„Nur auf die Mietpreisbremse zu setzen ist zu wenig“

Was halten Sie von der Mietpreisbremse?

Die finde ich gut, aber sie löst das Problem alleine nicht. Darum finde ich, nur auf die Mietpreisbremse zu setzen ist zu wenig. Sie kann in angespannten Wohnungsmärkten den unkontrollierten Anstieg von Mieten verhindern – dieses Ziel verfolgt sie ja auch, dem ist auch nichts entgegenzusetzen. Falsch wäre nur zu sagen: Damit haben wir das Problem gelöst. Eine angespannte Wohnraumsituation gibt es da, wo die Nachfrage das Angebot übersteigt. Deswegen glaube ich man muss an dem Angebot etwas machen. Es muss mehr Wohnraum geben. Dass in der Vergangenheit schon Wohnraum geschaffen wurde, ist ja unbestritten. Nur ist der manchmal auch in Segmenten der Mietpreishöhe angelangt, wo nicht jeder mieten kann. Insoweit muss man sich überlegen, wenn man sozialen Wohnungsbau möchte, wo die Mieten von vornherein niedrig sind, geht das nur, wenn auch Bund und Land da entsprechend handeln.

Was können und wollen Sie als Oberbürgermeister im Bereich des sozialen Wohnungsbaus tun?

Ich kann da wenig tun. Wir können unser städtisches Wohnungsbauunternehmen dafür interessieren, noch mehr zu bauen als sie es ohnehin schon tun. Es ist ja nicht so, dass wir keine Bauaktivitäten in dieser Stadt hätten. Sozialer Wohnungsbau heißt aber auch, dass die Miete um die fünf Euro pro Quadratmeter liegt und dafür können Sie heutzutage schlicht nicht mehr bauen. Wenn sie einen normalen Standard anlegen, auch bei den energetischen Forderungen, die es heute gibt, müssen sie damit rechnen, dass sie zwischen 6, 7, vielleicht auch 8 Euro pro Quadratmeter zahlen beim Neubau. Das sind aber nicht die Mietpreishöhen, die man vor Augen hat, wenn man vom sozialen Wohnungsbau spricht. Folglich muss man sich darüber Gedanken machen, wie man diese Investitonsvolumina, die der einzelne Investor stemmt, unterstützt. Da muss sichergestellt sein, dass man bei neun Millionen Investitionsvolumen drei Millionen vielleicht auf andere Weise zur Verfügung stellt, weil man damit nachhaltig das Mietniveau drücken kann. Das halte ich für akzeptabel und passend. Früher war es ja so, dass die Förderung durch zinsgünstige Darlehen erfolgt ist. Das ist heute aber nicht mehr möglich, denn zinsgünstige Darlehen bekommt heute jeder, der neu baut. Deswegen muss man überlegen, wie man es trotzdem hinbekommt, dass die Mieten einen sozialen Anstrich haben.

Ein Thema, das die Gemüter der Greifswalder erhitzt hatte, war die „Brinke 16/17“. Hätte Ihrer Meinung nach die Stadt etwas tun können, oder müssen, um die Eskalation und die Besetzung zu verhindern?

Da nehme ich für mich in Anspruch, etwas getan zu haben: Ich war die ganze Zeit deeskalierend unterwegs. Die Initiative war einige Male bei mir und hat im Vorwege mich auch um Hilfe gebeten. Das Problem ist aber, dass das Objekt kein Einzeldenkmal gewesen ist und insoweit war es am Ende so, dass der Investor entscheiden konnte, ob er das Gebäude saniert und umbaut oder abreißt und neu baut. Wir haben uns noch versucht einzubringen, in Tauschüberlegungen, das hat der Investor dann abgelehnt, weil seine ganzen Planungen viel zu weit fortgeschritten waren. Unterm Strich ist formalrechtlich nichts falsch gelaufen, das ist ein altes, auch schützenswertes Haus gewesen, aber es stand halt nicht unter Denkmalschutz, deswegen hatten wir als Verwaltung keinerlei Handhabe. Das ist im Grunde das, was dazu geführt hat, dass die Brinke heute nicht mehr da ist.

Wie empfinden Sie das Zusammenspiel zwischen Alt und Jung in Greifswald?

Das ist ein Punkt, den ich verbessern möchte. Ich denke, dass jede Generation für sich recht gut organisiert ist, aber das Zusammenleben der Generationen noch stärker verbessert werden könnte. Da sind für mich ehrenamtliche Initiativen ganz wichtig, wie etwa im Bürgerhafen. Da finde ich sehr schön, dass es dort Patenschaften gibt zwischen Menschen verschiedenster Generationen und Talenten, die das, was sie gut können, zur Verfügung stellen. Jemand, der das dann gut brauchen kann, kann das Angebot nutzen. Das finde ich gut und spannend, da können wir uns noch besser aufstellen. Wobei ich auch sagen möchte, dass ich das Zusammenleben zwischen Jung und Alt nicht als Problem empfinde,aber da ließe sich noch was dran drehen.

Jörg-Hochheim_Barbara_Söllner

Jörg Hochheim während seines Gesprächs mit dem webmoritz.

In letzter Zeit bekommt man das Gefühl, dass die Übergriffe gegenüber Frauen stark angestiegen sind. Was wollen Sie als Oberbürgermeister machen, dass sich die Greifswalderinnen wieder sicherer fühlen?

Jüngst sagte jemand zu mir: „Was läuft die Studentin da auch an dieser Gartenanlage um 18 Uhr umher?“ Ich habe gesagt: Das kann doch nicht ihr Ernst sein! Die hätte auch um Mitternacht da laufen können und müssen, ohne Angst haben zu müssen. Ich glaube, dass das der völlig falsche Ansatz ist, wenn Frauen darüber nachdenken, in welchen Regionen der Stadt sie sich wann aufhalten können. Ich möchte eine Stadt, die durchgängig Sicherheit nicht nur für Frauen, sondern für Alte und Junge, für Jungs wie Mädchen gleichermaßen bietet. Eine Gesellschaft muss das Sicherheitsbedürfnis der Menschen befriedigen können.

In Greifswald ist das Fahrrad das beliebteste Verkehrsmittel. Was wollen Sie tun, um die Zufriedenheit der Fahrradfahrer zu steigern? Wie wollen Sie Greifswald wieder zur Fahrradhauptstadt zu machen?

Die erste Untersuchung, in der wir Fahrradhauptstadt waren, war im Mai und die zweite war im Oktober. Von daher will ich mal sagen, wenn Sie mich im Oktober fragen, wie oft ich da Fahrrad fahre, dann ist das seltener als im Mai. Ich denke, wir sollten uns auch nicht an Statistiken festbeißen. Ich denke, dass wir schon viel für Greifswalder Fahrradfahrer getan haben, wir werden auch zukünftig noch viel für die Fahrradfahrer tun. Wir müssen in die Infrastruktur der Stadt investieren, dazu zählen für mich die Straßen und auch die Fuß- und Radwege. Dieses Thema der Fahrradstation am Bahnhof ist schon längere Zeit im Gespräch. Da gab es ja auch schon verschiedenste Planungen, die da umgesetzt werden sollen. Letztendlich hängt das ja auch von Fördermitteln ab, die man einwerben muss und an der späteren Betreibung eines solchen Hauses. Wenn es nicht einfach nur eine Fahrradabstellstation sein soll, sondern die auch Service bietet, muss man jemanden finden, der das auf sein wirtschaftliches Risiko betreibt. Ansonsten glaube ich, dass wir für Radfahrer schon einiges gemacht haben, sonst hätten wir ja nicht so viele, und zukünftig auch tun werden.

Wie stehen Sie zur Diagonalquerung?

Die Diagonalquerung ist eine Maßnahme, die die Bürgerschaft mal in Zusammenhang mit dem Radverkehrskonzept beschlossen hat. Die Verwaltung, also auch ich ganz konkret, haben sie daraufhin in den Haushalt eingestellt. Der Haushalt ist dann aber zweimal nicht so beschlossen worden, die Bürgerschaft hat sich ganz konkret für dieses Projekt nicht mehrheitlich ausgesprochen. Dann muss man sagen, da ich nicht viel Spaß daran habe, jedes Jahr die gleichen Debatten zu führen wir würden das Geld für die Diagonalquerung wieder einstellen, wenn ich ein Signal aus der Bürgerschaft bekäme, dass es von dort ein Interesse gibt und also auch eine Mehrheit. Dann können wir wieder darüber reden. Bis dahin würde ich einfach warten, was passiert. Jährlich neu dieses Thema aufzumachen, habe ich keine Muße.

In der Legislatur von Arthur König ist es immer wieder dazu gekommen, dass Bauprojekte, wie das technische Rathaus und der Poller, für Schlagzeilen gesorgt haben. Wie wollen Sie in Zukunft solchen Problemen entgegentreten und wollen Sie bei Verstößen gegen Bauverträge härter vorgehen?

Beim Technischen Rathaus hatten wir ja weniger Probleme mit dem Termin, sondern mit den Beauftragten der BauBeCon als unser Sanierungsträger, die damals dieses Vorhaben für uns durchführen sollten. Da hat sich dann herausgestellt, dass es einiges an Ungereimtheiten gab, weswegen man sich letztendlich auch von ihr getrennt hat. Herr Dr. Fassbinder würde an dieser Stelle jetzt sicher ausführen, dass er das schon immer so gewollt hat. Wir haben das Problem, dass wir die Abrechnungen, die die BauBeCon über viele Jahre nicht gemacht hat, jetzt ohne den Sanierungsträger durchführen müssen. Wenn sie vollständig ohne Kenntnis von Unterlagen Projekte abrechnen müssen, wie unser eigenes Rathaus – ich rede noch gar nicht vom Technischen Rathaus, sondern vom Rathaus, dem Markt oder Fischmarkt; die Maßnahmen, die Anfang der 90er Jahre gemacht wurden, sind immer noch nicht abgerechnet – dann ist es schwer, denn sie finden kaum noch die Leute, die von ihren damaligen Arbeitsabläufen noch berichten können. Wenn sie dann noch die Unterlagen nicht vollständig haben, ist das ganz schwer. Das war für mich damals der Grund, mit BauBeCon weitermachen zu wollen, um eben diese Abrechnung zu Wege zu bringen. Ansonsten bin ich froh, dass wir das jetzt in der eigenen Hand haben, weil es sich eben erwiesen hat, dass es einige Ungereimtheiten gab. So viel zum Stadthaus, das habe ich allerdings zu einem guten Ende geführt. Ich hatte es ja übernommen, da war ich noch Kämmerer. Ich habe es vermocht, das Projekt zu einem guten Ende zu führen, wir haben sogar noch 1,8 Millionen Euro gespart.

Beim Poller lag es ja weniger an technischen Voraussetzungen als an der Lernfähigkeit von Greifswaldern und Greifswalderinnen und ihren Gästen. Die latent vorhandene Neigung, hinter jemandem hinterherfahren zu wollen, der gerade diesen Poller bedient hat, um noch mit rüberzukommen. Das hatte ja schon skurrile Züge. Seit über einem Jahr arbeitet der Poller vollständig störungsfrei und ich glaube, da ist jetzt auch nicht das Problem.

Ihre Frage war jetzt auch noch bezogen auf die Zukunft, was ich da anders machen will, wenn es um Fristen geht. So viel müssen wir da gar nicht anders machen. Auch da ist es so, dass mein Mitbewerber der Auffassung ist, wenn man jetzt bestimmte Zeiten in die Verträge schreibt und sie mit Vertragsstrafen belegt, dann würde man ein Vorhaben vielleicht nicht schneller fertig bekommen, aber man hätte dann hinterher wenigstens das Geld dafür. Das ist sehr einfach gedacht, aber in der Lebenswirklichkeit funktioniert das nicht ganz so. Wir sind heute schon dabei, zu bestimmten Meilensteinen die Termine festzulegen und die sind auch mit Vertragsstrafen belegt. Aber es kommt in diesem Leben und in diesem Staat auch auf ein Verschulden an. Wenn Ihnen jemand nachweist, dass er den Termin unverschuldet nicht hat halten können, dann ist es sehr schwierig, bei Gericht Recht zu bekommen, sodass er trotzdem die Summe zahlen muss. Die Summe selbst muss angemessen sein. Man wird auch immer wieder auf Bauvorhaben stoßen, wo man hinterher feststellt, dass die Annahmen, die man vorher getroffen hat, nicht zutreffend sind. Da haben sie dann einen anderen Baugrund, als die vorherigen Erkundungen das gesagt haben. Dann kommt das Bauunternehmen zu Ihnen und sagt, dass das nicht die Traglast hat wie angenommen. Dann sind Sie dabei, den kompletten Boden auszutauschen. Das dauert Zeit, das kostet Geld und dadurch verzögern sich solche Vorhaben.

Greifswald profitiert von Initiativen wie dem Greifswald International Students Festival (GrIStuF). Wie wollen Sie solche Initiativen unterstützen?

Wenn ich das richtig wahrnehme, dann gibt es da Platzprobleme. Die Unterkünfte zu sichern wäre schon etwas, wo man anfangen muss. Wenn jemand in seiner ehrenamtlichen Arbeit damit beschäftigt ist, neue Räume zu suchen, dann tritt der Wert des Festivals in den Hintergrund. Ich denke, dass die Universität da auch gefordert ist, es ist ja keine rein städtische Veranstaltung. In Sachen GrIStuF weiß ich, dass für sie ja ein Platz in der Stralsunder Straße 10 reserviert ist. Ich hatte mich ganz intensiv dafür eingesetzt, das dem Petruswerk und Herrn Dr. Fernando wieder „abzujagen“, wenn Sie so wollen und der Initiative (Kultur- und Initiativenhaus, Anm. d. Red.) die Möglichkeit zu geben, die Stralsunder Straße 10 zurück zu erwerben und nach ihren Wünschen zu gestalten. Das sollte demnächst auch erfolgen. Man war zweimal bei mir und hat mir erklärt, wie die Baupläne sind und dass es ein paar Schwierigkeiten mit der Finanzierung gibt. Ich hoffe, dass die überwunden werden können. Denn da rein sollten solche Initiativen. In dem mir bekannten Konzept war für GrIStuF das Hauptquartier vorgesehen. Da kann man ja viele Initiativen unterbringen, und ich weiß jetzt nicht, warum das nicht so schnell von statten geht, wie wir uns das damals erhofft hatten.

Zum Theater: Welche Rolle nimmt das Theater Vorpommern für Sie ein?

Ich finde es ganz wichtig. Allerdings muss ich sagen, wenn ich im Theater bin – ich will nicht sagen, dass ich dann der Jüngste bin, das wäre falsch, aber mir fehlt häufig der Zustrom jüngerer Leute. Da sollten wir gemeinsam überlegen, wie uns das gelingen kann, die Jüngeren, die heutzutage wegen der Vielzahl der sonstigen Unterhaltungsmöglichkeiten, dazu bewegen können, auch in das Theater zu gehen. Es kostet uns eine Menge Geld, es ist von hoher Qualität und ich finde, es sollten auch viel mehr Leute diese Qualität sehen und wahrnehmen. Ich persönlich bin sehr gerne in den Ballettaufführungen, die finde ich grandios – „Anna Karenina“ zum Beispiel fand ich einfach beeindruckend. Ich denke mir, dass Schulklassen vielleicht wieder stärker in die Theaterlandschaft eingeführt werden sollten. Als ich klein war, gingen wir ein oder zweimal im Jahr im Klassenverband ins Theater. Damit wurde es gewisser Weise zur Normalität, dass man ins Theater ging. Viele Kinder, wenn sie nicht gerade im Klassenverband gehen, erleben das Theater heute gar nicht mehr. Und darum sollten wir versuchen über die Schulen das wieder zu intensivieren.

Welches Modell ist für Sie die beste Variante für das Theater?

Die beste Variante wäre ganz ohne Zweifel die, dass die Theater Vorpommern GmbH, also die derzeitige Struktur aus den Theatern Greifswald, Stralsund und Putbus, fortgeführt werden könnte, aber unter der Maßgabe, dass sie auch finanzierbar ist. Nach meiner derzeitigen Kenntnis gehen alle Berechnungen davon aus, dass dieses Modell nur funktionieren kann, wenn Greifswald, Stralsund und die anderen Gesellschafter, aber auch das Land, ihre Zuschüsse erhöhen. Für Greifswald würde ich das nicht einmal definitiv ausschließen, ich könnte mir vorstellen, dass die Bürgerschaft das sogar mehrheitlich mittragen würde. Ich bin nicht sicher, wie die anderen Gesellschaften es halten und ich weiß vor allem nicht, wie das Land das bewertet. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit dem Land ist es eher so, dass man nicht von Vornherein erklärt hat, man würde jetzt – weder für die Uni noch für die Theater – tendenziell mehr Geld zur Verfügung stellen. Die BAföG-Mittel, wenn sie kommen, werden durchgereicht, das ist eine super Sache. Aber für das Theater haben sie solche Bundesmittel nicht bekommen, die weiter geleitet werden können. Wenn das Theater in seiner bisherigen Struktur fortgeführt werden könnte und die Finanzierung gesichert wäre, wäre das das Vorzugsmodell. Wenn aber nicht, dann sollten wir uns auch diesen Fusionsüberlegungen nicht verschließen, weil ich besonders schlecht fände, wenn wir beides nicht hinkriegen. Denn dann haben wir das Theater in seinen bisherigen Strukturen, aber die Finanzierung ist nicht geklärt. Und dann kann es uns passieren, was wir alle nicht wollen, dass wir über einen Spartenabbau nachdenken, der noch einschneidender wäre als die Fusion – die ich nicht favorisiere, die aber, wenn das andere Modell nicht greift, vielleicht noch ein gangbarer Weg sein kann, das Theater in der Region qualitativ hochwertig noch erleben zu können.

Danke für das Gespräch.

Fotos: Katrin Haubold