RoSa-WG_Katrin HauboldEin Interview von Julia Keim, Fee Wüstenberg und Tobias Bessert.

Nach einem langen Streit ist es nun klar: Die RoSa-WG muss aus ihrer Unterkunft in der Bahnhofstraße ausziehen. Im webmoritz.-Interview blicken Clubchef Murat Demirkaya und Arvid Laubsch (alias Arvid der DJ) auf den Streit mit Vermieter Dieter Rex zurück und sprechen über die Zukunftspläne.

webmoritz.: Warum trägst du eigentlich Ohrschmuck, Murat?
Murat: Den hat mir Arvid geschenkt. Als wir draußen vor dem Gebäude gegrillt haben, hat er ihn gefunden und mir geschenkt. Zwei Tage später habe ich mir einen neuen gekauft, seitdem trage ich ihn.
webmoritz.: Wie kamt ihr überhaupt auf die Idee, einen Club aufzumachen? Ist einer von euch morgens aufgewacht und hat gesagt: „Das ist es, das fehlt der Stadt noch?“
Murat: Nein. Wir hatten gesehen, dass es zwar schon gute kulturelle Angebote in Greifswald gab. Wir wollten aber selber etwas auf die Beine stellen, einen Raum mit eigenen Ideen füllen und davon hatten wir viele.
webmoritz.: Warum gibt es schon seit längerem keine Partys mehr bei euch?
Murat: Weil uns der Strom vor zwei Wochen abgestellt wurde. Uns fehlt der Raum, aber wir suchen gerade nach einer neuen Location. Wenn wir unterwegs sind, gucken wir, ob wir etwas finden, aber die Möglichkeiten in Greifswald sind beschränkt.
webmoritz.: Das heißt ihr möchtet dann auch weitermachen, wenn ihr hier raus seid?
Murat: Auf jeden Fall!
webmoritz.: Denkt ihr, dass wenn ihr eine neue Location gefunden habt, die Partys genauso gut werden wir hier?
Arvid: So gut wird es nie wieder! Diese Location war perfekt. Während der ganzen Zeit, die wir hier hatten, gab es nie eine Beschwerde wegen der Lautstärke. Wir haben die komplette Fensterwand zugemauert, da ist überhaupt kein Ton nach außen gegangen. Und nochmal so eine Location zu finden, die so zentral gelegen ist und wo die Nachbarn so okay sind, ist in Greifswald gar nicht möglich.
webmoritz.: Es herrschen viele Unklarheiten über eure Lage. Was waren die genauen Abstimmungen mit eurem Vermieter?
Murat: Wir hatten die Vereinbarung getroffen, dass wir bis zum 31. Oktober hier raus sind. Und das gehen wir jetzt kommende Woche an, da werden wir hier alles rausschmeißen. Wir wollen unsere Couchen spenden. Einige behalten wir auch noch, aber der 31. Oktober ist der Stichtag.
webmoritz.: Und warum hat Herr Rex trotzdem den Strom abgestellt?
Murat: Ich weiß es nicht. Wir haben immer das Gespräch mit ihm gesucht, er wirft uns aber trotzdem fehlende Kooperation vor. Er hat irgendwelche Couchen aus dem Treppenhaus weggebracht und dafür sollten wir dann die Kosten bezahlen. Das ist ein Kleinkrieg, der von uns überhaupt nicht gewollt ist. Das ist eigentlich sehr schade.

“Eskalieren lassen möchten wir es nicht.”

Sitzen seit zwei Wochen im Dunkeln. Arvid Laubsch und Murat Demirkaya (v.l.)

Sitzen seit zwei Wochen im Dunkeln. Arvid Laubsch und Murat Demirkaya (v.l.)

webmoritz.: Ihr hattet vor ein paar Wochen auf Facebook gepostet, ob man sich nicht ein Beispiel an der Brinke WG nehmen soll, aber das ist nicht geplant, dass ihr einfach hier bleibt?
Murat: Nein, auf keinen Fall. Es ist schon sehr schade, dass wir hier raus müssen, aber das soweit eskalieren zu lassen, dass möchten wir nicht. Oder willst du das hier besetzen Arvid? (lacht)
webmoritz.: Ihr habt ja zwei Demos geschmissen. Haben sich die Ziele mit den Demos erfüllt?
Murat: Wir wollten einfach auf unsere Lage aufmerksam machen. Wir wollten zeigen, dass gewisse Initiativen, die nicht mit einem potenten finanziellen Hintergrund ausgestattet sind, wie die Polly Faber, in Greifswald keine Wurzeln fassen können. Wir sind ein finanzielles Risiko eingegangen und wir haben hier so viel Arbeit reingesteckt. RoSa war ein gut laufender Betrieb, der einigen Studenten das Studium finanziell ermöglicht hat. Das ist sehr schade, so etwas abzusägen und das ohne Not. Herr Rex hätte bis heute Miete kassieren können, da stellt sich mir die Frage, warum er den Mietvertrag gekündigt hat.
webmoritz.: Plant ihr noch eine dritte Demo zu machen?
Murat: Wenn das nötig sein sollte. Wir werden weiterhin am Ball bleiben und auf unsere Situation aufmerksam machen. Kultur ist ein weicher Standortfaktor, mit dem wir Studenten nach Greifswald locken können. Greifswald hat viele kulturelle Angebote. Wenn es aber solche Initiativen wie RoSa gibt, dann ist es doch schade, wenn man sie nicht fördert und ihnen Steine in den Weg legt.
webmoritz.: Denkt ihr, dass sich das Bild des Clubs in der Greifswalder Öffentlichkeit durch die Demos eher verbessert oder verschlechtert hat?
Arvid: Ich glaube, wir haben genau das Gegenteil erzeugt von dem, was wir überhaupt wollten. Wir haben uns damit kein Stück beliebt gemacht. Die Autofahrer, die zu der Zeit durch die Stadt gefahren sind, werden uns gehasst haben. Es gab so viele verärgerte Gesichter, so viele entnervte Leute.
Murat: Ich habe ganz viele Leute gesehen, die ihr Handy rausgeholt haben, Fotos gemacht und gewunken haben. Verärgerte Gesichter habe ich nur vereinzelt gesehen. Man hat gesehen, da ist etwas Neues und das fanden viele ganz lustig. Ich glaube, den Trouble, den wir verursacht haben, hat sich noch in Grenzen gehalten.
webmoritz.: In der Anklamer Straße gab es ja auch „Gegendemonstranten“. Wisst ihr, was es damit auf sich hatte?
Murat: Das war unser Kumpel Charlie. Er hat die Kinder, die er betreut, Schilder machen lassen, auf denen stand, dass wir arbeiten und nicht feiern sollten. Wir fanden das ganz lustig, aber viele haben das, wegen des fehlenden Hintergrunds, nicht verstanden.

“Uns vorwerfen, wir würden gewinnorientiert arbeiten, geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.”

Bis 31. Oktober will RoSa aus der Bahnhofstraße ausgezogen sein

Bis 31. Oktober muss RoSa aus der Bahnhofstraße ausgezogen sein.

webmoritz.: Versteht ihr, warum sich viele Leute über den Weg, den ihr eingeschlagen habt, beschweren?
Murat: Wir waren in dem Moment am Ertrinken. Ein Ertrinkender bittet nicht leise und gesittet um Hilfe, er schreit nach Hilfe. Das haben wir auch gemacht.
webmoritz.: Einige Leute sagen, dass ihr nicht zur studentischen Kultur gehört. Was haltet ihr davon?
Murat: Studentische Kultur ist schwierig zu definieren. Das Wort kommt von machen, etwas tun. Wir sind Studenten, zum größten Teil und wir legen unser Programm auf Studenten aus. Der Vorwurf, dass wir auf Profit ausgerichtet sind, ist falsch. Wir durften am Anfang zwei Veranstaltungen im Monat machen. Das ist sehr risikoreich und dann haben wir immer noch eine Veranstaltung abgegeben um eine „Laut gegen Rechts“-Party zu machen. Da sind die gesamten Einnahmen an Initiativen gegen Rechts gegangen. Und uns dann vorzuwerfen, dass wir gewinnorientiert arbeiten, geht an der Lebenswirklichkeit vorbei. Wir haben unseren Angestellten 7 Euro die Stunde bezahlt und so geholfen, ihr Studium zu finanzieren.
webmoritz.: Was wird man als nächstes über RoSa hören?
Murat: Diese Woche trifft sich wieder die Bürgerinitiative „Rettet die Innenstadt und Fleischervorstadt“. Da wird auch über unsere Lage diskutiert. Außerdem wollen wir RoSa in einen Verein umstrukturieren, um so Türen zu öffnen, die uns bis bisher verschlossen sind. Wir wollen auch unsere Internetpräsenz ausbauen. Wir arbeiten gerade an einem Account auf hearthis.
webmoritz.: Murat und Arvid, vielen Dank für das Interview.

Fotos: Katrin Haubold (Beitragsbild, Gebäude – Archiv), Tobias Bessert (im Club)