Haltung 20 Jahre Berufsverbot hatte?. Ihre Plattitüde „Universität und Stadt gehören zusammen“ sollten Sie am nächsten Montag mit einer bürgernahen Entscheidung mit Leben erfüllen. Zuvor sollte man sich aber als Entscheidungsträger mit der geschichtlichen Person E.M.Arndt, seinen positiven wie negativen Eigenschaften, näher befassen, dazu geben ja die vielen Leserbriefe und auch das Forum hier ausreichende Gelegenheit.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Schwenke,
genau! Nutzen wir als Quellen nur noch Leserbrief und Internetforen! Gerade die Leserbriefe in der OZ strotzen ja so Informationsgehalt und Toleranz!
Herr Hardtke,
bezogen auf ihre mathematischen Überlegungen zum Abstimmungsverhalten der studentischen Mitglieder des Senats habe ich folgende Überlegung:
Sie hatten bei der Kommunalwahl 2014 ein Ergebnis von 7,2% erreicht, bei einer Wahlbeteiligung von 42,1 %. Demnach sprechen Sie für eine Bevölkerungsmenge von knapp 3% aller Wahlberechtigten. So sollten Ihre Überlegungen zur Stadt auch nur zu 3% berückichtigt werden? Ist das Ihr Demokratieverständnis?
Ich meine, wenn die studentischen Senatsvertreter nicht die Interessen der Studierendenschaft in der Abstimmung eingebracht haben, dann werden dies die nächsten Wahlen zeigen.
Diesen Eindruck eines recht seltsamen Demokratieverständnisses habe ich ebenso bei Herrn Hardtke gewonnen.
Gehörte es nicht zu den Grundsätzen, dass gewählte Abgeordnete in diesem Land ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet sind… wo stand das nochmal geschrieben?
Ebenso ist das Bild, das er vermitteln will, nachdem die Mehrheit der Studierenden mit Herzblut dem Arndt als ihrem Patron verbunden sind und von der Entscheidung ganz erschüttert seien, wohl eher seiner Fantasie entsprungen. -.-
Eine interessante Lesart repräsentativer Demokratie… Beeindruckend sind mithin auch die vermeintlich klaren Mehrheitsverhältnisse, auf die sich Hardtke bezieht, verfügt er anscheinend über valide Datensätze, die die Präferenzen der Greifswalder konzis darstellen…“weit überwiegende Mehrheit“…
Interessant zudem, wobei dies auch für die CDU zutrifft, dass immer zwischen Bürgern und Studierenden unterschieden wird. Dabei muss man doch zugestehen, dass zwar alle Studierenden Bürger, nur wenige Bürger allerdings Studierende sind.
Dass das „Wir-Gefühl“ Greifswalds vom Namen E-M-A abhängig sein soll, halte ich zudem für einen billigen argumentativen Pappkameraden.
Es wird immer wieder behauptet, die Rückbenennung sei allein Sache der Studenten gewesen. Es stimmten aber 24 von 36 Senatoren für die Rückbennung! Das heißt, mindestens 12 Vertreter der Professoren oder Mitarbeiter haben ebenfalls gegen den Namenspatron votiert.
Auf der studentischen Vollversammlung hat sich die Studentenschaft übrigens mehrfach dafür ausgesprochen, auf den Namen Ernst Moritz Arndt zu verzichten. Die studentischen Senatoren hatten also die offizielle Rückendeckung der Studentenschaft! Wenn die vermeintliche passive Mehrheit der Arndtbefürworter nicht auf der Vollversammlung auftaucht, ist das ihr Problem.
Außerdem trifft die immer wieder geäußerte Behauptung, dass die Studenten nach ihrem Studium sowieso nicht mehr in Greifswald leben werden, NICHT auf alle Studenten zu. Die Stadt lebt vielmehr davon, dass ein Teil der Studenten nach ihrem Studium hierbleibt.
Des weiteren ist immer wieder von Gräben zwischen der Uni und der Stadt zu lesen, die durch die umstrittene Entscheidung zum Namenspatron aufgerissen worden seien.
Zum einen ist überhaupt nicht klar, wie viele Greifswalder überhaupt für den Namen Arndt sind. Viele haben wohl gar keine eindeutige Meinung dazu, weil sie den Namen nicht kennen. Zu beachten ist auch, dass ca. 20% der Einwohner Greifswalds Studenten und ca. 10% Uni-Mitarbeiter sind. Das heißt, die gewählten akademischen Senatoren sind die Vertretung für 30% der Bevölkerung. Selbst bei einer geringen Wahlbeteiligung in den Senatswahlen wurden diese immer noch von einem bedeutenden Teil der Bevölkerung gewählt.
Warum durch die Benennung einer Uni ein Gräben aufgerissen werden sollen, ist rational nicht erklärbar. Vielmehr rückt der Name in der Bezeichnung „Universität Greifswald“ zukünftig mehr in den Vordergrund! Allerdings wird Arndt, der in der DDR in der Schule gelehrt wurde, von einigen als Symbolfigur für Vorpommern gesehen (vgl. das Interview mit Prof. Stamm-Kuhlmann in der OZ vom 27.01.2017). Nach dieser Lesart war das Votum gegen Arndt ein Votum gegen Vorpommern! Ich hoffe, dass dieses unglaubliche Missverständnis aufgeklärt wird, in dem sich beide Seiten besser zuhören.
Danke an alle. Ich fand, dass er suchte!